E A SOLARIS

 

DIE ANTIMATERIE

DES TODES

 

 

 

ÜBERLEBEN IST EIN PROGRAMMFEHLER

 

EIN KURZER SCIENCE FICTION-THRILLER

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

COPYRIGHT

 

Erstmals weltweit erschienen 2017

Copyright © 2017 EA Solaris

 

Alle Rechte vorbehalten. Keine Portion dieses Werks darf kopiert, verteilt, reproduziert oder sonst in einer Form verfügbar gemacht werden ohne die explizite schriftliche Zustimmung des Autors. Zuwiderhandlung wird zivil-und strafrechtlich verfolgt.

 

Alle Charaktere und Ereignisse dieses Werkes sind rein fiktiv. Ähnlichkeit zu existierenden Organisationen und Individuen, lebend oder verstorben, sind rein zufällig.

 

Kontaktieren Sie bitte den Autor via Website (www.thebiofuturist.io) oder Email (solaris@thebiofuturist.io) für Anfragen und Rechte.

 

 

 

 

 

 

WIDMUNG

 

Für all die andern Weltraumreisenden, die sich über die

verborgenen Kräfte unserer Existenz wundern.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

LIES OF THE MOON

 

Wearing my heart

inside out 

over the skins

of the night

I dare to bloom

 

I drink them all,

the pale lies 

of the moon

 

— E A SOLARIS —

 

 

 

You hack people. I hack time.

 

—WHITEROSE, MR. ROBOT—

 

 

 

 

 

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INHALT

 

EINS (001)

ZWEI (010)

DREI (011)

VIER (100)

EPILOG

 

DANKSAGUNG

DER AUTOR

AUCH VOM AUTOR

 

 

 

 

 

 

 

EINS (001)

 

 

Während das Flugzeug durch den schwarzen Himmel gleitet, der von den geisterhaften Sternenhüllen erhellt wird, ist der Schlund des Universums gerade dabei, nach meinem Herzen zu greifen, um alles zu verschlingen, was ich liebe.

Alle Sterne sind tot. Nichtsdestotrotz ist unsere gesamte Existenz aus eben dieser Materie gewoben; wir sind ins Gewebe des Universums eingestrickt; ihr atomisierter Staub atmet in uns. Wie pulsierende Massen sind wir auf Kollisonskurs auf vorbestimmten Bahnen voneinander angezogen. Doch manchmal geschieht das Außergewöhnliche — das Grauenvolle — und wir werden aus unserem Orbit geschleudert.

 

Die Boeing ruckelt durch Turbulenzen und schüttelt mich wach, gerade als die Räder mit einem vibrierenden Brummen ausgefahren werden. Es war ein langer Flug von Tokio.

»Meine Damen und Herren, wir werden in Kürze in Berlin landen!«, verkündet die Stimme des Piloten über die Lautsprecheranlage. Er bittet uns, unsere Sitze in die aufrechte Position zu bringen und setzt die üblichen Hinweise fort, als jemand sanft an meine Schulter tappt. Ich drehe mich um.

Die Frau auf dem Fenstersitz zu meiner Linken hält mir ein Foto entgegen. Sie trägt eine Hipster-Brille, die ihr ausgezeichnet steht. »Sie haben das verloren, während Sie geschlafen haben«, erklärt sie mit einem Lächeln.

Aus dem Bild strömt mir die Wärme aus den Augen meines Bruders zu. Sein Gesicht ist von sorglosen, in alle Richtungen abstehenden Locken umrahmt und pustet eine Kerze auf einem Geburtstags-Cookie aus, ungefähr dreißig, meine genetische Kopie. Doch ich trage meine halblangen Haare zusammengebunden — ich weiß eine gewisse Ordnung der Dinge zu schätzen, wie man es von einem Forscher des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik auch erwarten darf. Alles hat seine vordefinierte Ordnung; wir müssen sie nur erkennen. Wie er jetzt wohl aussieht? Tragödien verändern uns, besonders wenn sie uns so unerwartet treffen, wie ein Dolch in der Dunkelheit.

Ich zögere, bevor ich das Foto mit meiner behandschuhten Hand entgegennehme. Nicht jeder muss sehen, was sich seit dieser grauenhaften Nacht im Labor darunter verbirgt. Ich will sie ja nicht erschrecken.

»Danke.« Erleichtert halte ich es an meine Brust, wie ein verlorener, doch wiedererlangter Schatz. Niemals würde sie die dunkle Wahrheit ihrer Worten erahnen.

»Jemand Nahestehendes?«, fragt sie lachend und fügt hinzu: »Verzeihen Sie, ich will nicht aufdringlich erscheinen. Ich konnte nicht anders, als die Ähnlichkeit zu bemerken.«

»Sie brauchen sich nicht entschuldigen. In der Tat. Zwillinge. Ich bin gerade auf dem Weg zu ihm.«

Falls ich nicht schon zu spät bin. Hinter meinen Augen sickert der Schmerz, den ich zu verbannen versucht habe, in mein Bewusstsein zurück. Während ich durchs Leben schlafgewandelt bin, ist mit meinem Bruder etwas Ungeheuerliches geschehen. Ich senke meinen Blick auf meine verhüllte Hand hinab. Was darunter liegt, ist das Mindeste, was ich verdient habe.

Ein Grunzen in meinem Ohr lässt mich nach rechts drehen. Ein schnarchender Berg des Mannes auf dem Korridorplatz hat seinen Kopf auf meine Schulter gelegt. Herrliche Mittelsitze! Eine Stewardess huscht vorbei; lächelt mich an.

Das Letzte, was ich wahrnehme, sind plötzliche Turbulenzen, ihr gellender Schrei und der Ausbruch eines Pixelsturms, der durch den Bildschirm vor mir rauscht; dann wird alles um mich herum von absoluter Dunkelheit verschluckt.

 

Ich schlage die Augen auf, aufgeweckt von der Durchsage des Piloten:

»Meine Damen und Herren, wir werden bald in Berlin landen. Oder wie die Einheimischen es nennen, die lebende Stadt!«

Was? Das fühlt sich ja an wie eine Schlaufe, nur mit infinitesimal kleinen Veränderungen.

Jemand berührt meine Schulter.

»Ähm, Sie haben das hier verloren.« Die Frau neben mir reicht mir ein Foto. Brillengläser, dick wie ein Flaschenboden, verschrobener Rahmen— falsche Wahl— doch ein seltsam vertrautes Charisma glimmt dahinter auf, wie das einer entfernten Bekannten. Sie scheint genauso orientierungslos wie ich zu sein, schaut sich verwundert um und zuckt dann mit den Schultern.

Ich bedanke mich und lächle, nehme das Foto entgegen und stecke es in meine Tasche.

»Familie?«, fragt sie und ergänzt rasch: »Verzeihen Sie, ich will nicht—«

Ich kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen und unterbreche sanft: » …Aufdringlich sein? Ja, es ist mein Zwillingsbruder, Richard.«

Sie nickt und lacht kurz; ich lache mit ihr zusammen.

Nach einem Zögern fragt sie: »Ihr Bruder Richard, er ist nicht etwa …der Richard Noire?«

Ich blinzle überrascht — wie hat sie das denn erraten? Sie tippt auf das Spiegel-Magazin in ihrer Hand. Oh. Vom Cover blitzt mir das unverwechselbare Siegeslächeln meines Bruders entgegen. Wie konnte ich nur solche Ereignisse seines Leben versäumen?

»Na, ist die Story lesenswert oder was fürs Altpapier?«

»Eine Geschichte über ein aufstrebendes Biotechnologie-Wunderkind, seine bahnbrechenden Erfindungen und seinen in Asien verschollenen Bruder? Ich würde sagen, Hochspannung pur!« Sie gestikuliert theatralisch; Lachfältchen sammeln sich in ihren Augenwinkeln.

Mein Blick schweift ab. Es ist deutlich, dass sonst noch niemand die Wahrheit weiß — dass mein Bruder, dessen Entdeckungen unzählige Leben gerettet haben, selber im Sterben liegt. Ein Krebs so selten und aggressiv, dass seine eigene Brillanz dagegen machtlos ist.

Das widerliche Gefühl feuchten Atems an meinem Hals lässt mich mit aufgerissenen Augen meinen Kopf drehen. Der Passagier zu meiner Rechten hat seinen Kopf auf meine Schulter sinken lassen. Ein Speichelfaden hängt ihm aus dem Mund. Mittelsitze! Ich taste nervös nach meinem Tüchlein in der rechten Brusttasche meines Blazers, doch da ist nichts. Stattdessen ist es links. Seltsam.