Die Erotik des Erik van der Rohe
Inhalt: Eine Leserin findet Gefallen an der autobiographischen Fiktion Der Fetisch des Erik van der Rohe (ISBN 978-3-9502498-7-3) und phantasiert sich in erotische Tagträume. Sie beschließt, Kontakt mit dem Autor aufzunehmen und löst damit eine fesselnde Tour de Force aus.
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Richard K. Breuer, geb. 1968, lebt und arbeitet in Wien. Die Erotik des Erik van der Rohe ist neben Die Liebesnacht des Dichters Tiret, Rotkäppchen2069B, Schwarzkopf, Brouillé, Madeleine, Penly und Der Fetisch des Erik van der Rohe seine achte Veröffentlichung. Weitere Informationen: http://www.1668.cc
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Bisher als Taschenbuch/E-Book erschienen:
Richard K. Breuer
Rotkäppchen 2069B
eine absurde science-fiction comedy
ISBN 978-3-9502498-8-0
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Richard K. Breuer
Die Liebesnacht des Dichters Tiret
Mosaik der Französischen Revolution
in mehreren Bänden
Band I - Mirabeau - 1788
ISBN 978-3-9502498-1-1
Historisches Sittengemälde
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Inhalt und Autor
Impressum
DICHTER: Ich werde vor dem Fenster auf und ab gehen. Ich liebe es sehr, nachts im Freien herumzuspazieren. Meine besten Gedanken kommen mir so. Und gar in deiner Nähe, von deiner Sehnsucht sozusagen umhaucht … in deiner Kunst webend.
SCHAUSPIELERIN: Du redest wie ein Idiot …
Du nimmst die Kaffeetasse und setzt dich an einen freien Tisch. Du hast dir ein paar Bücher mitgenommen, die du durchblättern möchtest. Das eine oder andere willst du vielleicht kaufen. Obwohl, Zeit zum Lesen hast du kaum. Zu viel um die Ohren. Du wirfst einen Blick zum Nebentisch, wo ein junger Student vor einem Stapel Bücher sitzt. Du seufzt. Während deines Studiums bist du oft herumgesessen, hast gelesen und den Tag verträumt. Du nimmst das erste Buch und blätterst hinein. Historischer Roman. Französische Revolution. Richard K. Breuer. Du kennst ihn. Hast schon mal ein Buch von ihm gelesen. Erinnern kannst du dich nicht mehr. Schon lange her. Aber die Kritiken haben dich neugierig gemacht. Band XIII? Du bist erstaunt, wie man so viele Bände schreiben kann. Du liest die Inhaltsangabe. Sturm auf die Bastille? Ziemlich blutig. Aber mit Witz. Und eine geheimnisvolle Liebschaft spielt eine große Rolle. Verspricht der Verlagstext. Naja. Du legst es zur Seite. Nimmst das nächste Buch. Über die Machenschaften der Pharma-Industrie. Du blätterst hinein. Nickst. Du weißt, was Sache ist. Legst das Buch weg, nimmst das nächste. Das Cover-Foto hat dich angesprochen: Eine hübsche junge Frau, die in einem Laptop vertieft ist. Ja, der Titel, in dem es um einen Fetisch geht, reizt dich. Aber alles ausgesprochen stilvoll und seriös gestaltet. Das war dann doch angenehm überraschend, weil du ein schlüpfriges, abgegriffenes und expliziteres Design erwartet hättest. Dir gefällt, dass die Aufmachung deine Erwartungshaltung bricht. Du hast am Büchertisch den Klappentext überflogen. Du liest ihn jetzt noch einmal. In aller Ruhe. Schlau wirst du nicht daraus. »Autobiographische Fiktion«, murmelst du und schlägst das Buch auf. Inhaltsverzeichnis. Weil du wissen möchtest, wie man um Gottes Willen so viele Seiten füllen kann, wenn es doch nur um einen Fetisch geht. Um welchen eigentlich? »Gefesselte Leidenschaft« liest du unter dem Namen »Jamira«. Aha, geht dir ein Licht auf. Davon hast du schon gehört. Über all diese abartig sadomasochistischen Spielchen hört man immer wieder etwas. Du nimmst einen Schluck vom Mokka, verziehst den Mund und gibst dir Zucker in die kleine Tasse. Du rührst bedächtig um. Dann nimmst du erneut einen Schluck. Süß. Heiß. Schön. Du widmest dich wieder dem Buch. Zählst die Kapitel. Erstaunlich, nickst du. Dieser Erik van der Rohe muss herumgekommen sein, in seinem Leben. Du willst dir das Foto des Autors ansehen, als deine Augen beim Kapitel »Trockentraining« hängen bleiben. Du beginnst, hinein zu lesen. Es prickelt. Du siehst auf. Gehst in dich. Beginnst nachzudenken. Versuchst es dir vorzustellen. Das Kaffeehaus. Der Tisch. Die Konversation. Die Bilder, die du im Kopf siehst, lösen ein angenehm leichtes Kribbeln in dir aus. Ist das jetzt erotische Literatur, fragst du dich und beginnst interessiert die »Genesis« zu lesen. Bei der Hälfte findest du es »doof«, dass der Autor seine Absichten auf dem silbernen Servierteller präsentiert. Du weißt, dass es der »fiktive« Erik van der Rohe geschrieben hat. Aber trotzdem, das Kapitel hätte man als »Vorwort« voranstellen und wesentlich kürzen müssen, weil sonst das Buch für dich seinen Reiz verliert. Du blätterst kurzerhand zum »Trockentraining« und liest dort weiter, wo du zuvor aufgehört hast. Als du zum Ende kommst, klappst du das Buch zu, legst es mit der Rückseite nach oben auf den Tisch und trinkst deinen Kaffee aus. Du hast es eilig. Du hast ein Rendezvous mit »Erik van der Rohe«. Mit dem »fiktiven«, fügst du noch still hinzu, als du bei der Kassa der Buchhandlung stehst. Das Mädchen hinter der Kassa nimmt dein Buch, scannt es, aber es tut sich nichts. Sie probiert es ein weiteres Mal. Wieder nichts. Mit einem entschuldigenden Lächeln dreht sich das Mädchen zu einer älteren Kollegin, die gerade einen Packen Bücher sortiert – »Ist der van der Rohe nicht im System?«, ruft das Mädchen.
»Doch! Wurde heute erfasst«, gibt die Buchhändlerin zurück, während das Mädchen tippt und guckt und tippt. Sie blickt auf – »Das Buch hab ich unter Pornographie gefunden. Stimmt das?«
Du bemerkst die Blicke in deinem Rücken.
»Pornographie?«, wird die ältere Buchhändlerin hellhörig, lässt ihren Bücherstapel stehen und geht zu ihrer jüngeren Kollegin. Gemeinsam blicken sie einmal auf das Buch, einmal auf den Monitor. Die ältere Buchhändlerin sieht über ihre Lesebrille zu dir. Mustert dich kurz. Lächelt entschuldigend.
»Das Buch ist gesperrt, wissen Sie. Jugendschutz.«
Die junge Buchhändlerin sieht fragend zur älteren.
»Brauchen wir einen Ausweis?«
»Nein, nein, die Dame ist schon älter als 18 Jahre.«
Dein Gesicht zieht eine leicht rötliche Verfärbung auf. Du nickst verlegen und hoffst, dass diese inquisitorische Befragung bald vorbei ist.
»Na bitte!«, kommt es von der älteren Buchhändlerin – »Die Systematik stimmt nicht. Erotische Pornographie … Wem ist denn das eingefallen? Muss wohl unser Student gewesen sein. Der hat seinen Kopf immer ganz woanders. Wie möchten Sie bezahlen?«
Du reichst ihr deine Kreditkarte.»Möchten Sie sonst noch etwas?«, nimmt die ältere Buchhändlerin deine Kreditkarte – »Ein Bondage-Gurtzeug ist heute im Angebot.«
»Bondage-Gurtzeug?«, wiederholst du, ohne dass du es eigentlich wolltest, aber du bist so überrascht, dass es aus dir herausplatzt.
Die beiden Buchhändlerinnen sehen sich kurz an.
»Bitte?«, fragt die ältere – »Was meinten Sie?«
Dir wird heiß und kalt. Hast du dich vielleicht zuvor verhört? Ja, du musst dich verhört haben. Dein Gehör hat dir einen Streich gespielt. Du schüttelst den Kopf, gibst den beiden zu verstehen, dass es nicht so wichtig sei und möchtest geradewegs im Erdboden versinken. Das Mädchen reicht dir den Kassabon und die Papiertasche mit dem Buch. Du nimmst es und bedankst dich. Schnellen Schrittes verlässt du die Buchhandlung. Du verzichtest auf den Bus und gehst und gehst und gehst. Bis du nach Hause kommst. Du willst dieses seltsame Erlebnis nur schnell vergessen. Du schlüpfst aus deinen ausgetretenen Sneakers, wirfst deine Weste zur Seite und setzt dich an deinen Schreibtisch. Du nimmst deine Uhr vom Handgelenk und legst sie vor dich. Eine Stunde hast du Zeit, bevor du gehen musst. Du schlägst das Buch auf. Findest dabei den Flyer eines stadtbekannten Erotik-Shops. Du willst ihn bereits in den Papierkorb werfen. Dann überlegst du es dir anders, steckst ihn in deine Brieftasche. Man weiß ja nie, lächelst du. Und beginnst zu lesen.