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4. überarbeitete Auflage 2018
© 2018 by Redline Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH, Nymphenburger Straße 86
D-80636 München
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Fax: 089 652096
Dieses Buch ist eine überarbeitete und aktualisierte Ausgabe des mi-Wirtschaftsbuchs von 2010 selbigen Titels.
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Redaktion: Monika Spinner-Schuch, Bad Aibling
Umschlaggestaltung: Manuela Amode, München
Umschlagabbildung: shutterstock/Vjom, Vector, Olga Nayashkova, oxygen_8, AlenKadr; iStockphoto.com/sergwsq
Satz: Röser MEDIA GmbH & Co. KG, Karlsruhe
Druck: GGP Media GmbH, Pößneck
Printed in Germany
ISBN Print 978-3-86881-691-4
ISBN E-Book (PDF) 978-3-86414-996-2
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86414-997-9
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Geleitwort von Torben L. Brodersen: Franchising – der moderne Mittelstand
Geleitwort von Christoph Wildhaber: Franchising – eine Erfolgsgeschichte auch in der Schweiz
Geleitwort von Barbara Rolinek: Mit System zum Erfolg!
Einleitung
1.Franchising – Was ist das?
1.1Vom Product-Distribution- zum Business-Format-Franchising
1.2Business-Format-Franchising
1.3Marke – Was ist das?
1.4Brand-Franchising
1.5Neue Herausforderungen im Franchising
2.Wohin entwickelt sich Franchising?
2.1Green Franchising
2.2Intercultural Franchising
2.3Co-Branding-Franchising
2.4Cultural Franchising
2.5Social Franchising
2.6Best-Age- und Golden-Age-Franchising
2.7Health Franchising
2.8Conversion-Franchising
2.9Industrial Franchising
2.10Disruptive Franchising
2.11Event-Franchising
Dialog Im Dunkeln
Innovative, frische, handgemachte Kosmetik nach ethischen Maßstäben
Die Boxgirls-Methode für inklusive Gemeinschaften
Selbstbestimmt umsorgt
Samocca Kaffeerösterei – Café – Deli
Digitalisierung von Geschäftsprozessen
Die Maker-Bewegung – eine weltweit wachsende Community
Industrial Franchising im Bereich der Wasserwirtschaft
3.Die acht Wahrheiten im Franchising
3.1Franchising eignet sich für gesunde Unternehmen
3.2Franchising ist eine strategische Entscheidung
3.3Franchising braucht Vorsprungsmerkmale
3.4Franchising braucht Persönlichkeit
3.5Franchising heisst Interaktion, Innovation und Reflexion
3.6Franchising erfordert Denken in Konsequenzen
3.7Franchising ist eine Kulturleistung
3.8Franchising bedeutet stetige Effizienzverbesserung
4.Franchise-Denkwerkzeuge
5.Anmerkungen
6.Literatur
7.Websites
8.Danksagung
9.Autoreninformationen
10.Stichwortverzeichnis
Die deutsche Franchise-Wirtschaft zeigt sich auch in turbulenten Zeiten als stabiler Wirtschaftsfaktor. Die Idee: Mittelständische Unternehmer öffnen als Franchise-Geber die eigene erprobte Geschäftsidee für Partner, die als Franchise-Nehmer selbstständige Unternehmer werden und unter einem gemeinsamen Markendach auftreten. Ziel dieser Unternehmen ist es, neue Wege des Wachstums, neue Märkte und neue Kundengruppen zu erreichen. Franchising ist für viele der optimale Weg für eine erfolgreiche Expansion. Besonders in schwierigen Zeiten erweisen sich Unternehmerkooperationen als nahezu krisenfest. Das belegen die Statistiken des Verbandes. Bereits seit vielen Jahren führt der Deutsche Franchiseverband statistische Erhebungen durch, deren Ergebnisse die rasante Entwicklung dieses Wirtschaftszweiges belegen. So stieg die Zahl der Franchise-Geber in den letzten Jahren deutlich an. Aktuell sind in Deutschland rund 950 Systeme mit knapp 120.000 Partnern aktiv. Auch die Umsätze können sich sehen lassen: Mit 103 Milliarden Euro stiegen sie 2016 im Vergleich zum Vorjahr um satte 4,8 Prozent.
Diese Erfolgsgeschichte basiert auch auf immer neuen, innovativen Geschäftsideen, die gezielt in den hoch motivierten Lern- und Innovationsgemeinschaften multipliziert werden. Auch in Zukunft ist mit einer weiteren Zunahme neuer Franchise-Ideen zu rechnen. Besonders viel Potenzial liegt dabei in den Sektoren Gesundheit, Pflege und haushaltsnahe Dienstleistungen, aber auch Konzepte aus dem Social Franchising dürften immer mehr Interessenten für sich gewinnen. Allen Franchise-Interessierten steht der Verband gern beratend zur Seite. Wissenswertes zur Franchise-Wirtschaft steht auf »www.franchiseverband.com« zur Verfügung. Ebenso übrigens wie ein innovativer Systemfinder, der Gründungsinteressierte effektiv bei der Suche nach dem richtigen System unterstützt.
Torben L. Brodersen
Geschäftsführer Deutscher Franchiseverband, Berlin
Nicht nur in turbulenten Zeiten stehen Unternehmen vor der Frage, welcher Vertriebsweg der richtige für ihre Produkte und Dienstleistungen ist. Tausende von Unternehmen haben weltweit bewiesen: Franchising stellt eine attraktive Lösung dar. Auch in der Schweiz. Mehr und mehr Unternehmen in der Schweiz nutzen die Chance, mit Franchising zu wachsen. Zunehmend wird Franchising als eigentliche »Business Process Outsourcing«-Strategie verstanden. Ganze Geschäftsprozesse werden – wie etwa der Vertrieb – ausgelagert. Franchising als integrierte Form der Distribution ist aufgrund des systematischen und standardisierten Vorgehens dafür besonders geeignet. Der Schweizer Franchise Verband geht davon aus, dass heute etwa 300 Franchise-Systeme direkt oder indirekt in der Schweiz vertreten sind; darunter so bekannte Namen wie McDonald's, Migros, Esprit oder RE/MAX. Franchise-Systeme sind wettbewerbsfähig und stellen ihre Profilierung am Markt kundenorientiert in den Vordergrund. Das für Franchising typische einheitliche Vorgehen führt dazu, dass sich professionelle Franchise-Systeme wirtschaftlich überdurchschnittlich entwickeln können. Auch in der Schweiz heben sich Franchise-Systeme oft aufgrund ihrer attraktiven Alleinstellungsmerkmale von nicht franchisierten Unternehmen ab. Die Standortvorteile der Schweiz (beispielsweise ein steuerfreundliches Umfeld, finanzielle Stärke, stabile Verhältnisse) im Herzen von Europa, kombiniert mit einem anspruchsvollen, qualitätsbewussten Verbraucherumfeld, machen die Schweiz zu einem idealen Testmarkt gerade auch für die internationale Entwicklung von Franchise-Systemen. So haben einige internationale Franchise-Ketten ihren Standort für ihre europäische Zentrale in der Schweiz gewählt. Der Schweizer Franchise Verband fördert die Entwicklung von Franchising und unterstützt seine Mitglieder in deren Aktivitäten. Mit der Vermittlung der »Best Practices« in einem Franchise-System wird eine einheitlich hohe Qualität in der Franchisierung angestrebt. Der Verband bietet zu diesem Zweck unter anderem Mitgliedern und allgemein an einer Franchisierung interessierten Unternehmen einen entsprechenden Intensivkurs an (siehe www.franchiseverband.ch). Die Nachfrage und positive Resonanz der Teilnehmer zeigen, dass Franchising ungebrochen eine Erfolgsstrategie ist.
Dr. Christoph Wildhaber
Geschäftsführer Schweizer Franchise Verband, Zürich
Die Vorzüge von Franchising sind vielfältig. Allen voran steht, dass beide – sowohl der Franchise-Geber als auch der Franchise-Nehmer – als selbstständige Unternehmer agieren und das gleiche Ziel vor Augen haben: gemeinsam erfolgreich zu sein! Franchising zählt heute zu den erfolgreichsten und zukunftsträchtigsten Organisations- und Vertriebskonzepten der Gegenwart und fördert das mittelständische Unternehmertum. Die Basis für die erfolgreiche Kooperation im Franchise-System bilden neben dem Franchise-Vertrag eine konsequent gelebte Partnerschaft und Kommunikation auf Augenhöhe.
Jung, dynamisch, erfolgreich: So präsentiert sich die österreichische Franchise-Wirtschaft auch 2017! Franchising in Österreich zeichnet sich durch starkes Wachstum und Branchenvielfalt aus. Keyfacts: etwa 500 Systeme, über 10.000 Standorte und ein Umsatzvolumen von über 9 Milliarden Euro. Dieser stark positive Wachstumstrend wird sich aller Voraussicht nach auch in den kommenden Jahren fortsetzen, denn laut unserer neuesten Statistik erwarten drei Viertel der Systeme in Österreich in den kommenden zwei Jahren ein weiteres Umsatzwachstum und planen die Aufnahme neuer Franchise-Nehmer.
Beim Österreichischen Franchise-Verband (ÖFV) stehen vor allem die Menschen im Mittelpunkt. Menschen, die sich selbst verwirklichen möchten, die Unternehmer werden wollen oder bereits sind. Seit über 30 Jahren ist der ÖFV zentraler Repräsentant der Österreichischen Franchise-Wirtschaft und lebt dafür, Franchise-Geber, Franchise-Nehmer, Experten und Interessenten zu vernetzen. Der Verband hat insbesondere die Aufgabe, die Interessen der Franchise-Wirtschaft wahrzunehmen, das seriöse Franchising zu fördern und als Informationsplattform zu dienen. Der ÖFV stellt die Qualitätsgemeinschaft von Franchise-Systemen in Österreich dar und versteht sich als Verband für Franchise-Geber und Franchise-Nehmer, profitiert jedoch gleichzeitig vom Know-how der als Experten angeschlossenen Franchise-Rechtsanwälte und Franchise-Unternehmensberater.
Mehr über den ÖFV und seine Leistungen unter www.franchise.at.
Mag. Barbara Rolinek
Generalsekretärin Österreichischer Franchise-Verband, Brunn am Gebirge
Was haben das »World Economy Forum«, »Dialogues in the Dark« und »Kieser Training« gemeinsam? Sie nutzen die Wachstumsstrategie Franchising! Es gibt heute kaum noch eine »franchisefreie« Branche. Das hat gute Gründe. In der Start-up-Szene wird Franchising häufig schon in der Entwicklungsphase, zur Multiplikation des Geschäftskonzepts, mitgedacht. Darin liegt die Essenz des Franchisings. Es geht um das Schaffen erfolgsrelevanter Standards, die die Vervielfältigung kalkulierbar wie delegierbar machen. Damit bilden sie die Grundlage für Kooperationen. Die markenrelevante Ausgestaltung und das Austarieren der fixen Regeln wie Freiheiten sind jedoch so individuell wie jedes Geschäftskonzept und deren Gründerpersönlichkeiten. Das Franchise-Prinzip ist entsprechend vielfältig anwendbar. Hier setzen wir mit unserem Praxisbuch Franchising an.
Wir bieten Ihnen im ersten Teil einen kurzen Einstieg zur Entwicklung des Franchisings und zur Bedeutung der Markenbildung. Sodann gehen wir auf die neuen Herausforderungen ein. Im zweiten Teil präsentieren wir Ihnen neue und zukunftsträchtige Konzepte und Ideen. Diese leiten wir von den aktuellen Megatrends ab. Tipps und Beispiele komplettieren diesen Part. Im dritten Teil beginnt unser Workbook. Hier gehen wir mit Ihnen die Franchise-Entwicklung und -Überprüfung Schritt für Schritt anhand unserer »Acht Wahrheiten im Franchising« durch. Diese ganzheitliche Vorgehensweise hat sich in unserer Beratungspraxis als sehr effizient erwiesen, um Geschäftskonzepte auf die Franchise-Fähigkeit hin zu analysieren. Zu den einzelnen Wahrheiten lernen Sie über Statements von Franchise-Gebern und Franchise-Nehmern deren Perspektive im »O-Ton« kennen. Angehende Franchise-Geber, Start-ups und Franchise-Nehmer erhalten am Ende der acht Überprüfungsschritte jeweils auf sie abgestimmte Hinweise (»Next Steps«). Lesen Sie sich ruhig auch die jeweils beiden anderen Perspektiven durch, um ein ganzheitliches Franchise-Verständnis zu entwickeln. So können Sie sicherer starten. Im vierten und letzten Teil des Buches finden Sie unsere Franchise-Denkwerkzeuge, die wir in Kursen und Workshops anwenden. Vielleicht geben sie Ihnen Impulse bei der Erarbeitung Ihres Konzepts und beim Aufbau Ihres Systems oder Ihres Franchise-Unternehmens. Franchising entwickelt sich zu einem Meta-Werkzeug, mit dem immer neue Einsatzgebiete erobert werden können. Nutzen Sie es von Beginn an zur erfolgreichen Entwicklung, Überprüfung und Multiplikation Ihres Geschäftskonzepts. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen eine anregende und nutzenstiftende Lektüre.
Veronika Bellone und Thomas Matla
Zug und Berlin, im Januar 2018
www.bellone-franchise.com
Franchising ist eine Wachstums- und Profilierungsstrategie für Start-ups und bereits etablierte Unternehmen. Eine spezielle Vorgehensweise, um erfolgreiche Geschäftskonzepte zu multiplizieren. Für Personen, die sich beruflich selbstständig machen wollen, ist es eine Karrierestrategie. Diese Existenzgründer investieren als Franchise-Nehmer in ein bereits erprobtes Franchise-Geschäftsmodell.
Was so simpel klingt, braucht eine solide und vor allem umfassende Vorbereitung. Einen Rundumblick, um die fortwährenden Marktveränderungen, die Chancen und Risiken für das entstehende Franchise-System zu analysieren. Bevor wir uns dem praktischen Aufbau von Franchise-Systemen widmen, lohnt sich ein kurzer Blick auf die Entstehungsgeschichte und die aktuellen Trends.
Der Begriff »Franchising« stammt aus dem mittelalterlichen Frankreich. Dort wurde darunter die Vergabe von Privilegien an Dritte verstanden, die gegen ein Entgelt im staatlichen Interesse produzieren oder Handel betreiben durften. Ins amerikanische Wirtschaftsvokabular übernommen, wurde Franchising in seinen Ausprägungen den Bedingungen der Märkte entsprechend weiterentwickelt.
Franchising hat sich zu einer enormen Erfolgsstory rund um den Globus entwickelt. Während in den Schwellenländern China, Brasilien und Indien eine Aufbruchsstimmung auf der Überholspur zu spüren ist, entstehen in den Industrieländern, aus den vielen digitalen und medialen Möglichkeiten heraus, ein neues Selbstverständnis und Selbstbewusstsein. Es ergeben sich vielfältige neue Impulse für die globale Franchise-Wirtschaft. In den aufstrebenden Nationen sind nicht nur die bekannten ausländischen Franchise-Marken präsent, zunehmend werden auch inländische Konzepte per Franchising multipliziert und nehmen beeindruckende Dimensionen an. In Deutschland gehen wir von ca. 950 Franchise-Systemen aus.1 In Brasilien präsentieren sich bereits gut dreimal so viele Franchise-Konzepte. In China ist mit rund 5.000 Systemen zu rechnen, auf Augenhöhe mit den USA. Nicht nur die reinen Zahlenwerte sind beeindruckend. Auch der Umgang mit der beruflichen Selbstständigkeit und der Übernahme von Franchisen seitens der Existenzgründer ist in Schwellenländern sehr viel offener und motivierter. Das ist sowohl kulturell bedingt als auch aus der Situation heraus geboren. Der Druck, dem Leben eine neue und aussichtsreichere Perspektive zu geben, ist grösser. In der »westlichen Welt« hängt die Übernahme von Franchise-Konzepten stark von der gesamtwirtschaftlichen Situation ab. Je höher die Beschäftigungsquote ist, desto eher gerät die Notwendigkeit, nach alternativen Lösungen für die Erwerbstätigkeit zu suchen, ins Hintertreffen.
Franchise-Systeme sind in unserem wirtschaftlichen Umfeld fest verankert und prägen national wie international Innenstädte mit bekannten Marken wie McDonald's, Marc O'Polo, Yves Rocher, Swarovski, Mango und vielen anderen. Allen gemeinsam ist die Multiplikation eines erfolgreichen Geschäftskonzepts. Genau hier hat sich seit den 40er-Jahren des letzten Jahrhunderts sehr viel verändert. Galt zuvor vor allem der reine Produktvertrieb nach einem einheitlichen Muster als »modernes« Franchising (»Product-Distribution-Franchising«), so entwickelte sich mit zunehmend serviceorientierten und komplexeren Geschäftsmodellen das umfassende Geschäftsführungs-Franchising (»Business-Format-Franchising«). Hier werden den Franchise-Partnern nicht nur Vertriebs- und Markenrechte gegen Entgelt übertragen, sondern auch das relevante Know-how für die Betriebsführung, für die erfolgreiche Vermarktung des Leistungsangebots. Als Wegbereiter für diese Form des Franchisings gelten vor allem amerikanische Fast-Food-Ketten. Sie verstanden produktivitätssteigernde Methoden im gleichen Masse anzuwenden wie in der Industrie. Sie systematisierten Arbeitsprozesse zur Herstellung von Hamburgern und Milchshakes ebenso, wie sie Erfolgsfaktoren im Auftritt beschrieben. Damit standardisierten sie sowohl Produkte und Prozesse als auch physikalische Gegebenheiten und menschliche Services, um sie zu vervielfältigen.
Damit wurde Franchising als Wachstumsstrategie mit neuen Werten aufgeladen, nämlich dem Serviceversprechen einer gleichbleibenden Qualität an verschiedenen Standorten, der schnellen Reproduzierbarkeit und der Wiedererkennung durch einen einheitlichen Auftritt der Geschäftsstellen. Werte, die den Erfordernissen der entstandenen Massenmärkte nach dem Zweiten Weltkrieg entsprachen.
Im Jahr 1935 war es Howard Johnson, der in den USA Franchisen für seine Eisdielen-Idee vergab. Nach vier Jahren existierten bereits mehr als 100 Eissalons. Auch die Fast-Food-Kette Dairy Queen, die ihren Siegeszug 1940 startete, kann auf eine beeindruckende Geschichte zurückblicken. Es gibt heute über 6.700 Restaurants in 25 Ländern.2 Eine Kette allerdings vermag diese Zahlen noch bei Weitem zu schlagen: McDonald's. Vierzehn Jahre nach Dairy Queen machte sich Ray Kroc daran, das McDonald's-System zu entwickeln und zu verbreiten. Heute gibt es weltweit rund 37.000 Restaurants.3
Das Business-Format-Franchising steht seither im Mittelpunkt des Interesses und hat sich in vielen Branchen durchgesetzt. Ob im Aus- und Weiterbildungsbereich mit Sprach-, Nachhilfe- und Musikschulen, im Handwerk, in der Produktion, im Vertrieb und in der Dienstleistungsbranche mit Friseurketten, Vermittlungsdiensten, Personalberatungen und vielen anderen Konzepten – die Variationsbreite ist gross. Damit ist Franchising auch vermehrt Privatpersonen zugänglich geworden. Waren es beim Product-Distribution-Franchising vor allem Partnerfirmen, die das exklusive Vertriebsrecht für ein bestimmtes Produktsortiment hatten, werden beim Business-Format-Franchising auch potenzielle Existenzgründer angesprochen.
Das Profil der Franchise-Nehmer reicht von bereits fachlich vorgebildeten Personen bis hin zu absolut branchenfremden. Das ist vor allem dank der diversen Unterstützungsleistungen zur Integration und Führung von Franchise-Partnern möglich. Bis auf solche Franchise-Konzepte, die einen Fachausweis erfordern – zumeist im Handwerk –, sind die Anforderungen relativ berufsungebunden. So erklärt sich unter anderem auch die starke Entwicklung des Franchisings als Karrierestrategie für Angestellte, die eine neue Perspektive suchen.
Was ist eine Marke? »Markierungen« dienen seit jeher der Kennzeichnung von Produkten und Leistungen. Zu allererst wahrscheinlich zur Klärung der Eigentumsverhältnisse. So wird das Einbrennen der Brandzeichen auf amerikanischen Rindern noch immer gern als Ursprung des Brandings kolportiert. Markierungen, als Vorläufer der heutigen Marken, reichen historisch weiter zurück. So könnte der Siegeleinsatz im Jahr 3.000 vor Christi Geburt oder die Nutzung von Wasserzeichen als Papiermarken im Jahr 1326 bereits als praktische Markierung gewertet werden. Im ägyptischen, griechischen und römischen Reich sowie über das Mittelalter hinaus gab es Markierungen als Qualitätsnachweise, als Garantie- und Gütezeichen sowie als Herkunfts- und Zunftzeichen von Künstlern, Herstellern, Werkstätten und Berufsständen. Spuren davon finden sich in der griechischen (»Marka«), italienischen (»Marca«) und französischen Sprache (»Marque«) sowie im Mittelhochdeutschen (»Marc« als Grenze und Grenzland).
Diese Markierungen wurden von den Herstellern oder Zwischenhändlern jedoch noch sehr zaghaft auf den Behältern, Kisten und Fässern der Rohstoffe vorgenommen. Es gab nur wenige Ausnahmen von Produktmarkierungen, zum Beispiel im Lebensmittelbereich, auf Broten und auf bestimmten Backwaren.
Übrigens gibt es auch heute noch »markierte Brote«: Brote, deren Herstellung man per Lizenz erwerben kann. Das patentierte und mehrfach ausgezeichnete »Pain PAILLASSE®«, vom Bäcker Aimé Pouly in Genf entwickelt, gilt als Grand-Cru-Produkt und wird von ausgewählten Bäckereien in der Schweiz sowie im Ausland vertrieben (http://paillasse.ch). Das ebenfalls schweizerische Franchise-System ParaMediForm (Ernährungsberatung) hat ein Brot namens »ParaPan®« kreiert, das bereits in rund 800 lizenzierten Verkaufsstellen in der Schweiz angeboten wird.
www.parapan.ch
Die industrielle Fertigung hat die Markierung von Produkten schlagartig verändert. Die schnelle Massenproduktion erlaubte fertig verpackte Einzelprodukte, die gestaltet und markiert werden konnten. Zum Schutz dieser industriellen Anstrengungen wurde 1875 das erste deutsche Markenschutzgesetz erlassen. Als älteste damals eingetragene Marke, die heute noch aktiv ist, gilt die Staatliche Porzellan-Manufaktur Meissen (Bildmarke Schwerter). Sie wurde am 20. Mai 1875 angemeldet und am 23. Januar 1895 registriert. Heute lassen sich Markenanmeldungen zum Beispiel beim Deutschen Patent- und Markenamt in wesentlich kürzerer Zeit online realisieren. Eine weitere, bereits 1879 angemeldete Marke ist heute im zeitgemässen Design sehr aktiv. Es ist Faber-Castell, A.W., Nürnberg (Bildmarke der zwei gekreuzten Hämmer). Viele der aktuell bekannten Marken wurden in dieser Zeit zum Markenschutz erstmalig angemeldet. Einige sind auch als Franchise-Marken bekannt geworden, so zum Beispiel Singer Nähmaschinen (1851) mit einem franchisierten Vertriebskonzept, Coca-Cola (1886) mit der Vergabe von industriellen Abfüll-Lizenzen und Bosch (1886) mit den Bosch Car Services.
Markenanmeldungen im deutschsprachigen Raum (D/A/CH) sind über folgende Ämter möglich:
Deutschland: www.dpma.de (Deutsches Marken- und Patentamt)
Schweiz: www.ige.ch/de (Institut für Geistiges Eigentum)
Österreich: www.patentamt.at (Österreichisches Patent- und Markenamt)
Das existierende Markengesetz ist seit 1995 in Kraft. Es beschreibt, was eine Marke aus juristischer und schutzfähiger Sicht bedeutet: »Als Marke können alle Zeichen, insbesondere Wörter einschliesslich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen, Hörzeichen, dreidimensionale Gestaltungen einschliesslich der Form einer Ware oder ihrer Verpackung sowie sonstige Aufmachungen einschliesslich Farben und Farbzusammenstellungen geschützt werden, die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.« (Markengesetz § 3 Abs.1).
Juristisch schutzfähig sind entsprechend dieser technischen Definition Merkmalsgestaltungen, die zur Unterscheidung beitragen und technisch produziert werden können. Aktueller Ausnahmefall ist die olfaktorische Markierung, da Gerüche bisher nicht visualisiert beim Deutschen Patent- und Markenamt anerkannt werden.
Die Möglichkeiten zur Markierung eines Franchise-Systems gehen jedoch über den juristischen Schutz weit hinaus. Speziell in Zeiten des digitalen und technologischen Wandels entstehen immer schneller immer neue Formen des Brandings, die sich zudem real und virtuell verschränken lassen.
Marken zählen heute zu den grössten Vermögenswerten der Firmen. Sie können bilanziert und verkauft werden. Dafür müssen die Markenwerte ermittelt werden. Marktforschungsinstitute und Unternehmensberatungen veröffentlichen jährlich regionale, nationale und globale Monitore und Rankings, die einzelne Markenwerte ausweisen. Praxisrelevant sind die Ergebnisse über die einzelnen Kategorie-Gewinner hinaus, geben sie doch Auskunft über die MarkenErfolgsfaktoren zur Entwicklung von Markenstärke.
Markenbekanntheit
Markenimage
Markenvertrauen
Markenrelevanz
Markenklarheit und -konsistenz
Markenkommunikationsintensität
Markeninvestitionen
Markenverbreitung (national, international)
Markenentwicklungspotenziale
Marktgrösse und Marktwachstum versus Marktanteil und Marktanteilswachstum
Umsatzprofitabilität und Ertrag
Rechtliche Absicherungen (Markenanmeldungen, Patente, Domains, Markeneinträge)
Im Zuge der zunehmenden Globalisierung und des Zusammenwachsens von Märkten wird eine klare Profilierung von Unternehmen und deren Angeboten immer wichtiger. Um sich dem digitalen und physischen Überangebot von Produkten und Dienstleistungen zu stellen, verlangt es nach eindeutigen Merkmalen, um starke Markenidentitäten zu kreieren beziehungsweise zu identifizieren. Eine unverkennbare Präsenz, stimmig und selbstähnlich über alle digitalen und klassischen Medienkanäle hinweg, ist damit ein zentraler Erfolgsbaustein, um langfristig wahrgenommen, erinnert und wiedererkannt zu werden.
Weitere Erfolgsfaktoren sind die generelle Fähigkeit und der konsequente Wille aller an einem Unternehmen Beteiligten, zielgerichtet Bekanntheit und ein klares Unternehmensimage aufzubauen. Dafür braucht es, neben der universellen Verfügbarkeit der Marke, Kommunikations- und Interaktionskompetenzen, digitale Innovationsund Technologiefähigkeiten, die Bereitschaft und das Vermögen zu faszinieren und Sympathien zu erzeugen sowie einen möglichst universellen Ästhetik- und Design-Anspruch.
Partnerschaftlich organisierte Vertriebsformen wie das Franchising tragen ganz wesentlich zum Aufbau einer Marke und zu einer eindeutigen Positionierung am Markt bei. Die Fokussierung auf ein definiertes Angebot sowie die Standardisierung von Arbeitsabläufen und Erscheinungsbildern ermöglichen eine klare Wiedererkennung und eine hohe Effizienz, bei ortsunabhängig gleichbleibender Qualität. Franchising multipliziert erfolgreiche Geschäftskonzepte in standardisierter Form. Es ist eine adäquate Basis zur Identifizierung von Wettbewerbsvorteilen, da das Geschäftskonzept im Zusammenspiel mit den Einflüssen des Marktes akribisch genau beschrieben wird.
Franchising kann dadurch, neben seinen Qualitäten als Expansionsstrategie, auch als Strategie für ein effizientes Marketing angesehen werden.
überregionale Aktivitäten,
einheitliches Auftreten auf dem Markt,
Exklusivität,
starkes Systemimage,
unternehmerisches Engagement an der »Verkaufsfront«,
transparente sowie systematisierte Ablaufprozesse,
qualifizierter Service,
marktweite Werbe- und Verkaufsförderungsaktionen,
Trendinformationen
sowie weitgehende Steuerung und Kontrolle des gesamten Vertriebskanals.
Die Leistungen von Franchise-Systemen bekommen dadurch Markenartikelcharakter, denn der Fokus liegt auf der standardisierten Qualität. Das heisst nicht, dass Franchise-Systeme durch den stark durchstrukturierten und standardisierten Charakter keinen Raum für die individuelle Note haben. Im Gegenteil: Dadurch, dass es eine optimierte Arbeitsteilung zwischen Franchise-Nehmern und der Systemzentrale des Franchise-Gebers gibt, ist der einzelne Franchise-Nehmer in vielen Dingen entlastet und kann an der »Verkaufsfront« den Mehrwert der persönlichen Beratung intensiver wahrnehmen. Das hat allerdings auch seine Tücken, nämlich dann, wenn das Verhalten allzu stark von der beabsichtigten Botschaft abweicht.
Eine ganz entscheidende und schwierige Aufgabe besteht für jedes Franchise-Unternehmen darin, den Markenkern zu erkennen. Entscheidend deshalb, weil der Markenkern die Identifizierung des Angebots und der Differenzierung ausmacht – die Assoziation oder das innere Bild, das beim Zielkunden entstehen soll. Schwierig ist es deshalb, weil sich im Franchising die Marke nicht nur auf ein physisches Produkt bezieht, sondern auch die Angebotsform und -darbietung einschliesst und durch jeden Franchise-Partner mitgeprägt wird.
Bei der Entwicklung eines Franchise-Systems ist somit die Frage nach der Positionierung am Markt eine ganz bedeutende. Wodurch zeichnet sich das Geschäftskonzept aus? Welche Vorteile bietet es? Wodurch kann es sich von Mitbewerbern abheben? Welche Vorteile und Stärken des Systems sind wahre, relevante und entscheidende Erfolgsfaktoren aus Kundensicht? Und letztendlich: Wie können diese Erfolgsfaktoren effizient und effektiv über das Design, die Produkte, den Preis, die Vertriebswege, die Kommunikation und Interaktion der Partner und Mitarbeitenden nach innen und aussen transportiert werden? Hierbei können alle Bereiche des Marketing-Mix einen Profilierungsbeitrag leisten. Denn das Ziel ist, dass bei den Kunden ein für sie sympathisches inneres Bild entsteht, wenn sie den Markennamen hören oder an einem der Marken-Touchpoints mit ihr in Kontakt kommen. Nur so kann langfristig Markenbindung aufgebaut werden.
Authentizität ist ein Begriff, der derzeit Hochkonjunktur hat. Ob in Wirtschaft, Politik oder Show-Business, der Ruf nach Echtheit und Glaubwürdigkeit, auch hinter den Kulissen, wird immer stärker. Das hat selbstverständlich auch Auswirkungen auf die Franchise-Branche. Abgesehen vom Erfolg in der angestammten Branche wird die Authentizität eines Franchise-Angebots immer wichtiger. Ist das Angebot in sich stimmig? Ist der Auftritt in Anbetracht der Geschäftsidee und des Kundennutzens glaubwürdig und eigenständig? Spiegelt sich dies nachvollziehbar in der Wertekultur des Franchise-Systems wider? Gibt es Entwicklungspotenzial nicht nur für das Leistungsangebot, sondern auch für die Franchise-Partner und -Partnerinnen? Fragen, die nicht nur darauf abzielen, die Nachhaltigkeit auf ökonomischer Ebene zu beleuchten. Auch die soziale, ökologische und kulturelle Nachhaltigkeit wird zunehmend bedeutender. Die Perspektive, der eigene Stellenwert im System, aber auch der Einfluss auf die Umwelt und das Marktgeschehen als solches sind Themen, mit denen sich Franchise-Unternehmen befassen müssen.
In Zeiten grosser Verunsicherung gewinnt die Suche nach Vertrauenswürdigem an Bedeutung. Und die Möglichkeiten, sich heute Hintergrundinformationen, Eindrücke und Urteile über ein Unternehmen und dessen Angebot sowie Wirken am Markt zu holen, sind gerade über die Online-Vernetzung immens.
Das amerikanische Franchise-System Coldwell Banker (Immobilienvermittlung) mit über 3.000 Standorten in 43 Ländern (Stand 07/2017) differenziert sich von Mitbewerbern in der Branche unter anderem über die Markenwerte Geborgenheit und Liebe. Zur Stärkung der Wertekultur und gesellschaftlichen Verantwortungsübernahme unterstützt das Unternehmen »Adopt-a-Pet.com« (Plattform für Tiervermittlung). Der Werbespot »Somebody to love« auf YouTube erhielt innerhalb zweier Monate bereits über 3,8 Millionen Clicks.
Dunkin‘ Donuts, ein Franchise-Unternehmen aus den 1950ern mit heute über 12.000 Lokalen in 45 Ländern, hat den zeitgemässen Transfer und damit den Zugang zu den jungen Zielkunden geschafft. Die Megatrends Digitalisierung und Convenience zeigen sich in optimierten »Quick-Services«. Statt in der Warteschlange zu stehen, können Bestellungen digital über das Smartphone oder eine digitale Schaltfläche vor dem Eingang aufgegeben werden. Über iBeacons lässt sich das Angebot personalisieren, so weiss das Unternehmen bereits im Voraus, was der Kunde kaufen will. Die Erkenntnisse aus den weltweit ermittelten Kundendaten fliessen in die Entwicklung neuer Produkte ein, wie beispielsweise verschiedene Coolatta, NOS® Energy Drink u.v.m. Das Kundentreueprogramm DD Perks Rewards zählt über fünf Millionen Mitglieder und ist damit eines der am schnellsten wachsenden Treueprogramme in der Quick-Service-Restaurant-Branche.4
Earned Media oder Viral Marketing kann für die Marke Fluch und Segen zugleich sein. Meinungen, »Likes/Dislikes« oder Empfehlungen werden von Kunden, Fans und Kritikern im Internet verbreitet. Im Falle von McDonald's Philippinen gelang es, mit dem Video »Good Teacher« 19 Millionen Clicks zu erhalten. Der authentisch anmutende und sehr bewegende Film war damit im Viral Video Chart auf Platz 3 des amerikanischen Advertising Age (03/2017).5
Dunkin' Donuts Blog »Behind the Beans« unter https://news.dunkindo-nuts.com/blog
Storytelling bei McDonald's Philippinen auf YouTube unter »Good Morning Teacher McDo«
Die Kontrolle über die Markenkommunikation wird häufig noch den jungen Kunden und Fans übertragen. Auf diese Zielgruppe wirkt das offen, transparent und authentisch. Das liegt daran, dass diese Zielkundschaft mit den digitalen Medien aufgewachsen ist und gewohnt ist, sich zeitnah auszutauschen, zu bewerten und Gegebenes, Vorgefertigtes nicht einfach zu akzeptieren. Ein Privileg der jüngeren Generation, das immer schon gegolten hat. Nur entscheidet es hier über den Erfolg und Misserfolg von Marken.
Zur Zielgruppendefinition kommt zukünftig neben den demografischen und verhaltensspezifischen Merkmalen die Generationenzugehörigkeit hinzu. Handelt es sich um »Digital Natives« oder »Digital Immigrants«? Zu den Digital Natives zählen die Generationen, die nach 1980 geboren sind und seit der Jugend mit dem Internet, mit Mobiltelefonen und Online-Medien vertraut sind. Hingegen sind die Digital Immigrants (vor 1980 geboren) vor allem mit den klassischen Medien wie Zeitungen, dem Radio und Fernsehen aufgewachsen. Siehe hierzu auch unser Denkwerkzeug »GenerationenPrägung« im letzten Kapitel.
Für die Kommunikation – gerade in den global expandierenden Franchise-Unternehmen – sind dies wichtige Indizien, sich nicht nur mit den aktuellen Eigenarten der Zielkunden auseinanderzusetzen, sondern auch deren Sozialisierung einzubeziehen. Brand-Franchising, ein von der Marke gesteuertes Franchising, ist damit nicht nur »nice to have«, sondern wird zukünftig einen noch grösseren Stellenwert als bisher einnehmen. Vor allem, wenn wir die neuen Strömungen im Franchising betrachten. Traditionell besetzte Branchen brechen mit alten Wertekulturen. Neue Gedanken und Einstellungen werden über den Aufbau von Franchise-Systemen transportiert.
Es gibt grundlegende Strömungen und Wandlungsprozesse, die sowohl auf die Marktangebote als auch auf deren Vermarktung wirken. Franchising als Wachstumsstrategie hängt in seiner Dynamik wesentlich vom Erfolg des Geschäftskonzepts ab. Ein erfolgreiches Geschäftskonzept hat in der Regel einen Kundennutzen optimal umgesetzt – und das besser als seine Mitbewerber. Damit der Kunde den optimalen Nutzen für sich identifizieren kann, ist eine starke Profilierung und Markierung, ein starkes »Brand-Franchising« des Anbieters, nötig. Liegt dem markanten Angebot dann auch noch ein entsprechendes Wertesystem zugrunde, das von allen Beteiligten mit Enthusiasmus gelebt wird, dann ergibt sich eine Authentizität, die häufig auch eine starke Kundenloyalität zur Folge hat.
Wir wollen Ihnen zunächst wichtige aktuelle Strömungen nennen, die für die Unternehmensführung und damit auch für die Expansionsplanung von Bedeutung sind. Im nächsten Kapitel stellen wir Ihnen dann Bereiche vor, die wir als besonders zukunftsträchtig für das Franchising identifiziert haben.
Gehen wir von dem Kondratieff-Modell aus – nach dem russischen Ökonomen Nikolas Kondratieff benannt –, so befinden wir uns in einer neuen technologischen Welle. Diese Welle, auch 6. Kondratieff genannt, ist geprägt von Biotechnologie und psychosozialer Gesundheit.6 Solche Wellen, wie sie in der folgenden Abbildung dargestellt sind, verheissen immer einen Wachstums- und Produktivitätsschub, der durch einen Schlüsselrohstoff oder eine Schlüsseltechnologie ausgelöst wird. Die Informationstechnologie war elementar für den 5. Kondratieff und hat den Boden für eine dynamische Entwicklung in Wirtschaft und Gesellschaft bereitet.7 Dadurch wurden der globale Austausch von Know-how, der Einbezug verschiedenster Anspruchsgruppen bei der Entwicklung neuer Produkte und eine agilere Unternehmensführung möglich und zwingend. Das geschaffene Erkenntnispotenzial kann jedoch allein die Produktivität in einer sich stark verändernden Umwelt nicht sichern. Aber Biotechnologien werden im Rahmen dieser Herausforderungen grosse Innovationen in Industrie, Medizin und Landwirtschaft hervorbringen und in der Gesellschaft die Themen Gesundheit und Nachhaltigkeit weiter in den Vordergrund rücken.
Parallel zum technologischen Fortschritt wird es auch um soziale Innovationen gehen. Der demografische und wirtschaftliche Wandel in den Industrieländern sowie die vielen aufblühenden Nationen werfen Fragen zur Stärkung der Gesundheit in einer alternden Gesellschaft auf. Wie sollte am besten mit Humanressourcen umgegangen werden? Die Globalisierung wird betreffend Innovation und Fortschritt zunehmend von Schwellenländern wie China, Indien, Südamerika und einzelnen afrikanischen Ländern aktiv beeinflusst. Das heisst für die westliche Welt, sich dynamischer und innovativer als bisher auf neue Bedingungen einzulassen, um Schritt halten und Marktchancen frühzeitig erkennen und wahrnehmen zu können.
Um zukünftig auf Marktveränderungen vorzeitig oder zumindest reaktiv einzugehen, eignen sich flexible Wertschöpfungsnetzwerke im Unternehmen: zusammengesetzte Netzwerke, die sich aus Marken-, Kunden-, Produkt- und Dienstleistungs-Verantwortlichen rekrutieren und letztendlich den Kundennutzen im Fokus haben.
Dafür muss allerdings das Bewusstsein für ein neues Prozessmanagement entwickelt werden. Und das beinhaltet, neben dem Abbau vom »Gärtchendenken«, ein wesentlich schnelleres Agieren, von der Idee bis zur Markteinführung. Die Methoden »Design Thinking« und »Scrum« sind sehr hilfreich, um Ideen interdisziplinär zu generieren und über zunächst simple Prototypen schnell und kostengünstig die Marktakzeptanz zu prüfen. Die Feedbacks über erste Modelle, sei es im Service-, Prozess- oder Produktbereich, sind hilfreich und tragen zur Kosten- und Zeiteffizienz bei. In unserem »Praxisbuch Trendmarketing« zeigen wir an Beispielen das schrittweise Vorgehen auf und beschreiben, wie damit eine Innovationskultur entstehen kann.8
Das 21. Jahrhundert bietet für die Wachstums- und Karrierestrategie Franchising jedoch nicht nur Möglichkeiten, sondern stellt auch Anforderungen. Sinn- und Verantwortungsfragen bezüglich des Unternehmenszwecks (»Purpose«), der Geschäftsinhalte als auch der Rahmenbedingungen des Systems werden immer zentraler. Die »lebendige Organisation« Franchising bedeutet für die Initiatoren eine stetige Herausforderung. Anspruchsgruppen sind nicht nur die Mitarbeitenden und Systempartner, denen sich Franchise-Geber zu stellen haben, sondern sie finden sich ebenso in der heterogenen Gesellschaft. Hier spielen ethische, moralische, kulturelle, religiöse, soziale, ökologische und ökonomische Anforderungen eine Rolle.
Das Franchise-System Project Walk® Paralysis Recovery Center fördert den interaktiven Austausch zwischen Franchise-Partnern, Zentrale und Kunden bzw. Patienten. Das hilft fundamental bei der Weiterentwicklung von Heilmethoden, die Menschen mit Rückenmarksverletzungen, Multipler Sklerose und vielen anderen Krankheitsbildern helfen. Links: http://projectwalk.com, www.youtube.com/user/SpinalcordinjuryPW
Das Franchise-Business wird massgeblich von den Megatrends Globalisierung, Healthstyle (Gesundheit als Lebensstil), Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Individualisierung, Urbanisierung (Verstädterung) und dem demografischen Wandel beeinflusst. Es lohnt sich, die Trends hinsichtlich der Auswirkungen auf die Unternehmensstrategie, das Angebot und deren Attraktivität sowie Differenzierung vom Wettbewerb zu überprüfen. Wir wollen im Folgenden zeigen, wie sich Trends im Franchise-Business niederschlagen und welche neuen Konzeptideen daraus entstehen.
Green Franchising ergibt sich als logische Konsequenz aus den Megatrends Nachhaltigkeit, Urbanisierung und Digitalisierung. Verantwortungsbewusstes Handeln von Unternehmen ist im Zuge der globalen Umweltprobleme und gesellschaftlichen Herausforderungen ein »Must have« und kein »Nice to have« mehr. Gesetzliche Auflagen, steuerliche Umweltabgaben, Aktionspläne für Wirtschaft und Gesellschaft schüren diese Bewegung ebenso wie die zunehmende Transparenz durch soziale Medien, die Umweltsünden publik machen. Einige Unternehmen im Franchising erkennen frühzeitig, dass nachhaltige Verantwortungsübernahme grosse Chancen im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit, der Unternehmenskultur und der Attraktivität gegenüber den Partnern und Kunden birgt. Die Franchise-Struktur ist prädestiniert für die Integration und Multiplikation des Vier-Säulen-Modells der Nachhaltigkeit – der ökonomischen, sozialen, kulturellen und ökologischen Nachhaltigkeit.
Die nachhaltige ökonomische Dimension als Entscheidungsgrundlage wird für Franchising in den meisten Fällen sehr eingehend erarbeitet. Allein der Franchise-Aufbau erfordert in der Regel die akribische Analyse des Geschäftskonzepts im Rahmen des marktwirtschaftlichen Umfeldes, wie wir das ab dem dritten Kapitel vorstellen. Es werden Prognosen über die Konsequenzen einer Zusammenarbeit mit selbstständigen Geschäftspartnern und deren Wirken im Markt entwickelt. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsberechnung werden Hochrechnungen zum Break-even des Systems aufgestellt. Das Verhältnis zwischen Gebühren und Leistungen wird geklärt ebenso wie die langfristige Partnerbindung über verschiedene Tools und der Ausbau des Leistungsangebots. Auch wird das Potenzial möglicher Partner im Verhältnis zu möglichen Endabnehmern für eine internationale Expansion überprüft.
Beim Green Franchising geht es um das Erarbeiten einer ganzheitlich verträglichen und nachhaltigen Geschäftskonzept-Lösung, in der alle vier Nachhaltigkeitsbereiche – Ökonomie, Ökologie, Kultur und Soziales – ausgewogen berücksichtigt werden. Sowohl die aktuellen und unmittelbaren Konsequenzen im Hier und Jetzt als auch die mittel- und langfristigen Auswirkungen für nachfolgende Generationen sind dabei zu betrachten und zu berücksichtigen. Negative Auswirkungen sind bereits in der Planung und Organisation zu vermeiden. So lautet eine Frage im Rahmen der sozialen Nachhaltigkeit: Wie ist das Franchise-System zu gestalten, damit es für Partner und Mitarbeitende verträglich und kompatibel sowie langfristig relevant bleibt? Gefragt ist ein interaktives Partnermarketing. Zusätzlich werden Thinktanks als Plattformen zur gemeinsamen Ideengenerierung und stetigen Optimierung des Leistungsangebots gebraucht: virtuelle und physische Communitys für die Förderung des Gruppengedankens und das Verfolgen gemeinsamer Projekte, die dem Gemeinwohl dienen und dabei positive Effekte auf das eigene Leistungsangebot haben.
Das britische Franchise-System »LUSH« führt für Partner und Mitarbeitende mindestens zweimal pro Jahr Meetings in England durch, um sich sowohl über die Produkte als auch über Ethik und Kampagnen auszutauschen. Ein Statement von Doris Trinkler, Mitgründerin der LUSH (Switzerland) AG, finden Sie auf unseren Farbseiten.
Für Tchibo ist Nachhaltigkeit seit 2006 integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie. Ausserdem verfügt das Unternehmen über eine eigene »Tchibo-Community«. Hier können Kunden Produkte testen, darüber abstimmen und Anregungen geben. Damit fliessen wertvolle Inputs in das Produktsortiment ein, wovon neben den 680 Standorten in Deutschland (darunter über 60 Franchise-Partner-Betriebe) auch die 360 Standorte im Ausland profitieren.9
Auf der ökologischen Ebene der nachhaltigen Ansätze gibt es noch grossen Handlungsbedarf. Neue grüne Unternehmenskonzepte siedeln sich aufgrund der sich ausweitenden Urbanisierung vorzugsweise im Bereich alternativer Energiequellen, Wohn- und Stadtprojekte sowie Mobilitätskonzepte an. Das beweisen immer eindrucksvoller verschiedenste Green-City-Modelle und -Parks, die entweder vollkommen neu entstehen oder sich über nachhaltige Planung transformieren und in der Folge multipliziert werden. Hierzu zählen zum Beispiel »Tianjin Eco-City« in China und die brasilianische Stadt Curitiba, die als dauerhaftester Nachhaltigkeitspionier und Leader des Latin American Green City Index eine herausragende Stellung einnimmt. Deren Bedeutung und nachhaltiges Vorbild haben wir auch in unserem Buch »Green Franchising« beschrieben, um reproduzierbare Nachhaltigkeitsmodelle vorzustellen.10
Unter www.siemens.com (Suchbegriff »Green-City-Index«) können Sie sich die Studien inklusive Rankings der nachhaltigsten Städte weltweit herunterladen.
Die neu entstandene Öko-City Tianjin in China finden Sie unter dem Link www.tianjinecocity.gov.sg.
Aber auch in Teilbereichen oder bisher eher »ungrünen« Branchen wie der schnellen Systemgastronomie lässt sich Gutes tun und durch Franchising wirkungsvoll vervielfältigen. So setzen die weltgrössten Gastronomie-Franchise-Systeme wie Subway mit seinen »Eco-Stores« oder Dunkin‘ Donuts mit seinem »Green Store« in Florida, USA, deutlich nachhaltige Zeichen. Die McDonald's Deutschland Inc. ebenso: Die Zweigniederlassung München wurde 2015 für ihr ganzheitlich nachhaltiges Agieren mit dem begehrten »Green Franchise Award« ausgezeichnet. 2016 folgte ihr die Schmidt Küchen GmbH und 2017 die TeeGschwendner GmbH (www.greenfranchiseaward.com). Daneben gibt es viele neue Fast-Good-Anbieter, die sich einer bewussten Ernährung verschrieben haben und Nachhaltigkeit in der gesamten Wertschöpfungskette berücksichtigen, wie zum Beispiel www.freshii.com aus Kanada oder www.salaedchen.com aus Deutschland.