image

Romana Wiesinger

Kochbuch

für die

Seele

image

Wie die Psyche unser
Essverhalten beeinflusst

www.kremayr-scheriau.at

Inhaltsverzeichnis

APERITIF

VORSPEISE

Allgemeine Zutaten

Zutat Körper

Zutatenmix Ernährung, Bewegung und Psyche

Zutat Geselligkeit

Aus der Sicht des Körpers gesprochen

Zutat Mahlzeiten

Zutat Light-Produkte

Zutat Getränke

Zutat Fastfood

Zutat Essensrhythmus

Zutat Uhrzeit

Menüvorschläge

Abgelaufenes

DAS HAUPTMENÜ

Die Zufriedenen

Aus der Sicht des Körpers gesprochen

Die Essensthematiker

Die ewig Unzufriedenen

Besondere Zutaten

Zutat Kritische Gesellschaft

Zutat Selbstbild

Zutat Gedanken

Zutat Diät

Weshalb ist eine Diät so schädlich?

Aus der Sicht des Körpers gesprochen

Veränderung erwünscht?

Variation Waage

Variation Spiegel

Variation Gedanken

Variation Speisekarte

Gedanken für die nahen Bezugspersonen

Spezielle Schmankerl

„Spezialität“

„Geschmacksharmonie“

„Nudelvariation“

Frau Ganzgenau

Die Hungrigen

Besondere Zutaten

Zutat Heimlichkeit

Zutat Unregelmäßigkeiten

Zutat Gewohnheit

Aus der Sicht des Körpers gesprochen

Veränderung erwünscht?

Variation Ziel

Variation Ehrlichkeit

Variation Mehr Genuss, weniger Verbote

Variation Warmes

Variation Eigene Bedürfnisse

Variation Gefühle erlauben

Variation Sinn des Gewichtes

Variation Zeit

Variation Bewegung

Variation Waage

Variation Spiegel

Variation Gedanken

Variation Speisekarte

Gedanken für die nahen Bezugspersonen

Spezielle Schmankerl

„Auflauf“

„Gaumenkitzler“

„Gustostückerl“

„Fingerfood“

Herr Traumwelt

Die Kontrollierten

Besondere Zutaten

Zutat Schönheitsideal

Zutat Persönlichkeit

Zutat Familie

Zutat Autonomie

Zutat Besondere körperliche Auffälligkeiten

Zutat Besondere Vorkommnisse oder Schicksalsschläge

Zutat Umfeld

Zutat Extreme Essensrituale

Zutat Beleidigungen

Aus der Sicht des Körpers gesprochen

Veränderung erwünscht?

Variation Waage

Variation Spiegel und Selfies

Variation Gedanken

Variationen Speisekarte und Gekochtes

Gedanken für die nahen Bezugspersonen

Variation Vertrauen

Variation Druck

Variation Selbstwahrnehmung

Variation Waage

Wenn Betroffene Kinder sind

Wenn Betroffene Jugendliche sind

Wenn Betroffene Erwachsene sind

Spezielle Schmankerl

„Nudelvariation“

„Geschmacksharmonie“

„Spezialität“

„Gustostückerl“

„Antipasti“

Familie Mangold

Die Angepassten

Besondere Zutaten

Zutat Gewicht regeln

Zutat Gefühle

Zutat Bewältigungsstrategie

Zutat „Korsett“

Zutat Ansprüche

Zutat Kontrolle

Zutat Vorgeschichte Magersucht

Zutat Geheimniskrämerei

Aus der Sicht des Körpers gesprochen

Veränderung erwünscht?

Variation „Hinein statt hinaus!“

Variation Waage

Variation Spiegel

Variation Gedanken

Variation Speisekarte

Gedanken für die nahen Bezugspersonen

Spezielle Schmankerl

„Geschmacksharmonie“

„Spezialität“

„Gustostückerl“

„Fingerfood“

Frau Seitenblick

Mischform Bulimie und Magersucht

Mischform Bulimie und Esssucht

KULINARISCHES ERBE

SCHMANKERL … für all jene Menschen, die ihrem Körper mehr Achtsamkeit entgegenbringen möchten

Schmankerl für Genießer

„Süßes oder Saures“

„Geheimrezept“

„Gustostückerl“

SCHMANKERL … für all jene Menschen, die den Selbstwert stärken möchten

„Gruß aus der Küche“

„Gaumenfreude“

„Kostprobe“

„Bodenständiges“

„Snacks“

„Würze“ im Leben finden

Unverträglichkeiten vermeiden

„Köstlichkeiten“

„Aufgetischtes“

„Zwei-Hauben-Menü“

„Hausmannskost“

NACHSPEISE

ANHANG

Danke sage ich …

Literarische Geschmacksverstärker

Filmische Geschmacksverstärker

Aperitif

Schon seit längerer Zeit begleitet mich der Gedanke, ein „Kochbuch für die Seele“ zu schreiben. Damit ist kein normales Kochbuch gemeint, in dem Sie Rezepte finden und diese nachkochen können. Viel eher ist es ein ganz persönliches Buch, nach dem Sie wie in einem Kochbuch selbst für sich Zutaten finden, um ein genussvolleres Leben mit einem besseren Zugang zu Ihrem eigenen Körper kreieren können.

Die Idee entstand durch die Beobachtung, dass Menschen in unserer Gesellschaft, also jener der westlichen Welt, durch den Fortschritt der Technik, der Digitalisierung und auch der sozialen Medien ein Leben führen, das mehr von außen bestimmt als nach eigenen Kriterien gestaltet wird.

Menschen rasen durch einen Termindschungel, sogar Wochenenden, eigentlich Zeiten der Entspannung und Ruhe, werden zu Tagen der Anspannung oder der totalen Erschöpfung. Selbst in Urlauben fehlt Zeit der Muße, der Trend geht in Richtung Animationsprogramm, kurze Städtetrips oder auch sehr viele Menschen auf engem Raum, man denke an Kreuzfahrten oder kleine Inseln, um Party zu machen. Für eigene Gedanken bleibt kaum Raum.

So ist es nicht verwunderlich, dass Erkrankungen wie Burnout, also totale Erschöpfungszustände, ein Ausgebranntsein, zunehmen. Das heißt wiederum, dass wir im Inneren nicht sehr stabil sind. Genau diese Stabilität fehlt uns aber, um im Äußeren Antworten auf die Komplexität des Weltgeschehens zu finden.

Sowohl die politische als auch die wirtschaftliche Lage, aber auch stetig wachsende Unruhegebiete in vielen Teilen der Erde und die Unsicherheit durch die Gefahr des Terrorismus, geben uns das Gefühl, in einer sich schnell verändernden und gefährlichen, ja, fast explosiven Zeit zu leben. Anstatt uns in Sicherheit zu wiegen, fühlen wir uns fast ohnmächtig und hilflos.

Das wird durch die Tatsache verstärkt, dass — zumindest in unserer westlichen Welt — auch in Familien vermehrt Sicherheit verloren geht. Durch die neuen Lebensformen der Patchwork-Familien haben viele Kinder nicht ein, sondern zwei Zuhause. Das bringt Unruhe, wenn dieses Miteinander nicht gut kommuniziert und gelebt wird.

Obwohl es auch in den vergangenen Jahrhunderten Kriege, Krisen, Unruheherde und Terrorismus gab, waren wir durch die inzwischen veränderte Medienlandschaft nie so hautnah am Geschehen wie zu Beginn dieses Jahrtausends. Das bringt weitere Unruhe statt Stabilität. Unsere Gesellschaft hat sich zudem in den vergangenen 30 Jahren rasant entwickelt. Zu einem Wertewandel einerseits kommt die elektronische Verfügbarkeit andererseits. Wir gehen davon aus, dauernd erreichbar sein zu müssen. Näher betrachtet heißt das, wir stehen dauernd unter Strom, im wahrsten Sinne des Wortes.

Diese Veränderungen haben zur Folge, dass Gesellschaften der westlichen Welt sich von ihren eigenen Bedürfnissen, Gefühlslagen und Befindlichkeiten eher entfernen. Nun bin ich beim Inneren angelangt. Das heißt, dass viele Menschen einerseits sich selbst und ihre Bedürfnisse nicht ausreichend oder gar nicht mehr spüren, aber andererseits auch, dass sie keine Zeit für sich selbst haben — oder aber sich die Zeit nicht nehmen. Es fehlt Zeit zum Denken. Vielleicht kann das Buch mehr Muße in Ihr Leben bringen.

In Kontakt mit Mitmenschen geht qualitative Kommunikation verloren. Kommunikation findet auf Plattformen wie Facebook, Twitter oder Whatsapp eher quantitativ als qualitativ statt. Doch die echte menschliche Kommunikation, bei der wir beisammensitzen und unserem Vis-à-vis wirklich zuhören, rückt in den Hintergrund. Auf die Frage: „Wie viele Freundinnen und Freunde hast du?“, erhält man mitunter die interessante Antwort: „240!“ Doch welche davon und wie viele sind wirkliche Freunde, wann und wo findet wahre Begegnung noch statt? Begegnungen, bei denen man ohne Handy kommuniziert und länger vertieft bei einem Thema bleibt?

Diese Entwicklung geht sogar so weit, dass selbst Blickkontakte in der Öffentlichkeit nicht mehr stattfinden. Wenn man wartende Menschen beobachtet, egal ob auf der Straße, bei Haltestellen, bei roten Ampeln, in Lokalen oder Ordinationen, zeigt sich überall dasselbe Bild: Sie beschäftigen sich lieber mit ihren Handys als mit den Menschen rund um sich. Das Paradoxe dabei ist, dass uns alle technischen Errungenschaften der vergangenen 100 Jahre Zeit verschaffen sollten, tatsächlich haben wir aber immer weniger Zeit zu Verfügung. Wie passt das zusammen?

Aus diesen Beobachtungen entwickelt sich mein Ansatz, im Inneren zu beginnen. Das kann jedes Individuum für sich selbst tun, und zwar jederzeit.

Ich treffe immer wieder Menschen, die bereit sind, ein Stück Selbsterfahrung oder Reflexion zu wagen, doch der Großteil der Menschen empfindet Psychotherapie als enorme Hürde. Wohl auch, weil wir geprägt sind von Gedanken wie: „Was denken wohl die anderen? Was wird mein Nachbar sagen? Wie werden meine Freunde dieses Vorhaben auffassen?“ Auch wenn uns diese Vorbehalte egal sein müssten oder könnten, sind sie es nicht. Ganz im Gegenteil zu der medizinischen Versorgung, da scheint es selbstverständlich zu sein, zu einem Arzt zu gehen, egal, um welche Art körperlicher Schwierigkeit es sich handelt. Daher habe ich mir vorgenommen, dieses Buch zu schreiben. Es soll all jenen ein Gedankenanstoß sein, die zwar ein Anliegen, Sorgen, Zweifel oder sogar ein Problem haben, doch sich diesen Schritt nicht zutrauen, nicht leisten wollen oder können oder einfach noch nicht bereit für eine Therapie sind. In unserer Gesellschaft ist Psychotherapie noch immer tabuisiert. Auch wenn sich in den vergangenen zwei Generationen viel verändert hat, ist der Schritt noch immer schwierig. Vielleicht kann ich Sie auch ermuntern, es auszuprobieren. Dieses Buch möchte Sie in Ihrer individuellen Persönlichkeit stärken.

Passend zum Titel „Kochbuch für die Seele“ habe ich versucht, jedes Kapitel möglichst schmackhaft zu benennen, auch für die Schmankerl habe ich einen klingenden Namen kreiert.

Das Buch beschäftigt sich mit elementaren Dingen, die in uns schlummern und die wir nur instinktiv wahrnehmen. Beispielsweise das Körpergefühl, das uns eine Balance zwischen Ruhe- und Bewegungsmomenten vorgibt, die Wahrnehmung und Umsetzung der Bedürfnisse des Körpers oder auch ausreichend Zeit, die für Sie selbst zur Verfügung steht. Je stabiler wir Menschen in uns ruhen, desto besser sind wir für die Herausforderungen unserer Zeit gewappnet.

Es ist — gemessen an der Zeit, die wir Menschen unseren Planeten besiedeln — nicht so lange her, dass viele Menschen auch weitere Strecken zu Fuß gegangen sind, Schüler zur Schule, Erwachsene zur Arbeit oder einkaufen. Denken Sie nur an die Gegebenheiten Mitte des vorigen Jahrhunderts! Weder öffentliche Verkehrsmittel noch Autos waren in dieser Dichte vorhanden, wie wir es jetzt kennen. Heutzutage ist solch ein Leben nicht mehr vorstellbar. Wir fahren noch so kurze Strecken mit dem Auto und verbringen den größten Teil des Tages mit sitzenden Tätigkeiten.

In Großstädten werden Schüler und Schülerinnen oft mit dem Auto zur Schule gebracht. Dort sitzen sie bis zu 40 Stunden pro Woche und haben zusätzlich wahrscheinlich nochmals halb so viele Stunden in ihrer Freizeit für die Schule zu tun. Das können einzelne Turnstunden pro Woche nicht ausgleichen. Ähnlich verhält es sich bei Erwachsenen. Sowohl den Arbeitsalltag als auch die Freizeit — auch dort oft an elektronischen Geräten — verbringt die Mehrheit der Menschen mit sitzenden Tätigkeiten. Durch diese Entwicklung gehen uns Möglichkeiten der Bewegung verloren, doch unser Körper ist nun mal auf Bewegung angelegt. Momentan gibt es zwar einen Trend, sich fit zu halten, der in vielen Großstädten jede Menge Fitnesscenter hervorgebracht hat, doch dieses Angebot nehmen nur wenige Menschen in Anspruch. Abgesehen davon, ist das nur eine Möglichkeit, um sich mehr zu bewegen, es gibt aber viele abwechslungsreiche Varianten, von denen jeder für sich selbst die geeignete Form finden kann. Hauptsache, es macht Spaß, sonst wird es zur Qual und man wird nicht lange daran festhalten.

Die andauernde Angespanntheit, die durch einen sehr vollen Terminkalender zustande kommt, sowie eine permanente Abrufbereitschaft bewirken ein Unruhegefühl in uns, das uns physisch wie psychisch Lebensqualität raubt. Zeiten der Ruhe oder auch Zeit mit uns selbst sind in dieser schnelllebigen Gesellschaft in den Hintergrund gerückt. Diese Behauptung können Sie leicht überprüfen, indem Sie darauf achten, wie oft wir — gemeint sind wiederum Menschen der westlichen Welt — das Wort „schnell“ in unserem Alltag verwenden. Dieses Tempo nehme ich nicht nur im Sprachgebrauch wahr. Auch unsere Schrittgeschwindigkeit hat sich in den vergangenen Jahrzehnten beschleunigt. Wir bewegen uns wesentlich schneller als beispielsweise unsere Vorfahren oder auch Menschen in anderen Regionen — hier ist ein Stadt-Land-Gefälle wahrnehmbar. Außerdem beobachte ich, dass so manche oder mancher eine zur Verfügung stehende „Auszeit“ nicht für sich nützen kann, sondern sie als „verlorene Zeit“ interpretiert.

Ich habe mir in diesem Buch zum Ziel gesetzt, einen spezifischen Teil der Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte herauszufischen und diesen näher zu betrachten: Wie sehr hat sich unser Essverhalten verändert, wie sehr weichen unsere Essgewohnheiten von denen vorheriger Generationen ab und wie sehr haben wir verlernt, auf unsere Grundbedürfnisse zu achten?

Leider ist es nicht mehr ausschlaggebend, dann zu essen, wenn wir hungrig sind, sondern dann, wenn wir Zeit dafür haben. Wir essen also an unsere Arbeitsbedingungen, unsere Wege und unser Zeitmanagement angepasst. Mit anderen Worten: Unser Körper muss sich unserem Lebensstil fügen, statt dass wir auf die Bedürfnisse des Körpers achten und unser Leben danach einrichten.

Vorspeise

Im vergangenen halben Jahrhundert hat sich nicht nur unser Körpergefühl verändert, um nicht zu sagen, verschlechtert, auch die Industrie hat sich auf diese veränderten Bedürfnisse eingestellt. Es gibt einerseits an jeder Ecke etwas zu essen, jede Menge „to-go“-Getränke und -Gerichte, etwa „coffee-to-go“ oder „noodles-to-go“, andererseits steht uns eine Fülle an Fertigprodukten und Fast-Fertigprodukten zur Auswahl. Es braucht also kaum noch Zeit, um diese verzehren zu können.

Apropos Fülle: Ist Ihnen schon aufgefallen, dass es unzählige Produkte in diversen Geschmacksrichtungen gibt? Denken wir beispielsweise an Joghurt: Früher gab es vielleicht fünf verschiedene Sorten von Joghurt, jetzt gibt es etwa dreißig Sorten. Ich fühle mich hier überfordert und es ist keineswegs notwendig.

Abgesehen von der Schnelligkeit und Vielzahl an Möglichkeiten, Nahrungsmittel zu kaufen, ist die Industrie auch ganz geschickt auf den Trend, „schlanker zu werden“, aufgesprungen.

Doch schauen wir uns diese Entwicklung ehrlich an. Sind die Menschen in den vergangenen 50 Jahren schlanker geworden? Wohl eher nicht!

So verhält es sich auch mit ungewöhnlichem und krankhaftem Essverhalten. Auch diese Angewohnheiten haben sich in derselben Zeitspanne weiter verbreitet. Auffälliges Essverhalten gibt es mittlerweile auf jedem Kontinent, in jeder Gesellschaftsschicht und jeder Generation, weshalb ich mich in diesem Buch näher damit auseinandersetze.

Ich werde mich zurückhalten, Ihnen viele Zahlen oder wissenschaftliche Studien darzulegen, aber wichtige Fakten möchte ich Ihnen nicht vorenthalten.

Der Einfluss der Medien auf das Essverhalten ist weitreichend bis krankmachend. Im Jahr 2009 schrieb Susie Orbach: „Wir sind wöchentlich zwischen 2000 und 5000 Bildern von idealisierten Körpern ausgesetzt, die digital manipuliert wurden.“ (Orbach, 2009, S. 89). Doch das ist nicht neu. Bereits 2003 schrieben Monika Gerlinghoff und Herbert Backmund in einer Erhebung an knapp 800 Schülerinnen und Schülern in Deutschland: „Im Klartext bedeuten diese Zahlen, dass ungefähr jedes zweite Mädchen und jeder dritte Junge etwa im Alter von 11 Jahren mit seiner Figur unzufrieden ist. Die Frage, woher das kommt, können wir nicht einfach beantworten. Sicher gibt es alle möglichen Einflussfaktoren, und natürlich gehören auch die Medien dazu. An der prägenden Rolle der Eltern, vor allem der Mütter, besteht kein Zweifel.“ (Gerlinghoff, 2003, S. 13)

Diese erschreckenden Zahlen haben sich leider nicht verringert. Das Ausmaß der Körperunzufriedenheit Jugendlicher, aber auch Erwachsener, steigt nach wie vor. „Unsere westliche Gesellschaft ist offensichtlich immer weniger in der Lage, Menschen — und da vor allem Frauen — hervorzubringen, die sich in ihrem Körper wohl und zu Hause fühlen. Doch nicht Krankheit, Behinderung, alltägliche Unterdrückung oder Gewalterfahrungen führen zu massenhaftem Leiden am weiblichen Körper, sondern gesellschaftliche Körpernormen und Schönheitsideale, die, gleich einem unsichtbaren Korsett, den Frauen die Luft zum Atmen nehmen.“ (Langer, in „Irrsinnig weiblich“, S. 58) Vielleicht kann dieses Buch einen kleinen Beitrag leisten, diese krankmachenden Ideale zu hinterfragen und damit auch Ihre Zufriedenheit zu steigern.

Traurig finde ich auch die Beobachtung, dass in Familien immer weniger gekocht wird. Dadurch geht nicht nur ein gesundes Essverhalten, sondern auch ein soziales Miteinander verloren. Genau dieses Kochen wäre in unserer Zeit umso wichtiger, je mehr wir außer Haus essen — Kinder und Jugendliche in der Schule, Erwachsene am Arbeitsplatz. Da wäre es äußerst wertvoll, abends und auch an Wochenenden gemeinsam beim Esstisch zu sitzen und zu reden.

Diese Thematik beschäftigt mich seit mittlerweile 16 Jahren beruflich sehr intensiv. Ich kann auf spannende Jahre in der therapeutischen Begleitung zum Thema Essen, Essverhalten, Essstörungen und Essstörungsprävention zurückblicken. Meine Tätigkeiten verteilen sich auf die Arbeit in meiner psychotherapeutischen Praxis, anfangs in einer Tagesklinik, über neun Jahre an der Hotline für Essstörungen, wo ich sowohl telefonische als auch Beratung per Mail angeboten habe, und den großen Bereich der Prävention an Schulen.

In diesem Buch werde ich fünf große Gruppen von Menschen zum Thema Essen näher beschreiben. Mein Wunsch wäre, dadurch mehr Verständnis und Respekt gegenüber Menschen mit anderem Essverhalten zu erzeugen. Gleichzeitig soll das Buch jenen Menschen, die sich angesprochen fühlen, auch Anregungen und Hilfestellung geben, um zu einer neuen Körperzufriedenheit zu finden — soweit das eben in diesem Rahmen möglich ist. Ein Buch kann niemals eine Psychotherapie ersetzen, es kann aber ein Versuch oder ein Beginn sein, sich mit seinem Körper und seinem Essverhalten näher zu beschäftigen. Mit Hilfestellung meine ich Übungen, hier „Schmankerl“, zu mehr Körpernähe, die Sie alleine zu Hause ohne großen Aufwand oder nennenswerte Kosten durchführen können.

Wenn das Buch zudem noch die Lust in Ihnen erweckt, wieder mehr zu kochen, sich diese Zeit für sich zu nehmen, wäre das wunderbar.

Es ist an Ihnen, den für Sie richtigen Weg zu finden, wie Sie leben oder essen möchten. Ich werde nicht von einer bestimmten Zahl sprechen, wenn es um das Körpergewicht geht, sondern lediglich von gesundem oder ungesundem Gewicht.

Apropos Zahlen: Mich interessiert kein BMI, da er Menschen eher verunsichert, als ihnen hilft. Es sind Zahlen, die errechnet werden, ohne den Körper mit einzubeziehen. Nach diesen Berechnungen wäre so mancher Leistungssportler, etwa ein Schifahrer, der für seine Sportart viel Muskelmasse braucht, adipös, also schwer übergewichtig, da er mitunter 100 Kilogramm auf die Waage bringt. Diese Sportler würden wir wohl kaum als dick bezeichnen. Auch weil bei der BMI-Berechnung nicht zwischen Fett und Muskelmasse unterschieden werden kann, ist diese Form der Berechnung für mich eher irreführend. Wenn Sie wissen wollen, ob Ihre Körperformen stimmen, reicht es, sich vor den Spiegel zu stellen und ehrlich zu sein.

Es geht also um mehr Verständnis der Menschen untereinander, aber auch um mehr Verständnis uns selbst und unserem Körper gegenüber. Daher werde ich in jeder erwähnten Gruppe jeweils „Zutaten“ beschreiben, die mitunter ausschlaggebend sein können für das momentane Körpergewicht und auch das individuelle Körpergefühl.

„Variationen“ der Veränderung richten sich sowohl an Menschen, die unzufrieden sind, als auch an deren nahe Bezugspersonen.

Ich werde aber auch die „Sicht des Körpers“ einbringen — soweit es mir möglich ist — und selbstverständlich „Schmankerl“, die Sie unterstützen können in dem Prozess, mehr Nähe zu Ihrem Körper zu entwickeln.

Sie können sich ab hier Ihr individuelles Menü zusammenstellen, je nach Interesse alle Kapitel oder auch nur spezielle lesen, „Schmankerl“ ausprobieren oder auch nicht, „Variationen“ in Ihr Leben integrieren oder auch nicht. Ganz nach Ihrem Geschmack.

Wenn Sie sich fragen, wie es überhaupt dazu kommen kann, dass manche Menschen auffällige Essensweisen entwickeln, so können Sie die exemplarischen Beispiel-Geschichten einiger Familien lesen.