Herausgegeben von Amanda J. Spedding & Geoff Brown

Mit Illustrationen von Monty Borror

Aus dem Englischen von Patrick Baumann

Impressum

Die australischen Originalausgaben

erschienen im Verlag Cohesion Press.

Copyright dieser Auswahl © 2018 by Amanda J. Spedding und Geoff Brown

Copyright der Erzählungen bei den jeweiligen Autoren

Titelbild: Dean Samed

Alle Rechte vorbehalten

eISBN 978-3-86552-614-4

www.Festa-Verlag.de

Inhalt

Das Fossil

Greig Beck

Back to Black

Jonathan Maberry & Bryan Thomas Schmidt

Begraben im Gewölbe

Alan Baxter

Jagd auf den Mann an der Spitze

R. P. L. Johnson

Von Sturm und Feuer

Tim Marquitz & J. M. Martin

Machtdemonstration

Jeremy Robinson & Kane Gilmour

Ungeziefer

Richard Lee Byers

Gift

Michael McBride

Entdecke die Festa-Community

Das Fossil

Greig Beck

Es gibt Leben in anderen Welten.

Aber es ist nicht fremd.

Es sind wir, die aus der Zukunft zurückblicken.

1

Neandertal, Deutschland, 48.000 v. Chr.

Drun taumelte. An mehreren Stellen seines Oberkörpers war die Haut verbrannt und die Wunden nässten. Einen solchen Schmerz hatte er in seinen langen und beschwerlichen 30 Lebensjahren noch nie gespürt.

Er musste sich ausruhen – sich verstecken –, und er musste die Höhle der Zeichnungen finden. Seit Tagen wussten er und sein Stamm von den merkwürdigen Neuankömmlingen in ihrem Gebiet. Er hatte seine Leute gedrängt, sie nicht zu beachten und einfach zu warten, bis sie weiterzogen, wie es schon viele Male zuvor geschehen war. Aber Orlak, Orlak dem Zornigen, war es gelungen, die jungen Krieger zu überreden, sie anzugreifen, ihre Güter zu stehlen und damit die Botschaft an alle anderen Stämme zu schicken, dass dieses Land den Urdan gehörte.

Drun hatte widersprochen, aber niemand hörte mehr auf den alten Häuptling. Orlak trug jetzt den Speer des Anführers. Nur seine Stimme zählte.

Sie hatten sich an die Fremden herangeschlichen wie bei jeder anderen Jagd. Es waren nur zwei gewesen, noch dazu schwach und klein. Es hätte einfach sein sollen – zwei leichte Opfer, mit denen Orlak angeben konnte.

Orlak war, wie immer, zuerst losgerannt und hatte den Stamm in einen heftigen Sturmangriff geführt, der die zwei Besucher überrascht hatte. Einem hatten sie Speere in den schimmernden Leib gestoßen, und er war vor ihren Füßen zusammengebrochen. Aber der andere war schneller gewesen und nicht geflohen, wie sie erwartet hatten. Stattdessen hatte er sich umgedreht und auf sie gezeigt, wobei er ein kleines, flackerndes Objekt in der Hand hielt. Sofort hatten Feuer und Licht sich über die meisten Angehörigen seines Stamms ergossen.

Drun wimmerte, als er sich an den Schmerz erinnerte, den diese brennenden Strahlen verursachten – es war so gewesen, als würde man direkt in die große Kugel aus Feuer und Hitze starren, die am Himmel stand. Seine Augen schmerzten immer noch. Auch hier war Orlak wieder der Erste gewesen. Die Lichtstrahlen, die aus der Hand des Fremden strömten, hatten ihn einfach verschwinden lassen. Viele der Urdan waren zusammen mit ihrem neuen Anführer verbrannt, und ihre ängstlichen Schreie waren verstummt, als sie zu Asche wurden. Drun war ganz in der Nähe gewesen, zum Teil verdeckt von einem der Jüngeren. Aber auch so war die Hitze unerträglich gewesen, und sie hatte sich tief in sein Fleisch gebrannt.

Der alte Krieger stolperte weiter und entdeckte endlich die Zuflucht, die er suchte. Es war die tiefe Höhle, in der sie die Geister der Tiere, die sie jagten, durch das Zeichnen ihrer Bilder festhielten. Drun selbst hatte Bisons, Moschusochsen sowie die größte Jagdbeute von allen gezeichnet: das gigantische Mammut.

Er hielt das kostbare Ding fest in der Hand, kroch tief hinein und ließ sich an der Höhlenwand hinabsinken. Eine weitere Schmerzwelle erschütterte seinen Körper und ließ ihn das Gesicht verziehen. Für ein paar Augenblicke atmete er tief ein und aus, versuchte, sich in eine angenehmere Haltung zu bringen, und legte den Kopf an den kühlen, feuchten Stein.

Er lauschte, ob man ihn verfolgte oder ob irgendein anderes Tier sich vielleicht tiefer in der Höhle eingenistet hatte. Nichts, abgesehen vom kontinuierlichen Tröpfeln milchigen Wassers.

Drun öffnete die Hand und untersuchte das mysteriöse Objekt. Als er gestürzt war, hatte er sich am Boden neben dem von Speeren durchbohrten Besucher wiedergefunden … und neben ihm hatte dieses schöne, glänzende Etwas gelegen – hart wie ein Stein, aber so poliert und glatt, dass es kaum zu glauben war. Und jetzt, als er genau hinschaute, sah er, dass im Inneren etwas Helles war. Etwas wie Feuer.

Er hielt es in einer Hand, drückte und streichelte es mit einem rauen Finger. Sofort schoss ein Lichtstrahl aus dem schmalen Ende hervor und traf die Decke der Höhle. Felsbrocken fielen herab, Staub stieg auf und die schwachen Lichtreste, die von draußen hereindrangen, wurden abgeschnitten.

Drun schrie auf, und seine Hand schloss sich wieder fest um das Objekt. Noch bevor der Staub sich legte, wusste er, dass er in der Falle saß. Er schrie noch einmal, aber es kam nichts als sein eigenes Echo zurück. Er war eingeschlossen. Jetzt weinte er; er tat sich selbst leid, ihm taten seine verlorenen Kriegsbrüder leid und er bedauerte, dass er nicht stark genug gewesen war, um Orlak von der Attacke auf die seltsamen Besucher abzuhalten.

Er lehnte sich zurück, und es kümmerte ihn nicht, dass das Wasser auf sein verfilztes Haar tropfte. Drun schloss die Augen und ließ seinen Gedanken freien Lauf. Sie führten ihn fort von Dunkelheit und Schmerz. Er träumte von seiner Jugend, von seiner Gefährtin, vom Jagen in der warmen Frühlingssonne. Er atmete tief, und dieser lange Atemzug war sein letzter.

Das Wasser tröpfelte weiter auf ihn herab.

2

Neandertal, Deutschland – heute

»Da drin ist was.«

Klaus Hoffman leuchtete mit seiner Taschenlampe an die Wand der neu entdeckten Höhle, ließ den Lichtstrahl langsam hin und her wandern und die Dunkelheit aus verschiedenen Winkeln durchdringen. Er fühlte eher, als dass er hörte, wie Doris näher herankroch. Sie hatte in der kalten Dunkelheit kaum mehr als ein Schniefen für ihn übrig, durch das sie ihn wissen ließ, dass ihr nichts gleichgültiger sein konnte als seine Entdeckung.

»Schau, schau.« Er drehte sich und packte sie am Ärmel, während er in die Hocke ging und sie zu sich zog.

»Au.« Doris riss ihren Arm los. Er hatte geglaubt, dass seine Freundin zumindest ein wenig Interesse daran hätte, in die Höhle zu gehen. Unzählige Male hatte sie scheinbar fasziniert zugehört, wenn er ihr von seinen vielen Erkundungsabenteuern der letzten paar Monate erzählt hatte. Vielleicht hatte sie ihr Interesse nur vorgetäuscht, oder es bezog sich nur auf seine Geschichten – eine Höhle selbst zu betreten war anscheinend etwas ganz anderes für sie.

»Ich seh nichts.« Sie wandte sich ab und blickte ins Innere der Höhle. »Ist zu dunkel.«

Klaus murmelte genervt vor sich hin und zog noch einmal an ihrem Ärmel. »Hier … schau nicht auf den Stein, sondern ins Innere. Das wird Verkieselung genannt und hat ziemliche Ähnlichkeit mit versteinertem Spülwasser … neblig, aber man kann immer noch durchgucken.«

Sie hatte die Arme verschränkt, beugte sich vor und neigte den Kopf. Aber nach ein paar Sekunden schüttelte sie ihn langsam. »Nee. Nichts.«

Klaus stieß ein frustriertes Stöhnen aus. Dann kam ihm ein Gedanke. Er hob den Zeigefinger, wühlte in seiner Jacke nach der Wasserflasche, öffnete die Kappe und spritzte die Flüssigkeit auf die Höhlenwand. Der glatte Kalkstein, der zum Vorschein kam, sah aus wie glänzendes Wachs. Er grinste und verlagerte sein Gewicht auf die Fersen. »Das ist das Resultat von Zehntausenden von Jahren, in denen das Wasser runtergetropft ist und alles mit mineralischen Mikropartikeln überzogen hat, die sich zu einer halb durchsichtigen Deckschicht verhärtet haben. Das geologische Äquivalent zu in Bernstein gefangenen Fliegen.« Klaus veränderte noch einmal den Einfallswinkel seines Lichtstrahls.

»Oh, ja, jetzt kann ich reinsehen – iiih, das Ding sieht ja komisch aus.« Doris rümpfte die Nase, hockte sich aber neben ihn.

»Ich finde, es sieht schön aus.« Klaus kippte noch etwas Wasser darüber.

»Ist das ein Mann? Er sieht deformiert aus oder so was.« Doris stand auf, hielt jedoch ihre Taschenlampe auf den nassen Stein gerichtet.

»War das einer, meinst du. Und nein, ich glaube nicht, dass er deformiert ist. Nach der Tiefe der Mineralienschicht zu schließen, würde ich sagen, er ist seit mindestens 40.000 Jahren hier eingeschlossen, vielleicht sogar 60.000.« Klaus beugte sich näher heran, bis seine Nase fast den glatten Stein berührte. »Nicht deformiert, eher vormenschlich … wahrscheinlich ein Neandertaler.«

Er leuchtete mit der Lampe an Wände und Decke der Höhle und ließ den Lichtstrahl schließlich auf ihr Gesicht fallen. »Der Erdfall, durch den wir reingekommen sind, hat die Höhle erst vor ein paar Tagen zugänglich gemacht, und bis jetzt haben die Behörden es geschafft, Besucher fernzuhalten. Wir sind wahrscheinlich die ersten Menschen seit Zehntausenden von Jahren, die einen Fuß auf diesen Boden setzen.« Er hob theatralisch die Augenbrauen, aber sie nickte nur und wirkte wenig begeistert.

Klaus zuckte die Achseln. Er spürte immer noch ein Prickeln der Aufregung am ganzen Körper. Noch einmal beugte er sich nahe an den uralten Stein und atmete seinen Geruch ein. Hinter ihm ertönte ein metallisches Klicken, gefolgt von einem aufflackernden Licht.

Er wirbelte herum. »Doris … ist das dein Ernst … du rauchst?«

Sie richtete die Zigarette auf ihn, als wäre sie der Lauf einer kleinen, glühenden Pistole. »Ich bin nervös. Du weißt doch, dass ich rauche, wenn ich nervös bin. Ich bin nervös, mir ist kalt, ich hab Hunger … und ich bin geil.« Sie hob die Nase hoch in die Luft, sah ihn aber aus den Augenwinkeln an.

Klaus schnaubte. Er wusste, was sie von ihm erwartete, wenn sie auf ihre Geilheit anspielte: Sie wollte, dass er etwas tat. Normalerweise bekam sie ihren Willen, aber diesmal ließ er nicht zu, dass seine Konzentration sich in den Lendenbereich verlagerte.

»Du rauchst, wenn du nervös, betrunken, fröhlich oder traurig bist … gib’s zu, Doris, du rauchst so gut wie immer. Zeig mal ein bisschen Respekt; in dieser Höhle sind wahrscheinlich seit 50.000 Jahren keine Menschen mehr gewesen … Und würde es dir was ausmachen, nicht überall Asche fallen zu lassen?«

Sie wackelte mit dem Kopf. »Dich hab ich auch schon rauchen sehen, Herr von und zu. Außerdem, wer soll sich denn beschweren … der etwa?« Sie wies mit dem Daumen auf den Klumpen in der Wand, steckte sich die Zigarette zwischen die geschürzten Lippen und warf einen raschen Blick auf die Seiko-Taucheruhr an ihrem schmalen Handgelenk.

Klaus beachtete sie nicht und sah sich noch einmal den eingeschlossenen Körper an. »Wer weiß … und ganz nebenbei, das könnte auch eine Sie sein. Wir müssen es ausgraben – sieht verdammt alt aus, und wenn es ein gut erhaltenes Fossil ist, wovon ich ausgehe, dann könnte es Tausende wert sein.« Er wandte sich ihr halb zu. »Und der Rauch könnte es beschädigen.«

»Tausende.« Klaus hörte, wie sie das Wort leise wiederholte. Darauf folgte das Geräusch eines Fußes, der etwas auf dem Höhlenboden zertrat.

Er nickte weise. »Klar, Sammler zahlen ein Vermögen für solche Sachen. Sogar für Stücke davon. Wir müssen uns ein paar Werkzeuge besorgen und es da rausschneiden, bevor jemand anderes diese Höhle findet.«

Doris drängte sich neben ihn und kniff die Augen zusammen. »Gute Idee.« Sie zeigte auf etwas. »Hey, ich glaub, da drin leuchtet was.«

Er folgte ihrem Finger mit dem Blick. »Hmm, vielleicht eine Spiegelung – oder ein Opal. Das könnte es noch wertvoller machen.«

3

Neu-Berlin, Euronesien, 50.000 n. Chr.

»Los, los, los.« Jax gab jedem Soldaten einen Klaps auf den Rücken, während sie vorbeijoggten. Es waren 20 der besten Leute – kampferprobte Profis, die genetische Züchtung groß, stark und furchtlos gemacht hatte. Zonen-Cleaner, Arschtreter, Terminatoren – wie man sie auch nannte, sie erledigten ihren Job. Je härter und dreckiger er war, desto besser. Sein Kampftrupp war vollständig und bereit, loszuschlagen.

Das Portal flackerte, während sie sich an einer Seite aufstellten und seine letzte Inspektion abwarteten. Nano-Körperpanzer über eisenharten Muskeln, Wasserstoffbomben, magnetische Killerpfeile und Brenner, die genug Energie hatten, einen ganzen Häuserblock zu rösten. Er schritt die Reihe ab und nickte jedem Einzelnen zu, während sie ihre Augen starr geradeaus richteten. Er ballte die Fäuste und baute sich vor ihnen auf.

»Wir sind der Hammer, und die sind die Nägel. Wenn wir zuschlagen, fallen sie. Wir werden nicht versagen … wir können nicht versagen.« Er hob eine Faust und reckte das Kinn vor. »Alles, was sich uns in den Weg stellt, stirbt.« Jax wollte sich schon abwenden, aber dann hielt er inne und neigte den Kopf. Er drehte sich zu ihnen und brüllte: »Ich kann euch … nicht hören … verflucht noch mal!«

Wie ein Mann schrie die Truppe zurück: »Was sich uns in den Weg stellt, stirbt.«

Der Anführer setzte ein humorloses Grinsen auf. »Verdammt richtig.« Er wandte sich dem glühenden Portal zu. »Gehen wir und verbrennen ein paar Gimps.«

Mit dem Rücken zu seinen Leuten wartete er, bis das Portal sich vollständig öffnete und zur Ruhe kam. Die Zone, die sie betreten würden, war gefährlich. Die Gimps hatten sich weiterentwickelt, sich verändert, waren schlauer und weit tödlicher geworden.

Jax war der Führungsoffizier, der die erste Cleanertruppe leitete, und er kannte keine Angst. Er wusste, dass seine Männer ihm, falls nötig, bis in die Hölle folgen würden … und das war gut, denn dort, wo sie hingingen, gab es Teufel. Die Gimps – prähistorische Monster, die die Vorstellungskraft überstiegen.

Er atmete tief durch und dachte an die Ereignisse zurück, die sie an diesen Punkt gebracht hatten. Seine Lippen formten einen lautlosen Fluch; diese verdammten Wissenschaftsoffiziere und ihre Willensschwäche bei allem, was sie taten. Er hatte es satt, die Ratschläge zu hören, die sie der Kommandoebene gaben: »Wir müssen bei den Sprüngen keine Cleaner mitnehmen; die Gimps haben mehr Angst vor uns als wir vor ihnen; wir müssen ihnen die Hand zum Frieden reichen.« Ha, dachte er mit einer gewissen Genugtuung, wenn ihr ihnen die Hand zum Frieden reicht, werdet ihr diese Hand verlieren. Genau das hatte das Wissenschaftlerteam gerade festgestellt … wieder einmal.

Mit einem Schniefen checkte er die Energiezellen seines Brenners. Gilbred, dieser Wurm, und sein besserwisserischer Kollege Hindoy … der nicht mehr am Leben war. Er erinnerte sich, wie diese kümmerliche Karikatur von einem Mann von seiner Expedition zurückgekehrt war, zitternd wie Espenlaub.

Er warf einen Blick auf das Chronometer. Die Synchronisatoren des Portals hatten ihr Ziel identifiziert und begannen mit dem Countdown.

30 … 29 … 28 … 27 …

Es waren schon zu viele Touren gewesen. Sie hatten sich ihren Weg durch dieses urzeitliche Höllenloch gebrannt, hatten verhört und gefoltert, um an diesen Punkt zu gelangen. Jetzt hing alles von diesem letzten Zonensprung ab.

Während er wartete, dass das Portal sich stabilisierte, ließ er seine Gedanken zu den Geschehnissen der letzten paar Tage zurückkehren. Zurück zu Gilbred, als dieser zum ersten Mal zurückgekommen war.

Jax machte einen Satz nach vorne und schrie dem sitzenden Wissenschaftsoffizier ins Gesicht: »Haben Sie den Verstand verloren? Sie werden von den dummen Gimps angegriffen, lassen sie ganz nah an sich herankommen und Ihren Begleiter aufspießen. Und dann lassen Sie sie auch noch seinen verdammten Brenner mitnehmen?« Jax lief mit zusammengebissenen Zähnen auf und ab. Er wirbelte noch einmal zu ihm herum. »Sie tadeln meine Soldaten, wenn sie auch nur auf einen Käfer treten, aber dann grillen Sie selbst in blinder Panik zehn Gimps.« Jax stürmte wieder auf den zusammengesunkenen Wissenschaftler zu und drängte sich nahe an ihn heran. »Haben Sie irgendeine Ahnung, was für Probleme das verursachen wird?« Er schob sein Gesicht so nahe heran, dass ihre Stirnen sich beinahe berührten. »Nun?«

Gilbred quietschte irgendetwas Unverständliches. Jax trat um den Wissenschaftsoffizier herum und presste mit mühsam unterdrückter Wut die Lippen zusammen. Hinter dem Mann blieb er stehen und beugte sich nahe an seinen Kopf heran. »Hätten Sie seine Leiche zurückgelassen, dann hätte ich dafür gesorgt, dass Sie eine Woche in einer Schmerzkammer verbringen … in einer meiner Wahl.« Jax richtete sich wieder auf, verschränkte die Hände hinter dem Rücken und hob das Kinn. »Warum glaubt ihr Wissenschaftstypen immer, dass ihr wisst, was das Beste ist?«

Gilbred schüttelte den Kopf. »Wir wussten, dass in diesem Gebiet Gimps sind, aber sie hatten sich vorher so gutmütig verhalten. Wir hätten nicht gedacht, dass sie …« Seine vor Angst hohe und schrille Stimme verlor sich. Jax wandte sich ab, und sein finsterer Blick legte sein Gesicht in tiefe Falten.

Gilbred ließ den Kopf hängen. Jax lächelte und klopfte dem Mann auf die Schulter. »Sie haben also nicht gedacht. Keine Sorge. Zum Denken sind wir da … und deshalb haben wir Ihnen gesagt, dass wir Sie bei Ihren Sprüngen begleiten müssen.« Er schnaubte. »Aber Sie wussten es ja besser.« Jax knurrte: »Ja, ihr Strebertypen wisst immer alles besser.«

Gilbred hob den Kopf. »Ich kann Ihnen zeigen, wo …«

Jax’ Stimme war so laut, dass Gilbred fast vom Stuhl fiel. »Halten Sie die Schnauze! Sie haben schon genug getan.« Er atmete zischend aus. »Die Brenner verrosten oder verfallen nicht und haben auch keine Fehlfunktionen – so haben wir sie entworfen. Das Ding wird noch eine Viertelmillion Jahre lang funktionstüchtig bleiben.«

Er seufzte, legte beide Hände auf Gilbreds schmale Schultern und beugte sich nahe an sein Ohr. »Wissen Sie, was passiert, wenn die Gimps diese Technologie in die Finger kriegen? Wenn wir das nächste Mal bei ihnen aufkreuzen, werden sie uns rösten.« Jax stieß sich von ihm ab, ging um ihn herum und stellte sich vor ihn.

»Wir müssen die Waffe finden.« Er starrte auf den zusammengekauerten Mann hinab. »Sie müssen sie finden. Wir können nicht zweimal in dieselbe Zone zurückkehren, also müssen Sie die Xenonstrahlen des verlorenen Brenners lokalisieren und sie dann am Zeitgefälle entlang verfolgen. Nennen Sie mir einen Ort und ein Datum, dann gehen wir selbst los, um ihn zu holen.«

Jax’ Stimme wurde sanft. »Aber eine Warnung. Stellen Sie sicher, dass Ihre Angaben genau sind. Es kostet ein kleines Vermögen, diese Portale zu öffnen, also sollten wir das Ding besser finden, bevor der General davon hört … anderenfalls geht das alles auf Ihre Kappe.«

Das Chronometer zeigte an, dass die unverwechselbaren Strahlungsspuren wieder aufgetaucht waren – Jahrhunderte, nachdem Gilbred seine Waffe verloren hatte, in einer Zeit, die sie nur äußerst ungern besuchten. Noch komplizierter wurde es durch die Tatsache, dass viele dieser Spuren sichtbar waren. Irgendwie hatte der Brenner Objekte in der Umgebung mit Xenonpartikeln durchdrungen, und jetzt waren diese über ein großes Gebiet verteilt. Jax und sein Team mussten jedes einzelne davon checken.

Seine Cleanercrew war gut – abgehärtet, brutal, alles professionelle Zonensprung-Soldaten. Jax wusste, dass sie das auch sein mussten. Es war nicht empfehlenswert, eine solche Zone zu betreten. Es war zu gefährlich. Die Gimps hatten eine Grundintelligenz entwickelt und ihre monströse Muskelkraft durch jägerische Schlauheit ergänzt.

Jax war der Erste, der das Portal durchquerte. Er trat in die Dunkelheit und dachte gerade noch rechtzeitig daran, seinen Gesichtsschutz herunterzuklappen. Die Luft roch faulig, und die Gase hätten schnell seine Lunge verätzt. Nur die riesigen Gimps mit ihren gewaltigen, blasebalgähnlichen Atemgeräten konnten diese Mischung urzeitlicher Gase absorbieren.

Er sah sich um. So verdammt groß, dachte er. Obwohl er ein Veteran der Klassen- und Geschlechterkriege und so kampferprobt wie nur möglich war, jagten diese Kreaturen ihm eine Scheißangst ein. Jede war dreimal größer als sein größter Mann, und die meisten Gimps waren in der Lage, ihn oder einen seiner Leute in Stücke zu reißen.

Jax ließ den Finger in der Luft kreisen, und sein Team begann mit der Suche. Es gab die bekannten Strahlungsreste, aber die Signale waren schwach – der Brenner war hier gewesen. Sein Team untersuchte und sondierte die dunkle Weite, in der die ursprüngliche Spur entdeckt worden war.

Schon nach wenigen Minuten kamen sie zurück. Nichts auf den Scannern, nichts gesehen. Arcad, sein führender Cleaner, zuckte die Achseln. »Ist nicht hier. War er vielleicht mal, aber jetzt nicht mehr. Was wollen Sie tun?«

Jax überlegte für einen Moment. »Vergrößert das Suchgebiet. Wenn er nicht hier ist, will ich wissen, was damit passiert ist. Machen wir einen schnellen Check in den äußeren Bereichen.«

»Äußere Bereiche?« Arcad hob ruckartig den Kopf. »Es gibt Anzeichen dafür, dass die derzeit bewohnt sind.«

»Das ist richtig, Soldat … und genau wegen solcher Dinge werden wir so gut bezahlt.« Jax ging zum Eingang des großen Raums, blieb stehen und hob die Hand, als er ein Geräusch aus dem Inneren hörte. Auch sein Team blieb stehen.

Arcad trat vorsichtig neben ihn. »Reingehen oder nicht?« Er warf einen Blick über die Schulter zum Portal, das hinter ihnen in der Dunkelheit schimmerte.

Jax hob eine Hand, wartete ab und lauschte. Dann legte er sein Ohr an den Eingang und schüttelte den Kopf. »Nichts.« Er drehte sich halb zu seinem stellvertretenden Kommandeur um. »Mir gefällt das auch nicht, aber wir sind hier, um einen Job zu erledigen. Also … tun wir das auch.« Er zog die riesige Barriere zu sich. Sie ließ sich leicht öffnen und gab nur ein leises Protestwimmern von sich.

Er war der Erste, der hindurchging, und sein Team folgte ihm. Jax war der fähigste Cleaner in Euronesien, und sobald er sich orientiert hatte, war ihm klar, dass Gefahr drohte. Er fühlte die Anwesenheit des vor ihnen aufragenden Gimps eher, als dass er ihn sah. Das Geräusch, das aus der Dunkelheit hervordonnerte, erweckte in allen den Wunsch, sich die Ohren zuzuhalten und zu fliehen. Der Schlund der großen Bestie hatte sich zu einem fast perfekten Kreis geöffnet, und zwischen den riesigen Zähnen drang ein ohrenbetäubendes Kreischen hervor, das über sie hereinbrach wie ein körperlicher Angriff.

Der Gimp hob einen seiner kolossalen Arme. Jax wartete nicht ab, um festzustellen, ob er etwas Gefährliches in der Hand hielt. Er hob den auf einen breiten Strahl eingestellten Brenner und feuerte. Als der Strahl es traf, schimmerte das Biest für einen Augenblick, und sein schrecklicher Ruf verstummte, als es sich auflöste.

»Scheiße, Scheiße, Scheiße.« Er hatte keine Wahl. Sie entfernten Gimps nur sehr ungern aus dieser Zone, da diese über starke soziale Bindungen verfügten. Jetzt ist es zu spät, dachte er. »Wir müssen uns beeilen. Sucht alles gründlich ab, und dann lasst uns zum Teufel noch mal von hier verschwinden.« Er war gereizt. Diese Arschlöcher zu Hause sollten beim nächsten Mal besser die richtige Zone finden, sonst würde er sie höchstpersönlich an die Gimps verfüttern.

Sie brauchten nur ein paar Minuten, um herauszufinden, dass von ihrem verschwundenen Brenner jede Spur fehlte. Jax trieb sein Team wieder in Richtung des Portals und blickte sich noch ein letztes Mal um. Er hatte den Eingang versiegelt und war sicher, dass sein Team nichts zurückgelassen hatte, das ihre Anwesenheit verriet. Die anderen Kreaturen würden die Überreste des gigantischen Biests bald finden, aber wenn die Crew nicht mehr hier war, hätten die Gimps keine Ahnung, was sich abgespielt hatte. Primitive. Und der Brenner ist auch nicht hier. So eine beschissene Zeitverschwendung. Er trat wieder durch das glühende Portal, und es schnappte sofort hinter ihm zu. Die Umgebung kühlte rasch ab, und es wurde wieder still um ihn.