Über Daša Drndić

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Daša Drndić, geboren 1946 in Zagreb, ist eine der wichtigsten kroatischen Autorinnen. Ihr Werk wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. Ihr Roman Sonnenschein (Hoffmann und Campe 2015) war für den Internationalen Literaturpreis nominiert und wurde mit den renommierten Literaturpreisen Fran Galović, Kiklop und dem Independent Foreign Fiction Readers’ Prize ausgezeichnet.

 

 

 

Die Übersetzerinnen

 

Brigitte Döbert, geboren 1959, lebt in Berlin. Sie übersetzt bosnische, kroatische und serbische Belletristik, unter anderem Dževad Karahasan, Bora Cosić und Miljenko Jergović.

 

Blanka Stipetić, geboren 1967 in Serbien, lebt in Berlin und arbeitet als freie Autorin und Literaturübersetzerin.

Fußnoten

Jeden Tag komme ich in jeder Hinsicht ein Stück voran.

Umstrittener kroatischer Autor (1930 geboren). War Mitglied der HDZ und stand Tuđman nahe.

Po šumama i gorama, Partisanenlied.

Ivo Bogdan (Šipan, 1907 – Buenos Aires, 1971 [ermordet]) wird 1944 zum Leiter der DIPU ernannt und flüchtet am 6. Mai 1945 zusammen mit den anderen Mitgliedern der Lehrerkampftruppen nach Österreich, um wie viele andere NDH-Funktionäre, darunter auch Kriegsverbrecher, über Italien, genauer über die Rattenlinie der heiligen römisch-katholischen Kirche und mit Hilfe des Geistlichen Krunoslav Draganović, nach Argentinien zu emigrieren. Dort gibt er mit einer ganzen Gruppe Ustascha-Emigranten die Zeitschrift Studia Croatica heraus.

Vjekoslav Blaškov (Donje Selo auf Šolta, 1911 – Zagreb, 1948). Gehörte im September 1944 zu Pavelićs Entourage bei dessen Hitler-Besuch. Im Mai 1945 flüchtete er nach Österreich, dann nach Italien, von wo aus er 1948 illegal nach Kroatien einreiste. Im selben Jahr wurde er verhaftet und vom Obersten Gericht der Volksrepublik Kroatien zum Tode verurteilt.

Vjekoslav, genannt Maks, Luburić (Ljubuški, 1914 – Carcaixnt, Spanien, 1969), Leiter der Abteilung III des Ustascha-Sicherheitsdienstes (UNS). Nach der neunten Klasse Hauptschule arbeitete er in der Krankenkasse des Arbeitsamtes, 1931 wurde er wegen Unterschlagung von Geldern zu fünf Monaten Haft verurteilt. Nach Verbüßung seiner Haftstrafe emigrierte er nach Ungarn, wo er im Militär-Gefangenenlager in Janka Puszta in der Finanzverwaltung tätig war. Anfang April 1941 reiste er illegal in das Königreich Jugoslawien ein und unterstellte sich Mitte April der Regierung des neugegründeten NDH. Er arbeitete in der Verwaltung des Militärstabs im Ustascha-Hauptquartier und wurde nach dem Tod Mijo Babićs zum Leiter der Abteilung III der Spionageabwehr und damit zum Kommandanten aller Ustascha-Lager im ganzen NDH ernannt. Auf seine Initiative wurde das Konzentrationslage Jasenovac gebaut. Dort beaufsichtigte er häufig persönlich die Arbeiten und brachte eigenhändig Häftlinge um. Auf Pavelićs Befehl ging er Anfang 1942 in die Herzegowina. Doch die Deutschen beschwerten sich bei Pavelić, Luburić behindere die Aktivitäten deutscher Einheiten, und forderten seine Rückbeorderung. Auf eigenen Wunsch ließ sich Luburić im Sommer 1943 in Šumec bei Lepoglava internieren, wo er unter dem falschen Namen Matija Ban lebte. In die Öffentlichkeit kehrte er erst gegen Ende August 1944 zurück, als er sich an der Niederschlagung des Vorkić-Lorković-Putsches beteiligte und die »Verteidigung« Sarajevos mit aufbaute. Bei der Umstrukturierung der NDH-Armee, die 1944 begann, wurde er in den Rang eines Generals erhoben. Nur einen Tag vor dem Einmarsch der ersten Partisanenverbände in Zagreb am 7. Mai 1945 erhielt er die Befehlsgewalt über die Kroatische Armee und koordinierte ihren Rückzug in Richtung österreichischer Grenze. Statt sich den Alliierten zu ergeben, ging er zurück nach Kroatien und trieb mit einer Gruppe »Križari« (Terrorkommandos der Ustascha) in Slawonien und der Gegend um Bilogora sein Unwesen; erst im November 1945 zog er sich nach Ungarn zurück, von wo aus er unter dem Namen Maximilian Soldo nach Spanien emigrierte. 1955 entzweiten sich Pavelić und Luburić im Kampf um die Macht, und Luburić wurde aus der Ustascha-Bewegung ausgeschlossen. Mit Gleichgesinnten betrieb er eine Druckerei, wo er Propaganda-Pamphlete und seine eigenen Reden vervielfältigte. 1967 stellte die Druckerei Ivan Stanić ein, der zwei Jahre später Vjekoslav Luburić umbrachte.

Rafael Boban (Sovići bei Gruda, 1907–?), Ustascha-Oberst und General der HOS.

Über Jure Francetić (Prozor bei Otočac, 1912 – Slunj, 1942) schrieb Boris Rašeta in der Feral Tribune vom 20. Mai 2004: »Die Verbrechen Jure Francetićs und seiner Schwarzen Legion sind vielfach bezeugt. Zu den erschütterndsten Berichten gehört der von Milovan Đilas. Vladimir Dedijer überliefert uns im zweiten Band seiner Tagebücher dessen detaillierte Beschreibung des Massakers in den serbischen Dörfern rings um Kupres, bei dem ausschließlich Zivilisten getötet wurden, überwiegend Frauen und Kinder. Der Mythos Jure Francetić lebt trotzdem weiter. Francetićs Anhänger wehren jede Kritik an ihrem Helden und seinen Taten oder die Idee, sein Denkmal in der Slunjer Innenstadt abzureißen, mit dem Argument ab, er sei weder verurteilt worden, noch habe er je ein Verbrechen begangen.« (Das Francetić-Denkmal in Slunj wurde wie das in Sveti Rok für Mile Budak, den als Kriegsverbrecher verurteilten Schriftsteller und NDH-Kultusminister, im August 2004 entfernt.) Boris Rašeta fuhr fort: »Der hagere Kommandant der Schwarzen Legion, der Ustascha-Oberst, dem posthum der Rang eines krilnik [der höchste, den die Ustascha zu vergeben hatte] und die Auszeichnung vitez [Ritter] verliehen wurden, wurde in den letzten Jahren auf ultrarechten kroatischen Webseiten zum Star. Allein der Internetauftritt der Schwarzen Legion wurde über eine halbe Million Mal angeklickt! Jure Francetić hat aber nicht nur unter erklärten Anhängern der Ustascha-Bewegung Fans. Zu seinen glühendsten Verteidigern gehören zum Beispiel der angesehene TV-Kommentator Ivan Starčević oder der Autor der Kolumne Jutarnja propovijed [Morgenpredigt] in der Jutarnij list, Živko Kustić. Die in Klagenfurt publizierte Emigrantenzeitschrift Hrvatsko slovo [Kroatisches Wort] schildert ihn als Berufssoldaten mit untadeliger Karriere.«

Am 10. April 1941 wurde der NDH gegründet.

Ivan Oršanić (Županja 1904 – Buenos Aires 1968). Führender Ustascha-Funktionär im NDH, Leiter der Jugendorganisation, Mitglied des kroatischen Staatsrats. Einer der engsten Mitarbeiter Pavelićs.

Lovro Sušić (Mrkopalj 1891 – Caracas 1972). Rechtsanwalt. Im NDH Ustascha-Beauftragter für Ogulin und Wirtschaftsminister (die ersten Kuna-Banknoten tragen seine Unterschrift).

Božidar Kavran (Zagreb 1913–Zagreb ?). Hoher Ustascha-Funktionär, ab 1943 an verantwortlicher Stelle im Hauptquartier der Organisation und als stellvertretender Leiter sämtlicher Unterorganisationen tätig. Verließ das Land am 7. Mai 1945, kehrte jedoch 1948 als Leiter einer sechsundneunzigköpfigen Ustascha-Terror-und-Spionage-Gruppe (»Operation 10. April« bzw. Operation Kavran) zurück und wurde von der jugoslawischen Staatssicherheit UDBA im Herbst desselben Jahres gefasst. Man erkannte ihm sämtliche staatsbürgerlichen Rechte ab, konfiszierte sein Vermögen und verurteilte ihn zum Tod durch den Strang. Das genaue Datum der Hinrichtung ist nicht bekannt. Angeblich hat ihn die pharmazeutisch-biochemische Fakultät der Universität Zagreb als kroatischen Intellektuellen und Magister der Pharmazie rehabilitiert.

Andrija Artuković (Klobuk bei Ljubuški, 1899 – Zagreb, 1988). Innenminister der NDH-Regierung und einer der Verantwortlichen für den Völkermord. Zwölf Tage nach Gründung des NDH verkündete er, die Regierung werde »das Judenproblem schon bald auf die gleiche Weise lösen wie die deutsche Regierung. Mit aller Härte.« Des Weiteren werde die Regierung »dafür sorgen, dass die Rassegesetze in kürzester Zeit wortgetreu umgesetzt werden«.

Branislav, genannt Brana, Crnčević (19332011) war ein serbischer Schriftsteller und Politiker und fanatischer Nationalist.

Im September 1941 wurde er verhaftet und im Lager bei Banjica verhört und gefoltert. Ermordet wurde er von dem Arzt und SS-Major Friedrich Jung im Lagerkrankenhaus.

Franz Böhme (Zeltweg, Österreich, 15. April 1885 – Nürnberg, 29. Mai 1947). Nach abgeschlossener Militärakademie in Graz diente er in der kaiserlich-königlichen Armee als Offizier. 1938 Generalstabschef des österreichischen Bundesheeres, Teilnahme am Polen- und Frankreich-Feldzug. Im September 1941 kam er mit weitreichenden Sonderbefugnissen, die ihm Hitler persönlich verliehen hat, nach Serbien. Unvergessen die üble Strafexpedition September–Dezember 1941, bei der er Tod und Verderben hinterließ. Er führte ein, dass hundert Serben für einen getöteten, fünfzig für einen verletzten Deutschen sterben mussten. Bis zum 5. Dezember 1941 (also innerhalb von zweieinhalb Monaten) ließ er 11164 Geiseln und 3562 Aufständische erschießen. Nach dieser »Mission« verließ Franz Böhme Serbien. Geriet als Wehrmachtsbefehlshaber in Norwegen in britische Kriegsgefangenschaft. Vor dem Nürnberger Geiselmordprozess erklärte er, mit seinen Maßnahmen habe er die serbische Bevölkerung so schnell wie möglich besänftigen und befrieden wollen. Am 29. Mai 1947 verübte er Selbstmord, indem er aus dem vierten Stock des Gefängnisses sprang, in dem er interniert war, und wurde auf dem St.-Leonhard-Friedhof in Graz beigesetzt.

Hermann Dasche, Sohn des Kaufmanns Bernhard Dasche und dessen Frau Gisela, geborene Schnabel, war mit Felicia Winter verheiratet und arbeitete als Inkassant. Am 20. März 1939 musste er von Mödling in das Sammellager für Juden in der Wiener Kleinen Sperlgasse 2a ziehen. Während seiner Frau die Flucht in die USA gelang, versuchte Hermann mit dem sogenannten Kladovo-Transport nach Palästina zu kommen.

Am 30. April 1941 erließ Pavelić das Rassengesetz zum »Schutz des arischen Blutes und der Ehre des kroatischen Volkes«, das am 3. Mai 1945 außer Kraft gesetzt wurde.

Aleksandar Ranković war ein führender jugoslawischer KP-Funktionär serbischen Ursprungs, Vizepräsident und potenzieller Nachfolger Josip Broz Titos. Ranković war ein Vertreter des nationalserbischen Flügels der KPJ und stellte sich gegen jegliche Dezentralisierungsbestrebungen. Als Chef der Geheimpolizei ließ er vermeintliche und tatsächliche Regimegegner und Kosovo-Albaner verfolgen und ermorden.

Das serbische Wort für Kino ist bioskop, und auch die Serben küssen sich zur Begrüßung dreimal auf die Wange, wohingegen die Kroaten kino sagen und sich nur zweimal küssen.

Die Tulpen sind zu erregbar, es ist hier Winter.

Sieh, wie weiß alles ist, wie still, wie eingeschneit.

Ich lerne Friedlichkeit, Alleinliegen, ruhig

Wie das Licht liegt auf diesen weißen Wänden, diesem

Bett, diesen Händen

Ich hab alles treiben lassen, einen dreißigjährigen Lastkahn,

Hartnäckig halte ich fest an meinem Namen und meiner

Adresse.

Bei dem Massaker von Kragujevac wurden am 20. und 21. Oktober 1941 2300 Serben, Juden und Roma ermordet. Alle männlichen Einwohner der Stadt zwischen sechzehn und sechzig Jahren wurden von Wehrmachtsoldaten sowie Einheiten der kollaborierenden serbischen Freiwilligen-Kommandos und der serbischen Staatswache zusammengetrieben, darunter dreihundert Schüler des örtlichen Gymnasiums.

 

 

Hodie mihi, cras tibi.
Quis evadet?

Am Samstag, den 19. Januar 2002 nähen sich sechzig Insassen eines Flüchtlingslagers den Mund zu. Sechzig Menschen mit zugenähten Mündern irren durch das Lager und starren in den Himmel. Kleine streunende Hunde springen kläffend um sie herum. Die zuständigen Stellen verzögern es hartnäckig, die Asylanträge dieser Menschen zu bearbeiten.

 

Tereza Acosta ist eine Frau, die beschlossen hat, sich nicht zu erinnern. Tereza Acosta erinnert sich nicht an ihre Kindheit, als wäre sie mit zehn Jahren auf die Welt gekommen. Ihre Amnesie ist undurchlässig und unnachgiebig. In Tereza Acosta leben fünf verschiedene Tereza Acostas. Jede hat ihre eigene Stimme und einen anderen Gesichtsausdruck. Keine erinnert sich an Gespräche, die die anderen Tereza Acostas geführt haben. Jede Tereza leugnet die anderen vier. Jede Tereza Acosta hat eigene Ansichten zu Ehe, Liebe, Arbeit, zum Leben im Allgemeinen, die sich von den Ansichten der anderen Tereza Acostas unterscheiden. Nach vielen Sitzungen beschließt der Arzt, nicht in die Leben der fünf Terezas einzugreifen, er überlässt sie dem gemeinsamen Nicht-Erinnern. Darin leben sie einträchtig.

Fausta Fink erinnerte sich nicht an die Zeit vor ihrem vierzehnten Geburtstag. Ihr gaben die Ärzte Antidepressiva, und sie erinnerte sich wieder. Sie sagte, Jetzt geht es mir gut, ich bin glücklich, dann brachte sie sich um. Sie sprang aus dem fünfzehnten Stockwerk. Im roten Kimono. Der blähte sich wie ein Fallschirm, flatterte. Sie war danach platt.

In einer Irrenanstalt im Süden, vielleicht auch im Norden, nähen sich zweiunddreißig Insassen ebenfalls den Mund zu – mit Chirurgenseide. Beim Nähen verwenden sie den Schrägstich, und jeder Mund wird mit drei oder höchstens vier Stichen zugenäht. Die Patienten protestieren damit gegen das Personal, das sich nicht um sie kümmert. Damals vertieft sich das Schweigen in der Nervenklinik zu einer ungeheuren Lautlosigkeit, die heute wie Rauch, wie Dampf aus dem Gebälk und Gemäuer des verfallenen Gebäudes im Nirgendwo quillt und in Schwaden zum Himmel steigt; in dunklen Nächten (moonless nights) kehrt dieselbe Lautlosigkeit, dieses unheilvolle, angeblich wahnsinnige menschliche Schweigen als lauer Wind zurück; wie ein sanfter Sommerregen fällt es auf die blinden Fensterscheiben unserer Zuflucht in unwirtlicher Umgebung, und um zu überleben, denn atmen müssen sie, füllen die Patienten ihre bereits löchrigen, bröckelnden Lungen mit dem verpesteten, aber geruchlosen Wind, diesem unsichtbaren Spinnennetz des Schweigens. Die Landschaft um die Irrenanstalt herum ist versiegelt, versteinert, starr wie ein Gemälde. Sie liegt unter der stillen Lava, erfüllt vom leisen Schlurfen der Filzpantoffeln in der Nervenklinik.

 

Das könnte er vielleicht auch. Aufhören zu sprechen. Aufhören, sich zu erinnern.

So.

Jetzt ist er allein.

In einer schäbigen Wohnung in einer kleinen Stadt.

Über die Wohnung, auch über die Stadt hat er berichtet, geschrieben, gegrübelt, er wird es nicht mehr tun. Er denkt nicht mehr. Nicht an die kalte, düstere und heruntergekommene Wohnung, so wie auch er geworden ist, düster, heruntergekommen und zunehmend kälter, nicht an die Stadt, die er schon gänzlich abgeschrieben hat, als gäbe es sie nicht, als wäre sie zerstört, in ein apokalyptisches Loch gefallen, und er schwebt jetzt über dem Abgrund (wie Fausta Fink in ihrem roten Kimono), entfernt sich immer weiter, wird klein wie die Stille, bis er verschwindet.

Er könnte irgendwo sein, jetzt ist es egal.

Die Fensterläden öffnet er nicht, nur manchmal, wenn in seinem Kopf Musik erklingt und ihn aufwühlt. Wenn durch seinen Körper eine winzige Freude fährt, ein kleiner blasser Blitz, der aufleuchtet und rasch erlischt. Dann öffnet er die Fenster und schaut hinaus, verfolgt aus dem vierten Stock das Ein- und Ausfahren der Züge. Starrt auf die Hangars. Auf die Container, in die Ratten und Katzen springen, wartet darauf, dass sie durch den Müll tanzen, dann sagt er Ach, und sein Atem stockt. Mit Mühe hebt er die Augenlider, sein Blick überfliegt den Abschaum des Meeres, das drüben vor dem flachen Gebirge sanft schaukelt, dann fällt die Klappe, er igelt sich wieder ein, humpelt hastig und schwerfällig den elf Meter langen schmalen Flur hinunter, will sich wie ein Maulwurf in seinem dunklen Loch verkriechen, in seiner Grabesstille, und jedes Mal spürt er, wie sich die Wände verschieben, aufeinander zubewegen, näher rücken, fast wie ein Tunnel, und wie von Sinnen hüpft er den Gang entlang, raufrunter hopp raufrunter raufrunter hopp, damit ihn die Wände nicht erdrücken, zu einem dünnen Todesstrich zusammenpressen wie dem auf einem EKG-Monitor.

Das Spray, sagt er, wo ist das Spray?, inhaliert einmal, zweimal, dreimal.

Dann wird es besser. Er bekommt Luft.

Das Nachdenken hat er aufgegeben. Er hat schon alles überdacht, sein Leben. In kleine Haufen und Stapel hat er alles sortiert, Tage, Jahre, Geburten und Tode, Lieben, die wenigen, die es gab, Reisen, viele, Bekanntschaften, viele, Familiendramen, seine sinnlosen Unternehmungen und noch sinnloseren Kleinkriege, fast alle verloren, Sprachen, die eigene und fremde, Zeitgeister, all das hat er sorgfältig katalogisiert, und den ganzen Kram, den inzwischen nutzlosen Ballast, hat er verschnürt und in den Winkeln der geräumigen Wohnung verteilt, als stünde wieder ein großer Umzug bevor.

Eine Kaserne, sagt er, ich lebe in einer Kaserne.

Dieser Tage wird er jemanden beauftragen, den ganzen Abfall fortzuschaffen, den Plunder, zu dem sein Leben zusammengeschrumpft ist, er wird jemanden holen, der ihm die Klumpen verpfuschter Tage aus den Augen schafft, damit sie einander nicht mehr anstarren, er und die unzähligen Fetzen, die vor sich hin modern und einen widerwärtigen Mief absondern, der nicht beängstigend, nur irritierend und aufdringlich ist, während sie allmählich zu Staub zerfallen und seine Atmung behindern. Nehmen Sie alles mit, wird er sagen, weg damit. Die Bücher sind sortiert, er hat aufgeräumt, einige hat er weggeworfen, einige verschenkt. Er verschenkt auch seine Kleidung, die Schuhe, an manchen Tagen wie im Fieber. Zu viel Ballast hat sich angesammelt, allerhand Müll. Er verschenkt Mäntel, Jacken, Anzüge, Pullover, Hemden, ach, wie viele Hemden er doch hat, Schuhe, die er nie getragen hat.

So hat es auch seine Mutter vor etwas mehr als dreißig Jahren gemacht, kurz vor dem Ende, hat auf Reisen Teile ihres Lebens zurückgelassen, verschenkt, damals hat er es nicht verstanden. Als sie von einer Akupunktur-Ausbildung in China zurückkam, mit Paketen voller Nadeln, mit riesigen Gummiohren, auf denen die Akupunkturpunkte markiert waren, mit einem fast einen Meter großen Plastikmodell des menschlichen Körpers, das man auf- und zuklappen konnte und aus dessen Innerem man alle Organe, niedlich verkleinerte Nachbildungen aller Organe, herausnehmen und anschauen konnte, Herz, Lungen, Leber, Darm, Galle, alles, dreidimensionale Adern, Venen und Arterien, Knochen, Gehirn, alles konnte man einzeln herausnehmen, verschieben, neu zusammenfügen, wie ein Puzzle, das ganze Innere eines Menschen, und die Figur stand immer aufrecht, fixiert auf einem hölzernen Sockel und durchbohrt von einer Metallstange, als seine Mutter aus China zu ihnen zurückkam, zu ihrer Familie und ihren Patienten in der Psychatrie, aus China, aus irgendeiner chinesischen Provinz, er erinnert sich nicht mehr, welche, China ist ein riesiges Land, facettenreich, aus dieser ärmlichen Wüstenprovinz, wo, das hat sie erzählt, das chinesische Essen keinerlei Ähnlichkeit hat mit dem, was in chinesischen Restaurants in Europa serviert wird, dort ist das chinesische Essen ärmlich, geschmacklos und wässrig, es wird (in Feldlazaretten) auf Blechtellern serviert wie damals in der Jugoslawischen Volksarmee; aus China, wo man seiner Mutter die Haare trocken schnitt, kehrte sie fast ohne Gepäck zurück, mit einem Zettel in der Hand, den sie vom unteren Teil einer Zeitungsseite abgerissen hatte, darauf stand mit Kugelschreiber (einem chinesischen) die Diagnose ca corpus uteri. Sie brachte ihm eine antike Tabakdose aus Rosenholz mit, die steht schon lange leer auf seinem Schreibtisch, dem er sich nicht mehr nähert, sie brachte ihm gerahmte Verse von Lu Hsun mit, seinen Schwestern seidene Kimonos in intensivem Blau und Rot, über die große goldene Drachen flogen, einen alten Fächer, der nach Sandelholz roch, all das holte sie aus einem Koffer, einem kleinen Koffer, in den sie eine Prise Erkenntnis gepackt hatte, und erst später sieht er darin ihre Entschlossenheit und Angst.

Das überdimensionale Gummiohr mit den Reflexzonen des ganzen Körpers knetet er jetzt in seiner Hand. Ein Ohr wie ein Miniaturfötus.

Das Ohr gibt ihm eine Übersicht seiner Organe. Aller Organe. Eine Übersicht seiner Schmerzen. Mal mit einer Nadel, mal mit einem Zahnstocher oder seinem Fingernagel sticht er sich auf seinem Ohr ins Herz, ins Auge, in den Rücken, ins Gehirn und lebt auf. Für einen Moment. Er pulsiert. Wenn ihm das Geld ausgeht, findet er den Punkt gegen Hunger und fühlt sich ganz leicht, er schwankt, als fiele er in Ohnmacht.

Die Ohren – ein seltsames Organ, hässlich wie der ganze menschliche Körper, überhaupt ist der Mensch ein abscheuliches unförmiges Wesen, mit Extremitäten, die aus der massigen Mitte ragen und in dünnen Fühlern münden, mit aufgepfropften bleichen Horngebilden, die ständig wachsen, während an der Spitze dieses Ungeheuers ein kugelförmiges Organ pendelt, an dessen unterem Teil eine größere und in der Mitte zwei kleinere Öffnungen klaffen, aus denen warme Luft strömt, darüber bewegen sich geräuschlos zwei wässrige Kugeln in Höhlen, versehen mit beweglichen Klappen. Und außerdem ist dieses Organ ganz oben von Haaren bedeckt, bei Männern auch vorne.

© health-science-spirit.com, Walter Last

In der Literatur gibt es viele Ohren, Ohren zum Hören und Ohren zum Nichthören, Ohren zum Gift-Einträufeln und Ohren zum Abschneiden. Es heißt, die Ohren würden ein Leben lang wachsen. Alte Menschen haben große Ohren, selbst Greise, die als junge Männer kleine Ohren hatten, bekommen im Alter große, fleischige, schlaffe Ohren mit labbrigen Ohrläppchen, taube Ohren. Als er neulich in den Bus stieg, einen rosafarbenen Hefter an die Brust gedrückt, folgte hinter ihm ein älterer Herr mit Hut und vernarbter runzliger Haut und fragte, Gehen Sie auch in dieses Gebäude zur Versammlung um 16.00 Uhr?, drehte ihm dann den Rücken zu und blieb auf der unteren Stufe stehen, die Türen des Busses standen offen, er betrachtete den Alten im schwarzen Mantel von hinten und war überrascht, dass der Alte kleine Ohren hatte, unglaublich kleine, dämonische Ohren.

Seine Ohren sind in Ordnung, er hat ganz ordentliche Ohren, unauffällig und nicht behaart. Er hört gut, er hört ausgezeichnet, es wäre besser, wenn dem nicht so wäre. Zugegeben, einmal hörte er im linken Ohr das Meer rauschen, ab und zu donnerten Wellen gegen seine Stirn und fluteten seine Schläfen, die Nase, Wörter verzogen sich träge zur Unkenntlichkeit, begleitet von einem unerträglichen Echo. Sie steckten ihn in einen schalldichten Raum und testeten sein Gehör. Der Arzt sagte, Auf dem rechten Ohr hören Sie überdurchschnittlich gut. Das linke Ohr brauchen Sie gar nicht. Doch der schizophrene Zustand seiner Ohren, das Getöse im Kopf, die Kakophonie, dauerte nicht lange, ein, zwei Monate später plätscherte das Meer nur noch leise gegen seine Schädelwände. Jetzt umgibt ihn wieder schreckliches Getöse, das von außen kommt, gegen sein Gehirn hämmert und das er nicht abschalten kann, der grässliche, alles übertönende Lärm der Stadt, der anders ist als der normale Lärm jeder anderen Stadt.

Vor kurzem hat er einen Artikel über jüdische Ohren gelesen. Darin debattieren drei Frauen über Iris-Scans, Gesichtserkennung und die Möglichkeit, Menschen Chips einzupflanzen. Eine der drei Frauen erzählt, dass sie beim Fotografen Passfotos habe machen lassen und wie sehr es sie befremdet habe, als man ihr sagte, Machen Sie die Ohren frei. Wir müssen Ihre Ohren sehen, beide Ohren, sagten sie zu ihr. Das habe sie an die Kriegsgeschichten ihrer Mutter erinnert, sagt die Frau. Die zweite Frau erzählt, wie sie für ihre Enkelinnen Pässe ausstellen ließ und die Polizei sie zweimal mit den Fotos zurückschickte, weil die Ohren ihrer Enkelinnen klein seien und zudem eng am Kopf anliegen würden. Nach mehreren Versuchen sei es gelungen, Aufnahmen zu machen, auf denen man einen Ansatz der Kinderohren habe erkennen können, doch dann habe es Probleme wegen der Augen der Enkelinnen gegeben, weil die Enkelinnen ihre Augen für das Scannen nicht weit genug geöffnet hätten. Die Kinder seien beim Fotografen sofort eingeschlafen. Auf Passbildern sei Lachen nicht erlaubt, nicht einmal lächeln dürfe man, aber das sei kein Problem gewesen, erzählt die zweite Frau, ihre Enkelinnen würden ohnehin nie lächeln. Am Ende konnten die Enkelinnen mit ihren Eltern ausreisen. Aus Rumänien. Wohin sie nie mehr zurückkehrten. Darauf sagt die erste Frau, ihre Mutter habe ihr erzählt, unter den Nazis sei das Retuschieren von Fotos auf jüdischen Dokumenten verboten gewesen und man habe das linke Ohr sehen müssen, weil man die jüdische Rasse angeblich an der Form der Ohren erkennen könne. Die Nazis glaubten, die Juden hätten besondere Ohren. In dem Artikel vergleichen die drei Frauen ihre Ohren, erkennen aber keine auffälligen Unterschiede, auch wenn ein Paar Ohren jüdisch ist. Schließlich zeigt die Jüdin die Ausweispapiere ihrer Verwandten, die in Treblinka ermordet wurden, tatsächlich ist auf jedem Bild deutlich das linke Ohr zu sehen.

Um Nasen kümmert sich die Polizei bisher nicht, auch wenn einige Wissenschaftler behaupten, in Nasen-Scans schlummere ein großes biometrisches Potenzial. Die Wissenschaftler beschweren sich, weil Nasen bei biometrischen Messungen ungerechtfertigt vernachlässigt werden. Nasen-Scans können die Identifizierung einer Person bei der Bilderfassung im Vergleich zu anderen biometrischen Techniken deutlich beschleunigen. Die Mimik verändere nicht die Nase, behaupten die Wissenschaftler, die Ohren schon, was nicht ganz richtig ist. Wenn Menschen lächeln, werden ihre Nasen breiter, bei manchen bewegen sich die Ohren nicht beim Lächeln, bei anderen bewegen sie sich dagegen rauf und runter und vor und zurück, und wieder andere können, auch ohne zu lächeln, durch bloße Willenskraft mit den Ohren wackeln. Auf jeden Fall wurden zum ersten Mal in England vierzig Nasen wissenschaftlich untersucht, deren wissenschaftliche Untersuchung setzte sich in Europa durch, und nun sprießen allerorts Datenbanken (über Nasen) für künftige Forschungen aus dem Boden.

Er hat eine schöne kleine Nase. Gerade.

In seiner Wohnung sucht er Souvenirs, um sie in den Müll zu werfen. Er stopft sie in schwarze Plastiktüten. Entschlossen, hektisch. Niemand braucht seine Erinnerungen, an die er sich selbst nicht erinnern will, die in das Loch des Vergessens gefallen sind. Und er lässt sie versinken.

Die Menschen sammeln Plunder, um sich zu erinnern, weil das einfacher ist, müheloser, sie nehmen sich nicht die Zeit, Spaziergänge, Landschaften, Gespräche, Gerüche, Berührungen an die Oberfläche zu holen, weil dafür keine Zeit ist, während das Leben für die meisten einfach vorbeifließt, das begreift er jetzt. Stupide verteilen die Leute ihre Lebensphasen auf Regalbretter und Wände und werfen ihnen ab und zu im Vorbeigehen ein frostiges Lächeln zu: Ihr bleibt da, wartet auf mich. Wenn die Lichter langsam ausgehen, glauben die Menschen, würden sie wieder vereint sein, sie und ihre vergilbte, in kleine leblose Gegenstände gepresste Vergangenheit, sie würden sich gegenseitig anrühren, einander verwelkte Geschichten erzählen. Von wegen. Andenken sind augenblicklich tot, sobald sie den Ort verlassen, an den sie erinnern sollen, sie verdunsten, verlieren die Farbe, die Beweglichkeit, werden steif wie Leichen. Von ihnen bleiben nur Hüllen mit ausgefransten Rändern. Halb gelöschte Gehirnplatten sind ein glitschiger, trügerischer Untergrund. Das mentale Archiv ist verschlossen, schlummert im Dunkeln. Die Vergangenheit ist ein Sieb, da helfen auch keine Souvenirs. Man muss alles abwerfen. Alles. Und alle, vermutlich.

Vielleicht darf ein Mitbringsel seiner Mutter bleiben, der kleine Porzellanschuh, der niemanden irgendwohin getragen hat. Und die altertümliche Miniaturstanduhr, sie hat Rost und Patina angesetzt, ihr Ziffernblatt ist schief wie bei Alice im Wunderland, und die Zeiger bewegen sich erst, wenn man eine Münze einwirft – ein Geschenk von Sohn Leo. Und Elvira, Elvira soll bleiben – er trägt sie immer bei sich, wohin er auch geht. Das also wird er behalten.

Er heißt Andreas Ban.

Er ist ein Psychologe, der nicht mehr psychologisiert.

Ein Schriftsteller, der nicht mehr schreibt.

Ein Touristenführer, der niemanden mehr führt.

Ein Schwimmer, der nicht mehr schwimmt.

Er hatte noch mehr Berufe, die niemand mehr braucht. Er selbst am allerwenigsten.

Er ist fünfundsechzig, hat sich gut gehalten, sieht aus, als wäre er fünfzig. Er war auf die Erschütterung vorbereitet, hat sich auf sie vorbereitet (er weiß, wie man das anstellt, dafür ist er ausgebildet), trotzdem erwischt es ihn kalt, völlig unvorbereitet, als ihm seine Kollegin, diese Banausin, bürokratisch bis in die Fingerspitzen, ganz die gehorsame Befehlsempfängerin, furchtbar anständig und unauffällig, als ihm diese Kollegin vor versammeltem Kollegium auf den Kopf zu sagt, er werde nicht mehr gebraucht, Sie gehen bald in den Ruhestand. War das der Auslöser? Ihre Vorschläge sind irrelevant, Sie kommen damit nicht durch, sagt sie, Sie gehen in den Ruhestand. Sie sagt es, als er und einige andere fordern, wissenschaftliche und künstlerische Arbeiten strenger zu bewerten, die Teilnahme am Leben ganz allgemein in die Beurteilung einzubeziehen, die politische und gesellschaftliche Präsenz, auch die kulturelle, sie fordern es, weil sich der Lehrkörper im eigenen Sumpf eingerichtet hat, nur ein Prozent der Professoren ist öffentlich sichtbar, die anderen ducken sich weg wie die Mehrheit der kroatischen Akademiemitglieder, die meisten schweigen, posieren zu Jubiläen für das Gruppenfoto und kriegen keine Probleme mit ihrer Rente, aber als Andreas Ban die Kollegin fragt, wann sie sich je zu Wort gemeldet, von sich reden gemacht habe, wer über sie schreibe, antwortet sie, Das ist unwichtig, Sie gehen, ich bleibe. Die regelmäßigen, tödlich langweiligen, kafkaesk-hohlen Fakultätssitzungen leitet ein Quartett oder Quintett, die Männer in dunkelblauen Anzügen, die Frauen in taillierten Kostümen und mit Prinz-Eisenherz-Frisuren; sie belehren ihre Kader, dass man auf den völlig überflüssigen Formularen gewissenhaft jede abgefragte Angabe einzutragen habe, unbeirrt lesen sie sämtliche Sitzungsunterlagen laut vor und werfen sie zusätzlich als PowerPoint-Präsentation an die Wand, als säßen neunzig Prozent der Professoren in einem Seminar über sinnfreien Verwaltungskram, in dem niemand persönlich angesprochen wird, nur Titel genannt und zwischen Zahnprothesen wiedergekäut werden, und hinterher wird die komplette unfreiwillige Satire noch einmal als Protokoll jedem Dozenten namentlich zugestellt, per elektronischer Post, woraufhin die »Verwaltung« den gesamten Lehrkörper mit dem drohenden Hinweis »Eilt!« informiert, sämtliche Universitätspostfächer seien verstopft und müssten dringend geleert werden.

Manche Professoren wollen engagiert erscheinen, und so beschweren sich in den Sitzungen einige Frauen, in den Toiletten gebe es keine Ablagen für Damenhandtaschen, in aller Ausführlichkeit beschreiben sie ihre hygienischen und physiologischen Bedürfnisse, und neunzig Leute lauschen schweigend, während der Protokollführer protokolliert. Dann wird abgestimmt, was, sobald eine sensible Frage auftaucht, in massenhaften Enthaltungen oder einstimmigem dafür oder dagegen mündet, es gibt keine Abweichungen, es herrscht selige Harmonie, die solidarische Einheit an den Rändern des Lebens. Wer sich auflehnt, wird schon bald zum Schweigen gebracht, alles nach Vorschrift, nach den Regeln, nach den Statuten, es findet sich immer ein passendes Schlupfloch. Sollte doch einmal eine wichtige Frage aufkommen, wird das Publikum schlagartig müde, je wichtiger die Frage, desto steiler stürzt die Aufmerksamkeitskurve ab, die Dozenten bekommen Durst und Hunger, die Sitzung wird unterbrochen beziehungsweise vertagt und am Ende nichts entschieden, beziehungsweise werden halbherzige, verwässerte, lahme Beschlüsse verabschiedet.

Da fängt es an, ab da wird es eng.

Sie, die boshafte Banausin mit großem akademischem Ehrgeiz an der kleinen Provinzuniversität, wird im Alter hässlich aussehen. Große Ohren, eine Nase, deren Spitze fast die Oberlippe berührt; fehlende Zahnreihen, die das Kinn hochziehen, das Gesicht von Warzen übersät und eine Stimme wie Hundegekläff.

Oh, er würde sie nur zu gern verlassen, diese ermüdenden Gremien, die jeden Gedanken fressen, dieses kakophonische Getöse, die dumpfen Masken vor einem noch größeren Nichts, lieber würde er sich vergnüglicheren Beschäftigungen widmen, seine Hirnzellen füttern, damit sie pulsieren und wachsen, doch die jämmerlich kleine Rente in dem kleinen, heruntergekommenen, eingebildeten Land, in dem er lebt (wie ist er nur diesem furchtbaren Schicksal anheimgefallen, wie nur?), einem Land, aus dem alle, die es können, Hals über Kopf flüchten, einem Land, in dem ein Kultusminister Heimatliebe als Schulfach einführen wollte, einem Land, in dem auf Feld und Flur und im Fernsehen, damit die Kunde bis ins verschlafenste Nest dringt, der Refrain Mutter Kroatien hat mich geboren erschallt und sich jeder, der nicht von einer kroatischen Mutter geboren wurde, unerwünscht fühlt, während die von einer kroatischen Mutter Geborenen mit stolzgeschwellter Brust Luftsprünge machen, allzeit bereit, auf die eine oder andere Weise jeden zu eliminieren, der nicht von einer kroatischen Mutter geboren wurde, notfalls durch Steinigen, in diesem Land, in dem man glauben will, keine Frau, nein, die Heimat gebäre die Menschen, in diesem ach so anständigen, verlogenen Land, in dem man sich mit Herr Direktor, Herr Dekan, Herr Professor, Herr Chef anspricht, als hätten die Menschen keine Namen, die Rente in diesem Land garantiert nach fünfundzwanzig Jahren Ausbildung, nach vierzig Jahren Arbeit einen schnellen, schmerzhaften Tod, ein Ruhegeld im wahrsten Sinn des Wortes, das einen ruhigstellt, den ewigen Frieden gewährt, während man an einem Dutzend Fronten gleichzeitig aufgerieben wird. Da er, Andreas Ban, sich nicht damit abfinden kann, dass die Höhe seiner Altersbezüge ihm sein Leben im Alter diktiert, die unsterbliche Mutter Kroatien ihm sagt, wann sie genug hat von ihrem Sohn, beschließt er, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Er, Andreas Ban, wird sich nicht damit abfinden, von Hühnerflügeln zu leben, die er nicht ausstehen kann, und selbst wenn, auch diese Möglichkeit entgleitet ihm, denn Hühnerflügel werden immer teurer, und am Ende blieben ihm nur Leber, Lunge und weitere eklige Innereien, die andere an ihre Hunde verfütterten. Er ist gefangen, gefesselt, festgenagelt an das Land, er kann nicht reisen, kann nicht wegrennen (hat kein Geld), obwohl er fit ist und noch (nicht mehr lange) sein Gehalt bekommt. Er wird nicht in rissigen, aus der Mode gekommenen Schuhen herumlaufen, wird keine grauen verfilzten Pullover tragen, wird sich keine irgendwie zusammengeschusterte Zahnprothese in den Mund schieben, das wird er nicht. (Neulich hat er zu einer Frau gesagt, Mein Pullover pillt, und sie lachte und rief, Was für ein lustiges Wort, pillt, was bedeutet es?) Er wird nicht vormittags (zwischen zehn und zwölf) den öffentlichen Nahverkehr nutzen (den ihm Mutter Kroatien kostenlos anbietet), Busse voll klappriger, laut schreiender, weil tauber Gestalten, die mit Plastiktüten vom Markt kommen, darin zwei Äpfel, eine Paprika und ein Päckchen Fertigpolenta. Er wird sich nicht anhören,

Die haben sie ins Heim gesteckt, sie denkt, sie kommt wieder raus, kommt sie aber nicht.

Kann sie laufen?

Die haben sie kaum ins Heim gesteckt, da war die Wohnung schon verkauft.

Ist sie dement?

Sie haben ihr nicht gesagt, dass die Wohnung verkauft ist, das würde sie umbringen. Dement ist sie nicht.

Wird nicht in schlaffe, hungrige, unersättliche Gesichter schauen, von schrumpfenden Leuten, die sich bekreuzigen, wenn der Bus an einer Kirche vorbeifährt, vor sich hin murmeln und vor »Gott« den Blick senken, nicht in die zahnlosen Gesichter von Menschen schauen, die rhythmisch an den Innenseiten ihrer eingefallenen Wangen saugen, begleitet von infantilem Schnalzen, in gierige Gesichter; am häufigsten sieht man sie an Fest- und Feiertagen, wenn Mutter Kroatien sie auf öffentlichen Plätzen mit zwei Sardellen oder einer Kinderportion Bohnensuppe bewirtet, für die sie stundenlang geduldig in der Reihe anstehen, flankiert von Ordnungskräften, damit sie nicht, Gott behüte, ausflippen und unkontrolliert losstürmen. Diese mildtätigen Veranstaltungen für Kranke, Alte, Vernachlässigte, fanatisch ins Leben Verliebte beginnen morgens um neun und gehen mittags zu Ende, wenn alles aufgegessen, ausgetrunken und wie ein Stein in die ausgeleierten, verkümmerten greisen Mägen gefallen ist, dann können die Plätze rechtzeitig sauber gespritzt werden und sind bereit für die abendlichen musikalischen Vergnügungen der Jungen und Satten. Andreas Ban beobachtet den Reigen halbverfaulter lebender Leichen, der länger wird, sich ausdehnt, überall gibt es immer mehr von ihnen, besonders in den Polikliniken, die Wartezimmer sind voll von ihnen, dort treffen sie sich, dort wärmen sie sich im Winter, in den Wartezimmern besetzen sie alle Stühle, in die Notaufnahmen und Polikliniken gehen sie, weil sie sich um ihre Gesundheit sorgen, am liebsten lassen sie sich Blut abnehmen, auch wenn die Schlangen vor den Laboren unfassbar lang sind und es keine Stühle gibt, es ist nicht bequem, es ist nicht entspannt, nur quälendes Warten und Gewichtsverlagerung von einem Bein auf das andere, in der Schlange, die sich durch zwei Stockwerke windet, in der sich die Greise berühren, aneinander kleben und warten, nur stehen und warten, woher nehmen sie die Geduld, woher kommt der Hunger und Durst nach einem bereits verödeten, geschrumpftem Leben, das keins mehr ist, der Wunsch, über die Zeit zu leben, jenseits der Schönheit, in der Einöde, selbst wenn sie getreten werden, egal, sie sind von der stillen, beharrlichen, sturen Art, gewohnt, zu erdulden und zu erleiden. Einmal bestand eine Frau darauf, wegen ihres grauen Stars operiert zu werden, auch wenn sie schon voller Metastasen war, Sie sind voller Metastasen, sagten die Ärzte, Sie werden bald sterben, sagten sie, in der Medizin ist das heute gängige Praxis, dem Patienten alles ins Gesicht zu schleudern, ihm das Ergebnis mitzuteilen, doch ohne Erklärung, nur das nackte Resultat, denn für Finessen haben die Ärzte keine Zeit, und diese Frau wiederholte, Ich will klar sehen, sagte sie, und die Ärzte erbarmten sich, taten ihr den Gefallen, gaben ihr die Sehschärfe zurück, die sie zuvor vielleicht nie hatte, und ohne den Star erhielt sie dann bessere Ein-Sicht in ihren zerfressenen, sterbenden Körper.

Andreas Ban betrachtet die ganzen Tattergreise, wie sie sich ans Leben klammern, während sie schwankend und humpelnd ohne Sinn und Verstand über die Straße hasten, soll sie doch einer überfahren, soll sie doch ein Auto überrollen, das wäre wenigstens ein würdiges Ende, doch nein, mit aufgerissenen Augen und klaffenden Mündern springen sie wie gerettete Schiffbrüchige auf den Gehweg, denn sie lieben das Leben, denn dieses Leben, dieses wunderschöne, üppige Leben hat ihnen Mutter Kroatien geschenkt.

Die Kalender, die ihnen Mutter Kroatien jedes Jahres schenkt, will Andreas Ban nicht, auf ihnen müsste er seine Tage zählen, wie unter staatlicher Kontrolle, wie in einer Strafanstalt, einem Ghetto.

 

2011 begingen zwanzig Mitglieder der UNIT, einer mazedonischen Arbeitslosen-Vereinigung, Selbstmord. Alle waren über fünfzig und ertrugen das Leben im Elend nicht mehr. Einige erhängten sich, andere sprangen von Brücken und Gebäuden, und einer verbrannte sich. (Zeitungsmeldung)

Er ist ein schöner Mann, dieser Andreas Ban, vornehm und dekadent, er hat in Weltstädten gelebt, doch obwohl er zwanzig Jahre gegen sie gekämpft hat, hat die Provinzstadt schließlich gesiegt. Jetzt nutzt er sich innerlich und äußerlich rapide ab. Die äußerliche Abnutzung verdeckt Andreas Ban mit Kleidung, damit er selbst sie nicht sehen muss. Er tarnt seinen hängenden Bauch, die schlaffen Muskeln, die runzlige Haut an Oberschenkeln und Oberarmen, seine labbrigen Hoden, er trägt Mützen und Hüte, noch hat er Haare und eigene Zähne. Seine innere Ödnis aber lässt er wachsen. Er hat es natürlich versucht, hat sich bemüht, mit Schläuchen und Wasserwerfern den schweren Wüstensand, der ihn umgibt, aufzuwirbeln und wegzuspülen, vergeblich. Jetzt ist er müde.

Was ihm wichtig war, hat er gespeichert und sich vorgestellt, es aus der Entfernung berührt: alte Freundschaften, erloschene Lieben, verlassene Städte, Bücher, Bücher, wirkliche und erfundene Figuren, in wachsender Nähe zu toten und einigen lebenden Schriftstellern, denn die kleine Stadt ist wie Hefeteig gewachsen, ihm über den Kopf gewachsen, hat ihn in ihr grobporiges Inneres gesaugt und schließlich verschlungen. Deshalb atmet er schwer, eingezwängt in diese zähe Masse. Er versinkt.

In den Figuren, männlichen und weiblichen, hat er Teile seiner Vergangenheit entdeckt, jetzt löscht er sie. Die Figuren sind das Lebendigste in der oberflächlichen Totenstadt. Sie hocken zwischen den Seiten, zucken, winden sich, wühlen sich wie Holzwürmer durch das Papier; und er lässt sie an seinem Tisch sitzen, neben sich liegen, sie begleiten ihn bei seinen seltenen Spaziergängen, schwirren wie Geister umher, schweben wie Mauersegler durch seine Zimmer zur Decke, dann im Sturzflug zu Boden und kriechen dort weiter, er hat Angst, über sie zu stolpern, sie zu zertreten, und was dann?, dann wäre unerträgliche Einsamkeit, schwarzes Schweigen.

In einer Masse von Touristen aus vielen Ländern, am Ufer des Genfer Sees, fand ich einen Mann, der die Einsamkeit suchte. Der Mann setzte sich auf »meine« Bank, zeichnete mit seinem Gehstock einen Kreis in den Sand und sagte, Nun sitzen wir auf derselben Bank, ich spreche zu Ihnen und Sie hören mir zu, doch dieser Kreis trennt uns, und Sie sind weiter entfernt von mir als der fernste Planet. Das ist Einsamkeit. Doch Einsamkeit ist nicht nur Energie, die uns in den Himmel heben kann, manchmal stößt sie einen in den Abgrund, und sie ist auch eine Zuflucht für verlorene Lieben.

Ich heiße Edouard Estaunié und bin Protokollant der Einsamkeit. Ich weiß, dass uns die Vergangenheit mit ihren Geheimnissen zu ersticken droht, unseren Raum verengt, unser Leben zusammenquetscht, bis sie es zerdrückt. Unter der sichtbaren Wirklichkeit verbirgt sich eine andere, die jeden, der sie erkennt, verblüffen würde. Keine Krankheit ist so schrecklich wenig greifbar wie diese. Je stärker uns die Einsamkeit bedrückt, desto tiefer wird unser Schweigen. Sie muss nicht dramatisch sein, doch ist sie gesättigt mit Trauer wie ein Sack Steine.

Wenn sich Erfahrungen häufen, kommt es zu chemischen Veränderungen im Gehirn. Das sieht man sehr gut bei Tieren; warum sollte es bei Menschen anders sein. Wenn man zwei Gruppen ausgewachsener Ratten

Oh, Andreas Ban verabscheut Ratten. Stefan Biber hielt 1300 Ratten in seiner Wohnung und unzählige Katzen. Urin und Exkremente bedeckten den Boden. Während die Katzen frei herumliefen, drängelten sich die Ratten in Käfigen, viele ohne Augen oder Beine. Die städtischen Behörden entzogen Stefan Biber deswegen die Wohnung, und er kaufte sich eine Zehn-Meter-Jacht, auf der er die Ratten und Katzen unterbrachte. Auf Bibers Jacht ging es den Ratten und Katzen nicht besser als in der Wohnung. Mitglieder des Tierschutzvereins kamen auf das Schiff und nahmen 37 Ratten und sechs Katzen mit, Biber zeigten sie wegen Tierquälerei an. Tierärztliche Untersuchungen ergaben, dass alle Stefan Biber entzogenen Tiere gesund waren. Biber erklärte öffentlich, er fühle sich als Opfer von Rache und Verfolgung.

Wenn man zwei Gruppen ausgewachsener Ratten, sagen wir einmal, achtzig Tage lang Lebensbedingungen aufzwingt, in denen man die Tiere in der einen Gruppe voneinander isoliert und unter jämmerlichen Bedingungen hält, während man die andere Gruppe zusammen lässt (in Gesellschaft, dann sind sie lebhaft), üppig ausgestattet mit Spielzeug und Auslauf, wächst bei den Ratten, die das »reiche« Leben leben, die Masse des cortex cerebri, und die Wirkung der Acetylcholinesterase im Gehirn verstärkt sich. Bei den anderen, in jeder Hinsicht verarmten Ratten nimmt die Masse des Cortex ab, das Hirn leert sich, die Erfahrung verflüchtigt sich, die Bilder verschwinden. Auch andere Hirnregionen der Ratten, die dynamischer leben, verändern sich positiv.

Ich retardiere, mein Gehirn schrumpft, a shrinking brain, sagt Andreas Ban.

Deine Stimme verliert ihre Modulation, Andreas, deine Sätze sind schleppend und monoton, du badest immer seltener, Andreas, und drehst Däumchen in der Stille.

Ein Mann, der sich zwei Stunden zuvor die Zunge abgeschnitten hat, wird in die Notaufnahme gebracht. Er hat sich auch die Hoden abgeschnitten, aber das ist jetzt nebensächlich. Der Patient wird als normal eingestuft. Bevor er sich ein Drittel der Zunge abschnitt, hatte sich der Patient in die Spitze und die Wurzel eine Ampulle Xylocain (Lidocain HCI 20 mg, Epinephrin 0,125 mg/ml) injiziert, damit er während der »Operation« keine Schmerzen spürte. Um die Ärzte davon abzuhalten, ihm das abgeschnittene Stück wieder anzunähen, hat er es mit einer Schere zerschnitten. Es blutet nicht besonders stark. Der Patient bekommt eine Tetanusspritze und wird zur Genesung nach Hause geschickt. Nach zwei Monaten spielt er russisches Roulette, mit tödlichem Ausgang. Der Patient hieß Danil Demidov und lebte in der russischen Enklave Kaliningrad.

Estauniés Einsamkeiten, Solitudes, erinnern Andreas an Lotis Islandfischer, ein Buch, das ihn als Jugendlichen zu Tränen gerührt hat. Auch jetzt schwankt er – soll er sich dem unersättlichen Meer überlassen oder weiter in Einsamkeit vegetieren?

Welch gigantische Wüste ohne Schatten und Wasser! Hör mal, Andreas, der Mensch kann sich nicht einmal seinem Nachbarn öffnen. Das ist das Elend aller einsamen Seelen, die, parallel zu ihrem konventionellen, öffentlich sichtbaren Leben, ein furchtbares, qualvolles, geheimes Dasein fristen. Sie sind stille Dulder. Den Zustand dieser Männer und Frauen, beschämt von ihrer zerstörten und zerstörerischen Stille, hättest du, Andreas, in deinem früheren Leben als Repression bezeichnet, streng fachlich, hochsprachlich, doch in dieser Stille bleibt das Leben nicht stehen, geht nicht zu Ende, sondern stirbt allmählich ab, wird gelähmt, vegetiert im Verborgenen, im Dunkeln. So ein Leben im Gewächshaus, in Isolation, ist ein qualvolles Leben. Das weißt du jetzt, Andreas. Man muss nur sein, nur existieren! Schreib, Andreas, schreib alles auf.

À quoi bon? À quoi bon?, fragt Andreas Ban Estaunié. Oder vielleicht fragt er niemanden, weil da niemand ist, vielleicht murmelt er nur und ringt nach Atem.

Dann steht plötzlich der depressive Conrad vor Andreas Ban, der versucht hatte, sich umzubringen, es dann aber aufgab:

Wer begreift schon, was wirkliche Einsamkeit ist – kennt nicht nur die gern gebrauchte Phrase, sondern ihr nacktes Grauen? Vor dem Einsamen trägt sie eine Maske. Auch der Verworfenste klammert sich an eine Erinnerung, an ein Wunschbild. So habe ich überlebt.

Ach, komm schon, Conrad, sagt Andreas Ban. Welche Erinnerungen, welche Illusionen. Erinnerungen sind eine Illusion, und Illusionen sind nicht greifbar. Couéismus für Idioten. Nur Blinde (und Verrückte) rezitieren das Mantra Tous les jours à tous points de vue je vais de mieux en mieux.1

Andreas Ban liest noch, immer weniger, aber immerhin. Er sucht Bestätigungen für seine Erkenntnisse, auch wenn er keine Zweifel hat. Er liest Diskurse über Dürers Melencolia, den Kupferstich aus dem Jahr 1514, von dem Benjamin behauptet, er stelle die Ertötung der Affekte, einen schweren Grad des Traurigseins dar. Doch Andreas Ban ist nicht traurig. Ich bin nicht traurig, sagt er. Dürers untröstlicher Engel weckt in ihm Mitleid, nicht Identifikation. Nur die Landschaft, die Landschaft mit transzendentem Meer im Hintergrund, wühlt Andreas Ban auf. Das ist meine Perspektive, sagt er und schaut zu seinen inzwischen morschen, geschlossenen Fensterläden. Das ist das Ende des Spiels, sagt er. Benjamin glaubt, jeder Gegenstand in Dürers apokalyptischer Welt enthalte »rätselhafte Weisheit«, nicht so Andreas. Blödsinn, sagt er, schließt das Buch und legt Dürer weg.