Karl May
Durch die Wüste
Reise-Erinnerungen aus dem Türkenreich von Karl May
Karl May
Durch die Wüste
Reise-Erinnerungen aus dem Türkenreich von Karl May
Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019
1. Auflage, ISBN 978-3-954187-13-3
null-papier.de/351
null-papier.de/katalog
Inhaltsverzeichnis
Karl May und die Originale
Zum Buch
Ein Todesritt
Vor Gericht
Im Harem
Eine Entführung
Abu-Seïf
Wieder frei
In Mekka
Am Tigris
Auf Kundschaft
Der Sieg
Bei den Teufelsanbetern
Das große Fest
Ein Nachwort
Der Newsletter informiert Sie über:
https://null-papier.de/newsletter
Eine neue Reihe erblickt das Licht der literarischen Welt.
Liebe Leserin, lieber Leser
Grundlage dieser Reihe „Vergleichende Ausgaben“ sind verschiedene Veröffentlichungen Karl Mays, die noch zu seinen Lebzeiten erschienen sind.
Lange hat es mich schon gereizt, mich der Werke Mays anzunehmen. Nicht nur, um dem Wildwuchs der verschiedensten digitalen Kopien von Kopien etwas entgegenzusetzen, sondern auch um den geneigten Leser einen einführenden Vergleich der verschiedenen Veröffentlichungen zu bieten.
Ich hoffe, ich kann diesem hohen Anspruch – auch unter den scharfen Blicken der May-Kenner – zumindest ansatzweise gerecht werden.
Alt gegen Neu
Bei alten Texten hat mich schon immer gestört, wie sich Verleger oder Übersetzer sich ihrer bemächtigten und je nach Gusto und politischer Großwetterlage einzelne Sätze oder gleich ganze Kapitel veränderten, anpassten oder strichen. Die Beispiele in der Literatur sind mannigfaltig: Von schlecht übersetzten Redewendungen bis hin zu politisch unkorrekten Bezeichnungen, so manches fiel und fällt der Willkür, der „Schere im Kopf“ zum Opfer.
Das fängt beim Deutschen Reich an, das in den alten Sherlock-Holmes-Übersetzungen niemals für den Ersten Weltkrieg herhalten musste, und geht bis zum Verdacht des Rassismus bei der großartigen und liebenswerten Astrid Lindgren und ihrem Negerkönig.
Als passendes Beispiel sei auch die katholische Greisin in Mays „Durchs wilde Kurdistan“ genannt, die in jüngeren Veröffentlichungen auf einmal zu einer schönen Frau mutiert – kein Wort mehr von ihrer Religion oder ihrem Alter.
Jede Zeit kennt ihre Wahrheiten. Und so nachvollziehbar eine nachträgliche Wortkosmetik sein mag, so sehr müssen Verleger bei der Wahrheit bleiben. Und die verlegerische Wahrheit liegt nun einmal in der Veröffentlichung der Originale, der Texte, die vom Autor kamen und von ihm abgesegnet wurden.
Im Falle von May mag das nicht einfach sein, da seine Texte auch zu Lebzeiten mehrfach bearbeitet wurden; vielfach auch mit Einwilligung des Autors selbst. Daher habe ich mich bewusst auf die Veröffentlichungen konzentriert, die noch vor 1910 erschienen sind.
Wenn Sätze oder ganze Passagen nachträglich entfernt oder hinzugefügt worden sind (auch das hat es gegeben), habe ich das in Fußnoten kommentiert. Sollte ein Wort heutzutage nicht mehr bekannt sein, so habe ich es belassen und ebenfalls in einer Fußnote erklärt. Sie können aber auch die Anmerkungen komplett ignorieren und den Text einfach lesen und genießen.
Viele der aktuellen digitalen Veröffentlichung kranken an mangelhafter Qualität: Es gibt übersehene Worttrennungen, fehlende Fußnoten, verschluckte Absätze, sinnentstellende Buchstabendreher oder gleich komplett „vergessene“ Passagen. Dieser Probleme habe ich mich hoffentlich wirksam angenommen.
Bei meiner Arbeit habe ich versucht, einen Ausgleich zwischen aktueller Rechtschreibung und altem „Zungenschlag“ herzustellen. Ich denke, dass man heutzutage getrost „Telegrafenbüro“ statt „Telegraphenbureau“ schreiben darf, ohne am originären Sinn des Wortes zu kratzen. Mein Ziel war es, eine angenehm lesbare Fassung zu schaffen. Für Leute, die gerne lesen und mit dem „alten“ Deutsch noch tiefer in die Atmosphäre der Geschichte eintauchen wollen, ohne dabei über vermutete Rechtschreibfehler zu stolpern.
May und seine Zeit
May war und ist einer der erfolgreichsten Schriftsteller deutscher Sprache. Generationen von Leser haben ihn für sich entdeckt, egal, wie stark und aus welchen Gründen er immer wieder von Tugendwächtern oder besorgten Eltern in die literarische Schmuddelecke gedrängt wurde.
Es gibt wohl keinen Deutschen, der seine Figuren nicht kennt: Winnetou oder Hadschi Halef Omar, Old Shatterhand oder Kara Ben Nemsi. Viele werden sogar die Namen der Pferde oder der Waffen der Protagonisten kennen. Nicht zuletzt die farbenprächtigen Filme der 1960er Jahre haben Mays Figuren auch eine kinematografische Untersterblichkeit verpasst – sollte das jemals notwendig gewesen sein. Und wo sonst hätte ein Franzose einen amerikanischen Ureinwohner, ein Amerikaner einen deutschen Abenteurer und ein Berliner einen Orientalen spielen können?
Zu einer Zeit, als es noch keinen organisierten Massentourismus und kein Internet gab, brachte May dem Leser die weite Welt bis vor die Haustür oder unter die verbergende Bettdecke. Seine Texte prägten, ob gerechtfertigt oder nicht, die Vorstellung des Wilden Westens und des Orients für Generationen.
Am besten, Sie, lieber Leser, liebe Leserin, fühlen sich einfach nur gut unterhalten.
In diesem Sinne
Ihr
Jürgen Schulze, Neuss
Karl May
Kara Ben Nemsi und sein treuer Begleiter Hadschi Halef Omar finden in der Wüste eine Leiche. Dieser Fund wird zum Ausgangspunkt einer Reihe von spannenden Abenteuern. Unsere tapferen Gefährten müssen eine Gefangene aus einem Harem befreien, sie kämpfen gegen Piraten, besuchen Mekka, begegnen dem schrulligen Sir David Lindsay und befehligen gleich ein ganzes Heer in die Schlacht um das „Tal der Stufen“.
Dieser Band bildet den Auftakt zum sechsbändigen „Orientzyklus“.
Diese vergleichende Ausgabe hat als Grundlage die „Hausschatz-Fassung“ (Dt. Hausschatz 7.Jahrg.).
Und ist es wirklich wahr, Sihdi,1 dass du ein Giaur bleiben willst, ein Ungläubiger, welcher verächtlicher ist als ein Hund, widerlicher als eine Ratte, die nur Verfaultes frisst?«
»Ja«, antwortete ich.
»Effendi, ich hasse die Ungläubigen und gönne es ihnen, dass sie nach ihrem Tode in die Dschehenna kommen, wo der Teufel wohnt; aber dich möchte ich retten vor dem ewigen Verderben, welches dich ereilen wird, wenn du dich nicht zum Ikrar bil Lisan, zum heiligen Zeugnis, bekennst. Du bist so gut, so ganz anders als andere Sihdis, denen ich gedient habe, und darum werde ich dich bekehren, du magst wollen oder nicht.«
So sprach Halef, mein Diener und Wegweiser, mit dem ich in den Schluchten und Klüften des Dschebel Aures herumgekrochen und dann nach dem Dra el Haua heruntergestiegen war, um über den Dschebel Tarfaui nach Seddada, Kris und Dgasche zu kommen, von welchen Orten aus ein Weg über den berüchtigten Schott Dscherid nach Fetnassa und Kbilli führt.
Halef war ein eigentümliches Kerlchen. Er war so klein, dass er mir kaum bis unter die Arme reichte, und dabei so hager und dünn, dass man hätte behaupten mögen, er habe ein volles Jahrzehnt zwischen den Löschpapierblättern eines Herbariums in fortwährender Pressung gelegen. Dabei verschwand sein Gesichtchen vollständig unter einem Turban, der volle drei Fuß im Durchmesser hatte, und sein einst weiß gewesener Burnus, welcher jetzt in allen möglichen Fett- und Schmutznuancen schimmerte, war jedenfalls für einen weit größeren Mann gefertigt worden, sodass er ihn, sobald er vom Pferde gestiegen war und nun gehen wollte, empornehmen musste wie das Reitkleid einer Dame. Aber trotz dieser äußeren Unansehnlichkeit musste man allen Respekt vor ihm haben. Er besaß einen ungemeinen Scharfsinn, viel Mut und Gewandtheit und eine Ausdauer, welche ihn die größten Beschwerden überwinden ließ. Und da er auch außerdem alle Dialekte sprach, welche zwischen dem Wohnsitze der Uëlad Bu Seba und den Nilmündungen erklingen, so kann man sich denken, dass er meine vollste Zufriedenheit besaß, sodass ich ihn mehr als Freund denn als Diener behandelte.
Eine Eigenschaft besaß er nun allerdings, welche mir zuweilen recht unbequem werden konnte: Er war ein fanatischer Muselmann und hatte aus Liebe zu mir den Entschluss gefasst, mich zum Islam zu bekehren. Eben jetzt hatte er wieder einen seiner fruchtlosen Versuche unternommen, und ich hätte lachen können, so komisch sah er dabei aus.
Ich ritt einen kleinen, halbwilden Berberhengst, und meine Füße schleiften dabei fast am Boden; er aber hatte sich, um seine Figur zu unterstützen, eine alte, dürre, aber himmelhohe Hassi-Ferdschahn-Stute ausgewählt und saß also so hoch, dass er zu mir herniederblicken konnte. Während der Unterhaltung war er äußerst lebhaft; er wedelte mit den bügellosen Beinen, gestikulierte mit den dünnen, braunen Ärmchen und versuchte, seinen Worten durch ein so lebhaftes Mienenspiel Nachdruck zu geben, dass ich alle Mühe hatte, ernst zu bleiben.
Als ich auf seine letzten Worte nicht antwortete, fuhr er fort:
»Weißt du, Sihdi, wie es den Giaurs nach ihrem Tode ergehen wird?«
»Nun?«, fragte ich.
»Nach dem Tode kommen alle Menschen, sie mögen Moslems, Christen, Juden oder etwas anderes sein, in den Barzakh.«
»Das ist der Zustand zwischen dem Tode und der Auferstehung?«
»Ja, Sihdi. Aus ihm werden sie alle mit dem Schall der Posaunen erweckt, denn el Jaum el Akbar, der Jüngste Tag, und el Akhiret, das Ende, sind gekommen, wo dann alles zugrunde geht, außer el Kuhrs, der Sessel Gottes, el Ruhh, der Heilige Geist, el Lauhel mafus und el Kalam, die Tafel und die Feder der göttlichen Vorherbestimmung.«
»Weiter wird nichts mehr bestehen?«
»Nein.«
»Aber das Paradies und die Hölle?«
»Sihdi, du bist klug und weise; du merkst gleich, was ich vergessen habe, und daher ist es jammerschade, dass du ein verfluchter Giaur bleiben willst. Aber ich schwöre es bei meinem Barte, dass ich dich bekehren werde, du magst wollen oder nicht!«
Bei diesen Worten zog er seine Stirn in sechs drohende Falten, zupfte sich an den sieben Fasern seines Kinns, zerrte an den acht Spinnenfäden rechts und an den neun Partikeln links von seiner Nase, summa summarum Bart genannt, schlenkerte die Beine unternehmend in die Höhe und fuhr mit der freien anderen Hand der Stute so kräftig in die Mähne, als sei sie der Teufel, dem ich entrissen werden sollte.
Das so grausam aus seinem Nachdenken gestörte Tier machte einen Versuch, vorn emporzusteigen, besann sich aber sofort auf die Ehrwürdigkeit seines Alters und ließ sich in seinen Gleichmut stolz zurückfallen. Halef aber setzte seine Rede fort:
»Ja, Dschennet, das Paradies, und Dschehenna, die Hölle, müssen auch mit bleiben, denn wohin sollten die Seligen und die Verdammten sonst kommen? Vorher aber müssen die Auferstandenen über die Brücke Ssireth, welche über den Teich Handh führt und so schmal und scharf ist, wie die Schneide eines gut geschliffenen Schwertes.«
»Du hast noch eins vergessen«, bemerkte ich.
»Was?«, fragte er.
»Das Erscheinen des Deddschel.«
»Wahrhaftig! Sihdi, du kennst den Koran und alle heiligen Bücher und willst dich nicht zur wahren Lehre bekehren! Aber trage nur keine Sorge; ich werde einen gläubigen Moslem aus dir machen! Also vor dem Gericht wird sich der Deddschel zeigen, den die Giaurs den Antichrist nennen, nicht wahr, Effendi?«
»Ja.«
»Dann wird über jeden das Buch Kitab aufgeschlagen, in welchem seine guten und bösen Taten verzeichnet stehen, und die Hisab gehalten, die Musterung seiner Handlungen, welche über fünfzigtausend Jahre währten, eine Zeit, welche den Guten wie ein Augenblick vergehen, den Bösen aber wie eine Ewigkeit erscheinen wird. Das ist das Hukm, das Abwiegen aller menschlichen Taten.«
»Und nachher?«
»Nachher folgt das Urteil. Diejenigen mit überwiegend guten Werken kommen in das Paradies, die ungläubigen Sünder aber in die Hölle, während die sündigen Moslems nur auf kurze Zeit bestraft werden. Du siehst also, Sihdi, was deiner wartet, selbst wenn du mehr gute als böse Taten verrichtest. Aber du sollst gerettet werden, du sollst mit mir in das Dschennet, in das Paradies, kommen, denn ich werde dich bekehren, du magst wollen oder nicht!«
Und wieder strampelte er bei dieser Versicherung so energisch mit den Beinen, dass die alte Hassi-Ferdschahn-Stute ganz verwundert die Ohren spitzte und mit den großen Augen nach ihm zu schielen versuchte.
»Und was harrt meiner in eurer Hölle?«, fragte ich ihn.
»In der Dschehenna brennt das Nar, das ewige Feuer; dort fließen Bäche, welche so sehr stinken, dass der Verdammte trotz seines glühenden Durstes nicht aus ihnen trinken mag, und dort stehen fürchterliche Bäume, unter ihnen der schreckliche Baum Zakum, auf dessen Zweigen Teufelsköpfe wachsen.«
»Brrrrrrr!«
»Ja, Sihdi, es ist schauderhaft! Der Beherrscher der Dschehenna ist der Strafengel Thabek. Sie hat sieben Abteilungen, zu denen sieben Tore führen. Im Dschehennem, der ersten Abteilung, müssen die sündhaften Moslems büßen so lange, bis sie gereinigt sind; Ladha, die zweite Abteilung, ist für die Christen, Hothama, die dritte Abteilung, für die Juden, Sair, die vierte, für die Sabier, Sakar, die fünfte, für die Magier und Feueranbeter, und Gehim, die sechste, für alle, welche Götzen oder Fetische anbeten. Zaoviat aber, die siebente Abteilung, welche auch Derk Asfal genannt wird, ist die allertiefste und fürchterlichste; sie wird alle Heuchler aufnehmen. In allen diesen Abteilungen werden die Verdammten von bösen Geistern durch Feuerströme geschleppt, und dabei müssen sie vom Baume Zakum die Teufelsköpfe essen, welche dann ihre Eingeweide zerbeißen und zerfleischen. O, Effendi, bekehre dich zum Propheten, damit du nur kurze Zeit in der Dschehenna zu stecken brauchst!«
Ich schüttelte den Kopf und sagte:
»Dann komme ich in unsere Hölle, welche ebenso entsetzlich ist wie die eurige.«
»Glaube dies nicht, Sihdi! Ich verspreche dir beim Propheten und allen Kalifen, dass du in das Paradies kommen wirst. Soll ich es dir beschreiben?«
»Tue es!«
»Das Dschennet liegt über den sieben Himmeln und hat acht Tore. Zuerst kommst du an den großen Brunnen Hawus Kewser, aus welchem Hunderttausende Selige zugleich trinken können. Sein Wasser ist weißer als Milch, sein Geruch köstlicher als Moschus und Myrrhe, und an seinem Rande stehen Millionen goldener Trinkschalen, welche mit Diamanten und Steinen besetzt sind. Dann kommst du an Orte, wo die Seligen auf golddurchwirkten Kissen ruhen. Sie erhalten von unsterblichen Jünglingen und ewig jungen Houris köstliche Speisen und Getränke. Ihr Ohr wird ohne Aufhören von den Gesängen des Engels Israfil entzückt und von den Harmonien der Bäume, in denen Glocken hängen, welche ein vom Throne Gottes gesendeter Wind bewegt. Jeder Selige ist sechzig Ellen lang und immerfort grad dreißig Jahre alt. Unter allen Bäumen aber ragt hervor der Tubah, der Baum der Glückseligkeit, dessen Stamm im Palaste des großen Propheten steht und dessen Äste in die Wohnungen der Seligen reichen, wo an ihnen alles hängt, was zur Seligkeit erforderlich ist. Aus den Wurzeln des Baumes Tubah entspringen alle Flüsse des Paradieses, in denen Milch, Wein, Kaffee und Honig strömen.«
Trotz der Sinnlichkeit dieser Vorstellung musste ich bemerken, dass Mohammed aus der christlichen Anschauung geschöpft und dieselbe für seine Nomadenhorden umgemodelt hat. Halef blickte mich jetzt mit einem Gesichte an, in welchem sehr deutlich die Erwartung zu lesen war, dass mich seine Beschreibung des Paradieses überwältigt haben werde.
»Nun, was meinst du jetzt?«, fragte er, als ich schwieg.
»Ich will dir aufrichtig sagen, dass ich nicht sechzig Ellen lang werden mag; auch mag ich von den Houris nichts wissen, denn ich bin ein Feind aller Frauen und Mädchen.«
»Warum?«, fragte er ganz erstaunt.
»Weil der Prophet sagt: ›Des Weibes Stimme ist wie der Gesang des Bülbül,2 aber ihre Zunge ist voll Gift wie die Zunge der Natter.‹ Hast du das noch nicht gelesen?«
»Ich habe es gelesen.«
Er senkte den Kopf; ich hatte ihn mit den Worten seines eigenen Propheten geschlagen. Dann fragte er mit etwas weniger Zuversichtlichkeit:
»Ist nicht trotzdem unsere Seligkeit schön? Du brauchst ja keine Houri anzusehen!«
»Ich bleibe ein Christ!«
»Aber es ist ja nicht schwer, zu sagen: La Illa illa Allah, we Mohammed Resul Allah!«
»Ist es schwerer, zu beten: ja abana ’Iledsi, fi ’s – semavati, jata – haddeso ’smoka?«
Er blickte mich zornig an.
»Ich weiß es wohl, dass Isa Ben Marryam, den ihr Jesus nennt, euch dieses Gebet gelehrt hat; ihr nennt es das Vaterunser. Du willst mich stets zu deinem Glauben bekehren, aber denke nur nicht daran, dass du mich zu einem Abtrünnigen vom Tauhid, dem Glauben an Allah, machen wirst!«
Ich hatte schon mehrmals versucht, seinem Bekehrungsversuche den meinigen entgegen zu stellen. Zwar war ich von der Fruchtlosigkeit desselben vollständig überzeugt, aber es war das einzige Mittel, ihn zum Schweigen zu bringen. Das bewährte sich auch jetzt wieder.
»So lass mir meinen Glauben, wie ich dir den deinigen lasse!«
Er knurrte auf diese meine Worte etwas vor sich hin und brummte dann:
»Aber ich werde dich dennoch bekehren, du magst wollen oder nicht. Und das muss mir gelingen, denn du hast ja auch ein Tesbih, einen Rosenkranz, umhängen.3 Was ich einmal will, das will ich, denn ich bin der Hadschi4 Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawud al Gossarah!«
»So bist du also der Sohn Abul Abbas’, des Sohnes Dawud al Gossarah?«
»Ja.«
»Und beide waren Pilger?«
»Ja.«
»Auch du bist ein Hadschi?«
»Ja.«
»So ward ihr alle Drei in Mekka und habt die heilige Kaaba gesehen?«
»Dawud al Gossarah nicht.«
»Ah! Und dennoch nennst du ihn einen Hadschi?«
»Ja, denn er war einer. Er wohnte am Dschebel Schur-Schum und machte sich als Jüngling auf die Pilgerreise. Er kam glücklich über el Dschuf, das man den Leib der Wüste nennt; dann aber wurde er krank und musste am Brunnen Trasah zurückbleiben. Dort nahm er ein Weib und starb, nachdem er seinen Sohn Abul Abbas gesehen hatte. Ist er nicht ein Hadschi, ein Pilger, zu nennen?«
»Hm! Aber Abul Abbas war in Mekka?«
»Nein.«
»Und auch er ist ein Hadschi?«
»Ja. Er trat die Pilgerfahrt an und kam bis in die Ebene Admar, wo er zurückbleiben musste.«
»Warum?«
»Er erblickte da Amareh, die Perle von Dschuneth, und liebte sie. Amareh wurde sein Weib und gebar ihm Halef Omar, den du hier neben dir siehst. Dann starb er. War er nicht ein Hadschi?«
»Hm! Aber du selbst warst in Mekka?«
»Nein.«
»Und nennst dich dennoch einen Pilger!«
»Ja. Als meine Mutter tot war, begab ich mich auch auf die Pilgerschaft. Ich zog gen Aufgang und Niedergang der Sonne; ich ging nach Mittag und nach Mitternacht; ich lernte alle Oasen der Wüste und alle Orte Ägyptens kennen; ich war noch nicht in Mekka, aber ich werde noch dorthin kommen. Bin ich also nicht ein Hadschi?«
»Hm! Ich denke, nur wer in Mekka war, darf sich einen Hadschi nennen?«
»Eigentlich, ja. Aber ich bin ja auf der Reise dorthin!«
»Möglich! Doch du wirst auch irgendwo eine schöne Jungfrau finden und bei ihr bleiben; deinem Sohne wird es ebenso gehen, denn dies scheint euer Kismet zu sein, und dann wird nach hundert Jahren dein Urenkel sagen: ›Ich bin Hadschi Mustafa Ben Hadschi Ali Assabeth Ibn Hadschi Saïd al Hamza Ben Hadschi Schehab Tofaïl Ibn Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawud al Gossarah‹, und keiner von all diesen sieben Pilgern wird Mekka gesehen haben und ein echter, wirklicher Hadschi geworden sein. Meinst du nicht?«
So ernst er sonst war, er musste dennoch über diese kleine, unschädliche Malice lachen. Es gibt unter den Mohammedanern sehr, sehr viele, die sich, besonders dem Fremden gegenüber, als Hadschi gebärden, ohne die Kaaba gesehen, den Lauf zwischen Ssafa und Merweh vollbracht zu haben, in Arafah gewesen und in Minah geschoren und rasiert worden zu sein. Mein guter Halef fühlte sich geschlagen, aber er nahm es mit guter Miene hin.
»Sihdi«, fragte er kleinlaut, »wirst du es ausplaudern, dass ich noch nicht in Mekka war?«
»Ich werde nur dann davon sprechen, wenn du wieder anfängst, mich zum Islam zu bekehren; sonst aber werde ich schweigen. Doch schau, sind das nicht Spuren im Sand?«
Wir waren schon längst in das Wadi5 Tarfaui eingebogen und jetzt an eine Stelle desselben gekommen, an welcher der Wüstenwind den Flugsand über die hohen Felsenufer hinabgetrieben hatte. In diesem Sande war eine sehr deutliche Fährte zu erkennen.
»Hier sind Leute geritten«, meinte Halef unbekümmert.
»So werden wir absteigen, um die Spur zu untersuchen.«
Er blickte mich fragend an.
»Sihdi, das ist überflüssig. Es ist genug, zu wissen, dass Leute hier geritten sind. Weshalb willst du die Hufspuren untersuchen?«
»Es ist stets gut, zu wissen, welche Leute man vor sich hat.«
»Wenn du alle Spuren, welche du findest, untersuchen willst, so wirst du unter zwei Monden nicht nach Seddada kommen. Was gehen dich die Männer an, die vor uns sind?«
»Ich bin in fernen Ländern gewesen, in denen es viel Wildnis gibt und wo sehr oft das Leben davon abhängt, dass man alle Darb und Ethar, alle Spuren und Fährten, genau betrachtet, um zu erfahren, ob man einem Freunde oder einem Feinde begegnet.«
»Hier wirst du keinem Feinde begegnen, Effendi.«
»Das kann man nicht wissen.«
Ich stieg ab. Es waren die Fährten dreier Tiere zu bemerken, eines Kamels und zweier Pferde. Das erstere war jedenfalls ein Reitkamel, wie ich an der Zierlichkeit seiner Hufeindrücke bemerkte. Bei genauer Betrachtung fiel mir eine Eigentümlichkeit der Spuren auf, welche mich vermuten ließ, dass das eine der Pferde am ›Hahnentritt‹6 leide. Dieses musste meine Verwunderung erregen, da ich mich in einem Lande befand, dessen Pferdereichtum zur Folge hat, dass man niemals Tiere reitet, welche mit diesem Übel behaftet sind. Der Besitzer des Rosses war entweder kein oder ein sehr armer Araber.
Halef lächelte über die Sorgfalt, mit welcher ich den Sand untersuchte, und fragte, als ich mich wieder emporrichtete:
»Was hast du gesehen, Sihdi?«
»Es waren zwei Pferde und ein Kamel.«
»Zwei Pferde und ein Djemmel! Allah segne deine Augen; ich habe ganz dasselbe gesehen, ohne dass ich von meinem Tiere zu steigen brauchte. Du willst ein Taleb sein, ein Gelehrter, und tust doch Dinge, über welche ein Hamahr, ein Eselstreiber, lachen würde. Was hilft dir nun der Schatz des Wissens, den du hier gehoben hast?«
»Ich weiß nun zunächst, dass die drei Reiter vor ungefähr vier Stunden hier vorübergekommen sind.«
»Wer gibt dir etwas für diese Weisheit? Ihr Männer aus dem Belad el Rumi, aus Europa, seid sonderbare Leute!«
Er schnitt bei diesen Worten ein Gesicht, von welchem ich das tiefste Mitleid lesen konnte, doch zog ich es vor, schweigend unsern Weg fortzusetzen.
Wir folgten der Fährte wohl eine Stunde lang, bis wir da, wo das Wadi eine Krümmung machte und wir nun um eine Ecke bogen, unwillkürlich unsere Pferde anhielten. Wir sahen drei Geier, welche nicht weit vor uns hinter einer Sanddüne hockten und sich bei unserem Anblick mit heiseren Schreien in die Lüfte erhoben.
»El Büdj, der Bartgeier«, meinte Halef. »Wo er ist, da gibt es ganz sicher ein Aas.«
»Es wird dort irgendein Tier verendet sein«, antwortete ich, indem ich ihm folgte.
Er hatte sein Pferd rascher vorwärtsgetrieben, sodass ich hinter ihm zurückgeblieben war. Kaum hatte er die Düne erreicht, so hielt er mit einem Rucke still und stieß einen Ruf des Schreckens aus.
»Masch Allah, Wunder Gottes! Was ist das? Ist das nicht ein Mensch, Sihdi, welcher hier liegt?«
Ich musste allerdings bejahend antworten. Es war wirklich ein Mann, welcher hier lag, und an dessen Leichnam die Geier ihr schauderhaftes Mahl gehalten hatten. Schnell sprang ich vom Pferde und kniete bei ihm nieder. Seine Kleidung war von den Krallen der Vögel zerfetzt. Aber lange konnte dieser Unglückliche noch nicht tot sein, wie ich bei der Berührung sofort fühlte.
»Allah kerihm, Gott ist gnädig! Sihdi, ist dieser Mann eines natürlichen Todes gestorben?«, fragte Halef.
»Nein. Siehst du nicht die Wunde am Halse und das Loch im Hinterhaupte? Er ist ermordet worden.«
»Allah verderbe den Menschen, der dies getan hat! Oder sollte der Tote in einem ehrlichen Kampfe gefallen sein?«
»Was nennst du ehrlichen Kampf? Vielleicht ist er das Opfer einer Blutrache. Wir wollen seine Kleider untersuchen.«
Halef half dabei. Wir fanden nicht das Geringste, bis mein Blick auf die Hand des Toten fiel. Ich bemerkte einen einfachen Goldreif von der gewöhnlichen Form der Trauringe und zog ihn ab. In seine innere Seite war klein, aber deutlich eingegraben: »E.P. 15. Juillet 1830.«
»Was findest du?«, fragte Halef.
»Dieser Mann ist kein Ibn Arab.«7
»Was sonst?«
»Ein Franzose.«
»Ein Franke, ein Christ? Woran willst du dies erkennen?«
»Wenn ein Christ sich ein Weib nimmt, so tauschen beide je einen Ring, in welchem der Name und der Tag eingegraben sind, an dem die Ehe geschlossen wurde.«
»Und dies ist ein solcher Ring?«
»Ja.«
»Aber woran erkennst du, dass dieser Tote zu dem Volke der Franken gehört? Er könnte doch ebenso gut von den Inglis8 oder den Nemsi9 stammen, zu denen auch du gehörst.«
»Es sind französische Zeichen, welche ich hier lese.«
»Er kann dennoch zu einem anderen Volke gehören. Meinst du nicht, Effendi, dass man einen Ring finden oder auch stehlen kann?«
»Das ist wahr. Aber sieh das Hemd, welches er unter seiner Kleidung trägt. Es ist dasjenige eines Europäers.«
»Wer hat ihn getötet?«
»Seine beiden Begleiter. Siehst du nicht, dass der Boden hier aufgewühlt ist vom Kampfe? Bemerkst du nicht, dass – –«
Ich hielt mitten im Satze inne. Ich hatte mich aus meiner knienden Stellung erhoben, um den Boden zu untersuchen, und fand nicht weit von der Stelle, an welcher der Tote lag, den Anfang einer breiten Blutspur, welche sich seitwärts zwischen die Felsen zog. Ich folgte ihr mit schussbereitem Gewehr, da die Mörder sich leicht noch in der Nähe befinden konnten. Noch war ich nicht weit gegangen, so stieg mit lautem Flügelschlag ein Geier empor und ich bemerkte an dem Orte, von welchem er sich erhoben hatte, ein Kamel liegen.
Es war tot; in seiner Brust klaffte eine tiefe, breite Wunde. Halef schlug die Hände bedauernd ineinander.
»Ein graues Hedjihn, ein graues Tuareg-Hedjihn, und diese Mörder, diese Schurken, diese Hunde haben es getötet!«
Es war klar, er bedauerte das prächtige Reittier viel mehr als den toten Franzosen. Als echter Sohn der Wüste, dem der geringste Gegenstand kostbar werden kann, bückte er sich nieder und untersuchte den Sattel des Kamels. Er fand nichts; die Taschen waren leer.
»Die Mörder haben bereits alles hinweggenommen, Sihdi. Mögen sie in alle Ewigkeit in der Dschehenna braten. Nichts, gar nichts haben sie zurückgelassen, als das Kamel – und die Papiere, welche dort im Sande liegen.«
Durch diese Worte aufmerksam gemacht, bemerkte ich in einer Entfernung von uns allerdings einige mit den Händen zusammengeballte und wohl als unnütz weggeworfene Papierstücke. Sie konnten mir vielleicht einen Anhaltspunkt bieten, und ich ging, um sie aufzuheben. Es waren mehrere Zeitungsbogen. Ich glättete die zusammengeknitterten Fetzen und passte sie genau aneinander. Ich hatte zwei Seiten der »Vigie algérienne« und ebenso viel vom »L’Indépendant« und der »Mahouna« in den Händen. Das erste Blatt erscheint in Algier, das zweite in Constantine und das dritte in Guelma. Trotz dieser örtlichen Verschiedenheit bemerkte ich bei näherer Prüfung eine mir auffällige Übereinstimmung bezüglich des Inhaltes der drei Zeitungsfetzen: Sie enthielten nämlich alle drei einen Bericht über die Ermordung eines reichen französischen Kaufmannes in Blidah. Des Mordes dringend verdächtig war ein armenischer Händler, welcher die Flucht ergriffen hatte und steckbrieflich verfolgt wurde. Die Beschreibung seiner Person stimmte in allen drei Journalen ganz wörtlich überein.
Aus welchem Grunde hatte der Tote, welchem dieses Kamel gehörte, diese Blätter bei sich geführt? Ging ihn der Fall persönlich etwas an? War er ein Verwandter des Kaufmanns in Blidah, war er der Mörder, oder war er ein Polizist, der die Spur des Verbrechers verfolgt hatte?
Ich nahm die Papiere an mich, wie ich auch den Ring an meinen Finger gesteckt hatte, und kehrte mit Halef zu der Leiche zurück. Über ihr schwebten beharrlich die Geier, welche sich nun nach unserer Entfernung auf das Kamel niederließen.
»Was gedenkest du nun zu tun, Sihdi?«, fragte der Diener.
»Es bleibt uns nichts übrig, als den Mann zu begraben.«
»Willst du ihn in die Erde scharren?«
»Nein; dazu fehlen uns die Werkzeuge. Wir errichten einen Steinhaufen über ihm; so wird kein Tier zu ihm gelangen können.«
»Und du denkst wirklich, dass er ein Giaur ist?«
»Er ist ein Christ.«
»Es ist möglich, dass du dich dennoch irrst, Sihdi; er kann trotzdem auch ein Rechtgläubiger sein. Darum erlaube mir eine Bitte!«
»Welche?«
»Lass uns ihn so legen, dass er mit dem Gesichte nach Mekka blickt!«
»Ich habe nichts dagegen, denn dann ist es zugleich nach Jerusalem gerichtet, wo der Welteiland litt und starb. Greife an!«
Es war ein trauriges Werk, welches wir in der tiefen Einsamkeit vollendeten. Als der Steinhaufen, welcher den Unglücklichen bedeckte, so hoch war, dass er der Leiche vollständigen Schutz gegen die Tiere der Wüste gewährte, fügte ich noch so viel hinzu, dass er die Gestalt eines Kreuzes bekam, und faltete dann die Hände, um ein Gebet zu sprechen. Als ich damit geendet hatte, wandte Halef sein Auge gegen Morgen, um mit der hundertundzwölften Sure des Korans zu beginnen:
»Im Namen des allbarmherzigen Gottes! Sprich: Gott ist der einzige und ewige Gott. Er zeugt nicht und ist nicht gezeugt, und kein Wesen ist ihm gleich. Der Mensch liebt das dahineilende Leben und lässt das zukünftige unbeachtet. Deine Abreise aber ist gekommen, und nun wirst du hingetrieben zu deinem Herrn, der dich auferwecken wird zu neuem Leben. Möge dann die Zahl deiner Sünden klein sein und die Zahl deiner guten Taten so groß wie der Sand, auf dem du einschliefst in der Wüste!«
Nach diesen Worten bückte er sich nieder, um seine Hände, die er mit der Leiche verunreinigt hatte, mit dem Sande abzuwaschen.
»So, Sihdi, jetzt bin ich wieder tahir, was die Kinder Israel kauscher10 nennen, und darf wieder berühren, was rein und heilig ist. Was tun wir jetzt?«
»Wir eilen den Mördern nach, um sie einzuholen.«
»Willst du sie töten?«
»Ich bin ihr Richter nicht. Ich werde mit ihnen sprechen und dann erfahren, warum sie ihn getötet haben. Dann weiß ich, was ich tun werde.«
»Es können keine klugen Männer sein, sonst hätten sie nicht ein Hedjihn getötet, welches mehr wert ist, als ihre Pferde.«
»Das Hedjihn hätte sie vielleicht verraten. Hier siehst du ihre Spur. Vorwärts! Sie sind fünf Stunden vor uns; vielleicht treffen wir morgen auf sie, noch ehe sie Seddada erreichen.«
Wir jagten trotz der drückenden Hitze und des schwierigen, felsigen Bodens mit einer Eile dahin, als ob es gelte, Gazellen einzuholen, und es war dabei ganz unmöglich, ein Gespräch zu führen. Diese Schweigsamkeit aber konnte mein guter Halef unmöglich lange aushalten.
»Sihdi«, rief er hinter mir, »Sihdi, willst du mich verlassen?«
Ich drehte mich nach ihm um.
»Verlassen?«
»Ja. Meine Stute hat ältere Beine als dein Berberhengst.«
Wirklich triefte die alte Hassi-Ferdschahn-Stute bereits von Schweiß, und der Schaum flog ihr in großen Flocken von dem Maule.
»Aber wir können heute nicht wie gewöhnlich während der größten Hitze Rast machen, sondern wir müssen reiten bis zur Nacht, sonst holen wir die beiden, welche vor uns sind, nicht ein.«
»Wer zu viel eilt, kommt auch nicht früher als der, welcher langsam reitet, Effendi, denn – Allah Akbar, blicke da hinunter!«
Wir befanden uns vor einem jähen Sturz des Wadi und sahen in der Entfernung von vielleicht einer Viertelwegsstunde unter uns zwei Reiter oder vielmehr zwei Männer an einer kleinen Sobha11 sitzen, in welcher sich brackiges Wasser erhalten hatte. Ihre Pferde knabberten an den dürren, stacheligen Mimosen herum, welche in der Nähe standen.
»Ah, sie sind es!«
»Ja, Sihdi, sie sind es. Auch ihnen ist es zu heiß gewesen, und sie haben beschlossen, zu warten, bis die größte Glut vorüber ist.«
»Oder sie haben sich verweilt, um die Beute zu teilen. Zurück, Halef, zurück, damit sie dich nicht bemerken! Wir werden das Wadi verlassen und ein wenig nach West reiten, um zu tun, als ob wir vom Schott Rharsa kämen.«
»Warum, Effendi?«
»Sie sollen nicht ahnen, dass wir die Leiche des Ermordeten gefunden haben.«
Unsere Pferde erklommen das Ufer des Wadi, und wir ritten stracks nach Westen in die Wüste hinein. Dann schlugen wir einen Bogen und hielten auf die Stelle zu, an welcher sich die beiden befanden. Sie konnten uns nicht kommen sehen, da sie in der Tiefe des Wadi saßen, mussten uns aber hören, als wir demselben nahe gekommen waren.
Wirklich hatten sie sich, als wir den Rand der Vertiefung erreichten, bereits erhoben und nach ihren Gewehren gegriffen. Ich tat natürlich, als sei ich ebenso überrascht wie sie selbst, hier in der Einsamkeit der Wüste so plötzlich auf Menschen zu treffen, hielt es jedoch nicht für nötig, nach meiner Büchse zu langen.
»Salam aaleïkum!«, rief ich, mein Pferd anhaltend, zu ihnen hinab.
»Aleïkum«, antwortete der ältere von ihnen. »Wer seid ihr?«
»Wir sind friedliche Reiter.«
»Wo kommt ihr her?«
»Von Westen.«
»Und wo wollt ihr hin?«
»Nach Seddada.«
»Von welchem Stamme seid ihr?«
Ich deutete auf Halef und antwortete:
»Dieser hier stammt aus der Ebene Admar, und ich gehöre zu den Beni-Sachsa. Wer seid ihr?«
»Wir sind von dem berühmten Stamme der Uëlad Hamalek.«
»Die Uëlad Hamalek sind gute Reiter und tapfere Krieger. Wo kommt ihr her?«
»Von Gafsa.«
»Da habt ihr eine weite Reise hinter euch. Wohin wollt ihr?«
»Nach dem Bir12 Sauidi, wo wir Freunde haben.«
Beides, dass sie von Gafsa kamen und nach dem Brunnen Sauidi wollten, war eine Lüge, doch tat ich, als ob ich ihren Worten glaubte, und fragte:
»Erlaubt ihr uns, bei euch zu rasten?«
»Wir bleiben hier bis zum frühen Morgen«, lautete die Antwort, welche also für meine Frage weder ein Ja noch ein Nein enthielt.
»Auch wir gedenken, bis zum Aufgang der nächsten Sonne hier auszuruhen. Ihr habt genug Wasser für uns alle und auch für unsere Pferde. Dürfen wir bei euch bleiben?«
»Die Wüste gehört allen. Marhaba, du sollst uns willkommen sein!«
Es war ihnen trotz dieses Bescheides leicht anzusehen, dass ihnen unser Gehen lieber gewesen wäre, als unser Bleiben; wir aber ließen unsere Pferde den Abhang hinunter klettern und stiegen an dem Wasser ab, wo wir sofort ungeniert Platz nahmen.
Die beiden Physiognomien, welche ich nun studieren konnte, waren keineswegs vertrauenerweckend. Der ältere, welcher bisher das Wort geführt hatte, war lang und hager gebaut. Der Burnus hing ihm am Leibe wie an einer Vogelscheuche. Unter dem schmutzig blauen Turban blickten zwei kleine, stechende Augen unheimlich hervor; über den schmalen, blutleeren Lippen fristete ein dünner Bart ein kümmerliches Dasein; das spitze Kinn zeigte eine auffallende Neigung, nach oben zu steigen, und die Nase, ja, diese Nase erinnerte mich lebhaft an die Geier, welche ich vor kurzer Zeit von der Leiche des Ermordeten vertrieben hatte. Das war keine Adler- und auch keine Habichtsnase; sie hatte wirklich die Form eines Geierschnabels.
Der andere war ein junger Mann von auffallender Schönheit; aber die Leidenschaften hatten sein Auge umflort, seine Nerven entkräftet und seine Stirn und Wangen zu früh gefurcht. Man konnte unmöglich Vertrauen zu ihm haben.
Der ältere sprach das Arabische mit jenem Akzent, wie man es am Euphrat spricht, und der jüngere ließ mich vermuten, dass er kein Orientale, sondern ein Europäer sei. Ihre Pferde, welche in der Nähe standen, waren schlecht und sichtlich abgetrieben; ihre Kleidung hatte ein sehr mitgenommenes Aussehen, aber ihre Waffen waren ausgezeichnet. Da, wo sie vorhin gesessen, lagen verschiedene Gegenstände, welche sonst in der Wüste selten sind und wohl nur deshalb liegen geblieben waren, weil die beiden keine Zeit gefunden hatten, sie zu verbergen: ein seidenes Taschentuch, eine goldene Uhr nebst Kette, ein Kompass, ein prachtvoller Revolver und ein in Maroquin gebundenes Taschenbuch.
Ich tat, als ob ich diese Gegenstände gar nicht bemerkt hätte, nahm aus der Satteltasche eine Handvoll Datteln und begann, dieselben mit gleichgültiger und zufriedener Miene zu verzehren.
»Was wollt ihr in Seddada?«, fragte mich der Lange.
»Nichts. Wir gehen weiter.«
»Wohin?«
»Über den Schott Dscherid nach Fetnassa und Kbilli.«
Ein unbewachter Blick, den er auf seinen Gefährten warf, sagte mir, dass ihr Weg der nämliche sei. Dann fragte er weiter:
»Hast du Geschäfte in Fetnassa oder Kbilli?«
»Ja.«
»Du willst deine Herden dort verkaufen?«
»Nein.«
»Oder deine Sklaven?«
»Nein.«
»Oder vielleicht die Waren, die du aus dem Sudan kommen lässt?«
»Nein.«
»Was sonst?«
»Nichts. Ein Sohn meines Stammes treibt mit Fetnassa keinen Handel.«
»Oder willst du dir ein Weib dort holen?«
Ich improvisierte eine sehr zornige Miene.
»Weißt du nicht, dass es eine Beleidigung ist, zu einem Manne von seinem Weibe zu sprechen! Oder bist du ein Giaur, dass du dieses nicht erfahren hast?«
Wahrhaftig, der Mann erschrak förmlich, und ich begann, infolgedessen die Vermutung zu hegen, dass ich mit meinen Worten das Richtige getroffen hatte. Er hatte ganz und gar nicht die Physiognomie eines Beduinen; Gesichter, wie das seinige, waren mir vielmehr bei Männern von armenischer Herkunft aufgefallen und – – ah, war es nicht ein armenischer Händler, der den Kaufmann in Blidah ermordet hatte und dessen Steckbrief ich in der Tasche trug? Ich hatte mir nicht die Zeit genommen, den Steckbrief, wenigstens das Signalement, aufmerksam durchzulesen. Während mir diese Gedanken blitzschnell durch den Kopf gingen, fiel mein Blick nochmals auf den Revolver. An seinem Griff befand sich eine silberne Platte, in welche ein Name eingraviert war.
»Erlaube mir!«
Zu gleicher Zeit mit dieser Bitte griff ich nach der Waffe und las: »Paul Galingré, Marseille.« Das war ganz sicher nicht der Name der Fabrik, sondern des Besitzers. Ich verriet aber mein Interesse durch keine Miene, sondern fragte leichthin:
»Was ist das für eine Waffe?«
»Ein – ein – – ein Drehgewehr.«
»Magst du mir zeigen, wie man mit ihm schießt?«
Er erklärte es mir. Ich hörte ihm sehr aufmerksam zu und meinte dann:
»Du bist kein Uëlad Hamalek, sondern ein Giaur.«
»Warum?«
»Siehe, dass ich recht geraten habe! Wärest du ein Sohn des Propheten, so würdest du mich niederschießen, weil ich dich einen Giaur nannte. Nur die Ungläubigen haben Drehgewehre. Wie soll diese Waffe in die Hände eines Uëlad Hamalek gekommen sein! Ist sie ein Geschenk?«
»Nein.«
»So hast du sie gekauft?«
»Nein.«
»Dann war sie eine Beute?«
»Ja.«
»Von wem?«
»Von einem Franken.«
»Mit dem du kämpftest?«
»Ja.«
»Wo?«
»Auf dem Schlachtfelde.«
»Auf welchem?«
»Bei El Guerara.«
»Du lügst!«
Jetzt riss ihm doch endlich die Geduld. Er erhob sich und griff nach dem Revolver.
»Was sagst du? Ich lüge? Soll ich dich niederschießen wie – – –«
Ich fiel ihm in die Rede:
»Wie den Franken da oben im Wadi Tarfaui!«
Die Hand, welche den Revolver hielt, sank wieder nieder, und eine fahle Blässe bedeckte das Gesicht des Mannes. Doch raffte er sich zusammen und fragte drohend:
»Was meinst du mit diesen Worten?«
Ich langte in meine Tasche, zog die Zeitungen heraus und tat einen Blick in die Blätter, um den Namen des Mörders zu finden.
»Ich meine, dass du ganz gewiss kein Uëlad Hamalek bist. Dein Name ist mir sehr bekannt; er lautet Hamd el Amasat.«
Jetzt fuhr er zurück und streckte beide Hände wie zur Abwehr gegen mich aus.
»Woher kennst du mich?«
»Ich kenne dich; das ist genug.«
»Nein, du kennst mich nicht; ich heiße nicht so, wie du sagtest; ich bin ein Uëlad Hamalek, und wer das nicht glaubt, den schieße ich nieder!«
»Wem gehören diese Sachen?«
»Mir.«
Ich ergriff das Taschentuch. Es war mit »P.G.« gezeichnet. Ich öffnete die Uhr und fand auf der Innenseite des Deckels ganz dieselben Buchstaben eingraviert.
»Woher hast du sie?«
»Was geht es dich an? Lege sie von dir!«
Anstatt ihm zu gehorchen, öffnete ich auch das Notizbuch. Auf dem ersten Blatte desselben las ich den Namen Paul Galingré; der Inhalt aber war stenografiert, und ich kann Stenografie nicht lesen.
»Weg mit dem Buche, sage ich dir!«
Bei diesen Worten schlug er mir dasselbe aus der Hand, sodass es in die Lache flog. Ich erhob mich, um den Versuch zu machen, es zu retten, fand aber jetzt doppelten Widerstand, da sich nun auch der jüngere der beiden Männer zwischen mich und das Wasser stellte.
Halef hatte dem Wortwechsel bisher scheinbar gleichgültig zugehört, aber ich sah, dass sein Finger an dem Drücker seiner langen Flinte lag. Es bedurfte nur eines Winkes von mir, um ihn zum Schusse zu bringen. Ich bückte mich, um auch den Kompass noch aufzunehmen.
»Halt; das ist mein! Gib diese Sachen heraus!«, rief der Gegner.
Er fasste meinen Arm, um seinen Worten Nachdruck zu geben; ich aber sagte so ruhig wie möglich:
»Setze dich wieder nieder! Ich habe mit dir zu reden.«
»Ich habe mit dir nichts zu schaffen!«
»Aber ich mit dir. Setze dich, wenn ich dich nicht niederschießen soll!«
Diese Drohung schien doch nicht ganz unwirksam zu sein. Er ließ sich wieder zur Erde nieder, und ich tat ganz dasselbe. Dann zog ich meinen Revolver und begann:
»Siehe, dass ich auch ein solches Drehgewehr habe! Lege das deinige weg, sonst geht das meinige los!«
Er legte die Waffe langsam neben sich hin aus der Hand, hielt sich aber zum augenblicklichen Griff bereit.
»Du bist kein Uëlad Hamalek?«
»Ich bin einer.«
»Du kommst nicht von Gafsa?«
»Ich komme von dort.«
»Wie lange Zeit reitest du bereits im Wadi Tarfaui?«
»Was geht es dich an!«
»Es geht mich sehr viel an. Da oben liegt die Leiche eines Mannes, den du ermordet hast.«
Ein böser Zug durchzuckte sein Gesicht.
»Und wenn ich es getan hätte, was hättest du darüber zu sagen?«
»Nicht viel; nur einige Worte.«
»Welche?«
»Wer war der Mann?«
»Ich kenne ihn nicht.«
»Warum hast du ihn und sein Kamel getötet?«
»Weil es mir so gefiel.«
»War er ein Rechtgläubiger?«
»Nein. Er war ein Giaur.«
»Du hast genommen, was er bei sich trug?«
»Sollte ich es bei ihm liegen lassen?«
»Nein, denn du hattest es für mich aufzuheben.«
»Für dich – –?«
»Ja.«
»Ich verstehe dich nicht.«
»Du sollst mich verstehen. Der Tote war ein Giaur; ich bin auch ein Giaur und werde sein Rächer sein.«
»Sein Bluträcher?«
»Nein; wenn ich das wäre, so hättest du bereits aufgehört, zu leben. Wir sind in der Wüste, wo kein Gesetz gilt als nur das des Stärkeren. Ich will nicht erproben, wer von uns der Stärkere ist; ich übergebe dich der Rache Gottes, des Allwissenden, der alles sieht und keine Tat unvergolten lässt; aber das eine sage ich dir, und das magst du dir wohl merken: Du gibst alles heraus, was du dem Toten abgenommen hast.«
Er lächelte überlegen.
»Meinst du wirklich, dass ich dieses tue?«
»Ich meine es.«
»So nimm dir, was du haben willst!«
Er zuckte mit der Hand, um nach dem Revolver zu greifen; schnell aber hielt ich ihm die Mündung des meinigen entgegen.
»Halt, oder ich schieße!«
Es war jedenfalls eine sehr eigentümliche Situation, in der ich mich befand. Glücklicherweise aber schien mein Gegner mehr Verschlagenheit als Mut zu besitzen. Er zog die Hand wieder zurück und schien unentschlossen zu werden.
»Was willst du mit den Sachen tun?«
»Ich werde sie den Verwandten des Toten zurückgeben.«
Es war fast eine Art von Mitleid, mit der er mich jetzt fixierte.
»Du lügst. Du willst sie für dich behalten!«
»Ich lüge nicht.«
»Und was wirst du gegen mich unternehmen?«
»Jetzt nichts; aber hüte dich, mir jemals wieder zu begegnen!«
»Du reitest wirklich von hier nach Seddada?«
»Ja.«
»Und wenn ich dir die Sachen gebe, wirst du mich und meinen Gefährten ungehindert nach dem Bir Sauidi gehen lassen?«
»Ja.«
»Du versprichst es mir?«
»Ja.«
»Beschwöre es!«
»Ein Giaur schwört nie; sein Wort ist auch ohne Schwur die Wahrheit.«
»Hier, nimm das Drehgewehr, die Uhr, den Kompass und das Tuch.«
»Was hatte er noch bei sich?«
»Nichts.«
»Er hatte Geld.«
»Das werde ich behalten.«
»Ich habe nichts dagegen; aber gib mir den Beutel oder die Börse, in der es sich befand.«
»Du sollst sie haben.«
Er griff in seinen Gürtel und zog eine gestickte Perlenbörse hervor, die er leerte und mir dann entgegenreichte.
»Weiter hatte er nichts bei sich?«
»Nein. Willst du mich aussuchen?«
»Nein.«
»So können wir gehen?«
»Ja.«
Er schien sich jetzt doch leichter zu fühlen als vorhin; sein Begleiter aber war ganz sicher ein furchtsamer Mensch, der sehr froh war, auf diese Weise davonzukommen. Sie nahmen ihre Habseligkeiten zusammen und bestiegen ihre Pferde.
»Salam aaleïkum, Friede sei mit euch!«
Ich antwortete nicht, und sie nahmen diese Unhöflichkeit sehr gleichgültig hin. In wenigen Augenblicken waren sie hinter dem Rande des Wadiufers verschwunden.
Halef hatte bis jetzt kein einziges Wort gesprochen; nun brach er sein Schweigen.
»Sihdi!«
»Was?«
»Darf ich dir etwas sagen?«
»Ja.«
»Kennst du den Strauß?«
»Ja.«
»Weißt du, wie er ist?«
»Nun?«
»Dumm, sehr dumm.«
»Weiter!«
»Verzeihe mir, Effendi, aber du kommst mir noch schlimmer vor, als der Strauß.«
»Warum?«
»Weil du diese Schurken laufen lässt.«
»Ich kann sie nicht halten und auch nicht töten.«
»Warum nicht? Hätten sie einen Rechtgläubigen ermordet, so kannst du dich darauf verlassen, dass ich sie zum Scheïtan, zum Teufel, geschickt hätte. Da es aber ein Giaur war, so ist es mir sehr gleichgültig, ob sie Strafe finden oder nicht. Du aber bist ein Christ und lässt die Mörder eines Christen entkommen!«
»Wer sagt dir, dass sie entkommen werden?«
»Sie sind ja bereits fort! Sie werden den Bir Sauidi erreichen und von da nach Debila und El Uëd gehen, um in der Areg13 zu verschwinden.«
»Das werden sie nicht.«
»Was sonst? Sie sagten ja, dass sie nach Bir Sauidi gehen werden.«
»Sie logen. Sie werden nach Seddada gehen.«
»Wer sagte es dir?«
»Meine Augen.«
»Allah segne deine Augen, mit denen du die Stapfen im Sande betrachtest. So wie du kann nur ein Ungläubiger handeln. Aber ich werde dich schon noch zum rechten Glauben bekehren; darauf kannst du dich verlassen, du magst nun wollen oder nicht!«
»Dann nenne ich mich einen Pilger, ohne in Mekka gewesen zu sein.«
»Sihdi – –! Du hast mir ja versprochen, das nicht zu sagen!«
»Ja, solange du mich nicht bekehren willst.«
»Du bist der Herr, und ich muss es mir gefallen lassen. Aber, was tun wir jetzt?«
»Wir sorgen zunächst für unsere Sicherheit. Hier können wir leicht von einer Kugel getroffen werden. Wir müssen uns überzeugen, ob diese beiden Schurken auch wirklich fort sind.«
Ich erstieg den Rand der Schlucht und sah allerdings die zwei Reiter in bereits sehr großer Entfernung von uns auf Südwest zuhalten. Halef war mir gefolgt.
»Dort reiten sie«, meinte er. »Das ist die Richtung nach Bir Sauidi.«
»Wenn sie sich weit genug entfernt haben, werden sie sich nach Osten wenden.«
»Sihdi, dein Gehirn dünkt mir schwach. Wenn sie dies täten, müssten sie uns ja wieder in die Hände kommen!«
»Sie meinen, dass wir erst morgen aufbrechen, und glauben also, einen guten Vorsprung vor uns zu erlangen.«
»Du rätst und wirst doch das Richtige nicht treffen.«
»Meinst du? Sagte ich dir nicht da oben, dass eins ihrer Pferde den Hahnentritt habe?«
»Ja, das sah ich, als sie davonritten.«
»So werde ich auch jetzt recht haben, wenn ich sage, dass sie nach Seddada gehen.«
»Warum folgen wir ihnen nicht sofort?«
»Wir kämen ihnen sonst zuvor, da wir den geraden Weg haben, dann würden sie auf unsere Spur stoßen und sich hüten, mit uns wieder zusammenzutreffen.«
»Lass uns also wieder zum Wasser gehen und ruhen, bis es Zeit zum Aufbruch ist.«
Wir stiegen wieder hinab. Ich streckte mich auf meine am Boden ausgebreitete Decke aus, zog das Ende meines Turbans als Lischam14 über das Gesicht und schloss die Augen, nicht um zu schlafen, sondern um über unser letztes Abenteuer nachzudenken. Aber wer vermag es, in der fürchterlichen Glut der Sahara seine Gedanken längere Zeit mit einer an sich schon unklaren Sache zu beschäftigen? Ich schlummerte wirklich ein und mochte über zwei Stunden geschlafen haben, als ich wieder erwachte. Wir brachen auf.
Das Wadi Tarfaui mündet in den Schott Rharsa; wir mussten es also nun verlassen, wenn wir, nach Osten zu, Seddada erreichen wollten. Nach Verlauf von vielleicht einer Stunde trafen wir auf die Spur zweier Pferde, welche von West nach Ost führte.
»Nun, Halef, kennst du diese Ethar, diese Fährte?«
»Masch Al