Irritiert seufzte ich auf und presste die Handballen auf meine Augen. Ein feiner, penetranter Kopfschmerz nistete sich in meiner Stirn ein, als ich auf die Briefe starrte, die in den vergangenen Tagen eingetrudelt waren. Eigentlich hätte ich mich freuen müssen - als ich vor Wochen meine Bewerbungen an die diversen Unis schickte, hatte ich nicht im Leben daran gedacht, überall Zusagen zu bekommen. Und das war nicht einmal arrogant gemeint, vielmehr einfach ...
Naiv? War das das richtige Wort?
Ich hatte einen verdammt guten Notenschnitt und der hatte mir nun so ziemlich jede Tür geöffnet, für die ich mich interessiert hatte. Meine Entscheidung wurde dadurch allerdings alles andere als leichter ...
»Paula? Bist du soweit?«
Die Stimme meiner Mom drang gedämpft durch die Zimmertür, und obwohl ich keinen Grund hatte, irgendetwas zu verheimlichen, zuckte ich zusammen. Meine linke Hand flog auf den Stapel Briefe, bedeckte sie halbwegs, als würde ich tatsächlich etwas verstecken wollen.
Vor meiner Mom, die vor der verschlossenen Tür stand.
Ich seufzte auf. »Ja, natürlich!«, rief ich mit glockenheller Stimme, die im krassen Gegenteil zu meinem Gefühlswirrwarr stand, und erhob mich schwerfällig von meinem Schreibtischstuhl. Vermutlich war es gar nicht verkehrt, dieses Thema zu verschieben - ich musste mich früh genug entscheiden.
Es war einer dieser gemeinsamen Abende. Nicht, dass Mom und ich nicht viel Zeit miteinander verbrachten, ganz im Gegenteil, aber unabhängig von unserem gemeinsamen Alltag hatten wir schon vor Jahren diese Tradition eingeführt. Ein- bis zweimal im Monat verbrachten wir unseren Mutter-Tochter-Abend zusammen. Wir hatten dabei schon alles Mögliche gemacht - Kino, schick essen gehen oder auch weniger schick, wir hatten auch sogar, kurz nach meinem achtzehnten Geburtstag und in den Schulferien, gemeinsam eine Cocktailbar aufgesucht. Mann, mir waren fast die Augen aus dem Kopf gefallen, als Mom mich dorthin verfrachtet hatte. Als ich sie daraufhin als »coole Else« bezeichnet hatte, wäre sie beinahe postwendend wieder umgedreht.
Ein Schmunzeln schlich in mein Gesicht, als ich an jenen Abend dachte. Nur flüchtig streifte mein Blick ein letztes Mal die Briefe, die auf meinem Schreibtisch lagen, und dann kehrte ich ihnen endgültig den Rücken zu.
Wir aßen bei unserem Lieblingsgriechen. Auch das kam ziemlich regelmäßig vor. Andere empfanden das vielleicht als spießig oder langweilig, doch wir genossen eben Gutes, wenn wir wussten, wo es das zu finden gab.
Nach außen hin mussten wir wirken wie immer - wir redeten und lachten viel, wir bestellten sogar nahezu das Gleiche wie sonst auch ... doch etwas war anders.
Ich spürte es.
Obwohl ich mal wieder mit den jüngeren Kellnern kokettierte und Mom mit dem Chef des Hauses, der dann gerne ab und an einen Ouzo für uns springen ließ, sah ich doch sehr deutlich diese Stressfalten in ihrer Stirn. Wenn man sich sein Leben lang kannte, lernte man, die Zeichen des anderen mehr als gut zu deuten.
»Ist alles okay, Mom?«, fragte ich zum wiederholten Male und ließ meine Mutter nicht aus den Augen, versuchte, jede noch so kleine Regung aufzufangen, die sie womöglich verriet. Doch da war nichts.
»Herrgott, Paula, natürlich ist alles okay!«, gab sie zurück, und man hörte ihrer Stimme an, dass sie ungeduldig wurde. »Wie oft willst du mich das denn noch fragen?«
Ich seufzte auf und spreizte meine Finger entschuldigend. »Sorry. Es ist nur so ein Gefühl.« Möglichst schwungvoll deutete ich auf ihren Teller. «Isst du den Krautsalat noch, oder kann ich den Rest haben?«
Der Themenwechsel schien zu funktionieren - Mom lachte auf und schob mir dann ihren Teller zu, damit ich den Salat mopsen konnte. Ich hatte eine Schwäche für das Zeug - eine, die ich nicht von ihr geerbt haben konnte, denn von allen Salatsorten, die sich auf einem Teller tummelten, bevorzugte sie wirklich jede einzelne gegenüber dem weißen Kraut.
Sogar das dunkelrote, krause Zeug, bäh!
»Kann es sein, dass du gerade lediglich von deiner Nervosität ablenken willst?«
Was für ein Einwand! Ich schaffte es nur mit viel Mühe, meine Augen deshalb nicht zu verdrehen. »Mom, du weißt doch, dass ich mir keine großen Sorgen um die Prüfungen machen muss.«
Das stimmte nur so halb. Ja, ich musste mir keine Sorgen machen, denn ich war wirklich gut und hatte auch schon den Großteil des Stoffes verinnerlicht. Aber dennoch ... in meinem ganzen Leben hatte ich noch keine derart wichtige Prüfung bestanden (abgesehen vom Führerschein, durch den ich beinahe mit wehenden Fahnen geflogen wäre, doch das war eine andere Geschichte), und das schüchterte mich natürlich etwas ein. Ich wollte jedoch nicht, dass meine Mom an mir zweifelte.
»Das weiß ich, mein Schatz, aber gleichzeitig kann ich mir nicht vorstellen, dass du deshalb nicht nervös wirst. In zwei Wochen um diese Zeit hast du schon deine schriftlichen Prüfungen hinter dir. Das ist nicht mehr lange.«
Ich konnte nicht anders und seufzte entnervt auf. »Ich bin nicht nervös, okay? Aber du musst mich auch nicht so grausam daran erinnern!«
Ein leises, wissendes Lachen entkam meiner Mutter. »Alles klar, Paula. Kommt nicht mehr vor.«
Warum nur hatte ich den Eindruck, als wenn sie mir kein einziges Wort glaubte?
Erst, als wir ein Dessert zum Nachtisch bekamen, wie immer ein kleiner Gruß aus der Küche, nur eben am Ende einer Mahlzeit, dachte ich wieder darüber nach, dass meine Mom etwas stiller und blasser wirkte als sonst. Ihr Ablenkungsmanöver, meine Prüfungen betreffend, hatte zumindest zeitweise funktioniert. Nur weil ich mir auf die Zungenspitze biss, konnte ich verhindern, ein weiteres Mal nachzufragen, was ihr tatsächlich auf dem Herzen lag, stattdessen schaufelte ich mit gespielter Verzückung die Quarkcreme in meinen Mund, obwohl in meinem Bauch eigentlich gar kein Platz mehr war für irgendeine Form der Nahrung. Und als der Kellner kam, um uns abzukassieren, wirkte sie auf einmal wieder so normal wie immer, dass ich mich ernsthaft fragte, ob ich mir diesen Schatten in ihrem Gesicht wirklich einfach nur eingebildet hatte.
In dieser Nacht lag ich noch sehr lange wach. Selbst als ich anfing, ein paar nette, wenn auch unverfängliche Nachrichten mit Max auszutauschen, konnte ich mich nicht recht beruhigen. Irgendwie schien dies sogar meine innere Unruhe nur zu verstärken.
Wir hatten in den vergangenen Wochen viel Zeit miteinander verbracht, sehr zum Leidwesen meiner Mutter. Dabei wusste sie, wenn überhaupt, nur von der Hälfte unserer Treffen. Auch hatte ich ihr nie erzählt, wer genau eigentlich Teil meiner Lerngruppe war - und noch weniger, dass ich einen Teil der Lernzeit mit Sicherheit nicht mit dem Stoff verbracht hatte, den ich noch in mein Hirn zu prügeln versuchte.
Bei dem Gedanken an Max färbten sich meine Wangen hellrosa.
Max versuchte, mich mit lieben Nachrichten aufzumuntern, obwohl er gar nicht so recht wusste, was genau mich eigentlich bedrückte. Er hatte so eine Art - fürsorglich irgendwie, bemüht - die ihn von anderen Jungs in seinem Alter abhob. Er war nicht nur daran interessiert, dumme Sprüche zu klopfen und cool zu sein vor seinen Kumpels, indem er uns Mädels offen auf die Titten starrte oder blöde Kommentare abließ. Stattdessen hatte er etwas ruhiges, verletzliches an sich. In einer anderen Stadt wäre er deshalb vielleicht von den anderen Jungs ausgelacht worden, doch hier, in unserem Viertel und auf unserer Schule, funktionierte es herrlich. Die meisten Mädels waren scharf auf ihn, das wusste ich. Und dennoch interessierte er sich nur für mich. Diese Erkenntnis löste ein warmes Kribbeln in meiner Magengrube aus.
Ich wusste, dass Mom das alles sehr alarmiert hätte, weshalb ich nicht darüber sprach. Vermutlich wurde es dadurch aber nicht besser. Ich hätte ihr zum Beispiel durchaus sagen können, dass ich eine brave, brave Tochter war und immer noch Jungfrau, doch vermutlich wäre sie so oder so ausgeflippt.
Als Max mir nun anbot, vorbeizukommen und zu kuscheln, da ich dann sicher auf andere Gedanken kommen würde, Zwinker, Zwinker, war ich mir zumindest fast sicher, dass das nur rein hypothetisch gemeint war. Natürlich hätte ich mich niemals in meine Klamotten geschmissen, um seinem Angebot nachzukommen, auch wenn ein Teil von mir kurz mit diesem Gedanken spielte. Ein sehr kleiner Teil zwar, aber immerhin.
Doch leider würde es mir nicht weiterhelfen, mich in seine Arme zu flüchten, ganz im Gegenteil. Das, was mich so sehr beschäftigte, was mich am Tage so nervös gemacht hatte und mir nun den Schlaf raubte, war eine ganz und gar fürchterliche Entscheidung - und zwar eine, die ich leider so ziemlich alleine treffen musste. Eine, die mir sowohl von Max als auch von meiner Mom nicht leichter gemacht werden würde, ganz im Gegenteil. Mom und ich hatten so ein enges Verhältnis, waren uns so nahe. Es war nur verständlich, dass ihr die Vorstellung, dass ich fortziehen könnte, nicht behagte. Manchmal machte es mir ja sogar selber Angst. Gleichzeitig wusste ich jedoch, dass es Zeit wurde, mich zu lösen.
Ich musste mich bald entscheiden, auf welche Universität ich gehen würde, und das würde maßgeblichen Einfluss auf mein direktes Umfeld haben.
Würde ich hierbleiben? Ich hatte mich an derselben Uni beworben wie Max auch, nur für einen anderen Studiengang. Oder würde ich mich für eine der anderen entscheiden? Ich hatte die Wahl - vor Ort bleiben, wenige Kilometer wegziehen oder gleich ein ganz schönes Stück.
Und ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie ich mich entscheiden sollte.
Die Entscheidung fiel schließlich wenige Tage später, wie nicht anders zu erwarten war, dank Mom.
Ich saß gerade im Wohnzimmer und überflog meine Notizen zur Erlebnispädagogik nach Montessori, als sie von der Arbeit kam, seufzend und gestresst und irgendwie müder als sonst. Ohne ein weiteres Wort fiel sie plumpsend neben mir auf die Couch und lehnte ihren Kopf nach hinten. Ich sah aus dem Augenwinkel, wie sie ihre eigenen Augen zusammenkniff, ehe sie sich energisch durchs Gesicht rieb und so ein wackeliges Lächeln zutage beförderte.
»Hey, mein Schatz. Wie war dein Tag?«
»Ganz okay«, gab ich zurück, schaffte es jedoch nicht gerade, überzeugend zu sein.
Sie lachte kurz auf. »Dann können wir uns ja die Hand reichen. Hast du noch viel zu tun? Wie wäre es, wenn wir nachher Pasta machen und uns einen Film anschauen?«
»Ich wollte eigentlich noch -«, begann ich, führte den Satz jedoch nicht aus. Das musste ich auch nicht, denn meine Mutter war schneller.
»Zu Max?«, presste sie seufzend hervor. »Meinst du nicht, du solltest dich jetzt lieber auf deine Prüfungen konzentrieren?«
Normalerweise konnte ich besser mit solchen Situationen umgehen, doch meine Nerven waren langsam wirklich angespannt wie Drahtseile, und die Überfürsorglichkeit meiner Mutter ging mir gehörig auf den Keks. »Und da denkst du, ein Film mit dir wäre besser, oder was? Willst du mich parallel abfragen, oder wie hast du dir das vorgestellt? Sollen die Nudeln in mathematische Formeln gelegt werden?«
Ich wusste, dass ich zu weit ging, noch ehe die Worte ganz ausgesprochen waren, doch in diesem Moment war ich einfach viel zu frustriert, um dem Beachtung zu schenken. Genervt warf ich meine Unterlagen auf den Tisch und rieb meine Nasenwurzel.
»Dünnes Eis, mein Schatz, und schon gar nicht in diesem Ton. Du weißt genau, dass ich es so nicht gemeint habe«, empörte sich meine Mutter und ich glaubte ihr aufs Wort - sie meinte es nie böse, ganz sicher nicht, doch irgendwann reichte es einfach. Es wurde zu viel. Ich spürte es allzu deutlich: Ich wurde wirklich und wahrhaftig erwachsen. Bald würde ich einen neuen Lebensabschnitt einläuten und studieren gehen, die bisherige Fürsorglichkeit meiner Mom fände also ein Ende.
Die Worte formten sich erst in meinem Kopf, dann sogar in meinem Mund, ehe ich es verhindern konnte.
»Ich ziehe aus.«
Für einen Moment herrschte Schockstarre - alles schien die Luft anzuhalten, nichts zählte mehr. Nichts außer diesem Ausdruck von Verwirrung und anschließender Verletztheit in den Augen meiner Mom.
»Was?«, brachte sie schließlich hervor, und ihre Stimme wirkte perplex und traurig zugleich. Als hätte sie es wirklich nicht kommen sehen.
»Ich habe mehrere Zusagen bekommen«, redete ich weiter, obwohl ich nicht wusste, ob das ein Fehler war oder nicht. »Es wäre gut, wenn ich woanders studiere. Ich muss meine eigenen Wege gehen. Ich muss eigene Fehler machen können und muss erwachsen werden. Mom, ich weiß, dass du es nur gut meinst, aber ...« Du erdrückst mich. Genau das wollte ich sagen, denn so empfand ich in diesem Moment, doch ich wollte auch nicht überzogen reagieren. Ich wollte sie nicht verletzen, das war das letzte, was ich wollte. Umso mehr schmerzte es, die Träne zu sehen, die sich aus ihrem müden, linken Augenwinkel löste.
»Bist du dir ganz sicher?«, fragte sie mit leiser Stimme nach.
Obwohl ich mir überhaupt nicht sicher war - ich wusste ja nicht einmal, woher diese Entscheidung plötzlich kam -, nickte ich, tat ganz überzeugt. »Ja. Es ist richtig so, davon bin ich überzeugt.«
»Und alles nur wegen Pasta«, murmelte meine Mutter, und in diesem Moment war auch mir zum Heulen zumute.
»Hey, Paula.« Wie üblich begrüßten wir uns mit einem kleinen Kuss, als ich durch Max’ Haustür schlüpfte. Wir hatten uns nur wenige Stunden nicht gesehen, und doch stellte er mir dieselbe Frage wie immer. »Wie war dein Tag?«
»Ganz okay«, nuschelte ich ihm zu und ignorierte das Ziehen in meiner Magengrube, als ich das Funkeln in seinen Augen sah. Ich wusste, was das bedeutete. Wie viel ich ihm bedeutete. Und ich wusste auch, dass meine Augen ähnlich aussahen, wenn ich ihn anblickte. Aber gerade war das nicht unbedingt das, was ich sehen wollte. »Ich muss mir dir reden.«
Vermutlich war es die Art und Weise, wie ich diese furchtbar klischeehaften Worte aussprach, auf jeden Fall erkannte Max sofort, dass es nicht um die üblichen kleinen Dramen einer fast erwachsenen Frau ging, denn sein Gesichtsausdruck wechselte ziemlich schnell von entspannt zu wachsam. Ich fühle, wie mein Herz zerbrach. Er wusste vermutlich, was nun kommen würde. Diese Gewissheit machte es mir nur leider nicht einfacher.
»Wollen wir ... hochgehen?«, brachte er hervor, und alleine die Unsicherheit in seiner Stimme ließ mich fast schon bereuen, was ich nun zu tun gedachte.
Ich nickte ihm nur zu und folgte ihm dann. Er ließ eindeutig seine Schultern hängen.
»Du gehst weg, oder?«
Seine Zimmertür war noch gar nicht richtig hinter uns ins Schloss gefallen, als er mich bereits mit seinen Worten konfrontierte. Ich hatte fest eingeplant, ihn behutsam darauf vorzubereiten, und nun nahm er mir all meine zurechtgelegten Worte vorweg?
Mein Blick glitt über sein aufgeräumtes Zimmer, nahm die typischen männlichen Accessoires auf. Blind starrte ich auf die Pinnwand hinter seinem Schreibtisch, auf der ein Bild von uns beiden im Zentrum prangte. Von einer Party, auf der wir uns auch nähergekommen waren, betrunken grinsend aneinandergepresst, mit schwitziger Stirn und fröhlichen Augen.
»Jep«, brachte ich schließlich lahm hervor.
»Wohin?«
»Paderborn?« Ich hasste, dass es eher wie eine Frage denn wie eine Feststellung klang, doch das war eigentlich auch kein Wunder. So wirklich konnte ich vermutlich niemanden mit meiner Entscheidung überzeugen. Warum zur Hölle wählte ich diese Stadt - die kleinste Großstadt, wie sie sich schimpfte - im tiefen Ostwestfalen, 350 Kilometer von Zuhause entfernt, wenn ich auch noch ganz andere Angebote hatte? »Die sollen eine der besten Fakultäten haben, was Medienwissenschaften betrifft«, erinnerte ich ihn und auch mich daran, warum ich mich überhaupt dort beworben hatte. »Und die Stadt hat Charme, soweit ich die Bilder beurteilen kann. Ich schätze, dort könnte es nett werden.«
Max trat näher - wollte mich in den Arm nehmen, da war ich mir sicher -, doch kurz vorher schien er es sich anders zu überlegen. Sein Blick trübte sich. »Du könntest auch hier studieren. Unsere Uni bietet Medienwissenschaften ebenfalls an. Und sie hat auch nicht den schlechtesten Ruf.«
Ich schüttelte traurig meinen Kopf. »Ich weiß, aber ich muss das tun.« Für mich. Wieder ein Gedanke, den ich unausgesprochen ließ. Auch so schien Max schon genügend unter meiner Entscheidung zu leiden. Verdammt, ich hasste das. Gleichzeitig spürte ich aber auch mit jeder verstreichenden Minute, wie ich mich mit der Entscheidung, wegzugehen, immer besser fühlte.
Ich sah zu, wie ich Max das Herz brach, und für einen weiteren Augenblick fragte ich mich, ob das zwischen uns nicht längst schon mehr war, als ich jemals gedacht hatte, doch dann schloss ich meine Augen, um das Ganze von mir zu schieben. So hatte es meine Mutter ja auch gesagt, oder nicht? Vor genau so etwas hatte sie mich gewarnt, ich tat also eigentlich genau das Richtige, indem ich nicht für Max (oder für sie) hierblieb, nicht wahr?
»Okay«, war schließlich alles, was Max dazu sagte. Und dann nahm er mich wirklich in den Arm. »Es gefällt mir ganz und gar nicht, aber, verdammt, ich kann dir nicht vorschreiben, hier zu bleiben.«
Einmal mehr überraschte er mich. Max war in vielerlei Hinsicht so viel mehr als ich. Erwachsener, klüger. Ich hatte mit mehr Widerstand gerechnet, mit Streit, stattdessen schluckte er den Schmerz für mich hinunter.
Erneut zweifelte ich meine Entscheidung für einen winzigen Augenblick an, als mein Herz irgendwie doch brach, und ich gab mich seiner Umarmung hin.