Heike Wenig, Sylvia Wenig, Edelgard Moers

Flammen und Fröste

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

Titel

Flammen und Fröste

und Fröste

Brigitte Klingler

Wolfgang Klingler

Peter Bertram

Sabina Eisenberg-Radomski

Ludger Felix Kolbe

Rudolph Kowalleck

Hermann Kuhl

Edelgard Moers

Anke Völkel

Heike Wenig

Sylvia Wenig

Werner Wenig

Brigitte Wiers

Impressum neobooks

Flammen und Fröste

Flammen und Fröste


Lyrikanthologie des

Literarischen Arbeitskreises

Dorsten






Literarischer Arbeitskreis Dorsten




und Fröste








HW – Verlag Dorsten








© 2017 by HW-Verlag Dorsten


1. Auflage 2017

Umschlaggestaltung: Heike Wenig

Druck: Flyer Store Augsburg

Alle Rechte bei den Autoren


HW – Verlag Dorsten

Tel.: +49 2369 1760

Fax: +49 2369 5191


ISBN 978-3-932801-71-6







Brigitte Klingler


SÜDAMERIKA


nie werde ich vergessen

wie du zum ersten Mal sagtest

ich brauche dich

und wie wir Pläne schmiedeten

und dass ich es bin

die mit dir gehen soll nach

Südamerika




Wolfgang Klingler



AM ENDE ALLEIN


Sie fanden ihn zwei Tage

nachdem er gestorben war.

Nach dem Tod seiner Frau

hatte er zwei Jahre

in dem Haus alleine gelebt


Sein Sparkassenbuch fanden sie

unter der Matratze

er hatte zwei Jahre lang

nichts abgehoben.

Den Enkelkindern gab man

das Bargeld, das achtlos

in der Wohnung verteilt lag.

Das Service nahmen die Nachbarn

und der Sohn hängte die

Bilder von den Wänden.

Die elektrischen Geräte gingen

an die Wohlfahrt

zusammen mit den Wohnzimmermöbeln.

Die Lampen gingen

in den Sperrmüll

und den Rest entsorgte

ein Entrümpelungsunternehmen.

Die Briefmarken und die Schallplatten

wurden gewinnbringend verkauft

und davon ging man

noch einmal gemeinsam essen.


im ganzen Haus

fand sich kein Bild

von seiner Frau.



GETWITTERTE WAHRHEITEN


Wir bauen neue Mauern

für den Frieden

wir brauchen neue Waffen

gegen die Mächte der Finsternis

wer benötigt schon Ärzte

wenn er nichts zu essen hat

nur wer sonntags in die Kirche geht

ist ein guter Mensch

die narzisstischen Psychopathen

kurbeln die Wirtschaft wieder an

Mendel`s Gesetze sind nur

eine Entschuldigung für schlechtes Benehmen

die Frauen lieben es doch

wenn man zwischen ihre Beine greift

nur reiche Menschen

sind wirklich frei

und die Erderwärmung hilft

gegen die Kälte in der Welt



BEOBACHTUNGEN AM FRÜHEN MORGEN


Frankfurter Flughafen

gegenüber im Cafe Kiefer

setzt sich schwerfällig

eine alte Dame

an einen Tisch

wirft fast den Stuhl um

ihre rechte Hand zittert

der Rücken ist ganz krumm

sie bestellt einen Cappuccino

und einen Zwiebelkuchen

beim Essen rutscht ihr

die Gabel aus der Hand

und Zwiebelringe

fallen auf ihren Rock

beim Bezahlen landet das Geld

auf dem Boden

der Kellner hebt es auf

und hilft ihr vom Stuhl

hinkend geht sie

langsam zur Anfertigung


wie erginge es ihr

lebte sie jetzt

in Mossul oder Aleppo



AN EINEM TAG IM NOVEMBER


Hast du`s gemerkt

die Wölfe sind mal wieder

aus ihrem Schatten getreten

und ihre Zähne

sind so scharf

wie in archaischer Zeit


noch ist es möglich

die Feilen herauszuholen

bevor die ersten

Handgelenke brechen

schreit nein aus

euren Einfamilienhäusern
und euren guten Jobs

wacht auf
bevor das Blut gerinnt
und die Barmherzigkeit vereist
steht auf und stellt
euch vor die Schwachen
denn wieder sind sie
mitten unter uns
mit Wolfszähnen
in ihren Manteltaschen.


OKTOBERLIED


Wer gibt mir heute noch

die Hand wie gestern Nacht

Gedankenlos die Blumenriege

sie wissen nicht

was ihnen vorgegeben

sie schenken ihre Schönheit hin

für diesen letzten Weg

den keiner wirklich kennt

die Tränen schützen nicht

vor dem Verwelken

die Worte ziehn dahin

im kalten Dunst

die letzte Rose sticht

im dunklen Fallen

die Sonne stirbt

im Morgenlicht.



DIE MAUER DER MÖRDER


Du wirst es nicht glauben

wie schön das Blut fließt

durch all die Straßen

hin zum Friedhofsplatz


Wenn alles schweigt

und alle Augen brechen

dann schlägt ein Herz

so hart wie Stahl


Wie schön die Mauern stehen

so hell im Stacheldraht

es ist die Ruhe hier

im Untergang des Lichts


Die Dunkelheit versteckt

die Mörder nicht

die Taten lassen sich

nicht mehr verbergen

die Menschlichkeit stellt sich hier

nie wieder ein

die Lebenden sind

längst verstorben.



INVENTUR


Zurückzugeben ist

das Herz mit Klappen

und Trabekeln

ob´s für die Liebe schlug

oder für den Hass


Zurückzugeben ist

die Leber und die Milz

egal ob stark geschrumpft

vom Alkohol

oder geschwollen

während einer Hungersnot


Zurückzugeben sind

die Beine

ob haarig oder epiliert

egal wohin sie einst marschierten

oder nur bedächtig schritten


Zurückzugeben sind

die Arme und die Hände

ob tätowiert oder geritzt

egal welch Kehle sie zerdrückten

oder aus dem Dreck dich griffen


Zurückzugeben sind

die Augen mit Linsen

und mit Wimpern

egal was sie gesehen haben

die Leichenberge oder

das Hochzeitsglück


Zurückzugeben ist

die Zeit

nichts geht verloren

und nichts bleibt



DIE TOTENGRÄBER WOLLEN HEUT KEIN GELD


Es ist die Zeit zu gehen

weißt du wohin

ich weiß es nicht


der Schreibtisch früher so geordnet

stellt keine Fragen mehr

wer weiß noch

wo die Bilder

früher hingen

die Bäume sehen so traurig aus

und wiegen sich im Wind

wer wird den Rasen

morgen pflegen

das Haus schützt keinen mehr

vor Sturm und Hagel


es wird so kalt

und tausend Dinge ziehn vorbei

ich höre deine Schritte

als wär ich blind

die Fragen hängen

schwer im Raum

und lösen neue Rätsel aus


ich geh jetzt fort von hier

mit all den Fesseln

der Erinnerung



BÜCHER IM KELLER


In die Bücher

zieht der Nebel

Feuchtigkeit macht

aus den Seiten Wellen

die Buchstaben erklären

sich den Krieg

ganze Sätze werden

zur Exekution geführt

Staub und geronnenes Blut

rutscht aus den Seiten

die gedruckte Zeit

zerfällt in tausend Teile

und der Schimmel

gibt ihr den Rest.



SUHRKAMP KOMMT AUCH DIESMAL NICHT


Die Bäume wachsen

nicht in den Himmel

nur bis zum ersten Stock

Literatenlesung in der Provinz

der Bürgermeister spricht

von großer Kunst

in seiner Stadt

denn jede Stimme zählt

der Moderator macht

einen schiefen Witz

und darf nicht mehr

zum Frauentag

dann Auftritt der Poeten

Geschichten aus der Küche

und vom Wandertag

dann kommt der nächste Hemingway

im Publikum sitzen

Onkel, Tante und Bekannte

und klatschen brav zum Schluss

ein Verlagsvertreter kam

auch heute nicht

immerhin zwei Bücher

wurden heut am Stand verkauft



DES NACHTS


Die Nacht zieht den Nebel

in die Stadt

glättet alle Falten

der Dreck zerfällt im roten Licht


Die Geister die du riefst

sie sitzen schon

an deinem Tisch

in den Kirchen tanzen

die Nonnen auf den Bänken

wie Gott sie einst erschuf

wenn alle Hüllen fallen

nimmst du die Maske

vom Gesicht

der Kuss der Spinnenfrau

macht dich immun

für den Blick zurück

der ungeladene Gast

mit ausgewaschenen Augen