Sammelband 3 Krimis: N.Y.D. - New York Detectives Januar 2018
Published by Cassiopeiapress/Alfredbooks, 2018.
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Sammelband 3 Krimis: N.Y.D. - New York Detectives Januar 2018
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Spezialist für krumme Touren
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Blütenträume und Gangster: N.Y.D. - New York Detectives
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Hände weg von Susa: N.Y.D. - New York Detectives
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Die Hauptpersonen:
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Further Reading: 10 Morde, 10 Killer - 10 Krimis auf 1400 Seiten: Ermordet und ermittelt
Also By A. F. Morland
Also By Franc Helgath
About the Publisher
Dieses Buch enthält folgende Krimis:
A.F.Morland: Spezialist für krumme Touren
Franc Helgath: Blütenträume und Gangster
Franc Helgath: Hände weg von Susa
Bount Reiniger hatte es einige Mühe gekostet, den Ganoven Milton Coote einzufangen. Dieser hatte den Klienten des bekannten New Yorker Privatdetektivs um seine gesamten Ersparnisse gebracht. Coote hatte einiges auf dem Kerbholz, und diesmal wäre es zu einer Verurteilung gekommen, doch bevor man ihm den Prozess machen konnte, wurde er von einem Komplizen aus dem Gerichtsgebäude befreit. Erneut hängt sich der clevere Detektiv an seine Fersen und gerät dabei an einen Gangsterboss, der über Leichen geht ...
COVER: STEVE MAYER
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© by Author
© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Alle Rechte vorbehalten.
www.AlfredBekker.de
postmaster@alfredbekker.de
Krimi von A.F. Morland
Der Umfang dieses Buchs entspricht 120 Taschenbuchseiten.
Bount Reiniger hatte es einige Mühe gekostet, den Ganoven Milton Coote einzufangen. Dieser hatte den Klienten des bekannten New Yorker Privatdetektivs um seine gesamten Ersparnisse gebracht. Coote hatte einiges auf dem Kerbholz, und diesmal wäre es zu einer Verurteilung gekommen, doch bevor man ihm den Prozess machen konnte, wurde er von einem Komplizen aus dem Gerichtsgebäude befreit. Erneut hängt sich der clevere Detektiv an seine Fersen und gerät dabei an einen Gangsterboss, der über Leichen geht ...
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© by Author
© dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Alle Rechte vorbehalten.
www.AlfredBekker.de
postmaster@alfredbekker.de
Einen besseren Zufluchtsort hätte er nicht finden können, dachte Bount Reiniger ärgerlich.
Bount war hinter Milton Coote her, und der gerissene Verbrecher versuchte, auf dem Rummelplatz von Coney Island im Menschengewühl unterzutauchen.
Es war Abend.
Die Lautsprecher dröhnten. Lichter strahlten und zuckten in allen erdenklichen Farben. Wie jeden Tag waren viele Menschen gekommen, um sich in dieser lärmenden, gleißenden Welt der Illusionen zu amüsieren. Sie wollten Stress und Existenzkampf vergessen, ein paar Stunden fröhlich wie die Kinder sein.
Es knallte und knatterte an den Schießbuden. Auf den Karussells, die sich wirbelnd drehten, kreischten Mädchen. Es roch nach Popcorn und Hotdogs. Bierdosen und Kartoffelchips lagen auf dem Boden.
Hier stand die Welt nicht nur kopf. Hier musste man sich durch Menschengewühl drängen. Auf dem Rummelplatz war Milton Coote eine Stecknadel im Heuhaufen, und Bount musste sie finden.
Im Augenblick hatte der Detektiv keine Ahnung, wo Coote steckte. Der Mann war schnell und wendig wie ein Wiesel, und er schien hier aufgewachsen zu sein, denn er fand sich besser zurecht als Bount. Aber so schnell warf Bount Reiniger die Flinte nicht ins Korn.
Ich kriege ihn!, sagte sich Bount Reiniger grimmig. Er stieß gegen einen vierschrötigen Mann, der seine „Braut“ abknutschte.
„He, du hast sie wohl nicht alle!“, schrie der Kerl sofort wütend.
„Entschuldigung“, murmelte Bount.
„Ich hätte meine Freundin beinahe gebissen.“
„Hier ist auch nicht der richtige Platz für solche Spielchen. Kauft euch eine Wohnung.“
Der breitschultrige Mann, der bestimmt genug Kraft besaß, um Bount Reiniger in seine Bestandteile zu zerlegen, ballte die Hände zu Fäusten, doch Bount ließ sich auf nichts ein. Er eilte weiter.
„Du feiger Hund!“, schrie ihm der Kerl nach. Bount gönnte ihm den Triumph. Das Mädchen hielt den Vierschrötigen jetzt bestimmt für den Allergrößten. Sollte sie. Bount hatte andere Probleme. Er stieg die Stufen hoch, die zur Kasse der Achterbahn hinaufführten. Soeben donnerte ein Wagen zu Tal, und ein vielstimmiges Kreischen gellte auf. Im Wagen saßen Menschen, deren Gesichter von Furcht und Vergnügen verzerrt waren.
Die grauhaarige Frau im Glaskäfig wollte Bount ein Ticket verkaufen, doch er hatte keine Lust auf Bauchkribbeln. Er wollte von hier oben die Menge überblicken. Der Aufstieg lohnte sich. Bount sah seinen „Freund“ wieder. Coote lief gerade an der Holzkugel vorbei, in der die Hell Drivers versuchten, sich den Hals zu brechen.
Coote war ein gut aussehender Bursche, blond, schlank - ein Tennistyp. Sonnengebräunt und schick gekleidet: weißes Hemd, weiße Hose, weiße Schuhe, gelber Pullover. Man sah ihm nicht an, dass er ein Spezialist für krumme Touren war. Aber Bount wusste es. Und deshalb wollte er ihn kriegen.
Der Mann hatte eine ganze Menge auf dem Kerbholz. Kürzlich erleichterte er einen Geschäftsmann, für den Bount schon mal gearbeitet hatte, um seine gesamten Ersparnisse. Angeblich sollte vor den Toren New Yorks ein Ferienparadies geschaffen werden, und wenn man da schnell genug investierte, würde man in absehbarer Zeit an einem riesengroßen Kuchen mitnaschen können.
Die Sache stellte sich als gewaltiger Schwindel heraus. Der geprellte Geschäftsmann wandte sich an Bount Reiniger. Erste Ermittlungen ergaben, dass Coote noch viel mehr Dreck am Stecken hatte. Wenn nicht noch mehr leichtgläubige Menschen durch ihn zu Schaden kommen sollten, musste dieser Übelfinger schnellstens aus dem Verkehr gezogen werden. Und daran arbeitete Bount soeben.
Milton Coote verschwand hinter der Hell-Driver-Kugel. Bount sprang die Stufen hinunter und schlug diese Richtung ein. Wieder war es nicht gerade die feine englische Art, die er anwandte, um so rasch wie möglich vorwärtszukommen, aber wie heißt es so treffend? Der Zweck heiligt die Mittel.
Applaus brandete ihm entgegen. Die Todesfahrer schienen ihr Programm beendet zu haben. Die ersten Zuschauer drängten zum Ausgang. Die einen wirkten beeindruckt, die ändern gelangweilt. Letztere riss wohl nichts mehr vom Hocker.
Bount bog um die Ecke. Ein Betrunkener kam ihm entgegen. Der Mann roch nach Erbrochenem.
„Sag mal, Sportsfreund, hast du hier einen Mann mit weißer Hose und gelbem Pullover durchlaufen sehen?“, fragte der Detektiv.
„Hast du ’nen Glimmstängel für mich, Kamerad?“, fragte der Betrunkene zurück.
Bount drückte ihm seine Pall Mall Packung in die Hand. „Hier. Kannst du behalten.“
„Da lang, Amigo. Und viel Glück.“
Die Investition lohnte sich. Bount erblickte Milton Coote zwischen dicken Verstrebungen. Wäre der Verbrecher nicht so hell gekleidet gewesen, wäre er in den schwarzen Schatten, die dort lasteten, nicht aufgefallen.
Coote eilte weiter und schlüpfte durch eine schmale Tür in die undurchdringliche Finsternis einer Geisterbahn. Jetzt gibt es dort drinnen eine Attraktion mehr, dachte Bount und hatte es eilig, ebenfalls in die Geisterbahn zu gelangen.
Sobald die Tür hinter ihm zugefallen war, konnte er die Hand nicht mehr vor den Augen sehen. Er hörte das Rattern eines Wagens. Eine Sirene heulte ohrenbetäubend, Spotlights flammten auf, und einem moosbewachsenen Brunnen entstieg eine grauenerregende Gestalt. Natürlich handelte es sich um eine mechanische Puppe, die in den Brunnen zurücksackte, sobald der kleine Wagen, mit zwei Personen besetzt, vorbei war.
Einen Moment brannte das Licht noch. Bount sah, wie sich im Wagen das Mädchen an den Freund schmiegte. Und noch etwas fiel dem Detektiv in dieser winzigen Zeitspanne auf: Milton Coote.
Der Verbrecher hockte etwa einen Meter hinter dem Brunnen. Bount startete, als es dunkel wurde. Wenn er Glück hatte, rührte sich Coote vorerst nicht von der Stelle. Etwas knallte gegen Bounts Schienbein. Ein glühender Schmerz durchraste sein Bein. Er presste die Kiefer zusammen und legte die nächsten Schritte humpelnd zurück.
Obwohl es stockdunkel war, tappte Bount bald nicht mehr wie blind auf den Verbrecher zu. Er sah nicht viel, eigentlich nur einen schwach wahrzunehmenden Fleck: Cootes Pullover. Nach dem orientierte er sich. Als sich Milton Coote vorsichtig aufrichtete, fiel es Bount auf.
Ob der Gangster ihn sah, wusste Bount nicht. Vielleicht war es nur Cootes Instinkt, der ihn vor einer Gefahr warnte. Jedenfalls wollte der Bursche ausrücken, aber Bount fasste hinein in die dichte Schwärze und packte den Pullover, in dem Milton Coote steckte. Der Mann stieß einen überraschten Laut aus. Aber er war nicht so überrascht, dass er vergaß, seine Fäuste zu gebrauchen.
Der Schlag raste aus der Finsternis mitten in Bount Reinigers Gesicht. Bount sah Sterne. Und er schlug zurück. Ein dumpfer Laut war zu hören, dann ein Würgen. Bount packte mit beiden Händen zu und rammte Coote gegen ein Metallgerüst. Sie verloren beide den Halt und fielen auf die Schienen.
Ein Wagen rollte heran. Bount spürte die Schienen unter seinem Körper vibrieren. Kunststoffknochen klapperten, Ketten klirrten und rasselten. Und wieder gruselten sich zwei Menschen auf der Fahrt durch die unheimliche Dunkelheit. Indessen versuchte Bount Reiniger verbissen, Milton Coote endlich dazu zu bringen, aufzugeben.
Immer näher kam das kleine Gefährt. Bount Reiniger und Milton Coote wälzten sich auf den Schienen. Coote schlug zu, sobald er über dem Detektiv war, aber seine Faust verfehlte Bounts Kopf. Er drosch mit ganzer Kraft auf die abgefahrene Schiene ein und brüllte vor Schmerz auf. Das Pärchen im Geisterbahnwagen dachte wohl, das Gebrüll gehöre hierher.
Jetzt schwenkte das Gefährt auf Bount und den Verbrecher ein. In wenigen Augenblicken würden die Spotlights aufflammen. Bount stach mit einer Geraden zu, und er hatte das Quäntchen Glück, das er brauchte, um mit Coote endlich fertig zu werden. Der Körper des Gangsters erschlaffte jäh. Bount krallte seine Finger in die Kleidung seines ausgeknockten Widersachers und zerrte ihn von den Schienen.
Die Beine des Mannes lagen noch auf dem öligen Metall, als es hell wurde. Mit einem kraftvollen Ruck riss Bount seinen Gegner an sich, dann rumpelte das Gefährt an ihnen vorbei. Wieder quälte sich die unheimliche Gestalt aus dem Brunnen. Sie lenkte die Aufmerksamkeit der Wageninsassen auf sich, wodurch der Detektiv und der Verbrecher unbemerkt blieben.
Sobald es wieder finster war, stand Bount auf. Er zerrte Milton Coote hoch. Da der Mann selbst nicht stehen konnte, lud er ihn sich auf die Schulter und begab sich zu der schmalen Hintertür, durch die sie in die Geisterbahn gelangt waren.
Die Jagd war zu Ende. Bount atmete erleichtert auf. Er hatte es wieder mal geschafft. Doch leicht hatte es ihm Milton Coote bei Gott nicht gemacht.
Alles nahm seinen gewohnten Gang. Das Räderwerk des Gesetzes hatte Milton Coote erfasst und zog ihn nun langsam und stetig tiefer. U-Haft, stundenlange Verhöre. Coote hatte die Frechheit, alles zu leugnen, was man ihm anlastete, und er brüllte mit seinem Anwalt: „Wieso bin ich immer noch eingesperrt, Mann? Wann holen Sie mich endlich raus? Wofür bezahle ich Sie eigentlich?“
Der Anwalt versuchte ihm klarzumachen, dass der Karren ziemlich verfahren war. Er riet ihm, ein volles Geständnis abzulegen.
„Sind Sie verrückt?“, schrie Coote empört. „Für wen arbeiten Sie eigentlich? Für mich oder für den Staatsanwalt?“
„Die Beweise sind erdrückend, Mr. Coote“, sagte Norman Mature, der Anwalt, und rückte mit einer hilflos wirkenden Geste die Brille zurecht.
„Ach was, Beweise. Was haben die denn schon? Wenn ich nichts zugebe, steht Aussage gegen Aussage.“
„Bei einem Geständnis könnten Sie mit mildernden Umständen rechnen.“
„Ich will nichts mehr von einem Geständnis hören, verstanden? Lassen Sie sich schleunigst etwas einfallen. Dieses Leben hier kotzt mich an. Ich will meine Freiheit wiederhaben. Verschaffen Sie sie mir, sonst sind Sie die längste Zeit mein Anwalt gewesen. Aber das ist noch nicht alles. Wenn Sie mich nicht rausholen, sorge ich dafür, dass keiner meiner Freunde jemals Ihre Dienste wieder in Anspruch nimmt.“
Norman Mature seufzte. Kerle wie Milton Coote glaubten anscheinend, er könne Wunder wirken. Aber auch seiner Kunst, das Recht zu verdrehen, waren Grenzen gesetzt.
„Ich werde sehen, was sich machen lässt“, versprach er, obwohl er wusste, dass diesmal kein Blumentopf mehr zu gewinnen war. Er wollte jedoch nicht riskieren, dass Coote aufsprang und ihn verprügelte. Coote war sehr jähzornig.
„Strengen Sie sich an!“, verlangte der Verbrecher. „Sie kriegen ’ne Menge Kies von mir. Dafür kann ich verlangen, dass Sie auch mal über Ihren Schatten springen.“
Mature gab dem Polizeibeamten, der vor der Zellentür stand, ein Zeichen. Die Tür wurde aufgeschlossen.
Am Nachmittag dieses Tages wurde Norman Mature in seinem Büro angerufen.
„Waren Sie bei Milton?“, fragte der Mann am andern Ende des Drahtes. Es war Mike McLammon, Milton Cootes Freund. „Wie sieht’s für ihn aus?“
„Leider nicht besonders rosig, Mr. McLammon“, sagte der Anwalt und runzelte kummervoll die Stirn.
„Mein Freund steckt diesmal ziemlich tief in der Scheiße, was?“
„Ich wollte, ich könnte Ihnen widersprechen, Mr. McLammon. Ich habe versucht, was möglich war, um ihn loszueisen. Nichts zu machen. Man rennt gegen meterdicken Beton. Die Polizei ist froh, dass sie Coote hat. Da man damit rechnet, dass er untertaucht, sobald man ihn bis zur Verhandlung auf freien Fuß setzt, lässt man ihn nicht mehr raus. Man hört sich meine Einwände nicht einmal an. Man schlägt mir die Tür vor der Nase zu, wenn ich irgendwo vorsprechen möchte.“
„Na schön, wenn Sie nichts mehr für meinen Freund tun können, legen Sie Ihr Mandat nieder“, sagte Mike McLammon trocken.
Matures Augen weiteten sich. „Sie meinen, ich soll Mr. Coote nicht länger verteidigen?“
„Ihre Mühe bringt ja doch nichts.“
„Ich hoffe, Sie legen mir das nicht als Unfähigkeit aus, Mr. McLammon“, sagte der Anwalt nervös, denn von Leuten wie McLammon lebte er.
Mike McLammon verstand das auch richtig. Er lachte. „Keine Sorge, Mature. Ich lasse Sie deswegen nicht fallen. Doch wenn man krank ist und der Doktor einem nicht helfen kann, ist ein Arztwechsel angeraten.“
„Sie wollen jemand anderen mit der Verteidigung Ihres Freundes beauftragen?“
„Nein, Mr. Mature. Ich werde die Angelegenheit selbst in die Hand nehmen.“
„Aber Sie sind juristisch nicht ausgebildet. Sie sind bei Gericht nicht zugelassen.“
„Ich werde meinem Freund anders helfen“, sagte Mike McLammon. „Fragen Sie mich nicht, wie. Ich möchte nicht, dass Sie in einen Gewissenskonflikt geraten.“
„Wie sehe ich aus?“, fragte Bount Reiniger seine blonde Sekretärin.
„Was möchtest du hören?“, fragte June March lächelnd zurück.
„Oh, alles - von großartig über fantastisch bis super.“
Bount war wie aus dem Ei gepellt. Er trug einen cremefarbenen Sommeranzug. Krawatte und Stecktuch wiesen dasselbe Muster auf. Die ochsblutfarbenen Schuhe hatte er heute zum ersten Mal an.
„Man könnte meinen, du fährst nicht zum Gericht, sondern begibst dich auf Brautschau“, bemerkte June.
„Herzblatt, ich habe doch keine Brautschau nötig. Ich hab’ doch dich.“
„Ich rate dir, zu gehen und mir nicht das Unschuldslamm vorzuspielen, sonst werfe ich vor Wut mit Telefonen um mich.“
Der Detektiv verließ sein Büro Apartment. Er genoss es, wenn June ein wenig eifersüchtig war. Umso mehr strengte sie sich an, um sich unentbehrlich zu machen. Er begab sich zum Lift und fuhr von der 14. Etage in die Tiefgarage hinunter, wo sein silbergrauer Mercedes 450 SEL auf ihn wartete. Elastisch schwang er sich hinter das Steuer und schob den Zündschlüssel ins Schloss.
Es war nicht so, wie June gesagt hatte. Er brauchte sich nicht zu beeilen.
Er gehörte zu der Sorte Mensch, nach der man die Uhr stellen kann. Das bedeutete, dass er von zu Hause stets rechtzeitig wegging, damit keine Hektik auf kam.
Gemächlich ließ er den Wagen durch die Garage rollen. Er fuhr die Auffahrt hoch und wartete, bis die vorbeikriechende Autoschlange abriss, dann fädelte er sich ein und schwamm im dichten Verkehrsstrom mit. Da er nicht direkt vor dem Gerichtsgebäude parken konnte, musste er ein Stück laufen, aber das machte ihm nichts aus. Er hatte nichts gegen ein bisschen Bewegung.
Ein kaffeebrauner Chevrolet fuhr an ihm vorbei, besetzt mit zwei Mann. Es waren Freunde von Bount. Er wollte sich bemerkbar machen, doch ihnen fiel sein Handzeichen nicht auf. Der Chevy bog um die Ecke, und Bount verlor Lieutenant Ron Myers und Captain Toby Rogers von der Mordkommission Manhattan C/II aus den Augen.
Erst als Bount Reiniger die Ecke erreichte, sah er den Chevrolet wieder. Er hielt direkt vor dem Gerichtsgebäude.
Natürlich, dachte Bount und lachte in sich hinein. Toby macht keinen Schritt zu viel. Das könnte ja zu einem Gewichtsverlust führen, und das wäre in seinen Augen eine Katastrophe. Man war Toby Rogers schließlich als Nilpferd gewöhnt. Wenn er abgenommen hätte, wäre er von niemandem mehr erkannt worden. Die Hungerkuren, zu denen er sich in unregelmäßigen Abständen auf raffte, dienten lediglich dazu, sein Gewissen zu beruhigen. Sobald er mit der ersten Versuchung konfrontiert wurde, fiel er zuverlässig um.
Ron Myers fuhr weiter, sobald sich der gewichtige Leiter der Mordkommission aus dem Chevy geschält hatte. Toby blieb einen Augenblick stehen und schaute dem kaffeebraunen Wagen nach. Dann drehte er sich um und schickte sich an, die breite Treppe hochzusteigen.
Bounts Ruf stoppte ihn. Erstaunt wartete der Captain auf seinen Freund. „Hallo, Bount. Sag mal, wie siehst du denn aus?“
Bount schaute an sich hinunter. „Wieso? Ist irgendetwas mit mir nicht in Ordnung?“
„Ich dachte, du wärst so was wie ’n Privatdetektiv. Ich wusste nicht, dass du dir das große Geld als Dressman verdienst.“
„Wenn du möchtest, bringe ich dich als Modell für den vollschlanken Herrn unter“, sagte Bount. „Hast du bei Gericht zu tun?“
„Ja. Und du?“
„Ich hab’ ’ne Vorladung gekriegt.“
„Bist du Zeuge oder Angeklagter?“
„Das sag’ ich dir nicht.“
Sie stiegen nebeneinander die Stufen hinauf. Captain Rogers sollte in der Verhandlung gegen einen jungen Amokschützen aussagen. Der Bursche hatte sich auf das Dach eines Lagerhauses gehockt und auf alles geschossen, was daran vorbeifuhr. Fünf Menschen hatten diesen Irrsinn mit dem Leben bezahlt.
„Und was führt dich hierher?“, wollte Toby wissen.
„Ich bin ein wichtiger Zeuge im Prozess gegen Milton Coote“, antwortete Bount.
Toby seufzte. „Typisch Bount. Er nimmt sich schon wieder mal wichtig.“
„Immerhin habe ich dazu sehr viel beigetragen, dass er heute vor Gericht steht“, bemerkte Bount unbescheiden.
Sie betraten das Gebäude. Ihre Schritte hallten von den Wänden wider.
„Heben wir hinterher einen zusammen?“, fragte Bount.
„Ich hoffe, du rechnest nicht damit, dass ich dich einlade“, entgegnete Toby. „Ich bin nämlich blank.“
„Blank ist nur der Vorname“, sagte Bount amüsiert. „Du bist chronisch pleite. Ein Drink geht auf meine Kosten, okay? Ich muss irgendwie nicht ganz dicht sein. Wie sonst lässt es sich erklären, dass es mir nichts ausmacht, ständig von dir ausgenützt zu werden.“
„Nun komm aber“, brummte Toby ungehalten. „Du tust ja so, als hätte ich dich noch nie eingeladen.“
„Weihnachten ist öfter“, sagte Bount. Sie erreichten den ersten Stock und blieben Stehen, denn der Prozess „der Staat gegen Milton Coote“ fand in dieser Etage statt. Toby hatte im dritten Stock zu tun.
„Bis später“, sagte der Captain. „Der, der zuerst fertig ist, wartet auf den andern.“
Toby nickte. „Schöne Schuhe, die du da anhast. Neu?“
„Funkelnagelneu. Noch nie getragen.“
„Drücken sie nicht?“
„Hör mal, ein Schuh um hundert Dollar darf doch nicht drücken.“
„Hundert Dollar“, sagte der Captain und schüttelte den Kopf. „Wie kann man nur so viel Geld für ein Paar Schuhe ausgeben.“
Bount wollte dem Freund eine ätzende Antwort geben, aber da wurde Milton Coote gebracht, und der Detektiv schenkte sich die bissige Bemerkung. Coote sah blass aus. Er schien aufgeregt zu sein.
„Das ist er“, sagte Bount Reiniger. „Milton Coote. Der Bursche ist mit allen Wassern gewaschen und mit allen Salben geschmiert. War nicht einfach, ihn dingfest zu machen. Umso mehr freut es mich, dass es mir gelungen ist.“
„Sag mal, hat man dich noch nicht für den goldenen Greiferorden vorgeschlagen? Nein? Dann muss ich mal diesbezüglich was in die Wege leiten.“
„Tu das“, sagte Bount. „Den verscherbeln wir sofort, und von dem Erlös kaufen wir uns eine Packung Salzstangen.“
„Verschwender“, sagte Toby mit gespielter Verachtung.
Coote ging an ihnen vorbei. Er warf Bount Reiniger einen hasserfüllten Blick zu. Toby wollte wissen, was der Mann ausgefressen hatte. Bount zählte die wichtigsten Delikte auf.
„Sieben Jahre mindestens“, überschlug der Captain das Strafmaß, das auf Milton Coote wartete.
Die Unruhe des Verbrechers machte Bount Reiniger stutzig. Er fragte sich, was das zu bedeuten hatte. Die bevorstehende Gerichtsverhandlung konnte Coote doch nicht so sehr aufregen. Irgendetwas schien hier faul zu sein.
„Ich muss gehen“, sagte Toby Rogers. „Vergiss nicht, dass du mich zu einem Drink eingeladen hast.“
Cootes Wangenmuskeln zuckten. Er ging neben dem uniformierten Beamten und nagte an der Unterlippe. Der Flur war von etwa einem Dutzend Menschen bevölkert. Sie rauchten, standen entweder beisammen und unterhielten sich mit gedämpfter Stimme, oder sie saßen auf unbequemen Holzbänken und warteten darauf, dass sie aufgerufen wurden.
„Also dann, bis später“, sagte der Captain zu seinem geistesabwesenden Freund. Als Bount nicht reagierte, stieß der Captain ihn an. „He, Bount, du befindest dich im Gerichtsgebäude. Du kannst doch hier nicht schlafen.“
„Coote gefällt mir nicht“, quetschte Bount zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.
„Du brauchst ihm ja keinen Heiratsantrag zu machen.“
„Gespannt wie eine Stahlfeder ist der Kerl, bereit, vielleicht schon in der nächsten Sekunde hochzuschnellen.“
Ein Mann schlenderte den Flur entlang. Er schien Coote nicht zu kennen, beachtete ihn nicht. Er rauchte, nahm einen letzten tiefen Zug von seiner Zigarette und drückte die Kippe in den Wandaschenbecher. Und dann ... Es war wie ein gut einstudiertes Zauberkunststück, das niemand richtig mitbekam. Schnelle Hände agierten, lenkten ab, manipulierten das Auge.
Plötzlich hielt Milton Coote eine Waffe in der Faust. Er schlug damit den Beamten, der ihn bewachte, nieder.
„Ich hab’s geahnt!“, knurrte Bount.
„Pfoten hoch!“, schrie Coote.
„Verdammt ...“, entfuhr es Captain Rogers. Seine Brauen zogen sich unwillig zusammen. „Wo man mit dir überall hineingerät“, sagte er vorwurfsvoll zu Bount.
„Tut mir furchtbar leid, Toby. An deiner Stelle würde ich jetzt die Hände heben wie alle andern. Coote ist imstande, dir eine Kugel zu verpassen.“
Toby hob die Hände als Letzter. Milton Coote wedelte mit der Waffe. Um den Beamten, den er bewusstlos geschlagen hatte, kümmerte er sich nicht.
„An die Wand!“, keuchte er. „Los, stellt euch alle an die Wand, aber ein bisschen plötzlich! Ich habe einen verdammt nervösen Zeigefinger!“
Die Leute gehorchten. Keiner wollte sich eine Kugel einfangen.
„Ich bin Captain Rogers von der Mordkommission, Coote“, sagte Toby scharf. „Was versprechen Sie sich davon? Selbst wenn Sie’s schaffen, unbehelligt rauszukommen, wird man Sie bald wieder einfangen.“
„Halt die Schnauze, Bulle, und stell dich neben die ändern. Oder soll ich dich umlegen?“
Toby gehorchte. Kalte Wut rumorte in seinen Eingeweiden. Er hasste es, von Kerlen wie Coote herumkommandiert zu werden.
Sobald alle an der Wand standen, kam Cootes nächster Befehl: „Hinlegen! Auf den Bauch mit euch! Küsst den Boden! Du auch, Bulle!“
Einer nach dem andern legte sich flach. Sobald Bount auf dem Boden lag, gab ihm Milton Coote einen schmerzhaften Tritt und behauptete, das wäre er dem gottverfluchten Schnüffler schuldig gewesen. Na warte, dachte Bount, während er leise stöhnte. Das kriegst du wieder, mit Zins und Zinseszinsen.
Coote und der Kerl, der ihm den Revolver zugespielt hatte, setzten sich ab. Sie verließen das Gerichtsgebäude jedoch nicht auf dem normalen Weg. Sie eilten nicht die Treppe hinunter, sondern rannten zum offenen Fenster. Zuerst kletterte Cootes Komplize hinaus, während dieser gespannt die auf dem Boden Liegenden im Auge behielt. Dann folgte Milton Coote dem Freund. Er kletterte an der grob gegliederten Fassade hinunter, hatte damit nicht die geringsten Schwierigkeiten.
Unten, in einer schmalen Straße, wartete ein schwarzer Chrysler auf die Männer. Während Coote noch an der Fassade hing, stieg sein Komplize bereits in den Wagen und ließ den Motor an. Dann drückte er auf der Beifahrerseite für Coote die Tür auf, und wenige Sekunden später saß der blonde Verbrecher im Chrysler.
„Ab!“, stieß er gepresst hervor, und sein Freund gab Gas.
Bount Reiniger war als Erster wieder auf den Beinen. Seine Hand griff ins Jackett. Er zog die Automatic aus der Schulterhalfter. Während sich Toby umständlich erhob, rannte Bount bereits zum Fenster. Man kümmerte sich um den Beamten, der immer noch bewusstlos war. Aufgeregte Rufe wurden laut. Neugierige fanden sich ein.
Bount beugte sich weit aus dem Fenster. Er sah den schwarzen Chrysler abzischen und merkte sich das Kennzeichen. Mit einer Kugel war das Fahrzeug nicht zu stoppen, deshalb steckte der Detektiv die Waffe wieder weg.
„Der verfluchte Kerl hat aus mir einen Idioten gemacht“, knurrte Toby Rogers. „Das gefällt mir nicht, Bount.“
Bount wandte sich um. „Du kannst es nicht ungeschehen machen.“
„Aber ich kann dafür sorgen, dass er sich seiner wiedergewonnenen Freiheit nicht lange erfreut. Hast du dir die Nummer des Wagens gemerkt, mit dem die Typen abgehauen sind?“
Bount nickte, nannte sie, und Toby schrieb sie auf.
„Die kommen nicht weit!“, sagte der Captain zuversichtlich, dann rannte er davon, um zu telefonieren.
Die Nachricht von Milton Cootes geglücktem Fluchtversuch verbreitete sich im Gerichtsgebäude wie ein Lauffeuer. Als John Aubrey, der Gerichtsreporter, Wind von der Sache bekam, witterte er eine große Story, ließ die Sache sausen, deretwegen er gekommen war, und eilte zur ersten Etage hinunter, wo er sich Bount Reiniger aus der Menge herauspickte. Davor machte er noch schnell zwei Fotos von dem Beamten, der soeben das Bewusstsein wiedererlangte.
Aubrey hätte ein Schild mit der Aufschrift „VORSICHT! BISSIGER HUND!“ um den Hals tragen müssen. Bount Reiniger kannte den Mann seit Jahren, und er schätzte ihn nicht, denn John Aubrey war kein Freund von ehrlichen Fakten. Er frisierte seine Berichte stets ein wenig, um sie publikumswirksamer zu machen. Wenn man ihm etwas sagte, konnte man niemals sicher sein, dass er es wortgetreu wiedergab. Passte es ihm so besser in den Kram, dann drehte er das Gehörte einfach um.
Schnurgerader Scheitel, vorstehende Schneidezähne, messerscharfe Bügelfalten - so war er am schnellsten zu beschreiben. Seine Kollegen behaupteten, er würde seine Schreibmaschine in Schwefelsäure tauchen, bevor er sie benützte. Als Bount den Reporter auf sich zukommen sah, rasselte in Gedanken vor ihm eine Metalljalousie herunter.
„Hallo, Mr. Reiniger!“, sagte John Aubrey laut. „Das darf’s ja wohl nicht geben! Habe ich richtig gehört? Ihnen ist ein Gangster entwischt? Ausgerechnet Bount Reiniger, dem schärfsten Greifer von New York und Umgebung!“
„Coote ist nicht mir entwischt“ stellte Bount ärgerlich richtig, obwohl er wusste, dass das keinen Sinn hatte, „sondern dem Beamten, der ihn zu bewachen hatte.“
„Na schön, aber Sie waren dabei und konnten es nicht verhindern. Was werden Sie nun unternehmen? So etwas können Sie nicht auf sich sitzenlassen. Coote hat aus Ihnen einen Hanswurst gemacht. Der Verbrecher nahm Sie anscheinend nicht ernst, tanzte Ihnen eiskalt auf der Nase herum. Scheint ein besonders gerissenes Kerlchen zu sein, wenn es ihm so spielend gelingt, den großen Bount Reiniger auszutricksen. Was kann ich schreiben, Mr. Reiniger?“
„Dass ich mir den Mann noch mal greife.“
John Aubrey blickte Bount zweifelnd an. „Glauben Sie wirklich, dass Sie das schaffen?“
„Zweifeln Sie daran?“
„Sie sind nicht schlecht - sagt man. Aber Coote scheint mir eine Spur besser zu sein. Ich kann’s nicht leugnen, irgendwie ist mir der Knabe sympathisch. Es gehört schon einige Courage dazu, einen Mann wie Sie aufs Kreuz zu legen. 'Ist Coote besser als alle, die ihn jagen?' Wie gefällt Ihnen diese Zeile unter dem Bild des Verbrechers? Und daneben vielleicht ein Foto von Ihnen. 'Fühlt sich der beste Privatdetektiv New Yorks zum ersten Mal überfordert?'“
„Sie haben’s mit den Fragezeichen“, sagte Bount eisig.
Aubrey grinste. „Klar, damit mir keiner an den Karren fahren kann. Wie heißt Coote mit dem Vornamen?“
„Milton.“
„Und was hat er ausgefressen?“
„Eine ganze Menge.“
„Wie fängt man so einen wieder ein?“
„Das werden Sie von mir nicht erfahren, denn wenn Sie den Trick kennen, machen Sie mir womöglich Konkurrenz.“
Aubrey lachte. „Keine schlechte Idee. Scheint so, als hätten es Ihre Konkurrenten früher etwas schwieriger gehabt, mit Ihnen mitzuhalten. Was ist los mit Ihnen, Mr. Reiniger? Treten allmählich Verschleißerscheinungen auf?“
„Nur, wenn ich mit Leuten wie Ihnen zu tun habe“, gab Bount zurück. „Da fällt es mir von Mal zu Mal schwerer, mich zu beherrschen.“
John Aubrey sah das als großartigen Scherz an. Er lachte wieder. „Gut gebrüllt, Löwe. Ich hoffe, das ist nicht das Einzige, das Sie noch können, Mr. Reiniger, denn wenn die Unterwelt herausfindet, dass Bount Reiniger nur noch ein harmloser Papiertiger ist, leben Sie mit Sicherheit nicht mehr lange. Dann wird es jeder, selbst der kleinste Gauner, wissen wollen: Ist er noch so gut, wie er’s mal war, oder kann man ihn umblasen? Ist ’ne Story, zu der Sie mir verhelfen. Ich bin sicher, mir wird dazu eine ganze Menge einfallen.“
„Davon bin ich überzeugt. Sie saugen sich die Wahrheit ja stets aus den Fingern.“
Aubrey grinste. „Ein Glück, dass ich so ergiebige Finger habe.“
„Man lebt recht gut von der verdrehten Wahrheit.“
Der Reporter hob die Schultern, als wollte er sich entschuldigen. „Die Leute wollen’s nicht anders. Was soll ich tun?“
Toby Rogers kehrte zurück. John Aubrey stellte ihm ein paar impertinente Fragen. Als er merkte, dass der Captain kurz vor dem Explodieren stand, setzte er sich rechtzeitig ab.
„Warum hat sich noch keiner gefunden, der dem den Hals umdreht?“, brummte Toby. „Man würde ihm bestimmt mildernde Umstände anrechnen.“
„Wie sieht’s aus?“, erkundigte sich Bount.
„Die Fahndung nach Milton Coote und seinem Komplizen läuft.“
„Was ist mit dem Chrysler?“ „Gehört einer Tanzlehrerin Brooklyn. Wurde vor zwei Stunden als gestohlen gemeldet“, antwortete der Captain. „Ich muss jetzt zu meiner Verhandlung.“
„Mach’s gut“, sagte Bount. Für einen gemeinsamen Drink anschließend hatte er jetzt keine Zeit mehr.
Der Mann, der Coote zur Flucht verholfen hatte, hieß Butch Nedd. Er gehörte zu denen, die alles machten, wenn die Kasse stimmte. Je größer das Risiko, desto mehr Geld ließ sich verdienen. Diesmal war zwar nicht ganz so viel für ihn im Pott, aber er hatte sich dennoch zur Verfügung gestellt, weil man bei Mike McLammon mit einträglichen Nachfolgegeschäften rechnen konnte, wenn man ihn zufriedengestellt hatte.
Nedd lachte aus vollem Halse. Er hatte Tränen in den Augen, so sehr amüsierte ihn, was sie getan hatten. Er schlug mit den Händen vergnügt auf das Lenkrad. „Na, haben wir das hingekriegt, Kumpel? Wir waren echt souverän, ’ne Wolke waren wir. Mann, hat Bount Reiniger vielleicht dämlich aus der Wäsche geguckt.“
Milton Coote kniff die Augen zusammen.
„Reiniger!“, brummte er. „Ich hatte Mühe, mich zu beherrschen.“
„Du wolltest ihn umlegen?“
„Dem verfluchten Hundesohn verdanke ich ja all den Ärger.“
„Es muss demütigend für ihn gewesen sein, sich vor dir auf den Bauch legen zu müssen.“
„Er wird das höchstwahrscheinlich nicht einfach hinnehmen.“
„Du meinst, er arbeitet jetzt schon wieder daran, dich noch mal zu kriegen? Dann kannst du ihn immer noch umlegen, und zwar an einem Ort, wo es keine Zeugen gibt.“
Coote blickte aus dem Fenster. Sie hatten Mount St. Vincent erreicht, das war hoch im Norden der Bronx. Nedd schien den Van Cortlandt Park anzusteuern.
„Wohin fahren wir?“, wollte Coote wissen.
„Du musst für eine Weile untertauchen“, sagte Nedd. „Ist immer gut, wenn man einen Freund vom Format eines Mike McLammon hat. Mike lässt keinen im Stich.“
„Jedenfalls so lange nicht, als du noch was für ihn wert bist“, sagte Coote grinsend. „Wenn er für dich keine Verwendung mehr hat, lässt er dich fallen wie ’ne heiße Kartoffel.“
„Ist zu verstehen. Schließlich leitet er keine Filiale der Heilsarmee. Ich mag Mike. Er hat Stil, hat Größe. Ich möchte auch mal so werden wie er.“
„Er hat auch viele Feinde.“
„Die würde ich in Kauf nehmen“, sagte Butch Nedd. „Ist doch was, dein eigener Herr zu sein. Keiner kann dir Vorschriften machen. Du pfeifst, und die ändern müssen tanzen. Du bist das Gesetz. Was du sagst, geschieht, und keiner wagt aufzumucken.“
„Ja, sie kuschen in deiner Gegenwart, aber hinter deinem Rücken schleifen sie vielleicht schon das Messer. Richtige Freunde, ich meine solche, denen Mike bedingungslos vertrauen kann, hat er nicht viele.“ Butch Nedd hob die Schultern. „Ich würde schon auf mich aufpassen.“ Zwei Straßen vor dem Van Cortlandt Park hielt er den Chrysler an. „Sind wir am Ziel?“, fragte Coote. „Wir lassen den Wagen erst mal hier stehen. Er ist heiß. Sollten ihn die Bullen nicht finden, verkaufe ich ihn vielleicht mal sehen.“
Sie fuhren mit dem Bus weiter nach Wakefield, und dort war dann Endstation. Nedd wies auf ein hohes, neues Apartmenthaus, vor dem sich eine große Grünanlage ausbreitete.
„Hier wirst du wohnen“, sagte Nedd. „Wie du siehst, hat Mike keine Kosten und Mühen gescheut, um dich gut unterzubringen.“
Mit einem Kartenschlüssel öffnete Nedd die Haustür. Wenig später standen die Männer in einem großen Fahrstuhl, der noch nach frischem Holz und Farbe roch. Coote betrachtete sich im getönten Spiegel und fragte den Komplizen: „Welche Etage?“
„Neunte.“
Coote drückte auf den entsprechenden Knopf. Dann fragte er: „Gehört das Apartment Mike?“
„Das schon, aber er tritt nicht als Besitzer auf. Du kannst unbesorgt sein. Hier findet dich niemand.“
Sachte hatte sich der Lift in Bewegung gesetzt, man merkte es kaum. Und ebenso sanft hielt er an. Nahezu lautlos glitten die Türen auseinander, und Milton Coote blickte in einen Flur mit lindgrünen Wänden. Glänzend und glatt wie ein Spiegel war der Kunststoffboden. Man roch die Sauberkeit.
„Welche Tür?“, wollte Coote wissen.
„Apartment 9 G“, sagte Butch Nedd und trat mit ihm aus der Kabine.
Coote orientierte sich kurz und steuerte dann das entsprechende Apartment an. Er wunderte sich, dass Nedd keinen Schlüssel aus der Tasche holte, sondern auf den Klingelknopf drückte.
„Erwartet mich etwa Mike da drinnen?“, fragte er erstaunt.
Nedd grinste breit. „Lass dich überraschen, Freund.“
„Ich liebe keine Überraschungen.“
„Diesmal wirst du nichts dagegen haben“, sagte Nedd, und dann öffnete sich die Tür. Was Milton Coote zu sehen bekam, verschlug ihm den Atem.
„Donnerwetter“, sagte er anerkennend, und sein Blick huschte erfreut an der Schönheit auf und ab, die vor ihm stand. Sie hatte langes jettschwarzes Haar und eine olivfarbene Haut. Trotz des weiten Kimonos, den sie trug, war zu erkennen, dass sie eine Traumfigur hatte. Coote lachte. „Mike denkt aber auch wirklich an alles.“
„Du warst immerhin fast vier Wochen im Knast“, sagte Nedd. „Mike weiß, dass ein Mann Dampf ablassen möchte, wenn er rauskommt. Das ist Ivy Muala, direkt von Hawaii eingeflogen. Ivys Aufgabe ist es, dein Wohlbefinden zu heben - und nicht nur das, wenn du verstehst, was ich meine.“ Nedd lachte anzüglich.
„Aloha, Meister“, sagte das Mädchen, schlang die nackten Arme um Cootes Hals und küsste ihn auf den Mund.
„Aloha, Baby“, gab er grinsend zurück und trat ein.
„Ivy wird dir jeden Wunsch von den Augen ablesen“, sagte Butch Nedd.
„Und du? Siehst du dabei zu?“, fragte Milton Coote amüsiert.
„Ich nehme nur noch einen Drink mit dir, und dann verziehe ich mich. Aber anstoßen müssen wir auf den Erfolg, der Ansicht bist du doch auch, nicht wahr?“
„Fürs Anstoßen bin ich immer.“
Das Apartment war modern und zweckmäßig eingerichtet. Es bestand aus vier Zimmern und den Nebenräumen. Fernsehapparat, Stereoanlage, Videorecorder nichts fehlte. Hier konnte man es schon eine Weile aushalten, ohne sich eingesperrt zu fühlen. Vor allem, solange Ivy da war.
Sie nahmen zusammen den Drink, und Butch Nedd öffnete einen Schrank.
„Klamotten für dich“, sagte er zu Coote. Der Schrank war voll davon.
„Ich weiß nicht, wie ich mich bei Mike für all das revanchieren kann“, sagte Milton Coote begeistert.
„Es wird sich eine Möglichkeit finden“, erwiderte Butch Nedd. Er wandte sich an Ivy Muala. „Lass ihm ein Bad ein, Süße. Ich glaube, er wird sich den Knastgeruch aus den Poren waschen wollen, und ich bin sicher, dass er es genießen wird, wenn du ihm den Rücken schrubbst.“
„Im Rückenschrubben bin ich unübertroffen“, behauptete das gut gebaute Mädchen und begab sich ins Bad.
„Viel Spaß mit der Kleinen“, sagte Nedd zu Milton Coote. „Die Mieze soll’ne Wucht sein. Junge, du bist ein Glückspilz. Ich beneide dich. Ein Mädchen wie Ivy Muala bekommt man nicht alle Tage geschenkt.“
„Fährst du jetzt zu Mike? Dann bestell ihm meinen Dank. Sag ihm, dass ich zu schätzen weiß, was er für mich tut, und dir danke ich auch.“
Nedd verließ das Apartment. Die Badezimmertür schwang langsam auf, und Milton Coote sah Ivy. Sie trug jetzt keinen Faden mehr am Leib. Ihr Körper war wirklich atemberaubend. Sie hatte volle, schwere Brüste, einen flachen Bauch und schwellende Hüften. Sie war genau das, was Milton Coote jetzt brauchte.
„Baden wir gemeinsam?“, fragte sie und schaute ihn unter seidigen, halb gesenkten Wimpern verführerisch an. Ihm wurde der Hemdkragen eng. Hitze stieg ihm in den Kopf, während er sich dem Mädchen langsam näherte. „Möchtest du, dass ich dich ausziehe?“, erkundigte sie sich.
„Keine schlechte Idee“, erwiderte er heiser. „Lass mal sehen, wie geübt du darin bist.“
Ihre Handgriffe waren schnell und zeugten von Erfahrung. Wie kommt ein Mädchen wie Ivy an Mike McLammon?, fragte sich Coote, während er zusah, wie sie ihn entkleidete. Er wollte es wissen, deshalb stellte er ihr diese Frage.
„Ich war gezwungen, Hawaii zu verlassen“, antwortete sie. „Ärger mit der Polizei, du verstehst? Ziemlich schlimme Sache. Ich möchte nicht darüber reden. Ein Freund gab mir eine Adresse. Aber als ich hier ankam, lebte der Mann nicht mehr, der mir helfen sollte. Man verwies mich an Mike McLammon, und er zeigte Verständnis für meine Situation.“
„Was hast du auf Hawaii gemacht?“, wollte Coote wissen.
„Ich war in so einem Haus.“
„Ich verstehe. Daher die reiche Erfahrung.“
„Die dir nun zugute kommt“, flüsterte Ivy und schälte ihn aus den Kleidungsstücken.
Als sie dann in der Wanne saßen, stellte Coote fest, dass er noch nie so aufregend gebadet hatte. Später, als er mit Ivy im Bett lag, sagte er grinsend: „Sollten sie mich noch mal einlochen, nehme ich dich mit, Baby. Mit dir würde ich sogar eine lebenslange Haftstrafe aushalten.“
Norman Mature sprang nicht gerade vor Freude an die Decke, als Bount Reiniger ihn aufsuchte. Das Büro des Rechtsanwalts war klein, mit Blick in einen düsteren Hinterhof. Auf allen Ablegemöglichkeiten lagen Akten. Es schien sich um eine organisch gewachsene Unordnung zu handeln, um ein Chaos mit System.
Mature rückte nervös seine Brille zurecht und wies auf den Besucherstuhl. Bount hatte ihm gesagt, was geschehen war, aber er hatte den Eindruck gehabt, dem Anwalt nichts Neues zu erzählen.
„Bitte nehmen Sie Platz, Mr. Reiniger“, sagte Mature ernst.
Bount setzte sich und sagte: „Sie sind beziehungsweise waren Milton Cootes Anwalt.“
„Das ist richtig“, bestätigte Mature. „Mr. Coote bat mich um Rechtsbeistand vor Gericht, und ich bereitete mich auf seine Verteidigung vor.“
„Hofften Sie auf einen Freispruch?“
„Ich bin kein Illusionist, Mr. Reiniger. Mir war von vornherein klar, dass es zu einer Verurteilung meines Mandanten kommen würde.“
„Haben Sie ihm das gesagt?“
„Selbstverständlich. Ich forderte ihn auf, ein Geständnis abzulegen, damit wir auf einer vernünftigen Basis operieren konnten. Doch davon wollte er nichts wissen.“
„Daraufhin legten Sie die Verteidigung nieder.“
„So ist es“, bestätigte er.
„Befürchteten Sie nicht, dass Ihnen Coote diesen Schritt übelnehmen könnte? Er hätte sich von Ihnen im Stich gelassen fühlen können.“
„Es war nicht meine Pflicht, den Mann zu verteidigen.“
„Ist es möglich, dass Coote sagte, wenn Sie ihm nicht aus dem Knast helfen könnten, würde es eben jemand anderer tun?“
Mature straffte seinen Rücken. Er blickte Bount abweisend an. „Mr. Coote hat nichts dergleichen gesagt.“
„Hat er sich nach seiner Flucht mit Ihnen in Verbindung gesetzt?“
„Nein.“
„Ihnen als Anwalt muss ich wohl nicht extra sagen, was Ihnen droht, wenn Sie diesen Verbrecher decken.“
Norman Mature riss sich die Brille von den Augen. „Was unterstellen Sie mir da, Mr. Reiniger?“
Bount lächelte ihn entwaffnend an. „Nichts, Mr. Mature. Ich unterstelle Ihnen gar nichts. Haben Sie irgendeine Idee, wer Coote zur Flucht verholfen haben könnte?“
Mature beruhigte sich und setzte die Brille wieder auf. „Nein, keine Ahnung.“
„Sie haben, genau wie ich, von Berufs wegen mit vielen Ganoven zu tun. Die Tatsache, dass Sie einigen von ihnen einen längeren Gefängnisaufenthalt ersparen können, heißt noch lange nicht, dass es sich um ehrenwerte Personen handelt. Helfen Sie mir mit ein paar Namen.“
„Tut mir leid, Ihnen nicht helfen zu können, Mr. Reiniger“, sagte Mature rau. „Aber als Rechtsanwalt fühle ich mich an die Schweigepflicht gebunden.“
„Dahinter kann man sich gut verstecken“, sagte Bount. „Aber sollte es nicht auch in Ihrem Interesse liegen, dass Milton Coote dorthin kommt, wohin er gehört? Wo kann er sich Ihrer Meinung nach versteckt haben?“
„Das weiß ich nicht.“
„Würden Sie es mir sagen, wenn Sie’s wüssten?“
„Nein, aber ich würde mich mit Mr. Coote in Verbindung setzen und ihm raten, sich zu stellen.“
„Er ist bewaffnet. Er hat einen Polizeibeamten niedergeschlagen. Noch hat er nicht geschossen, aber wenn man ihn in die Enge treibt, wird er's vielleicht tun. Könnten Sie das vor Ihrem Gewissen verantworten?“
„Hören Sie auf, mir unterstellen zu wollen, ich wüsste, wo Coote sich verborgen hält!“, brauste der Rechtsanwalt auf. „Ich habe keine Ahnung, das sage ich noch einmal, und ich bitte Sie, es zur Kenntnis zu nehmen!“ Bount stellte weitere Fragen, denn er spürte, dass Mature ihm nicht die ganze Wahrheit sagte. Er versuchte den Anwalt in die Enge zu treiben, doch in dieser Disziplin war Norman Mature zu gerissen. Er ließ sich nicht stellen.
Mature wusste mehr, als er zugab, das stand für Bount Reiniger fest. Doch es war ihm nicht möglich, das dem Anwalt zu beweisen und ihn festzunageln. Noch etwas erkannte Bount sehr deutlich: Norman Mature hatte Angst, und gegen diese Angst war Bount Reiniger machtlos, denn sie verschloss Mature den Mund.
Die Karte, die Bount daließ, damit ihn Mature anrief, falls sich irgendetwas Wissenswertes ergeben sollte, würde höchstwahrscheinlich im Papierkorb landen, sobald er die Tür hinter sich geschlossen hatte. Mature war die Erleichterung anzusehen, die er empfand, als sich Bount Reiniger verabschiedete. Einer, der Bount so gern gehen sah, konnte kein lupenreines Gewissen haben.
„Vielleicht sehen wir uns bald wieder“, bemerkte Bount, schon halb aus dem Büro, und Matures Blick sagte: Das möge der Himmel verhüten.
Bis zum Abend hatte Bount zahlreiche Informanten kontaktiert, doch niemand konnte ihm vorläufig helfen. Aber er war zuversichtlich, dass man ihn nicht vergessen würde, sobald etwas Wissenswertes an ihrer Angel hängenblieb, mit der sie für den Detektiv im Trüben fischten.
Auch Yvonne Corrigan gehörte zum großen Heer von Bount Reinigers V-Leuten, ohne die er nicht so erfolgreich hätte arbeiten können. Sie arbeitete in einer Bar in Williamsbridge, sang ein bisschen und animierte die Gäste. Bount kannte sie schon seit ein paar Jahren. Yvonne tat ihm leid. Das Schicksal hatte sie nicht gerade mit Samthandschuhen angefasst, deshalb wunderte es Bount nicht, dass sie süchtig war. Er fand das nicht gut, hatte anfangs sogar versucht, sie vom Rauschgift wegzubringen. Aber er hatte schon bald einsehen müssen, dass sie zu schwach war, um davon loszukommen.
Er erschrak jedes Mal, wenn er sie sah, denn das Heroin grub sich immer deutlicher in ihre Züge. Sie war fahrig und nervös und so mager, dass man in ihrem Ausschnitt die Knochen zählen konnte. Sie war ein netter Kerl. Dennoch belog sie Bount Reiniger, wenn er in die Bar kam. Er war ihr nicht böse. Er wusste, sie tat es, weil er sich Sorgen um sie machte.
Sie freute sich, Bount zu sehen. Er bat sie, sich zu ihm zu setzen und fragte, wie es ihr gehe. Prompt bekam er die Lüge wieder zu hören: „Endlich bin ich los von dem verdammten Zeug, Bount. Ich kann dir nicht sagen, wie froh ich bin, dass es damit vorbei ist.“
„Das freut mich für dich, Yvonne“, sagte er. Er spielte dieses verrückte Spiel mit, mochte der Kuckuck wissen, warum.
„Ich bin wirklich clean, Bount“, sagte Yvonne und blickte ihn mit ihren großen umschatteten Augen treuherzig an. Mit dem Handrücken fuhr sie hastig unter der Nase durch. „Ich sag’ das nicht bloß so. Es ist die Wahrheit.“
„Gratuliere“, sagte Bount, und ein lästiger Kloß bildete sich in seiner Kehle. Wie lange würden sie sich diese lächerliche Komödie noch vorspielen?
Er sah ihr an, dass sie wieder was nötig hatte. Sie konnte sich nicht so gut verstellen, dass es ihm verborgen geblieben wäre. Nervös tastete die nach ihrem honigblonden Haar. „Bount, ich weiß, es gehört sich nicht, einen guten Freund gleich anzupumpen, wenn man ihn nach längerer Zeit wieder sieht, aber ich bin in einer momentanen Verlegenheit und weiß nicht ...“
Bount steckte ihr einen Schein zu, damit sie sich nicht zu demütigen brauchte.
„Danke, Bount“, sagte sie, und ihre Augen strahlten kurz, bevor sie wieder jenen traurigen, stumpfen Glanz von vorhin annahmen. „Du bist ein wahrer Freund. Das vergesse ich dir nie. Du bekommst es ganz bestimmt wieder.“
Sie wussten beide, dass das nicht stimmte, denn Yvonne hatte nirgendwo mehr Kredit. Deshalb sagte Bount: „Lass dir Zeit. Es eilt nicht. Ich bin froh, dass ich dir helfen konnte.“
Sie wollte wissen, was ihn zu ihr führte, und er redete mit ihr über Milton Coote. Im Moment konnte ihm Yvonne nicht helfen, aber sie versprach ihm, sich für ihn umzuhören, und das würde sie zuverlässig tun, um ihm zu helfen und sich das Geld zu verdienen, das er ihr gegeben hatte.
„Aber sei nicht zu neugierig“, warnte er das Mädchen. „Du könntest sonst Ärger kriegen, und ich möchte, dass du mir noch eine Weile erhalten bleibst.“
„Ach, Bount“, sagte sie seufzend. „Warum bist du mir nicht begegnet, als ich noch jung und knusprig war?“
„Du bist noch nicht alt, Yvonne.“ „Ich war eine Schönheit, glaubst du mir das?“
„Unbedingt.“
„Ich hätte dich vom Fleck weg geheiratet.“
Bount schmunzelte. „Ich hätte mich nicht gewehrt.“
„Es tut gut, zu hören, was du sagst, Bount. Wenn es auch nicht die Wahrheit ist.“
Er küsste sie auf die Wange und verließ die Bar. Yvonne hatte es verdammt eilig, zu ihrem Dealer zu kommen.
Am nächsten Vormittag sprach Toby Rogers wieder von den schönen neuen Schuhen seines Freundes.
„Du hast zu viel dafür bezahlt, Bount“, behauptete der Captain. „Wo hast du sie gekauft?“
„Auf dem Broadway.“
„Drüben auf Staten Island soll es ein Schuhgeschäft geben, wo du zehn Dollar weniger bezahlt hättest.“