Adele Mann

My Risky Business

Sieben verführerische Nächte

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1 - Madison

Kapitel 2 - Michael

Kapitel 3 - Michael

Kapitel 4 - Madison

Kapitel 5 - Michael

Kapitel 6 - Michael

Kapitel 7 - Madison

Kapitel 8 - Michael

Kapitel 9 - Michael

Kapitel 10 - Madison

Kapitel 11 - Michael

Kapitel 12 - Madison

Kapitel 13 - Michael

Kapitel 14 - Madison

Kapitel 15 - Madison

Kapitel 16 - Madison

Kapitel 17 - Madison

Kapitel 18 - Madison

Kapitel 19 - Madison

Kapitel 20 - Madison

Kapitel 21 - Michael

Kapitel 22 - Madison

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Kapitel 1 - Madison


Mein Dad Charles tigert in dem modernen Konferenzraum auf und ab. Ich kenne ihn gut genug, um zu wissen, dass ihn die fremde Umgebung der New Yorker Büros irritiert und er jetzt alles tun würde, um in einem unserer gemütlicher eingerichteten Firmenräume in North Carolina zu sein. Besonders, wenn so viel auf dem Spiel steht wie heute.

Meinem älteren Bruder Charly geht es nicht anders. Er sitzt direkt neben mir in einem puristischen Lederstuhl und findet keinen rechten Platz. Meine Reaktion darauf, in einem Besprechungsraum seit fast einer Viertelstunde eingesperrt zu sein, ohne dass irgendjemand sich die Mühe macht, unseren Termin wahrzunehmen, fällt konkreter aus. Ich atme tief und geräuschvoll aus, mehrmals. Und mit jedem Atemzug werde ich wütender, als ich ohnehin schon bin. Bei diesem Termin geht es immerhin um die Zukunft unseres Familienbetriebs und damit um die Zukunft aller Menschen, die für uns arbeiten.

Das ist wohl auch der Grund, warum mein Dad, der Geschäftsführer von Beaufort’s Milky Comfort, nicht schon längst aus dem Raum gestürmt ist, um den Respekt einzufordern, der ihm und uns allen zusteht. Allerdings bleibt uns dieser Luxus verwehrt, denn wir befinden uns heute in der Rolle des Bittstellers, einer Rolle, die keinem von uns zusagt. Genau genommen sind wir hier, um den Oberboss von Stoke International, Michael Stoke höchstpersönlich, darum zu bitten, unseren renommierten erfolgreichen Betrieb nicht aufzukaufen, um ihn zu verschachern oder zu zerschlagen. Allein diesen Termin zu bekommen war ein Spießrutenlauf und hat jeden Gefallen eingefordert, den mein Dad bei seinen Geschäftspartnern hatte. Kurz gesagt, wir sind hier, um das Unmögliche zu erbitten. Michael Stoke soll, wenn es nach uns geht, darauf verzichten, Beaufort’s Milky Comfort zu schlucken, und stattdessen in unsere Firma investieren, damit wir unsere Durststrecke überwinden können und wieder auf Erfolgskurs kommen.

Charly, der Dads Stellvertreter ist, glaubt keine Sekunde daran, dass wir eine Chance haben. Dennoch ist er hier und wartet. Wie wir alle. Mittlerweile seit zwanzig Minuten.

Mir langt es jetzt.

„Es reicht. Das müssen wir uns nicht bieten lassen!“

Ich stehe auf und gehe in Richtung Tür.

„Maddie!“ Dad pfeift mich streng zurück. Ich hasse es, wenn er mich so nennt. Ich wünschte, meine Familie könnte es sich endlich abgewöhnen. Maddie ist ein zehnjähriges Mädchen mit Zöpfen auf einer braunen Stute. Nicht ich. Nicht mehr.

„Setz dich! Wir werden warten, wie lange es auch dauert. Wir gehen hier nicht weg, ehe wir dieses Gespräch hatten.“

Dad hat sein stures Gesicht aufgesetzt. Für mich sieht er eigentlich nie wie ein Millionär aus den Südstaaten aus, sondern eher wie der Mann, der mir das Reiten und Fischen beigebracht hat, außer er trägt diesen Gesichtsausdruck, dann habe selbst ich Probleme damit, ihm weiterhin die Stirn zu bieten.

„Na schön“, gifte ich und setze mich zurück in den unbequemen Ledersitz. „Dennoch … Ich finde, es ist eine Frechheit. Du selbst hast mir beigebracht, dass man niemals zu spät kommt, weil es respektlos ist. Und ich werde bestimmt nicht zulassen, dass diese Großkotze hier uns respektlos behandeln.“

Dad und ich messen einander mit den Augen ab. Schwer zu sagen, wer dieses Duell gewinnt. Charly neben mir verdreht die Augen. Er denkt, ich wäre nicht wichtig genug, um hier zu sein. Mein Bruder würde das nie aussprechen, aber ich weiß dennoch, was in seinem Kopf vorgeht. Für ihn bin ich nur die Marketingleiterin, die, die noch keinen Platz im Familienvorstand hat und nur hier ist, weil Dad es wollte. Privat liebe ich meinen Bruder und in meine Nichten und Neffen bin ich ganz vernarrt, aber wenn es um die Arbeit geht, möchte ich ihm mindestens einmal am Tag an die Gurgel gehen. Fast so wie damals, als er meinen Lieblingssattel geklaut hat, um Dads Hengst zu reiten.

Keiner von uns gibt nach. Dads strenger Blick durchbohrt mich, erinnert mit jedem Augenzucken daran, worum es hierbei geht und dass ich besonnen bleiben muss. Natürlich weiß ich, dass er recht hat, aber es zuzugeben, ist eine andere Sache.

Die öffnende Tür beendet unser Blickduell und zieht unsere Aufmerksamkeit auf den Tross, der gerade den Raum betritt. Ein Anzugträger folgt dem nächsten. Drei Männer und eine Frau. Sie sind sehr schick gekleidet, genau, wie man es von Geschäftsleuten aus Manhattan erwartet. Doch der, auf den wir warten, ist nicht dabei: Michael Stoke.

Jeder kennt sein höllisch attraktives Gesicht, und jeder weiß, was er alles erreicht hat und dass er in New York in ziemlich kurzer Zeit zu einer festen Finanzgröße geworden ist, die man nicht unterschätzen sollte. So gut er aussieht, so kühn führt er seine Geschäfte. Genau deshalb sind wir hier. Denn wenn Stoke tatsächlich auf eine Übernahme verzichtet, werden all die Aasgeier, die um unsere Firma kreisen, wieder verschwinden.

„Guten Tag, Mr Beaufort. Mein Name ist Gilbert Jones.“ Ein junger Mann mit hellblondem Bürstenschnitt hält meinem Dad die Hand hin, die er annimmt und missmutig schüttelt.

„Mr Jones. Ich würde gerne sagen, dass es mich freut, aber ich bin hier, um Michael Stoke zu sehen, und ehe ich das nicht getan habe, werde ich weder den Raum verlassen noch irgendetwas mit einem von Ihnen besprechen!“

„Ein Mann nach meinem Geschmack“, sagt eine amüsierte, dunkle Stimme hinter uns. Sofort blicke ich mich nach ihr um. Ich muss schlucken, als ich den Mann sehe, zu dem diese Stimme gehört. Auch er trägt einen Anzug, aber wie er ihn trägt, unterscheidet sich fundamental von den anderen Männern in diesem Raum. Es sieht so aus, als würde sein durchtrainierter Körper ihn regelrecht ausformen. Das ist der Vorteil von breiten Schultern, wie meine Mutter zu sagen pflegt. Doch es ist nicht die wahnsinnig beeindruckende körperliche Präsenz des Mannes, die mich dazu bringt, ihn anzustarren. Es ist sein attraktives, kühn geschnittenes Gesicht, das ich dank zahlloser Web- und Magazinbilder bisher bestens zu kennen glaubte, das mich gegenwärtig jedoch eines Besseren belehrt. Die eher kurz geschnittenen, haselnussbraunen Haare, die dunklen, fast schon schwarzen markanten Augenbrauen und die hellrosa Lippen, die zu einem spöttischen Halblächeln verzogen sind, bilden eine Kombination, die das Wort attraktiv beinahe beleidigend klingen lässt. Dabei habe ich seine türkisfarbenen Augen und das perfekt rasierte, markante Kinn noch gar nicht erwähnt, zumal sie in einer völlig anderen Liga spielen.

Gott, o Gott!

Michael Stoke ist kein Mann. Er ist eine Erscheinung.

Zu meinem Unglück bleibt das den überaus privaten, weiblichen Teilen von mir keineswegs unbemerkt.

Mir wird heiß. Um ja niemanden von seiner Wirkung auf mich wissen zu lassen, drücke ich den Rücken durch, zeige meinen entschlossenen Gesichtsausdruck und stelle mich direkt an die Seite meiner Familie.

Der stechende Blick Michael Stokes trifft mich, und binnen Sekunden verliert er den spöttischen Ausdruck, den er auf den Lippen getragen hat, seit er den Raum betrat und meinen Dad ansah. Nun, da er mich anblickt – oder eher mich anstarrt, sogar schlimmer als ich ihn –, ist gar nichts Spöttisches oder Ironisches mehr an ihm auszumachen. Vielmehr sieht er aus, als hätte er einen Geist gesehen.

Der Moment bleibt nicht unbemerkt. Dad, Charly und Stokes Entourage blicken unbehaglich und fragend zwischen mir und Stoke hin und her. Dank seines Blicks und der merkwürdigen Stimmung im Raum zieht sich mein Magen zusammen.

Was hat er denn bloß?

„Mr Stoke?“ Mein Dad versucht, seine Aufmerksamkeit bemüht freundlich zu erringen, aber Stoke nimmt seine Augen nicht von mir. Ich bekomme Gänsehaut davon.

„Mr Stoke …“, würge ich bemüht hervor. So kleinlaut kenne ich mich gar nicht. „Ich glaube, mein Vater hat Ihnen etwas zu sagen.“

Erst meine Stimme bricht den Bann. Stoke nimmt seine verstörend klaren türkisfarbenen Augen von mir und richtet sie stattdessen auf meinen Dad.

„Charles Beaufort.“ Mein Dad tritt ihm entgegen, und obwohl er einen halben Kopf kleiner ist als Stoke, streckt er ihm selbstbewusst die Hand hin. Die beiden Männer schütteln sich die Hände.

„Das sind mein ältester Sohn und Stellvertreter Charles Junior und meine Tochter Madison.“

„Madison also“, flüstert Stoke, als hätte mein Dad ihm die Passwörter zu unserem Firmenserver verraten.

„Ja, das ist mein Name, Mr Stoke, auch wenn Sie aus irgendeinem Grund überrascht darüber scheinen“, höre ich mich sagen und zwinge mich, ihm direkt ins Gesicht zu sehen. Er bringt mich ganz durcheinander, aber ich werde den Teufel tun und es ihm auch noch zeigen.

„Ich bin überrascht, Miss Beaufort, überrascht, weil Sie es offenbar nicht sind.“

Dad und Charly sehen mich an, als würden mir Hörner auf dem Kopf wachsen. Mir laufen Schauer über die Haut.

„Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden, Mr Stoke, aber ich würde gerne über etwas sehr viel Wichtigeres mit Ihnen sprechen … über die Zukunft von Beaufort’s Milky Comfort.“

Sofort ändert sich etwas in seinem Gesicht. Als würde ein Mann verschwinden und ein anderer Mann erscheint an seiner statt, ein Mann, der sichtlich ungehalten ist.

„In meinen vier Wänden entscheide immer noch ich, worüber geredet wird, Miss Beaufort. Und heute werden wir nicht über die Zukunft Ihres Familienbetriebes sprechen.“

Ich möchte diesem gut aussehenden Bastard eine scheuern, reiße mich jedoch am Riemen und grinse stattdessen boshaft zurück.

„Und warum sind wir dann hier, Mr Stoke?“

Mein Dad ist sehr um einen guten Ton bemüht, aber ganz gelingt er ihm nicht. Kein Wunder bei diesem seltsamen Aufeinandertreffen.

„Kein Sorge, Mr Beaufort. Sie werden Ihr Gespräch noch bekommen. Ich halte mein Wort. Immer.“ Wieder sieht Stoke mich an, ehe er sich Dad und Charly zuwendet. „Nur nicht heute. Wir treffen uns morgen wieder. Selbe Zeit, selber Ort. Für alle Unkosten kommt Stokes International auf.“

„Nur keine Umstände, Mr Stoke. Wir Beauforts sorgen für uns selbst“, lässt Charly ihn wissen, woraufhin Stoke kurz nickt und den Raum wieder verlässt, genauso schnell und überraschend, wie er vorhin aufgetaucht ist. Die Anzugträgermeute ist dermaßen verdutzt, dass sie aufspringen und ihm folgen.

Wieder allein in dem zu stark klimatisierten Raum sehen wir uns skeptisch an.

Was hat das alles zu bedeuten?

„Wer zum Teufel glaubt der Kerl eigentlich, wer er ist?“ Ich weiß nicht, was mich mehr aufregt: sein unfassbares Benehmen oder meine anfangs bescheuerte Reaktion auf ihn.

„Michael Stoke“, sagt Dad nüchtern. „Und das Problem ist, dass er genau weiß, was das bedeutet.“

Charly schüttelt den Kopf und sieht mich von der Seite an.

„Was mich viel eher interessiert … Maddie, kennst du den Kerl etwa?“

Was?!“ Ich stoße ein Schnauben hervor. „Denkst du etwa, ich hätte es nicht erwähnt, wenn ich Mr Arrogant und Respektlos kennen würde?“ Kopfschüttelnd lasse ich mich in den Sessel fallen.

„Wie auch immer … Mir gefällt jedenfalls nicht, wie er auf dich reagiert hat. Ganz und gar nicht.“

Dad sieht bekümmert auf die Skyline von Manhattan. Noch nie waren er und ich so sehr einer Meinung. Denn mir gefällt das ebenso wenig.


Kapitel 2 - Michael

 

Ich versuche, langsamer zu gehen, denn wenn ich durch den Flur stürme, geraten sämtliche Angestellte auf der Etage in Panik. Nur gelingt es mir nicht. Meine Schritte hallen durch den breiten Korridor, beinahe so laut, wie mein Herz in meiner Brust schlägt, seit ich sie in diesem Raum sah.

Wie kann das nur sein? Spielt das Schicksal etwa mit mir?

Fest ziehe ich die Bürotür von Trent Ford auf, meinem Mann für spezielle Fälle, und der einzige wahre Freund, den ein Mann wie ich haben kann. Kaum bin ich durch die Tür, blickt er mich mit hochgezogenen Brauen an.

„Ich will, dass du mir alles über Madison Beaufort aus North Carolina bringst, was du finden kannst!“

Um ihn trotz meines Auftritts nicht sehen zu lassen, wie sehr mir diese Sache an die Nieren geht, verschränke ich meine Arme vor der Brust und starre Trent an, ohne dabei eine Miene zu verziehen. Ich hasse es, wie sehr mich die Sache aus dem Gleichgewicht bringt. Trent reagiert wie üblich gelassen und lässt sich in seinen Stuhl zurückfallen, anstatt sofort an den Computer zu stürmen, wie alle anderen es tun würden, die für mich arbeiten. Ich lasse es ihm durchgehen, weil ich weiß, was er leisten kann, wenn er erst einmal loslegt.

„Geschäftlich oder privat?“

Seine Frage untermalt er mit einem feinen Zucken seiner Mundwinkel. Ich gehe nicht darauf ein, tue weiterhin, als wäre das hier nur Business.

„Geschäftlich, privat und intim. Bis hin zur bevorzugten Farbe ihrer Unterwäsche. Verstanden?“

Trent grinst von Ohr zu Ohr. „Kann’s kaum erwarten.“

Um ihm einen kleinen Dämpfer zu verpassen, weil er sich köstlich über mein Anliegen amüsiert, räuspere ich mich.

„Ach ja, da ist noch eine Kleinigkeit … Du hast bis morgen Mittag Zeit. Keine Minute länger.“

Trent schnaubt, bleibt aber weiterhin in lässiger Haltung sitzen und starrt mich nachdenklich an. Bestimmt denkt er darüber nach, was dahintersteckt, fragt aber nicht nach, weil er weiß, dass ich es ihm nicht verraten werde, es sei denn, ich will es. Trent kennt mich.

„Dafür muss ich eine Menge Geld verprassen und vielleicht ein paar nicht ganze legale Dinge tun, sogar ein oder zwei Gesetze brechen.“

Trent testet mich. Er will wissen, wie wichtig mir die Sache ist. Typisch für ihn. Ich würde es genauso machen.

„Tu, was immer nötig ist!“

Trent lacht auf. „Genau deshalb liebe ich es, für dich zu arbeiten, Michael. Du zwingst mich, Dinge zu tun, die ich sowieso tun möchte.“

„Madison Beaufort von Beaufort’s Milky Comfort. Morgen Mittag“, wiederhole ich streng und werfe ihm den – wie er es nennt – Stoke-Blick zu, den ich immer dann benutze, wenn ich klarmachen will, dass ich mir in einer Sache keinen Scheiß bieten lassen werde.

„Alles über die Südstaaten-Milchprinzessin inklusive ihrer Schlüpferfarbe. Sollst du haben, mein Freund.“

Trent macht diese nervige Geste mit dem Zeigefinger und der Stirn, als wären wir hier in der Armee und ich wäre sein Befehlshaber. Wie gewöhnlich verdrehe ich die Augen, was ich ihn deutlich sehen lasse, und grinse erst, als ich ihm längst den Rücken zugedreht habe.

Morgen, liebe Miss Madison Beaufort, überraschen Sie mich nicht so wie heute. Denn morgen weiß ich bestens über Sie Bescheid und dann beginnen wir das Spiel noch mal von vorn. Nach meinen Regeln.

Kapitel 3 - Michael

 

Ich habe für Trents Bericht über Madison eine wichtige Besprechung abgesagt. Außerdem musste mein Assistent Paul für den zweiten Termin mit den Beauforts meinen gesamten Nachmittag umplanen, was er ohne zu murren getan hat, wie immer. Manchmal ist er sogar mir unheimlich. Da er jedoch der einzige Assistent ist, der mich länger als sechs Monate ausgehalten hat und den ich je länger als sechs Monate ausgehalten habe, bin ich mehr als zufrieden mit ihm.

Trent nennt ihn meinen persönlichen Robotersklaven. Kein Wunder. Trent ist das absolute Gegenteil von Paul, obwohl beide verdammt gut sind in dem, was sie tun. Und nur darauf kommt es an. Das zu erkennen, ist wichtig. Es ist einer der Gründe, warum ich erfolgreich bin, und einer der wichtigsten Dinge, in denen ich mich von meinem Vater unterscheide.

„Okay“, sage ich zu Trent, der mir mit einem Tablet voller Informationen in der Hand gegenübersitzt. „Fang an!“

„Madison Melinda Beaufort. Neunundzwanzig. Zweitbester Abschluss an ihrer Highschool. Danach Abschluss an der Berkley in Marketing und Digitaler Kommunikation. Seit ihrem Elite-Uni-Abschluss arbeitet sie im Familienbetrieb. Wie zuvor schon ihr Bruder, Charles Beaufort der Zweite, genannt Charly, hat auch Madison jede Abteilung innerhalb des Unternehmens durchlaufen, ehe sie sich in ihrer eigenen Abteilung – dem Marketing- und PR-Ressort – von der einfachen Mitarbeiterin bis zur Leiterin hocharbeiten musste.“

Kluger Mann, dieser Beaufort. Mein Vater hätte einiges von ihm lernen können, wenn er fähig wäre, überhaupt irgendwas in diesem Leben zu lernen.

„Ihre Mitarbeiter beschreiben Madison als hart arbeitend, fair, kreativ und von einigen in der Firma unterschätzt. Die Kleine, die mir das am Telefon erzählt hat, klang übrigens megaheiß – aber zurück zum Thema. Madison Beaufort hatte auf dem College nur eine einzige längere Beziehung, die bekannt ist, zu einem Sportler namens Timothy Rice-Dally. Ihre Facebookeinträge ihn betreffend wurden von ihr gelöscht und seine Einträge und persönlichen Nachrichten zu dieser Zeit deuten darauf hin, dass es der gute Timmy mit der Treue nicht so genau nahm. Seit diesem Zeitpunkt, und das habe ich mir größtenteils aus übermittelten Gerüchten der heißen Stimme der Marketingabteilung aus Miss Beauforts Firma zusammengereimt, hatte sie keine feste, längere Beziehung, zumindest in den letzten Jahren. Die, die sie hatte, gingen alle von ihr aus. Das heißt, sie wählt aus. Sie entscheidet, mit wem sie ausgeht und wen sie in ihr Bett holt. Und natürlich ist sie es auch, die sagt, wenn es vorbei ist. Kommt dir das nicht schrecklich bekannt vor?“

Trent verbeißt sich ein boshaftes Grinsen. Ich reagiere mit einem scharfen Blick. Die Antwort, die ich ihm nicht gebe, ist: Ja, das kommt mir bekannt vor, und es ist überraschend, denn ich hätte Madison nicht so eingeschätzt, aber immerhin ist es zehn Jahre her.

„Mach schon weiter.“

„Wie du willst, Boss. Sie lebt an den Wochenenden und sehr oft auch unter der Woche auf der Familienranch ihrer Eltern in North Carolina und besitzt ganz in der Nähe der Firma ein mittelgroßes Apartment, das für ihre Steuerklasse überraschend bescheiden ist. Auch ihre persönlichen Ausgaben sind für eine Millionärin und Erbin nicht annähernd so hoch, wie ich erwartet hatte. Miss Beaufort ist in vielen Dingen eine Überraschung, wie ich festgestellt habe.“

Das ist wiederum etwas, was mich nicht im Geringsten an ihr überrascht.

„Ach ja, was noch … Sie ist bisher nie ernsthaft erkrankt. Alle Gesundheitschecks inklusive ihrer HIV-Tests, die sie bisher dreimal hatte, waren ohne Befund. Sie hat, was schon ein wenig verwunderlich ist, wenn man bedenkt, dass sie unter anderem die Social-Media-Aktivitäten ihres Familienbetriebs leitet, ihre eigenen privaten Accounts bei Facebook, Twitter und Co. gelöscht. Daran waren ziemlich eindeutige Kommentare zu ihrem Aussehen schuld. Miss Beauforts ansehnliches Äußeres hat ihr einige Penisbilder, Pornovideos inklusiver eindeutigen Versprechungen und wiederkehrende, schweinische Kommentare beschert, die sie zuerst eloquent und konsequent kommentiert und schließlich gelöscht hat. Irgendwann hat es ihr gereicht, und seither lebt sie ihr Privatleben nur noch fernab der sozialen Medien und der Medien generell. Die Lady hat übrigens das in Amerika Unmögliche geschafft: eine reiche, schöne Erbin zu sein ohne Skandale. Unglaublich, aber wahr: Madison Beaufort ist eine hart arbeitende, wunderschöne, völlig ungekünstelte Millionärin ohne Makel. Jedenfalls konnte ich keine finden. Ach ja … Fast hätte ich das Wichtigste doch glatt vergessen! Laut ihrer Kreditkartenabrechnung ist die bevorzugte Farbe ihrer Unterwäsche derzeit schwarz.“ Ich grinse.

„Gute Arbeit, Trent. Ich hoffe, deinem Bericht folgen noch weitere Details.“ Ungeduldig klopfe ich mit dem Stift auf den Aktenberg vor mir. Ich muss noch mehr über sie wissen, noch viel mehr.

„Michael, mein ungläubiger Freund. Längst in deinem Mail-Postfach.“

Mein Blick schweift von Trents dunklem Haarschopf und seinem breiten Grinsen zu meinem Smartphone. Mein privater Mailaccount zeigt vier neue Mails an, eine davon ist von Trent. Ich nicke und reiße mich vor ihm zusammen, um den Nachrichtenanhang nicht sofort zu öffnen. Bis zum Termin mit den Beauforts und ihr sind es nur noch vier Stunden.

„Ich hatte wirklich Spaß dabei, diese Madison zu durchleuchten, aber jetzt mal ehrlich, Michael … Wieso nur interessierst du dich so sehr für dieses Mädchen, abgesehen vom Offensichtlichen?“ Trent dreht seinen Tabletbildschirm zu mir. Darauf ist ein Bild von Madison zu sehen, ein Halbportrait in Abendkleidung. Madison sieht auf dem Foto atemberaubend aus. Ihre gebräunte Haut und ihr karamellfarbenes Haar bringen das weiße Kleid zum Leuchten. Sofort schlägt mein Puls ein paar Takte schneller.

Wie sehr ich Trent auch mag, Madison geht nur mich etwas an, und das soll auch so bleiben.

„Ich habe Pläne mit ihr. Es hat mit ihrer Firma zu tun und mit ihr persönlich. Mehr musst du nicht wissen.“

„Du hast Pläne … Du hast immer Pläne. Aber du hast mich bisher noch nie gebeten, die Farbe der Unterwäsche einer Frau herauszufinden. Selbst bei deinen zahllosen Begleiterinnen, die ich früher für dich durchgecheckt habe, ehe du etwas mit ihnen angefangen hast, war das nie nötig.“

Trent setzt sich auf und sieht so ernst aus, dass er mir ganz fremd vorkommt. Ich sehe die meiste Zeit ernst aus, das bringt mein Leben und meine Arbeit mit sich. Ich kann mir Schwächen einfach nicht leisten. Selbst meinen Charme muss ich wohldosiert und kontrolliert einsetzen. Und sogar bei Trent, bei dem ich normalerweise lockerer bin, gelingt es mir nicht oft, aus meiner Haut zu kommen.

Wir sind, wer wir sind.

„Sagen wir es so: Madison Beaufort hat vielleicht etwas, wonach ich lange gesucht habe, und ich muss unbedingt herausfinden, warum sie so tut, als wisse sie davon nichts.“

Kapitel 4 - Madison


Hier sind wir wieder. Der Raum hat sich nicht verändert. Wir allerdings schon. Nach heftigen Diskussionen beim Abendessen gestern haben Dad und Charly beschlossen, Nägel mit Köpfen zu machen und keine weitere Verzögerungstaktik von Stoke zu akzeptieren. Auch wenn ich keine Erklärung für sein Verhalten bei unserem ersten Treffen habe, bin ich anders als meine Familie nicht davon überzeugt, dass sein merkwürdiges Auftreten tatsächlich eine Art Taktik gewesen ist. Doch Dad und Charly redeten einander in Grund und Boden und ließen mich dabei kaum zu Wort kommen. Ich hasse es, wenn sie das tun. Dieses Verhalten würde ich mir von niemandem bieten lassen, aber kaum geht es um meine Familie, ist es, als könne ich das Etikett, das man mir dort und in der Firma verpasst hat, einfach nicht loswerden. Wie oft ich auch versuche, es abzumachen, irgendjemand heftet es mir wieder an. Auf die Dauer ist das ganz schön frustrierend. Wären wir nicht in diese Krise geschlittert, hätte ich längst etwas dagegen unternommen, mich noch mehr bemüht, meine eigenen Ideen und Vorstellungen umzusetzen. Aber die Realität sieht nun einmal anders aus, ob es mir gefällt oder nicht. Und es gibt ja auch noch diese schwer zu überwindende Südstaatenhöflichkeit, in deren Namen Mom uns erzogen hat, und der immense Respekt gegenüber Dad, der mich liebt und immer für mich da ist. Es fällt schwer, sich mit jemandem zu streiten, um seinen rechtmäßigen Anteil einzufordern, der einem das Reiten beigebracht hat und trotz der Leitung eines riesigen Unternehmens über jede Schramme am Knie bestens informiert war, wenn er nach Hause gekommen ist. Wäre das alles nicht mehr als genug, kommt nun auch noch dieser seltsame Mann hinzu, der die Zukunft unserer Familie und aller Arbeiter unseres Unternehmens in der Hand hat. Und dann muss der Kerl auch noch diese Show abliefern und mich dabei bloßstellen. Noch mal passiert mir das nicht.

Mach dich auf was gefasst, Michael Stoke. Diese Mal wirst du eine professionelle, völlig von dir unbeeindruckte Madison Beaufort erleben, und sie wird fest hinter ihrer Familie stehen, wenn sie dich davon überzeugen, das einzig Richtige zu tun.

Kaum setze ich mich in dem Konferenzstuhl selbstbewusst auf, um meinem Gedanken Ausdruck zu verleihen, öffnet sich die Tür und Michael Stoke betritt den großen Raum, dieses Mal allein, ohne Anzug-Entourage. Interessant.

Ich sehe kurz auf die Uhr. Er ist pünktlich und sieht mindestens genauso umwerfend aus wie gestern, was keinerlei Rolle spielt. Jedenfalls für mich. Nein, Sir!

„Mr Stoke.“ Mein Vater erhebt sich und schließt dabei sein Jackett. Wir machen es ihm nach, stehen auf und sehen alle zu unserem Gastgeber.

„Mr Beaufort, Mr Beaufort … Miss Beaufort.“ Er neigt jedem von uns zur Begrüßung kurz den Kopf zu. Bei mir angekommen verweilen seine meerfarbenen Augen einen Moment länger, doch dann überzieht ein gefasster Ausdruck seine Miene, und er setzt sich ans Ende des kurzen Konferenztisches, ohne mich weiter groß zu beachten. Doch bei seinem Blick vorhin musste ich mich zwingen, nicht nervös zu werden oder der Hitze in meinem Nacken Beachtung zu schenken. Ich denke, es ist wie bei einer Jagd. Wenn du dem Jäger zeigst, dass du Angst hast, erkennt er dich erst als Beute, und wenn es etwas gibt, was es hier zu vermeiden gilt, dann, dass Stoke uns als solche betrachtet. Deshalb hebe ich mein Kinn einen Tick zu hoch und sehe ihm direkt ins Gesicht, als wären wir nicht die Bittsteller, die wir sind.

„Nun gut“, beginnt er mit fester Stimme. „Wir wissen alle, warum wir hier sind und worum es geht. Meine Berater haben mich mehrfach dazu ermutigt, Beaufort’s Milky Comfort trotz und gerade wegen seiner Lage zu kaufen, und Sie drei sind nun hier, um mir etwas anderes vorzuschlagen. Etwas, was ich ehrlich gesagt nicht oft gestatte. Dann tun Sie, weshalb Sie hergekommen sind. Überzeugen Sie mich! Sie haben fünf Minuten.“

Zumindest kommt er gleich auf den Punkt, und in jedem seiner klar gewählten Worte schwingt mit, dass er sich nur ausnahmsweise mit den Inhabern solcher Übernahmegeschäfte befasst. Ob das gut oder schlecht ist?

Charly wird nervös. Er schiebt die Papiere vor ihm ständig hin und her. Es ist kaum mit anzusehen, aber da muss er durch. Dad überlässt es ihm, die Verhandlungen zu führen, und wird nur einschreiten, wenn es nötig ist. Ich war dagegen. Dads Auftreten ist souveräner, und Charly, bei all seinen Vorzügen, ist ein Mann der Zahlen, aber leider nicht der geschickten Worte. Bei einem Alpha-Mann wie Stoke reagiert man. Sofort. Wirft ein paar Fakten und Argumente hin, die er erst mal verdauen muss, und wühlt nicht erst in seinen Unterlagen, ohne etwas von sich zu geben, wie Charly das gerade macht. Dad räuspert sich und übernimmt das Ruder, ehe unser Schiff noch auf Grund läuft. Gott sei Dank!

„Mr Stoke. Die Zahlen lügen nicht. Wir sind in einer ernsten Lage und die Konkurrenz ist groß, aber wir haben eine gute Strategie, diese Dürre zu überwinden, und benötigen vielmehr einen Investor, der diesen Weg durch die Krise mit uns geht, als jemanden, der uns aufkauft und all unsere Produktionsanlagen an die Konkurrenz verkauft oder gar einen Großteil unserer Mitarbeiter entlässt. Wie Sie hier sehen …“ Dad legt Stoke unseren Businessplan vor, den der dreiste Kerl nicht einmal anfasst. Dad macht einfach weiter. Er lässt sich von so etwas nicht unterkriegen, während Charlys Blick immer panischer wird. „… haben wir eine Strategie entwickelt, die unsere Position am Zielmarkt deutlich verbessern wird. Wir werden unsere Produktpalette um Varianten unserer US-Tasty-Specials erweitern und diverse Aktionen in Kinos und in Malls fahren, bis der Hunger auf Eiscreme-Specials mit Chocolat-Chips, Keks und Kuchenstücken wieder angefacht wird und die Umsätze steigen. Amerika, besonders der Süden, liebt Milky Comfort, und genau daran erinnern wir sie!“

Ich bekomme Bauchschmerzen, die ich gequält weglächle. Einerseits weil Dad eine Strategie vorstellt, an die ich nicht glaube, und andererseits, weil Stokes Gesichtsausdruck klarmacht, dass er meine Befürchtung teilt. Schlimmer noch, er scheint geradezu gleichgültig. Als sein Blick kurz zu mir schweift, kann ich es nicht verhindern; mein Lächeln bricht und ich beiße mir kurz auf die Lippe, um mich zu ermahnen, die Fassade nicht zu verlieren, die ich hier und jetzt tragen muss, meiner Familie zuliebe.

Verdammt! Er hat es bemerkt.

„Wollen Sie noch etwas hinzufügen, Miss Beaufort?“

Mit seiner hochgezogenen dunklen Braue fordert er mich geradezu heraus. Sein Tonfall macht klar, dass er will, dass ich ihn nicht anlüge, dass ich etwas sage, was keiner von mir erwartet, nicht mal ich.

„Wie Sie bestimmt wissen, bin ich Leiterin des Marketings und nicht Teil der Geschäftsführung“, antworte ich betont ruhig. Ich weiche der Frage aus, denn ich fühle, dass ich, warum auch immer, diesen Mann nicht anlügen kann, und genau das müsste ich, wenn er mich nach meiner Meinung fragt.

Was ist das bloß?

„Mir ist egal, woran Sie beteiligt sind und woran nicht. Ich will von Ihnen wissen, ob Sie glauben, dass das hier ein Konzept ist, hinter dem Sie stehen … Ich mache es Ihnen ganz einfach, Miss Beaufort. Entweder Sie sagen mir jetzt Ihre ehrliche Meinung, oder ich werde aufstehen, an meine Arbeit gehen und der Verkauf Ihrer Firma an Stoke International ist so gut wie erledigt.“

Ich fühle, wie Hitze und Wut auf meinem Gesicht brennen. Wie kann er mich in diese Lage bringen? Was soll das?

Dad starrt mich mit seinen blauen Augen an, dieselben, die mich im Spiegel anstarren, wenn ich mich selbst betrachte, und Stokes Augen bohren sich ebenso in meine. Selbst Charly fleht mich stumm an. Ich habe das Gefühl, auf glühenden Kohlen zu laufen. Angespannt atme ich langsam aus.

„Wie Sie wollen, Mr Stoke! Sie lassen mir ja keine Wahl. Nein, das ist nicht die Strategie, die ich gewählt hätte, das heißt aber nicht, dass sie nicht eine gute Chance hat.“

Ich zwinge mich zu einem bemühten Lächeln, während ich einige der Schimpfwörter im Kopf herumwälze, die ich ihm stattdessen an den Kopf werfen möchte. Arrogantes Arschloch ist noch das netteste von allen.

„Gute Chancen interessieren mich nicht, Miss Beaufort. Mit Gut wäre ich immer noch die Nummer zwei hinter meinem Vater, und mein Unternehmen würde bestimmt nicht den Zusatz International besitzen. Mich interessiert Außergewöhnlich oder Risikoreich – alles, nur nicht Gut. Und jetzt möchte ich bitte von Ihnen hören, was Sie mir vorschlagen, um in Ihren Familienbetrieb zu investieren und auf den Kauf Ihrer Firma zu verzichten.“

Interessiert und selbstzufrieden lehnt er sich zurück und starrt mich an. Auf der anderen Seite des Tisches knirscht Charly mit den Zähnen und Dad hat seinen Blick aufgesetzt. Und genau da geschieht etwas Seltsames mit mir. Die Angst und der Druck fallen von mir ab, als ich zurück zu Stoke sehe und bemerke, dass, neben all der Arroganz und Dreistigkeit, in Michaels Augen eine Art Hoffnung und ein tatsächliches Interesse an meinen Gedanken zu erkennen ist. Zumindest bilde ich mir ein, das zu erkennen.

„Um ehrlich zu sein … würde ich in eine andere Richtung gehen. Ich ließe die klassische Linie bestehen, ohne darin noch mehr zu investieren. Vielmehr würde ich ein großes Investment nutzen, um zwei ganz neue Linien aufzubauen: eine Edel-Sorbet-Marke mit ausgewählten Zutaten, wie zum Beispiel Acerola-Kirschen oder kalifornische Orangen, und eine Milch-Joghurt-Linie mit Bio-Touch. Auch wenn der Markt dafür noch im Aufbau ist, wird in den nächsten Jahren der Bio-Trend weiter zunehmen, und der Markt für die überzuckerten und mit Keks und Schokoladelinsen gespickten Eissorten ist bei Weitem übersättigt. Nur in einer neuen, qualitativ hochwertigen Linie liegt ein chancenreiches Wachstum, und das würde uns erlauben, bisher unentdeckte Bereiche wie New York oder andere anspruchsvolle Großstädte zu bedienen, Stores, wo wir derzeit nicht einmal vertreten sind, weil unsere Marke nicht dazupasst. Noch nicht jedenfalls. Wir müssten dazu weitere Marken aufbauen und zweigleisig fahren mit einem völlig neuen Werbekonzept, perfekt auf eine urbane Zielgruppe ausgerichtet. Milky Comfort für das Land und High-Class-Sorbet für die Stadt.“

Als Erstes sehe ich in das entsetzte Gesicht meines Bruders, dann Dads besorgte Miene, ehe mein Blick an Stokes amüsiertem Grinsen hängen bleibt. Es scheint fast, als hätte er erwartet, dass das genau so laufen würde.

„Mr Beaufort“, spricht er meinen Vater ernst an. „Sie haben es Ihrer Tochter zu verdanken, dass der Verkauf an mich vom Tisch ist – vorerst zumindest! Und wenn Sie wollen, dass ich ernsthaft über eine Investition nachdenke und der Verkauf endgültig erledigt ist, dann bitte ich Sie beide, den Raum zu verlassen.“

Okay, nun bekomme ich Panik. Hilfe suchend sehe ich mich, trotz meiner gerade noch so hochtrabend vorgetragenen Rede, nach Dad um. Der scheint die Welt nicht mehr zu verstehen und wirkt mindestens so verwirrt wie ich. Als Dad und Charly sich widerwillig erheben, tue ich es ihnen gleich. Wenn ich das richtig verstehe, soll ich mit ihm hierbleiben. Nur er und ich. Allein bei dem Gedanken leuchten meine inneren Alarmglocken in allen Abstufungen der Farbe Rot.

Während ich dastehe, verwirrt und mit einem Knoten im Magen, umrundet Dad den Tisch und sieht mich besorgt an. Kurz lehnt er sich zu mir und flüstert mir zu: „Jetzt liegt es an dir, Maddie! Wir zählen alle auf dich!“

Nur kein Druck, was?

Kaum sind Dad und mein Bruder durch die Tür verschwunden und ich bin mit Michael Stoke in dem riesig wirkenden Raum allein, bekomme ich Gänsehaut. Der Gedanke, mit diesem Mann allein zu sein, jagt mir mehr Angst ein, als den verrückten braunen Hengst unseres Pferdezüchters zu reiten. Und der Gaul ist der reinste Teufel. Einmal abgeworfen zu werden hat mir gereicht. Ich habe meine Lektion gelernt. Was mir hier jedoch bevorsteht, ist völlig unbekanntes Terrain.

Ein paar Minuten vergehen, ohne dass er etwas sagt. Er starrt mich nur an. Wieder ist das starke Gefühl da, seine Beute zu sein, was mir gar nicht behagt. Deshalb lasse ich mir meine Angst nicht ansehen und hebe stattdessen herausfordernd eine meiner Brauen, ganz genau so, wie er es vorhin getan hat. Ihn amüsiert es anscheinend, denn es bringt den Mann dazu, zu grinsen. Ich wünschte wirklich, er wäre nicht attraktiv, dann fiele mir das hier leichter. Ich könnte ihn einfach hassen und auch noch abstoßend finden. Wie schön das wäre.

„Ich wusste, dass Sie mir die Wahrheit sagen würden.“

„Ach, und woher beziehen Sie dieses Wissen? Ich wusste es nicht.“ Falsch lächle ich ihn an und verschränke die Arme vor meiner Brust. Das enge Kostüm, das ich trage, spannt dabei unangenehm auf meiner Brust. Erschrocken stelle ich fest, dass meine Brüste schwer sind und meine Haut überall erwärmt ist.

„Sagen wir, ich habe für gewisse Menschen ein gewisses Gespür.“ Wieder umspielt die rosa Lippen ein geheimnisvolles Lächeln.

„Klingt für mich eher ungewiss. Sollte jemand wie Sie sich nicht eher auf Fakten verlassen als auf sein Gespür?“

Nun bin ich es, die ihm ein überlegenes Lächeln serviert. Ich muss zugeben, dass dabei etwas in meinem Bauch kribbelt. Bestimmt nur die Nervosität und Anspannung. So viel steht auf dem Spiel und ich liefere mir Scharmützel mit einem Finanzmagnaten. Mom muss mich als Kind zu heiß gebadet haben.