Die britischen Light Utility Cars
& Light Reconnaissance Cars des Zweiten Weltkrieges
Cover
- Austin Light Utility Car No 44 24 189
(Foto: courtesy David Busfield)
- Panzer des Royal Tank Corps in Großbritannien,
Sommer 1940, hinten: zwei Vickers Medium
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eISBN 978-3-86933-200-0
Print ISBN 978-3-86933-150-8
Die Autoren dieses Buches bedanken sich bei folgenden Personen für die wertvollen Informationen, Fotos und alle sonstige Unterstützung, die das Projekt in der vorliegenden Form erst ermöglicht haben: André Brincat, Brian Brodersen, David Busfield, Chris Collins, Paul Gurr, Godwin Hampton, Alan Heaton, Tomas Higgins, Stuart Hiscock, Preston Isaac, Richard J. Kyte, Kim Leachman, Geoff Leese, Jean-Louis Marichal, Matt McNamara, Carsten Reeder, Ivo Rigter, Clive Sammut, Dr. David Th. Schiller, Michael Shackleton, Alf van Beem, Richard van de Velde, Mike Vigor, Ian West.
Das menschliche Gehirn funktioniert auf eine seltsame Art und Weise – die Erinnerung an Ereignisse, Erfahrungen und ganze Gedankenketten können durch den Anblick eines Objekts ausgelöst werden: Für die meisten Leute in Deutschland und anderswo in Westeuropa versinnbildlicht kein anderes Fahrzeug so sehr wie der amerikanische „Jeep“ die alliierten Kriegsanstrengungen im Zweiten Weltkrieg. Das mag auch durchaus seine Berechtigung haben, denn mit 647.000 in weniger als vier Jahren gefertigten Willys MB und Ford GPW erlangte das kleine Allradfahrzeug eine wahrhaft mythische Bedeutung an allen Kriegsschauplätzen. Und Hollywood tat ein Übriges, um den populären Eindruck über die vorherrschende Präsenz des Jeeps auch späteren Nachkriegsgenerationen einzubläuen.
Natürlich gab es viele andere Fahrzeuge, die ihren Anteil an der kriegswichtigen Mobilität der alliierten Armeen besaßen, allen voran solche aus Großbritannien. Denn anders als die Achsenmächte hatte das englische Königreich bereits Jahre vor Kriegsbeginn die vollständige Motorisierung der Streitkräfte beschlossen und ein ambitioniertes Reformprogramm begonnen. Die Autoren der vorliegenden Arbeit weisen mit Recht darauf hin, dass das britische Heer mehr als andere europäischen Armeen sehr große Anstrengungen unternahm, die Versorgungs- und Transportdienste der Truppen zu motorisieren und dass die Hälfte des Fahrzeugbudgets der Beweglichkeit der Infanterie zu Gute kam. Es gehört zu den Verdiensten dieses mit großer Detailkenntnis geschriebenen Werks, dass beim Leser manches liebgewordene Vorurteil über die Rückständigkeit der britischen Streitkräfte abgebaut wird.
Gleichzeitig erfährt hier ein breites Publikum auch viel Interessantes über die Artenvielfalt britischer leichter Kampf- und Transportfahrzeuge und über die andere – die militärische – Firmengeschichte solcher berühmten Marken wie Austin, Morris oder Hillman. Hersteller, die man eher mit Sportwagen, Limousinen oder Familienkutschen assoziiert, widmeten sich mit Ausbruch der Feindseligkeiten ab Herbst 1939 der Herstellung von Spähpanzer-Wagen oder leichten Verbindungsfahrzeugen, den „Tillys“, die hier in ihren unterschiedlichen Varianten in Bild und Text vorgestellt werden. Was dabei herauskam und wie diese Fahrzeuge bei der Truppe verwendet wurden, war mitunter abenteuerlich zu nennen. Und so bleibt zu hoffen, dass vielleicht der eine oder andere Filmregisseur sich diesen Besonderheiten widmet oder dass zumindest der eine oder andere Modellbauer sich durch das vorliegende Werk inspirieren lässt. Die Autoren haben mit ihrer engagierten Recherche eine wichtige Lücke geschlossen, die gerade in der deutschsprachigen, mitunter sehr USA-lastigen Literatur zu den Fahrzeugen des Zweiten Weltkrieges klaffte. Und vielleicht wird deshalb in absehbarer Zeit auch hierzulande nun auf dem einen oder anderen Fahrzeugtreffen wieder das eine oder andere britische Sammlerstück auftauchen. Das wäre das schönste Kompliment für Herausgeber und Verfasser.
Dr. David Th. Schiller
Prolog
Die Motorisierung der britischen Armee mit leichten LKW und PKW zu Kriegsbeginn
Großbritanniens strategische Situation nach Dünkirchen
Die Unterstützung durch die USA
Austin im Krieg
Morris im Krieg
Standard Motor im Krieg
Hillman im Krieg
Humber im Krieg
Leichte Panzerspähwagen (Light Reconnaissance Cars)
1) Beaverette
2) Humber Light Reconnaissance Car
3) Morris Light Reconnaissance Car
4) Dodge Armoured Car und Otter Light Reconnaissance Car
Leichte Transportfahrzeuge (Light Utility Cars)
1) Austin Light Utility Car
2) Standard Light Utility Car
3) Morris Light Utility Car
4) Hillman Light Utility Car
Die Light Utility Cars bei anderen Alliierten und in der Nachkriegszeit
Zuletzt: die schweren Fahrzeuge
Museen
Anhang
Literaturhinweise
Es ist im Februar des Kriegsjahres 1945. 43 Recce1 stößt am Niederrhein vor, der 7 Troop der B Squadron ist die erste Teileinheit des Aufklärerregiments, die in den Reichswald vorrückt. Bei einer kleinen deutschen Ortschaft wird der feindliche Widerstand stärker, erst nach-rückende Infanterie kann den Ort nehmen. Dann übernimmt 6 Troop die Führung, die Männer sind froh, einige Panzer als Unterstützung dabeizuhaben. Beim Hof Niederdamm wird die Kolonne von mehreren Seiten unter schweren Beschuss genommen. Zwei Humber Armoured Cars fallen aus, auch ein Humber Light Reconnaissance Car wird zerstört. Mehrere britische Soldaten geraten in deutsche Gefangenschaft. B Squadron wird zurückgezogen. Zwei Tage später benutzt der Kommandeur von 43 Recce, Lt.-Col. C.H. Kinnersley, seinen Humber Light Reconnaissance Car, um einen Kriegsberichterstatter im Kampfgebiet an der Straße Kleve-Kalkar herumzufahren. In bester Aufklärertradition lässt Kinnersley seinen Fahrer durch die vordersten Stellungen der eigenen Infanterie hindurch ins Niemandsland fahren. Dort wird der Humber LRC sofort zum Magneten für deutsches Artilleriefeuer und im Höllentempo geht es zurück. Der Kriegsberichterstatter hat seine Story.2
Insgesamt befanden sich 1939/40 in einer britischen Infanteriedivision der BEF3 über 3100 Motorfahrzeuge. Davon waren jeweils 349 LKW mit 1,5 Tonnen (30 cwt4) und 206 Lastkraftwagen mit drei Tonnen (60 cwt) Ladefähigkeit. Jedes Infanteriebataillon verfügte standardmäßig über 41 geländegängige Gefechtsfahrzeuge (zumeist Bren-Carrier5) und über 13 Lastkraftwagen, auf denen rund ein Drittel des Bataillons befördert werden konnte, vor allem Führungsteile, schwere Waffen und Trosse. Um auch die übrigen Teile beweglich machen zu können, wurde von den Korpstruppen eine Kraftwagen-Transportkompanie mit drei Zügen zu je 25 LKW detachiert, von denen jeweils ein Zug für den Transport eines Bataillons bestimmt war. Wenn das auch noch nicht eine vollständige Motorisierung der britischen Infanterie bedeutete, so wurde im Gegensatz zum deutschen Infanteristen ein britischer durch dieses teilmotorisierte System schon zu Beginn des Zweiten Weltkrieges recht beweglich gemacht. Vollständig motorisiert waren schon die „Motor Battalions“6, das waren die Infanteriebataillone der „Armoured Brigades“. Ihnen fehlte es im Vergleich zu deutschen Panzergrenadierbataillonen jedoch an Feuerkraft.
Die Kavallerie war in den Vorkriegsjahren zum größten Teil motorisiert worden, es gab jedoch noch im Jahre 1940 vier reguläre berittene Kavallerieregimenter. Sie wurden zur 1st Cavalry Division zusammengefasst und im Mai 1940 ins Mandatsgebiet Palästina zu Sicherungsaufgaben geschickt, um dort stationierte Infanterieeinheiten für den Kampfeinsatz andernorts freizumachen. 1941 wurde die 1st Cavalry Division schließlich auch mechanisiert und so zur 10th Armoured Division.7 Die Situation bei der Infanterie war bedeutend besser als bei der Panzerwaffe: es gab zuwenig Panzerbrigaden und deren Ausrüstung war überwiegend nicht auf dem Stand der Technik. Das mag schon verwundern, war doch Großbritannien das Mutterland des Panzers und hatte schon in den 1920er-Jahren eine vollmechanisierte Brigade besessen. Allerdings flossen danach zu wenige finanzielle und personelle Ressourcen in den Aufbau der Panzerwaffe. Für die Motorisierung der Versorgungsdienste, die Beweglichmachung der Artillerie und Bereitstellung von Transportfahrzeugen wurde hingegen viel getan – viel mehr als in anderen europäischen Staaten. Die Hälfte des für die Anschaffung von Kraftahrzeugen vorgesehenen Budgets in den letzten Vorkriegsjahren floss in die Motorisierung der Infanterieeinheiten. Und in der Tat konnte die britische Automobilindustrie gute Fahrzeuge in ausreichender Stückzahl liefern. Als dann allerdings mit Kriegsausbruch im September 1939 etliche Einheiten der Territorials (also der freiwilligen Reserve) mobilisiert wurden, musste auf Material zurückgegriffen werden, das aus dem Zivilleben requiriert worden war. In den 1930er-Jahren bauten die großen britischen Nutzfahrzeughersteller Lastkraftwagen, die nach militärischen Spezifikationen entwickelt wurden. Man erhoffte sich damals auch Verkäufe auf dem Zivilmarkt, und tatsächlich gab es staatliche Zuschüsse für Unternehmen, die LKW, welche als Militärlastwagen entwickelt worden waren, kauften. Das taten dann auch einige (beispielsweise in der Forstwirtschaft), aber insgesamt doch weniger als von den Behörden erhofft. Denn ein militärischer LKW ist zwar in der Regel robuster, aber im täglichen Betrieb auch sehr viel teurer als ein handelsüblicher. Natürlich gehörten zu den britischen Streitkräften neben den Frontverbänden auch die vielen Versorgungs- und Unterstützungseinheiten im britischen Mutterland, Reserveverbände und administrative Dienststellen, dazu noch die Royal Air Force und die Royal Navy. Alles zusammen ergab das einen riesigen Apparat mit dem entsprechenden Fahrzeugbedarf. Dieser Fahrzeugpark der britischen Streitkräfte stammte 1939/40 noch fast ausschließlich aus eigener Produktion. Der große Zulauf an US-amerikanischen (vor allem Jeeps und schwere LKW) und kanadischen Fahrzeugen erfolgte erst im weiteren Verlauf des Krieges. Während des Zweiten Weltkriegs baute Kanada mehr Lastkraftwagen und Anhänger für den Militäreinsatz (insgesamt rund 715.000 Stück, dazu kamen rund 82.000 Stabswagen und rund 9500 Geländewagen mit Heckmotor für Indien) als jede andere Nation (mit Ausnahme der Vereinigten Staaten von Amerika). Damit wurden nicht nur die eigenen Streitkräfte, sondern auch britische und andere Commonwealth-Verbände ausgerüstet. Durch die Long Range Desert Group berühmt wurde der 30cwt von Canadian Chevrolet (oder „1940 Chevrolet 1533X2“), das ist nur ein Beispiel. Die Mehrzahl der LKW (in Zahlen: rund 390.000 Stück) wurde nach militärischen Spezifikationen („Canadian Military Pattern“), die von der britischen Armee stammten, produziert. Das war 1940 natürlich alles noch Zukunftsmusik, eine Einbindung der kanadischen Autoindustrie in die Motorisierung der britischen und Commonwealth-Streitkräfte war allerdings schon in den 1930er-Jahren projektiert worden. Man unterläge aber einem Trugschluss, nähme man an, ohne die vielen amerikanischen und kanadischen Fahrzeuge der späteren Kriegsjahre sei die (fast rein britische) Fahrzeugausstattung der ersten Kriegsphase weniger buntscheckig gewesen. Denn das war sie keineswegs. Gerade im Bereich der leichten LKW und der PKW gab es eine große Typenvielfalt mit einigen durchaus technisch hochwertigen Fahrzeugmustern. Das folgende Typenkaleidoskop ist dabei nur ein geringer Ausschnitt aus der großen Palette.
Bei den leichten LKW war der Bedford JC bemerkenswert. Dieser hatte etwa 0,5 Tonnen (10 cwt) Nutzlast. Meist wurde er als Lieferwagen (also mit geschlossenem Aufbau) gebaut. Es gab aber auch eine Ausführung mit offener Ladefläche. Aus dem Vauxhall Model J entwickelt, erzielte der Bedford JC vor allem wegen seines hervorragenden Sechszylinder-Chevrolet-Motors große Verkaufserfolge auf dem zivilen Markt. Viele der zwischen Markteinführung des JC im Juni 1939 und Kriegsausbruch September 1939 verkauften JCs wurden für die Streitkräfte requiriert, der Großteil davon blieb 1940 in Frankreich zurück. Nebenbei bemerkt: der Bedford MW 15cwt (seit 1935 für die Armee entwickelt und ab 1939 eingeführt) wurde bis Kriegsende in einer Stückzahl von 65.995 Fahrzeugen produziert. Der Fordson WOT 2 mit einer Nutzlast von 15 cwt war das kleinste der insgesamt sechs WOT-Modelle8 von Fordson. Es gab ihn als Pritschen- und als Kastenwagen. Von 1939 bis 1945 wurden rund 60.000 Stück dieses hinterradgetriebenen LKWs produziert. Ab einer Nutzlast größer als 15 cwt sprach man übrigens in der britischen Armee offiziell von einem Lorry, ein „15cwt“ war ein Truck. Die Klassifizierung (nach Nutzlast) war erstens 5 cwt, dann 8 cwt, dann 15 cwt; danach folgten (wie erwähnt) die Lorrys. Spezialfahrzeuge gehörten häufig zur Gruppe der „8cwt“ (etwa Funkwagen). Die qualitativ hochwertigen 8cwt-Fahrzeuge wurden vor dem Krieg und in der ersten Kriegsphase gebaut, zumeist waren es 4x2 konfigurierte Fahrzeuge (es gab aber auch ein paar allradgetriebene darunter). Hersteller waren Humber, Morris und Fordson. Vorreiter war die Firma Morris, die den Morris PU aus der 8cwt-Klasse von 1936 bis 1941 produzierte. Zunächst erschien die Version als Funkwagen (Wireless Truck), dann weitere Varianten. 11.500 Einheiten liefen vom Band. Die Fahrzeuge wurden recht häufig im britischen Mandatsgebiet Palästina und in Indien genutzt, auch im Wüstenkrieg in Nordafrika bewährten sie sich.9 Durch das Auslaufen der Produktion dieser leichten LKW wurden Fertigungskapazitäten für andere Fahrzeuge freigemacht, so zum Beispiel für den Car Heavy Utility 4x4 Humber.