Sein und Schwein
Roman
Aus dem Englischen von
Thomas Schlachter
Suhrkamp
Ein Sonnenstrahl brach durch die Dunstglocke über London. In der Fleet Street bog er rechts ab, hielt vor dem Gebäude der Mammoth Publishing Company und lächelte, nachdem er durch ein Fenster in den oberen Stockwerken getreten war, freundlich Lord Tilbury an, den Gründer und Eigentümer besagter Großfabrik für Unterhaltungsliteratur, der gerade in einen Stapel von Wochenblättern vertieft war, den ihm seine Sekretärin zur Prüfung auf den Schreibtisch gelegt hatte. Es gehörte zu den Erfolgsgeheimnissen dieses bedeutenden Mannes, daß er sämtliche Firmenprodukte höchstselbst begutachtete.
Wenn man bedenkt, welch seltene Wohltat ein Sonnenstrahl in London ist, hätte man meinen können, der starke Mann hinter dem erwähnten Mammutkonzern würde zurücklächeln. Statt dessen betätigte er bloß die Klingel. Seine Sekretärin erschien in der Tür. Stumm deutete er zum Fenster. Die Sekretärin ließ die Jalousie herunter, und der Sonnenstrahl, der ohne Terminabsprache erschienen war, sah sich ausgeschlossen.
»Verzeihung, Lord Tilbury …«
»Ja?«
»Vorhin hat eine Lady Julia Fish angerufen.«
»Ja?«
»Sie möchte gern heute morgen vorbeikommen.«
Lord Tilbury runzelte die Stirn. Er erinnerte sich an Lady Julia Fish, eine reizende Hotelbekanntschaft während seines jüngsten Urlaubs in Biarritz. Nun aber saß er im Tilbury House, wo er die Nähe von Hotelbekanntschaften mied, wie reizend diese auch sein mochten.
»Hat sie gesagt, was sie will?«
»Nein, Lord Tilbury.«
»In Ordnung.«
Die Sekretärin ging wieder. Lord Tilbury wandte sich erneut seiner Lektüre zu.
Bei dem Periodikum, das ihm in die Hände gefallen war, handelte es sich um die neueste Ausgabe der vorzüglichen Kinderzeitschrift Dreikäsehoch, die er eine Weile mit gewohnter Gewissenhaftigkeit durchzusehen versuchte. Dennoch schien er nicht ganz bei der Sache zu sein. Die Abenteuer von Pinky, Winky und Pop im Schlummerland ließen ihn einigermaßen kalt. Er wechselte zu einem gehaltvollen Artikel aus der Feder von Laura J. Smedley, der sich mit der Frage beschäftigte, wie kleine Mädchen der Mutter zur Hand gehen können, doch augenscheinlich vermochte ihn an diesem Tag nicht einmal Laura J. zu fesseln. Kurz darauf warf er die Zeitschrift ächzend hin und griff zum drittenmal seit dem Eintreffen der Morgenpost nach einem Brief auf seinem Schreibtisch. Zwar kannte er ihn bereits in- und auswendig und hätte ihn im Grunde nicht mehr zu lesen brauchen, doch der Mensch neigt nun einmal dazu, Salz in die Wunden zu streuen.
Der Brief war äußerst kurz gehalten. Die Vorfahren seines Verfassers, die im 18. Jahrhundert ohne weiteres zwölf Blätter vollschrieben, wenn sie zur Feder griffen, wären bei seinem Anblick erschauert. Doch ungeachtet der Kürze hatte er Lord Tilbury schon gründlich den Tag verdorben.
Das Schreiben lautete wie folgt:
Blandings Castle,
Shropshire
Sehr geehrter Lord Tilbury,
anbei sende ich Ihnen einen Scheck zwecks Rückerstattung des Vorschusses, den Sie mir auf meine Memoiren gezahlt haben.
Nach reiflicher Überlegung habe ich beschlossen, von einer Veröffentlichung abzusehen.
Mit freundlichen Grüßen
G. Threepwood
»Sakra!« sagte Lord Tilbury, ein Ausruf, der ihm in Momenten nervlicher Anspannung häufig über die Lippen kam. Er erhob sich von seinem Chefsessel und begann im Büro auf- und abzuschreiten. Mit seiner untersetzten, gedrungenen und bulligen Gestalt und den zehn Kilogramm Übergewicht erinnerte er ohnehin stark an Napoleon, doch nun wirkte er beinahe wie ein Napoleon beim Morgenspaziergang auf Sankt Helena.
Und doch gab es in England seltsamerweise Männer, die beim Lesen des gleichen Briefes Jubelschreie ausgestoßen hätten. Einige wären wohl soweit gegangen, Freudenfeuer zu entfachen und darauf für ihre Pächter ganze Ochsen zu braten. Die knappen Worte über jener Unterschrift hätten durch sämtliche Grafschaften von Cumberland bis Cornwall Wogen der Glückseligkeit rollen lassen. Woran man wieder einmal sehen kann, daß auf dieser Welt alles eine Frage des Standpunkts ist.
Als vor einigen Monaten die Nachricht die Runde gemacht hatte, daß der Honourable Galahad Threepwood, Bruder des Grafen von Emsworth und seines Zeichens der putzmunterste Gentleman, der je aus einem viktorianischen Varieté geworfen worden war, seine Erinnerungen an die bewegten Tage als Bonvivant der neunziger Jahre zu Papier bringe, da erlitten die inzwischen zu Ruhm und Ansehen gelangten Mitglieder der herrschenden Klasse, welche einst in jugendlichem Übermut mit von der Partie gewesen waren, einen schweren Schock. Im ganzen Land erbebten gesittete Herzöge und charakterfeste Viscounts, die sich zusammen mit dem jungen Galahad die Hörner abgestoßen hatten, in ihren Filzpantoffeln, als sie an die längst eingekellerten Leichen dachten, die besagte Memoiren ans Tageslicht zu bringen drohten.
Sie kannten ihren Gally und konnten sich lebhaft vorstellen, welcher Art das von ihm verfaßte Buch sein würde. Im wesentlichen, so spürten sie in ihren morschen Knochen, würde es sich als eines jener Werke entpuppen, von denen Kritiker gern behaupten, sie seien »ein wahres Füllhorn saftiger Anekdoten«. Nicht wenigen – darunter Lord Emsworths unmittelbarem Nachbarn Sir Gregory Parsloe-Parsloe von Matchingham Hall – wollte es scheinen, als hätte jener Engel, der unsere guten und bösen Taten aufzeichnet, Knall auf Fall beschlossen, seine ungeordneten Notizen in Druck zu geben.
Lord Tilbury dagegen hatte die Angelegenheit aus anderer Warte betrachtet. Niemand wußte besser als er, welch riesigen Reibach man mit dieser Art von Literatur machen konnte. Die Auflage seines miesen kleinen Schmierblatts High-Society sprach Bände. Obschon dessen mieser kleiner Redakteur Percy Pilbeam inzwischen seinen Abschied genommen und eine Detektei aufgemacht hatte, warf die Zeitschrift noch immer fette Gewinne ab. Lord Tilbury hatte Gally Threepwood seinerzeit gekannt – nicht besonders gut, aber doch gut genug, um sämtliche Rechte an dessen Lebenserinnerungen unbesehen zu erwerben. Es schien ihm schlicht unvorstellbar, daß das Buch nicht zum succès de scandale des Jahres avancieren würde.
So heftig die Bestürzung der Herzöge und Viscounts ausgefallen war, als sie gehört hatten, daß die tot geglaubte Vergangenheit ans Tageslicht kommen sollte, so sehr verblaßte sie neben derjenigen des Lord Tilbury, als er erfuhr, daß dies nun doch nicht geschehen würde. Alle großen Männer haben einen wunden Punkt. Bei Achilles war es die Ferse gewesen, bei Lord Tilbury war es das Portemonnaie. Er ließ sich höchst ungern Geld durch die Lappen gehen und hatte sich schon diebisch darauf gefreut, an Gally Threepwoods Buch ein hübsches Sümmchen zu verdienen.
Kein Wunder also, daß er diesem nachtrauerte und sich nicht auf den Dreikäsehoch konzentrieren konnte. Und er war noch immer am Trauern, als seine Sekretärin eintrat, in der Hand eine Notiz.
Name: Lady Julia Fish
Betreff: privat
Lord Tilbury schnaubte unwirsch. Ausgerechnet jetzt!
»Sagen Sie ihr, ich sei …«
Doch plötzlich erinnerte er sich, daß ihm einmal irgendwer irgendwas über diese Lady Julia Fish erzählt hatte. Ihm war, als sei in dem Zusammenhang auch der Name »Blandings Castle« gefallen. Er drehte sich zum Schreibtisch, nahm Debretts Adelsverzeichnis zur Hand und suchte unter dem Buchstaben E nach »Emsworth, Graf von«.
Tatsächlich, da stand es. Der Mädchenname von Lady Julia Fish lautete Threepwood. Sie war eine Schwester des wortbrüchigen Galahad.
Das änderte natürlich alles. Er sah vor sich die prächtige Gelegenheit, den angestauten Dampf wenigstens teilweise abzulassen. Seine Lebenserfahrung sagte ihm, daß die werte Dame nicht vorbeikäme, ohne etwas von ihm zu wollen. Ihr mitzuteilen, daß sie sich das gleich abschminken könne, wäre Balsam für seine geschundene Seele.
»Bitten Sie sie doch herauf«, sagte er.
Lady Julia Fish war eine attraktive blonde Dame in den mittleren Jahren, von stattlichem Wuchs und forschem, forderndem Wesen. Schon nach wenigen Augenblicken kam sie wie eine Galeone unter vollen Segeln ins Büro gerauscht, wobei das energische Kinn und die porzellanblauen Augen verrieten, wie sehr sie an ihre Fähigkeit glaubte, von jedem verlangen zu können, was immer ihr Herz begehrte. Nachdem sich Lord Tilbury steif verbeugt hatte, musterte er sie mit glotzäugigem Abscheu. Nicht genug damit, daß sie eine widerwärtige Verwandtschaft hatte, verströmte sie auch noch einen frohgemuten Dünkel, der ihm entsetzlich gegen den Strich ging. Und wahrhaftig: Falls Lady Julia Fish einen Charakterfehler hatte, dann war es ihr Hang, die Großgrundbesitzerin heraushängen zu lassen, die mit dem minderbemittelten Kind eines Pächters amüsiert ein Gespräch anzuknüpfen versucht.
»Schau an, schau an«, sagte sie, und obwohl sie Lord Tilbury nicht direkt den Kopf tätschelte, gewann man doch den Eindruck, sie würde dies demnächst tun. »Sie sehen ja äußerst kregel aus. Biarritz hat Ihnen gutgetan.«
Lord Tilbury bekannte mit der Herzlichkeit eines Wolfs in der Falle, daß er sich bester Gesundheit erfreue.
»Hier also entstehen all Ihre famosen Blättchen, wie? Ich bin schwer beeindruckt, ehrlich wahr. Das flößt ja mächtig Respekt ein, dieses ganze Prozedere vor der Tür. Während Admirale der Schweizer Marine einen auffordern, Namen und Betreff in ein Formular einzutragen, wird man von livrierten Bengeln so dreist gemustert, als könne alles, was man sagt, gegen einen verwendet werden.«
»Und wie lautet Ihr Betreff?« wollte Lord Tilbury wissen. »Und diese Geschäftsmäßigkeit!« sagte Lady Julia anerkennend. »Wie herzerfrischend! Zeit ist Geld und so weiter. Recht so! Sparen wir uns lange Einleitungen: Ich suche Arbeit für Ronnie.«
Lord Tilbury wirkte nun wie ein Wolf in der Falle, der sich nichts anderes gedacht hatte.
»Ronnie?« fragte er kühl.
»Mein Sohn. Haben Sie ihn in Biarritz nicht kennengelernt? Er war ebenfalls dort. Klein und rosarot.«
Lord Tilbury atmete durch und holte zum Tiefschlag aus. »Leider muß ich …«
»Ich weiß schon, was Sie sagen wollen. Hier ist alles proppenvoll. Gräßlicher Andrang und so weiter. Tja, mein Ronnie braucht ja kaum Platz. Und ich glaube auch nicht, daß er einem etablierten Konzern wirklich schaden kann. Irgendeine Beschäftigung werden Sie wohl für ihn finden, oder? Wo mir doch Sir Gregory Parsloe, unser Nachbar in Shropshire, neulich erzählt hat, sein Neffe Monty arbeite ebenfalls bei Ihnen. Ich wäre die Letzte, die Ronnie als große Leuchte bezeichnen würde, aber heller als der junge Monty Bodkin ist er allemal.«
Lord Tilburys untersetzter Leib erzitterte. Diese Dame hatte sein schmachvolles Geheimnis gelüftet. Er, dessen ganzer Stolz es war, sich niemals Leute auf Stellensuche aufschwatzen zu lassen, hatte vor wenigen Wochen in einem Anflug geistiger Umnachtung und unter dem milde stimmenden Einfluß eines besonders üppigen Galadiners der Bitte des Schlemmers zu seiner Linken nachgegeben, dessen Neffen im Tilbury House zu beschäftigen.
Schon am nächsten Morgen hatte er seinen Lapsus bereut. Seine Reue intensivierte sich noch, als er den Neffen zu Gesicht bekam. Und seither war des Bereuens kein Ende mehr gewesen.
»Das«, sagte er bockig, »tut nichts zur Sache.«
»Und warum nicht? Ihr verblendeten Leiter, die ihr Mücken seihet und Kamele verschluckt, kann ich da nur sagen.« »Tut«, wiederholte Lord Tilbury, »nichts zur Sache.«
Allmählich ging ihm auf, daß das Gespräch alles andere als wunschgemäß verlief. Eigentlich hatte er markig, schroff und bestimmt auftreten wollen – als stahlharter Kerl eben. Doch diese Frau hatte ihn zu Argumentationen und Erklärungen Zuflucht nehmen lassen, ja, er glaubte sich schon beinahe rechtfertigen zu müssen. Lady Julia Fish hatte auf ihn, wie auf so viele, die es mit ihr zu tun bekamen, eine geradezu hypnotisierende Wirkung.
»Aber wofür soll denn Ihr Sohn hier arbeiten?« fragte er und merkte sofort, daß eine solche Frage unter der Würde eines stahlharten Kerls war.
Lady Julia überlegte.
»Ach, bloß für eine milde Gabe. Was Sie Ihren Lohnsklaven eben zahlen.«
Lord Tilbury wurde deutlicher.
»Ich meine wozu? Hat er je ein besonderes journalistisches Flair an den Tag gelegt?«
Lady Julia wirkte belustigt.
»Guter Mann«, sagte sie und lächelte über die schnurrige Idee, »kein Mitglied meiner Familie hat je ein Flair für etwas anderes an den Tag gelegt als fürs Essen und Schlafen.«
»Und warum wollen Sie dann, daß er hier arbeitet?«
»In erster Linie, um ihn auf andere Gedanken zu bringen.« »Wie bitte?«
»Um ihn auf andere … na ja, im weitesten Sinne wird man das wohl Gedanken nennen können.«
»Ich verstehe Sie nicht.«
»Die Sache ist die: Der arme Tropf will ein Revuegirl heiraten, und da habe ich mir gedacht, wenn er erst im Tilbury House untergekommen ist und sich die Nase mit Tinte vollkleckst und von Redakteuren und ähnlichen Gestalten auf Trab gehalten wird, könnte das seine amourösen Flausen vertreiben.«
Lord Tilbury holte tief und rasselnd Atem. Die Schwäche war überwunden. Jetzt konnte er wieder markig auftreten. Diese unerhörte Schmähung seiner geliebten Profession hatte den Bann gebrochen, in den ihn jene porzellanblauen Augen und jenes selbstbewußte Auftreten gezogen hatten. Er sprach barsch und steckte die Daumen in die Armlöcher seiner Weste, um dem Vortrag zusätzliches Gewicht zu verleihen.
»Ich fürchte, Sie machen sich Illusionen über die Funktion von Tilbury House, Lady Julia.«
»Wie bitte?«
»Wir publizieren Zeitungen, Zeitschriften, Wochenblätter. Ein Refugium für Liebeskranke sind wir nicht.«
Es trat eine kurze Pause ein.
»Ach so«, sagte Lady Julia und betrachtete ihn forschend. »Sie hören sich furchtbar brummig an«, fuhr sie fort. »Überhaupt nicht so heiter wie neulich in Biarritz. Liegt Ihnen das Frühstück auf dem Magen?«
»Sakra!«
»Irgendwas ist los. In Biarritz waren Sie doch als Sunny Jim in aller Munde.«
Lord Tilbury war nicht in Stimmung für solche Frotzeleien. »Jawohl«, sagte er. »In der Tat ist etwas los. Ich habe, falls es Sie interessiert, heute nicht die geringste Lust, Mitgliedern Ihrer Familie irgendwelche Gefallen zu tun. Nach allem, was passiert ist.«
»Was ist denn passiert?«
»Ihr Bruder Galahad …« Lord Tilbury versagte die Stimme. »Lesen Sie selbst«, sagte er.
Er streckte den Brief weit von sich, als wollte er eine Giftschlange loswerden, die aus unerfindlichen Gründen in seinen Besitz gelangt war. Lady Julia musterte das Schreiben mit mattem Interesse.
»Das ist ungeheuerlich. Verabscheuenswürdig. Er hat dem Vertrag zugestimmt, jetzt muß er ihn auch erfüllen. Schon der bürgerliche Anstand verlangt, daß er mir wenigstens die Gründe für sein wahrhaft heimtückisches und unmoralisches Verhalten nennt. Doch tut er das? Von wegen. Erklärungen? I wo! Entschuldigungen? Zeichen des Bedauerns? Fehlanzeige! Er hat ›beschlossen, von einer Veröffentlichung abzusehen‹. In meinen dreißig Jahren als …«
Lady Julia war noch nie eine besonders gute Zuhörerin gewesen.
»Seltsam«, sagte sie und reichte den Brief zurück. »Die Wege meines Bruders Galahad sind unergründlich. Ein schwer zu durchschauender Charakter. Natürlich habe ich gewußt, daß er an diesem Buch arbeitet, aber mir ist vollkommen schleierhaft, weshalb er es sich plötzlich anders überlegt hat. Vielleicht droht ihm ja irgendein Herzog, der nicht im Kapitel ›Adlige, mit denen ich einst aus Kneipen geworfen wurde‹ auftauchen will, mit ihm Schlitten zu fahren.«
»Sakra!«
»Oder irgendein von Gewissensbissen geplagter Graf. Oder ein Baronet. KLATSCHREPORTER VON BARONET ABGEMURKST – das wäre doch eine prima Schlagzeile für eine Ihrer Zeitungen.«
»Ich finde das überhaupt nicht zum Lachen.«
»Tja, guter Mann, jedenfalls hat es keinen Zweck, deswegen mir an den Karren zu fahren. Für Galahads exzentrisches Verhalten fühle ich mich nicht verantwortlich. Ich bin nur eine unschuldige Witfrau auf der Suche nach einem Posten, auf dem ihr einziger Sohn eine ruhige Kugel schieben kann. Und um darauf zurückzukommen, glaube ich aus Ihren letzten Bemerkungen schließen zu können, daß Sie nicht die Absicht haben, Ronnie die Stechuhr drücken zu lassen.« Lord Tilbury erbebte vom Scheitel bis zur Sohle. Seine Augen blitzten böse auf. Der Mensch im Naturzustand ist selten mild.
»Ich weigere mich kategorisch, Ihrem Sohn eine wie auch immer geartete Stelle im Tilbury House zu verschaffen.«
»Eine ehrliche Antwort auf eine ehrliche Frage. Damit wäre unsere Diskussion wohl beendet.«
Lady Julia erhob sich.
»Wirklich schade, die Sache mit Gallys Büchlein«, säuselte sie. »Bestimmt verlieren Sie dadurch eine Menge Geld, wie? Ein richtig indiskreter Memoirenband soll ja ’ne wahre Goldgrube sein. Meines Wissens gingen von Lady Wensleydales Sechzig Jahre in Tuchfühlung mit Mayfairs besten Kreisen – oder wie der Titel immer lautete – hunderttausend Exemplare über den Ladentisch. Und wie ich meinen Gally kenne, hätten seine Erinnerungen bestimmt dort angefangen, wo diejenigen der alten Jane Wensleydale aufhörten. Guten Morgen, Lord Tilbury. War reizend, Sie mal wiederzusehen.«
Die Tür ging zu. Der Mammoth-Eigentümer starrte vor sich hin und litt derartige Qualen, daß ihm nicht einmal mehr ein »Sakra!« über die Lippen kam.
Die Verkrampfung löste sich. Bald schon erfüllte neues Leben die starre Gestalt. Zwar wäre es übertrieben zu behaupten, Lord Tilbury sei bereits wieder der alte gewesen, doch immerhin kam er allmählich auf Touren. Die Stirn zerfurcht von Schmerz und Pein, vollbracht doch will das Tagwerk sein. Wie der Rekonvaleszent nach seinem Haferbrei, so griff er nun erneut mit zitternder Hand nach dem Dreikäsehoch.
Wie gerne würden wir ihn hier verlassen – den redlichen Mann, der seinen Lebensmut an der frischen Quelle der Erbauungsliteratur stärkt. Ein solches Happy-End blieb ihm jedoch versagt. Schon wieder zeigte sich nämlich, daß dies nicht Lord Tilburys Tag war. Kaum hatte er zu lesen begonnen, traten seine Augen aus den Höhlen, während heftige Zuckungen den gedrungenen Leib durchschüttelten und sich seinem Mund ein lautes Stöhnen entrang. Man hätte glauben können, eine Viper sei aus den Seiten gesprungen und habe ihn ins Kinn gebissen.
Was um so seltsamer anmutet, als der Dreikäsehoch eine Zeitschrift ist, die kaum je heftige Gefühlsausbrüche provoziert. Unter der kompetenten Schirmherrschaft des namhaften Kinderbuchautors Reverend Aubrey Sellick bemüht sie sich um den goldenen Mittelweg. Gerade das Editorial ist stets ein Muster an Mäßigung und Ausgewogenheit. Und doch war es just dieses Editorial, das Lord Tilburys Blutdruck in ungeahnte Höhen schießen ließ.
Er überlegte, ob wohl seine Sehkraft unter der nervlichen Belastung gelitten hatte. Mit zusammengekniffenen Augen schaute er nochmals hin.
Doch, da stand es, schwarz auf weiß.
ONKEL WOGGLY GRÜSST SEINE KNIRPSE
Na, Schnuckiputzis, wie geht’s, wie steht’s? Folgt Ihr dem Kindermädchen auch immer und eßt brav Euren Spinat wie echte Kerle? So ist’s recht! Ich weiß, das Zeug schmeckt wie der Handschuh eines Lokomotivführers, aber dafür soll Eisen drin sein, und davon kriegt man ja Haare auf der Brust.
Lord Tilbury hielt kurz inne und machte ein Geräusch wie ein löchriger Siphon, setzte die Lektüre dann aber fort.
So, kommen wir zur Sache, meine lieben Kleinen. Heute wird Euch Onkel Woggly was ganz Tolles verraten. In diesen schweren Zeiten verdienen wir doch alle gern ein paar Scheinchen dazu, nicht? Tja, dann laßt Euch mal vom Fachmann erklären, wie’s funktioniert. Schnappt Euch irgendeinen Hohlkopf, der mit Euch wettet, daß eine Literflasche Whisky genau einen Liter Whisky faßt.
Klingt nach ’ner Schnapsidee, wie? Schließlich sollte man glauben, daß die Buddel genau so viel faßt. Der Hohlkopf jedenfalls glaubt das. Dabei stimmt es gar nicht, denn sie faßt mehr, und ich verrate Euch jetzt, warum das so ist.
Zuerst füllt Ihr die Flasche. Das wäre schon mal ein Liter. Dann steckt Ihr den Korken rein. Und nun – paßt genau auf – dreht Ihr die Flasche um. Am Boden seht Ihr eine Art Einbuchtung, und in die gießt Ihr noch ein Schlückchen Whisky, und fertig ist der Lack. Die Flasche faßt jetzt mehr als einen Liter, und Ihr kassiert.
Ich möchte mich an dieser Stelle noch für ein liebes Briefchen von Frankie Kendon (Hendon) bedanken, dessen Kanarienvogel piep-piep-piep machen soll. Und auch für einen von Muriel Poot (Stow-in-the-Wold), die ihr letztes Hemd verlieren wird, falls sie je mit jemandem wettet, daß sie weiß, wie man Kaulquappe schreibt …
Lord Tilbury hatte genug gelesen. Zwar folgte noch eine spannende Passage über Willy Waters (Ponders End) und seine Katze Miggles, doch dafür fehlte ihm jetzt die Geduld. Hitzig drückte er auf den Klingelknopf.
»Käsehoch!« rief er mit erstickter Stimme. »Dreikäsehoch! Wer redigiert im Moment den Dreikäsehoch?«
»Mr. Sellick ist der zuständige Redakteur, Lord Tilbury«, antwortete seine Sekretärin, die über alles und jedes Bescheid wußte und zum Beweis dafür auch eine Hornbrille trug, »aber im Moment weilt er im Urlaub. In seiner Abwesenheit trägt sein Stellvertreter, Mr. Bodkin, die Verantwortung.«
»Bodkin!?«
So laut war Lord Tilburys Stimme und so weit traten seine Augen aus den Höhlen, daß die Sekretärin einen Schritt zurückwich, als hätte sie einen Schlag abbekommen.
»Dieser Lackaffe!« sagte Lord Tilbury in eigenartig leisem und knarzendem Ton. »Das hätte ich mir denken können. Mit so was hätte ich rechnen müssen. Schicken Sie Mr. Bodkin sofort zu mir.«
Die Strafe folgt auf dem Fuß, dachte er. Solche Dinge widerfahren einem unweigerlich, wenn man auf Galadiners geht und von seinen ehernen Lebensprinzipien abrückt. Ein falscher Schritt, ein Moment der Schwäche gegenüber einer schmeichlerischen Schlange von Baronet, die neben einem sitzt, und schon erhält man die Quittung eiskalt präsentiert! Er lehnte sich in seinem Bürosessel zurück und malträtierte die Schreibtischplatte mit dem Brieföffner. Und kurz nachdem er diesen zerbrochen hatte, klopfte es an die Tür. Sein junger Untergebener trat ein.
»Guten Morgen, guten Morgen, guten Morgen«, sagte dieser aufgeräumt. »Sie wollten mich sprechen?«
Monty Bodkin war – zumindest für Lackaffen-Begriffe – ein ziemlich adretter Lackaffe. Er war groß und schlank und agil, und manche Leute fanden, er sehe ziemlich gut aus. Nicht so Lord Tilbury. Der hatte sein Äußeres schon bei der ersten Begegnung mißbilligt, war ihm der Bursche doch viel zu gut gekleidet, viel zu fein herausgeputzt und überhaupt viel zu sehr all das, was er tatsächlich war: ein gern gesehener Gast im Drones Club. Der Eigentümer der Mammoth Publishing Company hätte nicht in Worte fassen können, wie er sich den idealen Jungjournalisten vorstellte, doch bestimmt wäre dieser eher zottelig gewesen und hätte nach Möglichkeit eine Brille, unter keinen Umständen jedoch Gamaschen getragen. Und obschon Monty Bodkin im Moment nicht gamaschiert war, umgab ihn doch eine entschieden gamaschenartige Aura.
»Ha!« sagte Lord Tilbury bei seinem Anblick.
Er starrte ihn düster an. Seine ganze Haltung erinnerte nun an einen Napoleon, der Zahnschmerzen hat und die Gelegenheit erblickt, sich an einem seiner kleinen Marschälle abzureagieren.
»Kommen Sie herein«, knurrte er.
»Schließen Sie die Tür«, brummte er.
»Und grinsen Sie nicht so blöd«, fauchte er. »Was gibt es denn da zu grinsen, verdammt?«
Diese Worte zeugten von den tiefgreifenden Mißverständnissen zwischen ihm und dem Redaktionsassistenten des Dreikäsehoch. Gewiß, Monty Bodkins Lippen waren merklich in die Breite gezogen, doch dieser hätte schwören können, daß sie ein einschmeichelndes Lächeln formten. Auf ein einschmeichelndes Lächeln jedenfalls hatte er es angelegt, und falls mit der Endmontage nicht etwas vollkommen schiefgegangen war, hätte es sich auch als solches manifestieren müssen.
Doch da er ein verträglicher und stets dienstfertiger Lackaffe war, schaltete er es ab. Er wirkte leicht verwirrt. Die Atmosphäre schien jeder Kameraderie zu entraten, wofür er schlicht keine Erklärung hatte.
»Schöner Tag heute«, wagte er sich vor.
»Der Tag steht nicht zur Debatte.«
»Alles klar. Hatten Sie in jüngster Zeit Kontakt mit Onkel Gregory?«
»Ihr Onkel Gregory steht nicht zur Debatte.«
»Alles klar.«
»Und sagen Sie nicht ständig ›alles klar‹.«
»Alles klar«, sagte Monty artig.
»Lesen Sie das da.«
Monty griff nach der ihm entgegengestreckten Ausgabe des Dreikäsehoch.
»Soll ich Ihnen daraus vorlesen?« fragte er und hoffte, daß sich so das Eis brechen ließe.
»Sparen Sie sich die Mühe. Ich habe die fragliche Stelle bereits gelesen. Da, wo ich meinen Finger hinhalte.«
»Ach so, verstehe. Onkel Woggly. Alles klar.«
»Stellen Sie endlich dieses ›Alles klar‹ ab! … Na?«
»Hä?«
»Das haben doch Sie geschrieben, nicht wahr?«
»Oh, durchaus.«
»Sakra!«
Monty war nun endgültig perplex. Er konnte nicht länger die Augen davor verschließen, daß etwas in der Luft lag. Lord Tilburys Charakter war noch nie der einer Elfe gewesen, doch etwas liebenswürdiger hatte er sich bis anhin schon aufgeführt.
Monty fand eine mögliche Erklärung für den Gefühlszustand seines Chefs.
»Sie glauben doch nicht etwa, daß das nicht hieb- und stichfest ist, oder? Seien Sie unbesorgt, ich hab’s von höchster Stelle – von einem alten Knaben namens Galahad Threepwood. Lord Emsworths Bruder. Sie werden noch nie von ihm gehört haben, aber vor vielen Jahren war er in London ein großer Lebemann, und Sie können Gift drauf nehmen, daß alles stimmt, was er über Whiskyflaschen zu sagen hat.«
Er verstummte in abermaliger Verwunderung, konnte er sich doch nicht erklären, weshalb sein Gegenüber gerade so brachial auf den Schreibtisch gehauen hatte.
»Was zum Teufel haben Sie sich dabei gedacht, Sie elender Schwachkopf?« fragte Lord Tilbury, wobei seine Artikulation zu wünschen übrigließ, da er gleichzeitig an der Faust saugte. »Wieso bringen Sie so etwas im Dreikäsehoch?«
»Gefällt’s Ihnen nicht?« fragte Monty unsicher.
»Was sollen denn die Mütter denken, die ihren Kindern diesen Mumpitz vorlesen?«
Monty wirkte besorgt. Dies lenkte seine Gedanken in eine völlig neue Richtung.
»Sie meinen, das ist nicht ganz der richtige Ton?«
»Hohlkopf … Wetten … Whisky … Das kostet uns bestimmt zehntausend Abonnenten.«
»Tja, darauf wäre ich gar nicht gekommen. Aber jetzt, wo Sie’s sagen! Gütiger Himmel, so ist es. Dummer Fauxpas, wie? Könnte die Leserschaft leicht verschrecken und ernüchtern. Ja, ja, gewiß, gewiß. Freilich, in der Tat. Ich kann nur sagen, daß es mir leid tut.«
»Sie können nicht nur sagen, daß es Ihnen leid tut«, stellte Lord Tilbury umgehend richtig. »Sie können zur Buchhaltung gehen, sich ein Monatsgehalt auszahlen lassen, die Kurve kratzen und dafür sorgen, daß ich Ihre Visage nie wieder hier sehe.«
Montys Besorgnis wuchs.
»Aber das klingt ja ganz nach Rausschmiß. Sagen Sie bloß nicht, daß das ein Rausschmiß sein soll?«
Lord Tilbury fehlten die Worte. Zackig zeigte er mit dem Daumen zur Tür. Und so unwiderstehlich war sein Charisma, daß sich Montys Hand schon im nächsten Moment um die Türklinke legte. Deren kalte Härte schien ihn jedoch aus der Trance zu reißen. Er hielt inne – entschlossen, bis zum Umfallen zu kämpfen.
»Überlegen Sie doch!« bat er.
Lord Tilbury vertiefte sich wieder in seine Zeitschriften.
»Das wird Onkel Gregory gar nicht gefallen«, sagte Monty vorwurfsvoll.
Lord Tilbury erbebte kurz, als wäre er mit einer Ahle gepikst worden, hüllte sich aber weiterhin in reserviertes Schweigen.
»Nein, nein, gefallen wird ihm das ganz und gar nicht.« Monty wollte nicht unnachsichtig sein, fand diese Klarstellung aber doch vonnöten. »Da gibt er sich solche Mühe, mir eine Stelle zu verschaffen, und dann passiert so was. O nein, machen Sie sich nichts vor, Onkel Gregory wird Zustände kriegen.«
»Raus!« sagte Lord Tilbury.
Monty streichelte über die Klinke und ordnete seine Gedanken. Er hatte etwas zu sagen, was das Herz des anderen unweigerlich zum Schmelzen bringen würde. Allerdings wußte er nicht recht, wo er anfangen sollte.
»Sie sind noch nicht gegangen?« fragte Lord Tilbury.
Monty konnte ihn beruhigen.
»Nein, noch nicht. Es gibt da nämlich etwas, auf das ich Sie aufmerksam machen will. Sie können es nicht wissen, aber aus rein privaten Gründen möchte ich diesen Posten beim Dreikäsehoch unbedingt ein Jahr lang behalten. Ein Rädchen greift ins andere. Es geht dabei um eine Art Wette. Kennen Sie zufällig ein Mädchen namens Gertrude Butterwick? … Tja, ist ’ne lange Geschichte, und ich möchte Sie jetzt nicht damit behelligen. Sie können mir aber aufs Wort glauben, daß ein Rädchen ins andere greift und meine Existenz, falls ich nicht bis Mitte Juni des kommenden Jahres bei Ihnen arbeiten kann, im Eimer ist und ich all meine Hoffnungen und Träume in den Kamin schreiben kann. Na, wie sieht’s denn nun aus? Wären Sie nach reiflicher Prüfung der geschilderten Umstände bereit, sich mit Ihrer impulsiven Tat bis dahin zu gedulden? Falls Sie nicht sicher sind, ob ich mich auch tüchtig ins Geschirr legen werde, kann ich Sie beruhigen. Ich werde arbeiten wie ein Wilder. Als erster im Büro, als letzter aus dem Haus, und dazwischen mit Herzblut bei der Sache – kein Blick auf die Uhr, kein Drehen der Däumchen …«
»RAUS!« sagte Lord Tilbury.
Stille trat ein.
»Sie wollen es sich nicht noch einmal überlegen?«
»Nein.«
»Sie lassen sich nicht umstimmen?«
»Nein.«
Monty Bodkin richtete sich auf.
»Alles klar«, sagte er steif. »Jetzt wissen wir wenigstens, woran wir sind. Jetzt wissen wir immerhin, wo wir stehen. Wenn das Ihre Haltung ist, läßt sich wohl nichts machen. Da Sie weder Erbarmen noch Mitleid, weder Gefühl noch Herz haben – letzteres natürlich im übertragenen Sinn –, bleibt mir nichts anderes übrig, als abzuschieben. Ich habe Ihnen nur noch zwei Dinge zu sagen, Lord Tilbury. Erstens: Sie haben das Leben eines Menschen ruiniert. Zweitens: tschüs!«
Er verließ das Büro, aufrecht und würdevoll wie ein junger Aristokrat zur Zeit der Französischen Revolution beim Besteigen des Schinderkarrens. Gerade noch rechtzeitig nahm Lord Tilburys Sekretärin ihr Ohr von der Tür und vermied so eine häßliche Fleischwunde.
In der Tasche ein Monatsgehalt, im Herzen tiefen Kummer und in der Seele den dringenden und für einen jungen Mann in seiner Situation überaus typischen Wunsch nach einem kräftigen Schluck – genau so blieb Monty Bodkin unschlüssig vor dem Eingang von Tilbury House stehen. Und als ihn das Schicksal in dieser Haltung erspähte, sah es sich zu raschem Nachdenken genötigt.
»Soll ich«, so sinnierte besagtes Schicksal, »diesen armen Dulder gleich hier um die Ecke auf ein Gläschen ins Bunch of Grapes schicken? Oder soll ich ihn in ein Taxi setzen und zum Drones Club flitzen lassen, wo er seinen alten Freund Hugo Carmody treffen würde, was weitreichende Konsequenzen hätte?«
Es war keine leichte Entscheidung. So vieles hing von ihr ab. Sie würde das Los von Ronald Fish und seiner Verlobten Sue Brown ebenso bestimmen wie jenes von Clarence, dem neunten Grafen von Emsworth, und seines Schweins, der Kaiserin von Blandings, von Lord Tilbury, dem Leiter der Mammoth Publishing Company, von Sir Gregory Parsloe-Parsloe, Baronet von Matchingham Hall, und schließlich von Percy Pilbeam, einem unerfreulichen Männchen, vormals Redakteur bei High-Society und inzwischen Eigentümer der Detektei Argus.
»Hm!« sprach das Schicksal.
»Verflixt und zugenäht!« sprach das Schicksal. »Soll er halt in den Drones Club gehen.«
Und so kam es, daß Monty etwa zwanzig Minuten später neben dem jungen Mr. Carmody im Rauchsalon des erwähnten Klubs saß, vor sich einen Drink namens Lizard’s Breath, und die Geschichte seines Karriereknicks zum besten gab.
»Zum Teufel gejagt!« rief er schließlich und lachte bitter auf. »In die Wüste geschickt! Aber so ist das Leben.«
Hugo Carmody fehlte es nicht an Mitgefühl, doch sein Gerechtigkeitssinn sagte ihm, daß Lord Tilbury überaus weise gehandelt hatte. Das Erfolgsrezept jedes Firmeninhabers, der Monty Bodkin zu seinen Angestellten zählte, bestand in Hugos Augen eindeutig darin, diesen möglichst schnell wieder loszuwerden.
»Schlimm«, sagte er. »Aber wozu willst du überhaupt arbeiten? Du hast doch Geld wie Heu.«
Monty räumte ein, daß er mit irdischen Gütern durchaus gesegnet sei, fügte aber hinzu, daß es darum nicht gehe.
»Geld hat nicht die geringste Rolle gespielt. Wichtig war mir bloß die Rettung meines Postens. Ein Rädchen greift ins andere. Ich erzähle dir jetzt die Geschichte von Anfang an, einverstanden?«
»Nein danke.«
»Wie du willst. Noch mal dasselbe? Herr Ober, zweimal dasselbe.«
»Wie dem auch sei«, sagte Hugo im redlichen Bemühen, das Positive herauszustreichen, »wenn man dich jetzt nicht gefeuert hätte, dann doch bestimmt bei der nächstbesten Gelegenheit, oder? Ich meine ja nur, einem Konzern wie Mammoth hätte eine Type wie du sowieso nichts gebracht, es sei denn, man hätte dich als Briefbeschwerer eingesetzt. Und abgesehen davon gehe ich jede Wette ein, daß die Sache mit der Whiskyflasche weder Hand noch Fuß hat.« Montys Moral hatte unter den jüngsten Ereignissen zwar stark gelitten, doch das konnte er nicht durchgehen lassen. »Und ich wette dagegen«, erwiderte er hitzig. »Ich hab’s aus zuverlässiger Quelle. Von Lord Emsworths Bruder, um genau zu sein, dem alten Gally Threepwood. Mein Onkel Gregory besitzt in Shropshire ein Anwesen, das nur zwei, drei Meilen von Blandings entfernt liegt. Als Kind bin ich dort ein- und ausgegangen, und eines Tages hat mich der alte Gally beiseite genommen …«
Hugos Interesse war geweckt.
»Dein Onkel Gregory? Du meinst doch nicht etwa Sir Gregory Parsloe?«
»Doch.«
»Da schau her. Ich habe gar nicht gewußt, daß du Parsloes Neffe bist.«
»Wieso, kennst du ihn?«
»Selbstverständlich kenne ich ihn! Ich habe doch den ganzen Sommer in Blandings verbracht.«
»Tatsächlich? Ach ja, stimmt, das habe ich ganz vergessen. Du bist ein alter Freund von Ronnie Fish, nicht wahr? Warst du bei ihm auf Besuch?«
»Nein. Ich habe für den alten Emsworth Sekretär gespielt. Ein netter, gemütlicher Posten. Inzwischen habe ich den Bettel allerdings hingeschmissen.«
»Und ich dachte, sein Sekretär heiße Baxter.«
»Mensch, du bist wirklich nicht auf dem laufenden. Baxter ist schon lange nicht mehr dort.«
Monty stöhnte, wie es wohl jeder junge Mann tut, wenn er feststellen muß, daß die Zeit verfliegt.
»Ja«, pflichtete er bei, »meine Verbindung nach Blandings ist etwas eingeschlafen. Mein letzter Aufenthalt liegt bestimmt drei Jahre zurück. Seit ich mich im Sommer regelmäßig in Südfrankreich herumtreibe, schaffe ich es einfach nicht mehr dorthin. Wie geht’s denn der Truppe? Ist Lord Emsworth noch ganz der alte?«
»Wie war er denn, als du das Schloß unsicher machtest?« »Herrje, ein sanftmütiger, verträumter, zerstreuter alter Knabe. Hat über nichts als Rosen und Kürbisse geredet.« »Dann ist er noch ganz der alte, nur daß er inzwischen über nichts als Schweine redet.«
»Schweine, soso?«
»Seine Kaiserin von Blandings hat bei der letztjährigen Landwirtschaftsschau der Grafschaft Shropshire die Silbermedaille in der Kategorie Mastschweine geholt und soll das aller Voraussicht nach auch dieses Jahr wieder tun. Dadurch spielen Borstentiere in den Verlautbarungen des neunten Grafen eine recht prominente Rolle.«
»Und wie geht’s dem alten Gally?«
»Immer noch schwer auf Zack.«
»Und Beach?«
»Butlert so emsig wie eh und je.«
»Tja, tja«, sagte Monty erinnerungsschwer. »Das alte Schloß scheint sich wirklich kaum verändert zu haben seit … Gütiger Himmel!« stieß er jäh hervor und schüttete sich den Rest seines Cocktails über die Hose, was ihm in der Erregung aber gar nicht auffiel. Völlig unvermutet hatte ihn ein Gedanke gestreift.
Mögen wir Monty Bodkin seit seiner Ankunft im Drones Club auch entspannt und sorglos und als ungezwungenen Plauderer erlebt haben, so war doch nie aus seinem Blickfeld geraten, daß er kurz zuvor eine Stelle verloren hatte und aufgrund des Ineinandergreifens mannigfaltiger Rädchen dringend einer neuen bedurfte. Und soeben war ihm ein strahlendes Licht aufgegangen.
Ein Verstand wie der von Monty Bodkin läuft vielleicht nicht immer auf Hochtouren. Dennoch unterliegt er denselben unbewußten Mechanismen wie der von Männern mit mehr Grütze im Kopf. Von dem Augenblick an, da Hugo seinen Posten als Sekretär des Grafen von Emsworth erwähnt hatte, war in Monty die anfangs noch recht nebulöse Ahnung zur Reife gelangt, in dieser Information schlummere eine höchst gewichtige Botschaft, die es nur zu lokalisieren gelte. Sein Unbewußtes hatte sich seither damit abgemüht und gab des Rätsels Lösung nun an die Chefetage weiter.
Monty bebte vor Erregung.
»Augenblick«, sagte er. »Nur damit wir uns recht verstehen: Du bist also beim alten Emsworth Sekretär gewesen?« »Ja.«
»Und man hat dich rausgeworfen?«
»Man hat mich nicht rausgeworfen«, erwiderte Hugo Carmody mit verständlichem Groll. »Ich habe gekündigt. Wenn du’s genau wissen willst, bin ich mit Lord Emsworths Nichte verlobt und fahre in einer halben Stunde mit ihr nach Worcestershire, um sie dem Oberhaupt unserer Sippschaft vorzustellen.«
Monty war zu sehr mit anderem beschäftigt, um Glückwünsche aussprechen zu können.
»Wann bist du dort weggegangen?«
»Vorgestern.«
»Hat man schon einen Ersatz für dich eingestellt?«
»Nicht daß ich wüßte.«
»Hugo«, sagte Monty ernst, »ich werde mir diesen Posten unter den Nagel reißen. Gleich jetzt rufe ich meinen Onkel Gregory an, damit er ihn unverzüglich für mich wegschnappt.«
Hugo betrachtete ihn voller Mitleid. Er sah sich leider gezwungen, den Tagträumen eines alten Freundes den Garaus zu machen, aber irgendwer mußte dem armen Tropf ja die Wahrheit sagen.
»Ich würde nicht zu sehr darauf vertrauen, daß dir Sir G. Parsloe zu einem Posten beim alten Emsworth verhelfen kann«, sagte er. »Wie gesagt, du bist nicht ganz auf dem laufenden über Blandings jüngere Geschichte. Zwischen Blandings Castle und Matchingham Hall herrscht im Moment ziemlich dicke Luft. Es ist noch nicht lange her, da hat dein Onkel dem alten Emsworth übel mitgespielt, indem er dessen Schweinehüter abgeworben hat.«
»Ach, wegen so einer Lappalie …«
»Dann hör dir das an: Lord Emsworth hat die fixe Idee, daß dein Onkel die Kaiserin von Blandings mit Gift außer Gefecht setzen will.«
»Was!? Wieso?«
»Er hat sich alles sauber zusammengereimt. Dein Onkel besitzt ein Schwein namens Stolz von Matchingham, das ohne die Konkurrenz der Kaiserin bei der Schau wahrscheinlich die Silbermedaille holen würde. Und als neulich die Kaiserin gestohlen wurde …«
»Gestohlen? Wer hat sie denn gestohlen?«
»Ronnie.«
In Montys ohnehin nie besonders klarem Kopf ging es immer konfuser zu und her.
»Was für ein Ronnie denn? Meinst du Ronnie Fish?«
»Genau den. Die Geschichte ist furchtbar vertrackt. Ronnie ist mit einer jungen Dame verlobt, die er aber nur heiraten kann, wenn Emsworth mit seinem Geld rausrückt.« »Verwaltet er Ronnies Vermögen?«
»Ja.«
»Diese Vermögensverwalter können knallhart sein«, grübelte Monty vor sich hin. »Bis zum 25. Lebensjahr hatte ich selbst einen und mußte mich jeweils wochenlang abrackern bis ich ihm auch nur zehn Pfund abgeknöpft hatte.«
»Um sich also beim alten Emsworth einzuschmeicheln, hat Ronnie sein Schwein geklaut.«
Abermals beschlich Monty jenes konfuse Gefühl. Er kam einfach nicht mit.
»Aber warum …?«
»Ganz einfach. Er wollte das Schwein entführen und für ein, zwei Tage irgendwo verstecken, um dann so tun zu können, als hätte er es gefunden, wodurch ihm der Dank des alten Knaben gewiß gewesen wäre. Im Anschluß daran hätte er ihm ohne weiteres alles Geld der Welt abknöpfen können. Der Plan war wirklich sorgfältig durchdacht, nur ging natürlich, wie stets bei Ronnies Plänen, alles in die Hose.«
»Was genau ging denn in die Hose?«
»Tja, es passierten allerlei unvorhergesehene Dinge, und am Ende fand man das Tier in Baxters Wohnwagen. Wie gesagt, die Sache war ziemlich vertrackt«, erklärte Hugo liebenswürdig, als er die Leidensmiene seines Freundes sah. Monty schloß sich ihm an, auch wenn er wenigstens eines durchschaut zu haben glaubte.
»Dann hat der alte Emsworth aber doch bestimmt gemerkt, daß nicht mein Onkel das Schwein gestohlen hat. Wo man es doch in Baxters Wohnwagen fand …«
»Keineswegs. Seiner Meinung nach handelte Baxter im Auftrag deines Onkels. Ich sage dir noch einmal, was ich dir schon am Anfang erzählt habe: An deiner Stelle würde ich in Anbetracht der Umstände nicht allzusehr auf Sir Gregorys Einfluß zählen.«
Monty biß sich versonnen auf die Lippe.
»Probieren geht über studieren.«
»Klar doch, versuch’s ruhig. Ich sage bloß, du solltest nicht zu fest darauf bauen, vom alten Emsworth aufgrund freundschaftlicher Beziehungen zu Sir G. Parsloe als Sekretär engagiert zu werden.« Hugo blickte zur Uhr an der Wand und stand auf. »Ich muß los«, sagte er, »sonst verpasse ich meinen Zug.«
Monty begleitete ihn bis vor die Tür, und Hugo winkte ein Taxi heran.
»Vielleicht klappt es ja«, sagte Monty nachdenklich.
»Na klar. Bestimmt.«
»Vielleicht ist es zwischen den beiden ja zu einer Wie-heißt-es-noch-gleich des Streits gekommen – zu einer Beilegung.«
»Als ich dort wegging, gab es dafür keinerlei Anzeichen. Und jetzt muß ich mich wirklich sputen«, sagte Hugo und hüpfte ins Taxi. »Ach, übrigens«, fügte er, den Kopf aus dem Fenster streckend, hinzu, »da wäre noch etwas. Falls du tatsächlich nach Blandings gehst, wirst du dort das zweithübscheste Mädchen in ganz England antreffen. Ich geb’ dir einen guten Rat: Komm ihr nicht zu nahe.«
»Wem denn?«
»Ronnies Verlobter. Sie wohnen beide im Schloß, und wenn du dich von ihr allzu angetan zeigst, wird er dich aller Wahrscheinlichkeit nach mit bloßen Händen erwürgen. Ich persönlich«, sagte Hugo, »halte Eifersucht ja für dummes Zeug, neige ich doch der Ansicht zu, daß keine Dings sein kann, wo nicht Bums herrscht. Liebe, meine ich, und blindes Vertrauen. Doch Ronnie scheint eher die Tradition von Othello und grüngeaugtem Scheusal fortführen zu wollen. Auf einen gewissen Pilbeam war er einmal so eifersüchtig, daß er ein ganzes Restaurant kurz und klein schlug, nur weil er sah, wie der Betreffende dort mit Sue vermeintlich dinierte. O ja, ein ebenso aufbrausender wie dünnhäutiger Bursche, unser Ronnie.«
»Was meinst du denn mit ›vermeintlich dinierte‹?«
»Eigentlich dinierte sie ja mit mir, dem Tugendbold Hugo, was Ronnie allerdings nicht wußte. Er erblickte Sue im Gespräch mit diesem Pilbeam – du wirst ihn ebenfalls im Schloß antreffen …«
»Sue?« fragte Monty.
»Sie heißt Sue. Sue Brown.«
»Was!?«
»Sue Brown.«
»Wie bitte, Sue Brown? Du meinst doch nicht etwa die Sue Brown, die mal Revuegirl im Regal war?«
»Doch, genau die. Du scheinst sie zu kennen.«
»Kennen? Kennen ist gut! Und ob ich sie kenne! Ich habe sie zwar seit rund zwei Jahren nicht mehr gesehen, aber damals … Die gute Sue! Die liebe Sue! Eins der reizendsten Geschöpfe auf der Welt, meine Sue. Einem solchen Prachtexemplar begegnet man nur selten. Warum …«
Hugo schüttelte mißbilligend den Kopf.
»Genau die Einstellung, vor der ich dich warnen muß. Exakt der Ton, den du besser nicht anschlägst. Gottlob scheinen deine Chancen, nach Blandings Castle zu gehen, ohnehin minimal. Nur ungern würde ich meiner Morgenzeitung entnehmen, daß man deinen aufgedunsenen Leib auf dem See hat treiben sehen.«
Nachdem das Taxi davongerollt war, blieb Monty noch ein Weilchen gedankenverloren auf der Treppe stehen. Daß sich ausgerechnet Sue Brown in Blandings Castle aufhielt, ließ eine dortige Anstellung um so reizvoller erscheinen. Ein Wiedersehen mit der guten Sue wäre ganz wunderbar. Und was die Sache mit dem Schwein anging, so wollte er sich davon nicht kopfscheu machen lassen. Wahrscheinlich stark übertrieben. Ein prächtiger Bursche, dieser Hugo Carmody, ja ein wahrer Pfundskerl, nur neigte er leider dazu, jede Geschichte maßlos auszuschmücken.
Voller Zuversicht begab sich Monty Bodkin durch den Korridor ins Telefonzimmer.
»Ich hätte gern ein Ferngespräch«, sagte er. »Matchingham 8-3.«
Etwa vierundzwanzig Stunden nach Monty Bodkins Ferngespräch mit Matchingham 8-3 hätte ein über Blandings Castle kreisender Vogel beim aufmerksamen Betrachten der Parkanlagen, Gärten und Wohngebäude ein Paar erblicken können, das über die Terrasse schlenderte, die sich vor dem Hauptportal dieses englischen Herrensitzes erstreckte. Und hätte er die Augen leicht zusammengekniffen und eine Kralle davor gehalten, um die grelle Morgensonne abzuschirmen, dann wäre ihm aufgefallen, daß die eine Hälfte des Paars aus einem kleinen, stämmigen jungen Mann mit rosarotem Teint bestand, die andere Hälfte aus einem äußerst anmutigen Mädchen in grünem Leinenkleid mit breitem Kragen. Ronald Overbury Fish verabschiedete sich gerade von seiner Sue, weil er mit dem Wagen nach Market Blandings fahren wollte, um von dort den Zwanzig-vor-eins-Zug in östliche Richtung zu nehmen. Er war unterwegs nach Norfolk, wo er auf der Hochzeit seines Cousins George den Trauzeugen machen sollte.
Er rechnete nicht mit einem langen Abschiedszeremoniell, wollte er doch schon am nächsten Tag zurückkehren. Dennoch fühlte er sich genötigt, Sue ein paar gute Ratschläge hinsichtlich ihres Verhaltens in seiner Abwesenheit zu geben.
Das Wichtigste sei, so erklärte er eindringlich, daß sie seinen Onkel Clarence mit weiblichem Charme bezirze.
»Klar«, sagte Sue. Sie war ein zierliches Geschöpf mit bestrickendem Lächeln und großen blauen Augen. Diese leuchteten nun höchst aufgeweckt. Sie konnte seinem Gedankengang mühelos folgen. Lord Emsworth hatte Ronnie zwar sein Geld versprochen, aber noch nicht ausgehändigt, und vielleicht würde er es sich ja plötzlich anders überlegen. Nur logisch also, daß man ihn bezirzen mußte. Diese Aufgabe wäre ja auch gar nicht so unangenehm. Während der kurzen Zeit, in der sie das Vergnügen seiner Bekanntschaft gehabt hatte, war ihr der sanftmütige, verträumte Adlige ans Herz gewachsen.
»Klar«, sagte sie.
»Hefte dich zäh an seine Fersen.«
»Klar«, sagte Sue.
»Am besten hältst du gleich nach meiner Abfahrt einen kleinen Schweineplausch mit ihm.«
»Klar«, sagte Sue.
»Und was Tante Constance angeht …«, setzte Ronnie an. Er hielt inne und runzelte die Stirn. Dies tat er jedesmal, wenn er an seine Tante, Lady Constance Keeble, dachte. Als Ronald Fish, der letzte Sproß seines Stamms, einziger Sohn von Lady Julia Fish und Neffe von Clarence, dem neunten Grafen von Emsworth, verkündet hatte, daß die Hochzeit zwischen ihm und einem Revuegirl des Regal Theatre festgesetzt worden sei und in Kürze über die Bühne gehen würde, war das Echo, um es einmal so zu formulieren, äußerst gemischt ausgefallen. Manche Stimmen hatten erfreut geklungen, andere nicht.
Beach, der Schloßbutler, welcher zu Ronnie in den letzten achtzehn Jahren fast väterliche Gefühle entwickelt und Sue auf Anhieb ins Herz geschlossen hatte, gefiel die Vorstellung. Das gleiche galt für den Honourable Galahad Threepwood, der in den neunziger Jahren, wo er noch ein stadtbekannter Bonvivant gewesen war, Sues Mutter hatte heiraten wollen. Und als Lord Emsworth von Ronnies Plänen hörte, sagte er nur abwesend »Oh, ah?« und wandte seine Gedanken wieder dem lieben Borstenvieh zu.