Aus dem Englischen
und mit einem Nachwort
von Esther Kinsky
SZENEN AUS SCHOTTLAND
GREENDEN
DAS LAND
MUMM
SIM
GLASGOW
ABERDEEN
LEHM
ANHANG
ANMERKUNGEN
SCHOTTLANDKARTE
NACHWORT VON ESTHER KINSKY
PORTRÄT JAMES LESLIE MITCHELL
BIOGRAFIEN
Gelacht haben die Leute, wie sie gehört haben von den Menschern, die sich da auf dem Hof von Greenden niederlassen wollten, westlich vom Tulloch am Bervie Water. Fünfundvierzig Morgen Land dort, im waldigen Tobel gelegen, in der Sohle stand das Wasser, was nicht verwundert, so tief wie es dort durch den Wald hinabging. Mittendrin stand das Gehöft, es war alt und ganz dunkel: Von der Küchentür sah man ringsum und hangaufwärts beinah nichts als Urwald, ganz von der Welt geschieden, so dicht wuchsen drum herum und zwischen den Bäumen der Brambusch und der Ginster. Aber wenn es Abend wurde, dann wars manchmal so, dass man über die Bäume hinweg und über das wild verwucherte Ödland des Moors das letzte Sonnenlicht sah, wie es seine Funken auf den Grampian Hills entzündete und dann zu Bett ging. Und dieses Licht im trüben Duster, das war wohl fast alles, was einer an der Küchentür auf Greenden von der Welt zu sehen bekam.
Ja, der alte Grant hatte dort Land bestellt, bis er starb, eine zähe alte Sippe – ganz schön stark in den Händen, wiewohl schwach im Kopf, so hieß es beim Murdoch vom Gutshaus. Denn einer konnte kaum was verstehn von dem, was er sagte, er flüsterte und flüsterte nur, und hat sogar geflüstert wenn er sein Pferd angeknurzt hat dort im Windschutz des Waldes, der auf Greenden schaut. Kaum war er tot, da ist die alte Frau nach Drumlithie gezogen, hat sich einen kleinen Kotten gemietet und von seinem Silber gelebt, und manchen Abend sagte sie zu einer Freundin: Ach, wie gut ist mir, dass ich hier bin und bei meinen Kindsleuten. Zuerst dachte jeder, ihr Mann wird ihr fehlen, der Pastor kam, der Kerl von der Free Kirk, ganz schön fromm hat er geschnieft und durch die Nase gesprochen: »Sie werden ihn droben im Himmel wiedersehen, Mrs Grant.« Da ist sie aber zusammengezuckt, ja und sie hat fast die Teekanne fallen lassen und gesagt: »Na, aber so was, wirklich? Fürwahr doch, darauf hab ich nicht gerechnet.«
Ja, so waren sie also weg von Greenden, die Grants, und da lag der marodige Ort leer den Winter hindurch, keiner hat dem Verwalter auch nur ein Angebot gemacht; man konnte wohl auf bessere Ideen verfallen, als sich beim Düngen des öden roten Lehms im Tobel die Seele aus dem Leib zu schuften. Dann aber hieß es auf einmal, es habe sich schließlich doch noch ein Pächter gefunden, es war kein Bauer, den der Verwalter zur Miete nahm, sondern ein Stadtmensch, der hatte sein Lebtag nicht Pflug noch Hacke in der Hand gehabt, und Murdoch im Gutshaus wusste was von ihm zu erzählen. Denn der hatte das Mensch und seine Frau im ganzen Bezirk herumkutschiert, und wie sie an den Feldern von Pittendreich vorbeikamen, da hatten sie eine alte Walze vom alten Pittendreich gesehen, draußen im Acker hat sie gelegen. Und das Frauenzimmer hatte das Ding angeschielt: »Wie schade drum, da wird es ganz rostig!« Und dann hatte sie Murdoch angesehen wie ein dösiges Kind.
Die Leute hörten sich das an, und hier und da lachten sie wohl auch, manche sagten, es sei zwar lustig, doch sicher gelogen, denn jeder wusste doch, dass dieser grobe Murdoch lügen konnte wie ein Kesselflicker, wenn er in Laune dazu war. Ob es nun stimmte oder nicht, denken tat man doch an diese Menscher, Simpson hießen sie, die Greenden gepachtet hatten und Ende Februar einziehen sollten. Ha, dort würden sie anderes vorfinden als ihre Straßen in Glasgow, dieses Stadtvolk, das wusste ja gar nicht, was Arbeit war.
So kamen sie also nach Greenden, diese Simpsons, ihr Zeug und die Möbel kamen über Bervie, und dorthin fuhr der Simpson, um zwei Karren zu mieten, dass er die Sachen hinunterschaffen konnte. Webster der Krämer hatte an dem Tag keine Runde zu fahren und kutschierte den einen Karren, den anderen fuhr George Simpson, es war schon ganz spät, wie sie in den Tobel kamen, bergab durch den dickichten Wald, Lärchen standen dort, die Stämme so eng an eng, dass hier schon finstere Nacht lag, obwohl auf der Landstraße an der Küste lang noch helllichter Tag war. Doch dann sahen sie, wie unten im Tobel endlich eine Laterne im Duster angezündet wurde, sie glomm auf und leuchtete bei der Küchentür. Und wie die Karren in die Einfahrt gerumpelt kamen, da stand die Frau vom Simpson wartend bereit, mit der Laterne in der Hand.
Webster hat einen Blick auf das Mensch geworfen und schon gemeint, sie möchte wohl eher Simpsons Tochter sein, nach einem Weibsbild sah sie nicht aus, so mager und schmal, hübsch auf ihre Art, und ihre Augen blickten sanft. Sie lachte Simpson entgegen, der hinterdrein kam, dann lächelte sie dem Krämer zu und rief in so einer englischen Stimme: »Ihr habt lange gebraucht. Ich hab schon gedacht, ich müsste die Nacht hier verbringen – ich ganz allein in Greenden.«
»Na, Frau Simpson, da wär Euch kein Leid geschehn«, hat Alec Webster gesagt. Und sie hat genickt. »Das weiß ich wohl … und gewiss, hier lässt es sich schön leben auf dem Land.« Und sie hat ihn angelächelt wie ein Mädchen, das dumm im Kopf ist. Er hat sie sich besehen, bedachtsam, langsam und still, der Alec, er konnte sich noch keinen Reim auf sie machen, auf ihr Lachen und dieses Beben, das sich in ihrem Lachen verbarg.
Dann hat er abgeladen und ihnen mit ihrem Zeug geholfen, so viel sperriger Kram, den sie von Glasgow mitgebracht hatten. George Simpson, der hat ganz schön gestöhnt und geächzt, obwohl er so ein langer Kerl ist, und sein dösiges Gesicht hat er verzerrt, als hätte ihm einer mit Wucht in den Hintern getreten. Aber mit seinen Lungen wars schlimm, das hat er dem Krämer erzählt, wegen den Lungen war er raus aufs Land gekommen, hat er gesagt. Und wie Murdoch im Gutshaus das gehört hat, da hat er gesagt: »Meiner Treu, dem Kerl wird hier wohl eher die Anatomie abhanden kommen, als dass er auf den Feldern da im Tobel was zulegt.«
Nun hatten sie sich also dort niedergelassen, Simpson und dieses Fitzel von einer Frau: Sie sah so leicht aus, als könnte der Wind sie abends von der Küchentür wegblasen, wenn sie aufmachte und zum Krämer hinaustrat, der ihr freitags mit dem Wagen ihre Bestellungen brachte. Alec Webster war gut von Gemüt, und er rief: »Herrje, Frau Simpson, Sie sind jetzt nicht mehr zu Haus in Glasgow, hier brauchts einen Rock mehr als dort!« Aber sie lachte nur: »Mir ist ganz wohl so – hören Sie doch nur, die Bäume!« Und der Krämer horchte und er hörte sie wohl ächzen, er drehte den Kopf und starrte in den Wald, der stand so wie immer da, hat er gedacht, wozu soll einer da stehenbleiben und horchen? Das hat er sie, die Ellen Simpson auch gefragt und betrachtet, wie sie so bleich und still gestarrt hat. Und dann ist sie zusammengezuckt und hat ihm wieder so wunderlich zugelächelt. »Ach, nichts. Entschuldigung. Aber ich muss immerzu lauschen.«
Nun ja, sie mag gewusst haben, was sie gemeint hat, er sicher nicht. Er hat ihr verkauft, was sie bestellt hat – ordentlich viel hat sie bestellt – und fuhr wieder hinauf im Februardunkel, und im Vorüberfahren hörte er ein Husten und Hecheln bei der Scheune, und er dachte sich was wegen dem Simpson und seinen Lungen. Der würd hier nicht lange den Ofen heizen.
Die Frau vom Murdoch, die ging schon mal runter nach Greenden zum Tee. Aber sie konnte die Frau vom George Simpson nicht ab, dieses Mensch, das ging ihr doch einmal auf die Nerven mit ihrem Huschen und Trippeln hin und her, und mit ihrem Lachen und diesen riesigen Augen in dem kleinen Puppengesicht von ihr. Der Simpson, der tat ihr leid, sagte die Frau vom Murdoch, mit diesen Lungen von ihm und dieser Frau dazu, wenig Trost am Tag und noch weniger im Bett, wenn man sie fragte, sie würde lieber mit einem Federchen schlafen als sich in einer bitterkalten Nacht auf so was zu verlassen.
Und dann machte Gerede schnell die Runde, dumm wie Gerede nur sein kann, warum sie von Glasgow weg und nach Greenden gekommen sind. George Simpson selbst hat es erzählt, als er einmal am Abend bei den Murdochs saß, da spazierte er gern hin, immer mal wieder, und machte der Tochter schöne Augen, der Jeannie. Von Glasgow weg waren sie deshalb gezogen, weil seine Lungen so krank waren, jeder sah, er würde es nicht mehr lang machen mit seiner Schreibstubenarbeit, er würde bald nur noch gut für den Schinder sein, jawohl. Er müsste raus aus der Stadt, das hatten die Ärzte gesagt, doch stand ihm selbst nicht der Sinn danach, und seiner Frau noch weniger, sie war ein Stadtkind, das Landleben machte ihr Angst, der Ellen, das hatte er wenigstens gedacht. Am nächsten Sonntag nämlich sind sie in die Kirche gegangen, und ein Kirchenlied wurde gesungen, das brachte das Blatt zum Wenden im Kopf von der Ellen Simpson. Und dieses Kirchenlied das fängt an mit den Worten:
Ein grüner Hügel steht dort fern
Weit vor der Mauer einer Stadt
Wo man ans Kreuz schlug unsern Herrn
Der uns im Tod erlöset hat
Auf dem Heimweg nach dem Kirchgang hat die Ellen Simpson das Lied immer wieder gesummt und bekam es nicht aus dem Sinn, und auf einmal hat sie gesagt, sie müssen jetzt weg von der Stadt, sie müssen jetzt einen Hof finden, wo George draußen im Freien arbeiten kann und wo seine kranken Lungen wieder heil werden.
Also, er hatte zuerst von alldem kein Wort hören wollen, das hat er den Murdochs an dem Abend in ihrem Haus erzählt, er meinte, die Arbeit auf einem Hof würde ihn umbringen. Doch Ellen hatte sich den Plan fest in den Kopf gesetzt, deshalb machte er sich auf die Suche nach einem Ort, ihr zu Gefallen. Er hatte nicht so viel Bares, um Ställe mit Vieh zu füllen, und im Süden war Land überteuert, doch hier oben in den Mearns, hier hat er Greenden gefunden, und sein Geldbeutel hat gereicht für die Pacht. Da hat er seine Frau hergeholt, damit sie es sich anschaut, und sie hatte dagestanden und in dieses Talloch hinunter gestarrt und dabei fast ausgesehen, als schrecke sie angstvoll zurück. Doch dann hatte sie gesagt, ja, sicher, das müssten sie nehmen, und so hatten sies genommen, und jetzt waren sie hier, und ihr gefiel es wohl gut.
Ihr mochte es wohl gefallen, fürwahr, dem blöden Geschöpf, sagten die Leute. Sie hatte ja nichts zu schaffen mit dem Regen in diesem Jahr oder dem blöden Pflügen des schlechten roten Lehmbodens von Greenden. Ja, der Simpson, der war ein braver Kerl, ein bisschen trübselig vielleicht, aber herrje, der war ja auch ein Tölpel, dass er sich von einer feinen Anstellung in der Stadt hatte wegholen lassen zum Placken und Schuften auf einem Hof, bloß um seiner Frau, dem dummen Ding, zu willfahren, und den hochtrabenden Bildern, die sie sich wegen einem Kirchenlied ausmalte. Leute mit einem Funken Verstand, die wussten doch, dass man solche Lieder eben bloß sang, süß und fein, und dann dachte man nicht mehr an die vermaledeiten Dinger.
Nass wars in diesem Frühjahr: Der März kam mit Regenfluten, die den Howe der Länge und Breite nach furchten; wer im Bett auf der Wandseite lag, hörte jede Nacht das Wasser schurscheln, die Seemöwen kamen von Bervie herauf und krakten ohne Unterlass über den Äckern. Drunten in Greenden war es mit am schlimmsten. Und der Simpson mit seinem Husten, der arme Bursche, der hätte wohl im Bett bleiben sollen, warm eingewickelt in seine Decke, aber für dieses Frauensmensch, für die kam das gar nicht in Frage, sie lachte ihn aus und triezte ihn bis zur Weißglut: »Na komm schon, George, der Tag ist halb vorbei! Das Wetter geht doch, zum Pflügen ist es grade gut.«
Raus musste er dann, und den Pflug angespannt, und langsam ging er Schritt um Schrittchen, auf und ab auf dem Feuchtwiesenland unten im Tobel. Sein Pflügen, das war wohl eine Augenweide für einen Halbblinden, sonntags kamen die Knechte aus den Gesindebuden vorbei, sie schlaksten den Tobel hinab und stellten sich hin und lachten über die Furchen, die krumm und quer verliefen: »Dammich, die haben wirklich kein Grips im Kopf, die in der Stadt!« Dann hörten sie die Frau Simpson nach ihren Hühnern rufen und sahen, wie sie so püppchenklein über den Hof rannte, um etwas zu holen, zu bringen, Simpson, der arme Kerl, der blieb sonntags im Bett.
So ging das Frühjahr seinen Gang, gutes Pflanzwetter kam, im Mai glühte die Sonne, und den ganzen Howe entlang schüttelten die Leute den Kopf. Bei einem solchen Frühjahr konnte man sich drauf verlassen, dass es im Sommer graupelte, so gut wie sicher. Aber noch blieb es schön, und Murdoch vom Gutshaus schlakste ab und zu mal hinunter in den Tobel, um zu sehen, wie es denn dem Simpsonburschen erging. Fürwahr, der hatte nicht gerastet und geruht, der hatte seine Felder so weit wie alle anderen auch. Murdoch hatte ihn gut einen Monat lang nicht gesehen und ist beinah erschrocken, wie der Simpson die Walze ablegt und stehenbleibt, um zu reden. Er war größer und dicker geworden, sein Gesicht gut gepolstert, man sah ihm die Stadt kaum noch an. »Je, Mann, du bist ein rechter Bauer!«, hat Murdoch zu ihm gesagt.
Und der Simpson, der hat schwach gelächelt, so wie ein wahrer Dulder, mit seinem dösigen Gesicht wie ein geschundener Ochs, und hat gesagt: »Vielleicht«, und hat sich auf seine Lungen gepocht, als sollte er darauf horchen. Und er hat erzählt, wie ihm abends, wenn er ins Bett geht, der Rücken wehtat, als sollte er zerbrechen, doch Ellen, die lachte nur, die hatte keine Ahnung, was Krankheit war, und er war nicht der Mann, der es ihr aus Furcht sagen würde. Da sah Murdoch, wie es dort zuging, Simpson, der brave Kerl, der schuftete sich ins Grab mit seinen schlimmen Lungen, nur seinem dummen Weib zu Gefallen. Tun konnte er nichts dagegen, der Murdoch, er hat bloß gesagt: Herrje, soll er doch zu ihnen kommen ins Gutshaus, sie würden sich freuen. Ellen, das Fitzel von einer Frau, das hat er nicht mit erwähnt, von der war verdammt kein Spaß zu erwarten, so wie die lachte und horchte und mit den Augen flackerte, die ging einem ganz schön auf die Nerven.
Von all dem Regen und der Sonne war der Tobel ganz früh in diesem Jahr schon richtig saftiggrün – der Krämer meinte, es wär dichter als er es je gesehen hätte – der Ginster füllte die Zwischenräume zwischen den Lärchen an den Hängen, die hinter dem alten braunen Gehöft im Tobel aufstiegen. Ellen Simpson kam herausgelaufen, sobald sie die Räder seines Wagens hörte, und rief ihm einen guten Tag zu und brachte die Eier hinaus und stand still, während er zählte, langsamer, bedacht wie er war, aber einmal, da hob er den Kopf und sagte: »Herrje, ist das still!«
Und da standen sie beide und lauschten in diese Stille, kein Ton war zu hören, kein Ding war zu sehen, außer diesem grünen Kessel, der sie horchend umgab. Und Ellen Simpson, die lächelte ganz blass und sagte: »Ja, still ist es – und ich hätt gern zwei Laib Brot und auch Tee bitte.«
Webster hat sie sich angeguckt, sie war dünner geworden, nur noch ein Hälmchen, doch immer noch lächelnd, und er mochte sie gern, wohl kein Mensch im ganzen Bezirk tat das außer ihm. Die meisten sagten, sie wäre von ihrem Jähzorn so dünn, wahrhaftig! Immerzu triezte sie den Mann, raus mit ihm und ran an die Arbeit, dabei war er doch praktisch Invalide oder so was.
Reines Glück, dass sie ihn nicht auf dem Gewissen hatte, und man kann ihm keine Schuld geben, dass er sich das zur Gewohnheit gemacht hat, praktisch jeden Abend ging er jetzt den Hang hinauf vom Tobel zum Gutshaus und zu seinen Murdochfreunden. Jeannie Murdoch und er, die scherzten und schäkerten – sollte er ihnen gegönnt sein der Spaß, da waren die Leute sich eins: der arme Kerl, der hatte ein bisschen Lachen mal nötig, er mit seiner Frau und ihrem Geflatter, das konnte einem ordentlich gegen den Strich gehen. Es ging ihm wohl besser, das gab er zu, der Simpson, umso mehr wollte ers lustig haben, wenn er abends am Feuer saß, und nicht immerzu hören wie einer rief: »Ach George, meinst du, es geht mit den Lungen jetzt besser?«
Jeannie Murdoch aber, die sagte: »Nein, aber wirklich. Nu setzen Sie sich her, ich mach Ihnen einen schönen Tee!«
Und George Simpson, der lachte sein lautes dösiges Lachen: »Meiner Treu, Jeannie, du bist ein Mädchen nach meinem Geschmack.«
Und der Murdoch und seine Frau, die hörten zu und guckten mal schief, und Frau Murdoch zog ihr großes Gesicht lang, vielleicht ging Jeannie ein bisschen zu weit mit einem Mann, der verheiratet war – doch sicher redeten sie bloß im Spaß so daher. Wär da nicht dieses Fitzel von einer Frau, diese Ellen, dann könnte man den Simpson sich gut zum Schwiegersohn wünschen, ein bisschen schwer von Begriff und ein bisschen trübe, aber ein feiner, aufrechter Bursche war er doch.
Die Leute fragten sich schon, was sie wohl von diesen Ausflügen hielt, die Ellen Simpson, alleine da unten in Greenden. Doch sagte sie nie auch nur ein Sterbenswörtchen zu einem, nicht dass sie viel Gelegenheit hatte. Sie lächelte bloß, lief und brachte schnell Tee, nett war sie schon, das Mensch, das musste man sagen, bloß mochte man sie einfach nicht gernhaben, man fühlte sich nicht wohl neben ihr und fragte sich schließlich, was einem wohl fehlte – und dann, wenn man durch die Dunkelheit heimging, dann fantasierte man sich was Dummes zusammen wie schwangere Frauen, als bewegten sich die Bäume und als flüsterte der Ginster und als wäre ein Tier mit leisem Atem einem auf den Fersen. Und dann sah man hin, und es war bloß ein Brambusch, an dem man da vorbeigegangen war.
Doch wie der Sommer so seinen Gang ging, da sah man sie des Abends an der Küchentür stehen, wenn das Licht schwand und das Dunkel kam: Ab und an kam eine Menschenseele und traf sie dort an, dann fuhr sie vor Schrecken zusammen, wenn der Jemand rief: »Schöner Abend heute, Frau Simpson, oder?« Und dann lachte sie, die Hand am Herz, wie eine Dumme, und drehte den Kopf, als hätte sie einen schon halb vergessen, und sah hoch hinauf und über die Bäume weg, und man guckte auch in die Richtung und sah rein gar nichts. Aber dann schaute man vielleicht wieder hin und genauer und sah, was es war, nämlich nur von der Küchentür in Greenden bot sich dieser Blick auf eine Schneise in dem Streifen aus Bäumen und Ginstergesträuch, und durch dieses Loch, das da der Dämmer noch ausgelassen hatte, warf die Sonne Licht auf die Hänge der Grampians, viele Meilen weit weg jenseits der Mearns, die dort ganz direkt doch fern und blau leuchteten, ihr Grün ganz erdfarben von der Glockenheide. Und das wars, wofür sie da stand und starrte wie eine Dösige, und dann schurfelte man mit den Schuhen und hustete mal, und sie schrak zusammen und fuhr herum, das Gesicht ganz bleich, und sagte: »Ach Entschuldigung, ich hab vergessen, dass Sie hier sind. Sie wollten mit George sprechen, ja?«
Also, das war im Juni, und Ende Juni wurde es so lieblich wie immer im Howe; wenn Leute den Simpson auf der Straße trafen, dann riefen sie ihm im Scherz zu: »Guter Mann, Ihr seid ja ganz von der Welt versteckt da in Greenden!« Und in der Tat, das war die reine Wahrheit, so hoch stand der Ginster in seinem Kleid aus Blüten, und die Bäume wie eine grüne Wand, die das Haus ganz verdeckte. George Simpson machte sich jeden und jeden Abend davon zum Gutshaus, wo sie eine neue Scheune bauten; er tat so, als wär es die Scheune, die er sich besehen wollte, aber dann schlich er weg von der Scheune, sowie es nur ging, und schlüpfte in die Küche, und Jeannie wurde ganz rot: »Kommen Sie nur herein, Mr Simpson. Wie geht es Ihnen? Bestimmt sind Sie müde?«
Jawohl, diese Scheune wars, das sollte Webster beschwören, die der ganzen Bescherung in Greenden ein Ende setzte. Er hat die Geschichte nie so auf nachbarliche Weise erzählt, das tat er niemals, und er war nicht gut gelitten, denn er hatte nicht viel Nachricht für einen, wenn man hinten an seinem Lieferwagen mit ihm redete und mal Anspielungen machte, dass man gern wüsste, warum das Mädel von den Gordons so zugelegt habe, und ob der Wallace so grob zu seiner Frau war wie sie alle sagten und dergleichen kleine Neuigkeiten, wie sie die Leute nun mal interessieren. Er brummte nur so, wenn man redete, und fing an, die Eier zu zählen, und sagte dann, der Teufel solle ihn holen, wenn er es wüsste oder etwas drum gäbe. Und auch das in Greenden, das hat er nur seiner Frau erzählt, von der meinte Alec wohl, sie sei genauso wie er. Doch meiner Treu! Die konnte tratschen, dass einem die Ohren rauschten, und bald wussten es alle den Howe rauf und runter, jede Einzelheit von dem, was in jener Nacht in Greenden passiert war.
Er war nämlich spät hinuntergefahren wie sonst auch, der Krämer, und da sah er die Ellen Simpson den Weg heraufgerannt kommen, ihr Gesicht ganz weiß in dem Dämmer, und zweimal hat er sie stolpern und fallen gesehen, und sie rappelte sich wieder auf, das Gesicht ganz blutig, wo sie auf einen Stein geschlagen war. Da hat Webster das Pferd angehalten und ist vom Wagen gesprungen und ist zu ihr gerannt und hat gerufen: »Mein Gott, gute Frau, was ist mit Ihnen, was ist passiert?«
Und sie hat da vor sich hin gebrabbelt, als er sie so hielt, er hat gesehen, wie irr ihre Augen gewesen sind, sie hat kurz geschwiegen und sich die Augen bedeckt und geschaudert, wobei es doch ein ganz warmer Abend im Juni war. Dann flüsterte sie plötzlich, und er hat selbst einen Schauder gehabt: »Die haben was mit meinem Berg gemacht, sie haben ihn weggeholt! Ich kann das nicht aushalten, ich kanns nicht, nein!«
»Was?«, hat der Webster da gefragt, ihm hat es glatt die Sprache verschlagen und dabei auch durchfahren: So hatte der alte Grant von Greenden ja auch geflüstert. Aber sie hat den Hügel hinauf gezeigt, über die Lärchen und über den Ginster weg, und er hat gestarrt, der Krämer, und erst hat er gar nichts bemerkt. Aber dann hat er es gesehn, wie sich da durch die Bresche im Wald, durch die man früher den Schimmer vom Abendlicht auf den Bergen erblickte, wie sich da das Dach mit dem Giebel von Murdochs neuer Scheune erhob. Er guckte die Scheune an und er guckte die Frau an, und da brach sie zusammen und heulte wie ein Kind, sie hat sich nicht geschämt vor ihm, bestimmt war sie nicht ganz richtig im Kopf.