Bildnachweis
Mit 81 Illustrationen von Paschalis Dougalis
Impressum
Umschlaggestaltung von Giada Bettio und Lisa Zech unter Verwendung von Zeichnungen von Paschalis Dougalis
Die Zeichnungen zeigen Kiefer (Pinus syvestris) und Stiel-Eiche (Quercus robur).
Mit 26 Farb- und 55 Schwarzweißzeichnungen
Alle Angaben in diesem Buch erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen. Sorgfalt bei der Umsetzung ist indes geboten. Verlag und Autoren übernehmen keinerlei Haftung für Personen, Sach- und Vermögensschäden, die aus der Anwendung der vorgestellten Materialien und Methoden entstehen könnte. Dabei müssen geltende rechtliche Bestimmung und Vorschriften berücksichtigt und eingehalten werden.
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© 2018, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart.
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-440-16272-9
Projektleitung, Redaktion und Bildredaktion: Heiko Fischer
Lektorat: Dr. Sabine Besenfelder
Produktion: Markus Schaertlein
eBook-Konvertierung: Text & Bild, Michael Grätzbach
Dieses E-Book ist die digitale Umsetzung der Printausgabe, die unter demselben Titel bei KOSMOS erschienen ist. Da es bei E-Books aufgrund der variablen Leseeinstellungen keine Seitenzahlen gibt, können Seitenverweise der Printausgabe hier nicht verwendet werden. Statt dessen können Sie über die integrierte Volltextsuche alle Querverweise und inhaltlichen Bezüge schnell komfortabel herstellen.
BERG-/FELD-/SPITZ-AHORN
APFELBAUM
BIRKE
WILDBIRNE
BUCHE
GEWÖHNLICHER BUCHSBAUM
EBERESCHE – VOGELBEERBAUM
EUROPÄISCHE EIBE
STIEL-EICHE
ELSBEERE
GEMEINE ESCHE
GEWÖHNLICHE FICHTE
HAINBUCHE
GEMEINE HASEL
SCHWARZER HOLUNDER
WALDKIEFER
EUROPÄISCHE LÄRCHE
WINTERLINDE
SCHWARZ-PAPPEL
GEWÖHNLICHE ROBINIE
GEWÖHNLICHE ROSSKASTANIE
SPEIERLING
WEISS-TANNE
GEMEINER WACHOLDER
ECHTE WALNUSS
WEIDE
„Nichts ist für mich mehr Abbild der Welt
und des Lebens als der Baum.
Vor ihm würde ich täglich nachdenken,
vor ihm und über ihn …“
Christian Morgenstern
Fast ein Drittel der gesamten Fläche Deutschlands ist mit Wald bedeckt. Die waldreichsten Bundesländer sind Hessen und Rheinland-Pfalz mit jeweils 42 Prozent. Österreich überflügelt uns mit 48 Prozent bei Weitem, in der Schweiz dagegen sind es nur unwesentlich mehr als 29 Prozent.
Im Jahr 2016 wiesen Wissenschaftler nach, dass bei den bisherigen weltweiten Waldinventuren große Fehler gemacht wurden – tatsächlich gibt es achtmal mehr Bäume als bislang angenommen. Auf jeden der mehr als sieben Milliarden Menschen kommen tatsächlich mehr als 400 Bäume: Das entspricht der unglaublichen Zahl von über drei Billionen einzelner Exemplare.
Im Frühjahr 2017 legten die Wissenschaftler nach – erstmals wurde die Gesamtzahl der verschiedenen Baumarten identifiziert: 60.065. Freilich kann für diese Zahl niemand bürgen, denn noch immer werden jährlich etwa 2.000 neue Pflanzenarten entdeckt, katalogisiert und beschrieben, unter ihnen immer wieder auch bislang unbekannte Baumarten. Andererseits enthält diese Liste auch die bedrohtesten Arten, die es auf unserem „Sonnenstäubchen“, dem so verletzlichen Planeten Erde, gibt. Die seltenste Art wächst demnach in einem verlassenen Winkel Tansanias: Holmskioldia gigas wurde bis auf sechs einzelne Bäume Opfer von Äxten und Beilen. Zwischenzeitlich wurde sein Samen sichergestellt, und erste Zuchtversuche in den Botanischen Gärten Afrikas laufen an, um diese Art vor dem endgültigen Aus zu bewahren.
Die Zahl der hierzulande vorkommenden Baumarten ist im Vergleich zur weltweiten Vielfalt überraschend gering. Die Angaben schwanken zwischen mindestens fünfzig und höchstens neunzig. Wer eine Antwort darauf sucht, weswegen nur etwa 0,1 Prozent aller existierenden Arten in unserem doch so baumreichen Land vorkommen, muss ungefähr zwölftausend Jahre zurückblicken. Damals bedeckte ein unbezwingbarer Eisschild ganz Nordeuropa bis an die Ostküste des heutigen Schleswig Holsteins und weit nach Brandenburg hinein. Im Süden dagegen erstreckten sich die mächtigen Gletscher der Alpen fast bis ins Tiefland. In dem kleinen Streifen dazwischen gedieh allenfalls eine Steppentundra – das eisige Klima hatte längst fast alle Baumarten vertrieben. Einige „überwinterten“ die Eiszeit in den wärmeren Mittelmeergebieten. Erst als sich die Eismassen in für uns unvorstellbar langen Zeiträumen langsam zurückzogen, wagten manche die Wanderung zurück in ihre angestammte Heimat. Noch heute wirken die Alpen als schwer zu überwindende Barriere, sodass sie quasi umrundet werden müssen. Wenn Bäume „wandern“, kann das naturgemäß etwas dauern, denn sie sind darauf angewiesen, dass beispielsweise der Wind oder Vogelarten ihren Samen weit genug tragen und dass der Nachwuchs dann den nächsten Schritt macht. All dies nimmt der Mensch nicht wahr, denn unsere Lebensspanne ist im Vergleich nur ein Brosame auf dem reich gedeckten Tisch der Weltgeschichte.
Es gibt viele Beispiele, die in eine ganz andere Richtung weisen; Vordenker wie Conrad Amber, der in seinem Buch, „Bäume auf die Dächer, Wälder in die Stadt!“, aufzeigt, wie grün unsere Städte zukünftig sein könnten, machen Mut. Er schlägt auch eine Brücke zurück zu den medizinischen Gärten, die die Ärzte bereits vor mehr als 4.000 Jahren im alten Ägypten für ihre Patienten anlegten.
Immer wieder erreichen uns dramatische Nachrichten über aussterbende Arten, über bedrohte Natur. Immer noch werden viel zu große Waldflächen mit Maschinen gerodet, die aussehen, als könne man mit ihnen in den Krieg ziehen. Doch während man anderenorts Menschen mit unüberwindbaren Mauern trennen möchte, machen sich in Afrika elf Länder still und leise daran, einen riesigen Streifen aus Bäumen von West nach Ost durch den gewaltigen Kontinent zu pflanzen, um der Sahel-Zone urbares Land abzutrotzen. Andere Projekte haben in Nigerias Savanne wieder dichte Wälder entstehen lassen, in Indien laufen staatliche Programme zur Anpflanzung von zwei Milliarden Bäumen, in China entstehen mittlerweile grüne Millionenmetropolen auf dem Reißbrett. Die Sehnsucht des Menschen nach dem Grün der Bäume ist unstillbar. Das mag auch an unserer Vergangenheit liegen, die ohne Bäume undenkbar ist.
Die Beziehung des Menschen zum Baum war schon immer eine besondere, denn wir sind seit Menschengedenken miteinander verbunden. Die Entwicklung des Menschengeschlechts wurde von den Bäumen immer wohlwollend, schützend und nachsichtig begleitet. Sie sind die viel ältere Spezies, es gibt sie seit hunderten Millionen von Jahren – lange bevor die letzte Eiszeit sich über Mitteleuropa legte, überwucherten ganze Urwälder das Land. Gemessen an diesen Zeitläufen ist es gerade einen Wimpernschlag her, dass der Mensch sich aufrichtete und sich aufmachte, die Krone der Schöpfung werden zu wollen. Ohne die Hilfe der Bäume jedoch wären wir eine nichtssagende Laune der Natur geblieben, aufgestiegen aus dem Dunkel der Evolution und längst wieder versunken im schwarzen Nichts. Bäume ernähren uns mit ihren köstlichen Früchten und nahrhaften Wurzeln, mit Blättern und Blüten. Ohne Bäume hätten wir keine Werkzeuge, keine Häuser, Zäune, Brücken, Autos, Bücher, Computer – und kein Feuer. Bäume beschützen uns vor den Unwägbarkeiten der Natur, vor klirrender Kälte wie vor sengender Hitze, vor Überflutungen und Dürren. Seien wir ehrlich: Ohne Bäume wären wir nichts – wir brauchen sie wie die Luft zum Atmen.
Und so nimmt es nicht Wunder, dass sich die großen Mythen der Menschheitsgeschichte auf allen Kontinenten, in allen Zivilisationen, bei allen Völkern immer um den Baum drehen. In fast allen Kulturen wird der Baum in Verbindung gebracht mit der Herkunft des Menschen, mit seinem Leben und seinem Werden und Wirken. Unzählige Rituale beziehen sich auf den Baum, er war Sinnbild des Kosmos, er gebar Götter, verwandelte sich in gute, große Menschen und andersherum; in den Mythen der Antike nicht anders als in neuzeitlicher Dichtkunst: von Ovids „Philemon und Baucis“ bis zu Hermann Hesses „Piktors Verwandlungen“ – alles Baum, Weltenbaum. Als axis mundis durchmisst er das All, der Weltenbaum ist die zentrale Achse, um die sich alles dreht. Aus seinem Stamm sprießen Universen, an seinen Ästen blühen Galaxien, auf seinen Zweigen wachsen die Welten und ihre Wesen, verbunden mit ihm und allem. Das Bild vom Weltenbaum gibt es in Hochkulturen genauso wie in kultischen Stammesgesellschaften: als Yggdrasil der Germanen oder, viel früher noch, als Gaokarana in Persien, als Huluppu-Baum der Sumerer, Kiskanu in Babylonien, Kein-mou in China, die Sykomore in Ägypten, der jüdische Ez Chajim, als Ts’ogs-shing im tibetischen Buddhismus, als Wakan der Sioux-Indianer oder als Asvattha der Hindu in Indien. So erlangten Buddha im Schatten des Bodhi-Baumes und Merlin im Wipfel einer Kiefer ihre Erleuchtung.
Bäume waren auch hierzulande der Ort, zu dem die Seelen der Verstorbenen heimkehrten, in anderen Bäumen warteten die Seelen der noch nicht geborenen Menschenkinder auf das Leben. Für unsere Ahnen waren Bäume, war die Natur, war alles von göttlichem Geist durchwebt. Und so gingen sie mit hoher Achtung und großem Respekt mit ihrer Welt um, immer im Bewusstsein, selbst Teil des ewigen Kreislaufs von Geburt, Leben, Tod und Wiedergeburt zu sein. In ausgedehnten Gotteshainen und unter beeindruckenden heiligen Bäumen fanden Rituale statt, Gesänge, Gebete, Tänze und Opferfeste. Der Mensch der Vorzeit verfügte vielleicht nicht über so viel Verstand wie wir Heutigen, sicherlich aber über mehr Vernunft, denn er zerstörte seine Lebensgrundlage nicht, er tat alles, sie unbeschadet zu erhalten. Wir haben ganz gewiss keinen Grund, auf ihn hinabzusehen.
In der Zeit der großen Bauhütten und Dombaumeister des Mittelalters stößt man auf die Kunst der geheimnisvollen Astwerkgotik: Steinerne, zu Ornamenten geflochtene Natursymbolik prangt an fast jeder Säule und zeigt überdeutlich, dass sie nichts anderes darstellt als der Natur nachempfundene Bäume. Unbewegliche Blättermasken schmücken marmorne Taufsteine und Epitaphe, Gesichtsfratzen, aus deren Mündern Laub quillt, ein Schrei purer Schöpfungslust - nichts könnte deutlicher versinnbildlichen, wie sehr die sakralen Bauwerke, der ganze Himmelsbau dieser Zeit, eine erstarrte Nachahmung der Wälder ist. Goethe verglich in seinem Aufsatz „Von Deutscher Baukunst“ (1772) den Turm des Straßburger Münsters mit einem „hocherhabenen, weitverbreiteten Baume Gottes, der mit tausend Ästen, Millionen Zweigen und Blättern wie Sand am Meer ringsum der Gegend verkündet die Herrlichkeit des Herrn, seines Meisters“. Und wer in luftiger Höhe im Inneren des Turmes des Ulmer Münsters nach oben sieht, erspürt die Form eines zum Himmel strebenden Baumes, der seine Äste spreizt, dessen Blattwerk keiner Schwerkraft unterliegt, als berühre und halte es die Welten aller Sphären.
In den Mittelpunkt von Musik, Malerei und Dichtung rückte der Wald schließlich in der Romantik des 18. Jahrhunderts. In Mythos und Märchen spielte er schon immer eine große Rolle, nun eroberte er auch die Herzen der Kunst. Ob als Garten Eden oder als Reich der Toten, Hexen und Dämonen – er wurde gemalt, besungen und bedichtet: fortan „schlief ein Lied in allen Dingen“.
Joseph von Eichendorff, Richard Wagner, Felix Mendelssohn Bartholdy und Caspar David Friedrich, Ferdinand Georg Waldmüller, Arnold Böcklin und viele andere schufen einen neuen Zugang zum Wald. Einen Weg, der Zuversicht und Heil versprach, Hoffnung auf ein unverfälschtes Urbild des Seins. Die Sehnsucht „nach jenem weiten Land der Seele“, wie Georg Psota und Michael Horowitz es nennen, nach Stille und Ewigkeit durchtränkt noch immer die Herzen der Menschen, vielleicht mehr denn je. Heimweh nach einer märchenhaft-magischen Landschaft, die uns schützend aufnimmt, behütet und birgt.
26 verschiedene Baumarten werden in diesem Buch näher betrachtet, dabei wurde versucht, die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse abzubilden. Doch wie wir gesehen haben, sind Bäume mehr als nur zu vermessende Holzlatten – sie sind eine Herzensangelegenheit. Beschränkt sich das Bild, das wir uns von ihnen machen, nur auf biologische Fakten und physikalisch-chemische Zusammenhänge, so stirbt das Staunen. Und mit ihm unsere Liebe für den Baum.
Mit Günther Eich: „Wer möchte leben, ohne den Trost der Bäume!“
Ja – wer möchte das?
BERG-AHORN/
FELD-AHORN/
SPITZ-AHORN
ACER PSEUDOPLATANUS/
ACER CAMPESTRE/
ACER PLATANOIDES
Als ich in der Sommerglut eines wolkenlosen Julitages in einem winzigen Dorf im Donau-Ries-Gebiet eine Unterkunft suchte, staunte ich nicht schlecht über den Namen der kleinen Pension: „Gasthof zur Linde“. Etwa 2.000 gastronomische Betriebe, Hotels und Gasthäuser haben in Deutschland die Linde im Namen, dies war also weniger Anlass zum Staunen – vielmehr war es der imposante Baum im Vorhof, der seinen Schatten großzügig über einem Brunnen vergoss, bevor er ihn verschwenderisch an die gekalkten Mauern der Hofreite warf. Es war ein Ahorn. Durch das geöffnete Fenster meines Zimmers lugten Sonnenstrahlen herein, verwischt vom Schatten der handförmigen Blätter. Sonnenflecke und Schattenfinger tanzten im Reigen über die groben Holzbohlen des Zimmerbodens, huschten über mein Gesicht, schwebten wieder hinaus, glitten die Mauern hinab und verloren sich in der Tiefe des Brunnens. Jedes Blatt war wie ein ureigener, einmaliger Klang, doch erst ihr gemeinsamer Schattentanz im Wind ließ sie zur Harmonie erblühen, und ich meinte fast, die Melodie des Baumes zu hören ...
Ich war gefangen in der Zeit des Jacobus Theodorus Tabernaemontanus, der 1588 in seinem „Neuw Kreuterbuch“ über den Ahorn notierte: „Es wird dieser Baum in Ehren gehalten wegen seines lustigen Schattens.“
KRAFTVOLLER SCHUTZBAUM MIT GEHEIMNISVOLLER BORKE
Alte, freistehende (solitäre) Berg-Ahorne sind häufig beeindruckende, imposante Gesellen mit wuchtigen Stämmen und ausladenden, kuppelartigen Kronen. In den Alpen sind sie oft jahrhundertealte, stolze Hüter großer Höfe und es weiß meist niemand mehr so genau, ob der Baum von den Erbauern des Hofes als Schutzbaum gepflanzt oder ob der Hof wegen des Baumes genau hier gebaut wurde. Kraftstrotzend und sehr selbstbewusst behaupten sie sich auch in Bergregionen, die für die meisten anderen Laubbäume aufgrund der Höhe oder der unwirtlichen Temperaturen nur schwer zugänglich sind. Keine andere Baumart zeigt sich so kraftvoll in ihrem Wuchs und ihrer Blüte wie der Ahorn. Weltweit gibt es rund 111 Arten, die meisten in der nördlichen Hemisphäre.
Die drei in Deutschland hauptsächlich vorkommenden Arten sind der Spitz-Ahorn, der Feld-Ahorn und – als deren mächtigster Vertreter – der Berg-Ahorn. Der Berg-Ahorn wächst in seiner Jugend fast immer monopodial, das heißt, er entwickelt nur einen einzigen Hauptstamm und gabelt sich kaum. Daher ist das Höhenwachstum anfangs enorm, bis zu zwei Meter jährlich sind keine Seltenheit, schließlich muss der junge Baum auch schnellstmöglich in Höhen vorstoßen, in denen er genügend Sonnenlicht bekommt. Erst im Alter von 20 bis 30 Jahren wird der Ahorn etwas behäbiger und die Kronenarchitektur beginnt sich merklich auszuprägen: Bedingt durch die Anordnung der Blütenstände kommt es fast ausschließlich zu einer gabeligen Verzweigung der Sprosse.
Fast wie bei einem ausgewachsenen Walnussbaum (siehe dort) entwickelt sich so ein in sich quasi geschlossenes System, das zu sehr beeindruckenden Kronenbildungen führt. Ausgewachsen misst er stolze 35, manchmal fast 40 Meter und er kann ein Höchstalter von 500 Jahren erreichen. Die vormals glatte, graue Rinde entwickelt sich im Alter in die typische, in Platten zerrissene Borke des Ahorns, die oft zu Verwechslungen mit der Platane führt. Gerne siedeln sich hier Flechten und Moose (Epiphyten) an, mehr als an jeder anderen europäischen Laubbaumart. Dies führt zu wunderbaren, abwechslungsreichen Strukturen, die geheimnisvolle Faszination einer alten Ahornborke fesselt den Blick. Der feste Stamm und die kräftigen Äste können so dicht bewachsen sein, dass die Rinde des Baumes selbst kaum mehr zu sehen ist. Dies verleiht dem Baum ein märchenhaftes, fast verwunschenes und ehrwürdiges Aussehen.
MÄNNLICHE UND WEIBLICHE BLÜTEN IM WECHSEL
Die handtellergroßen Blätter ähneln denen der Platane, sie verfügen über fünf nahezu gleich große, spitz zulaufende Lappen. Ende April beginnt der Berg-Ahorn, sein Laub zu treiben, und fast zeitgleich entwickeln sich die zwittrigen Blüten in hängenden, traubenförmigen Rispen. Wie an kleinen, grüngelben Girlanden befestigt, finden sich männliche und weibliche Blüten in diesen Rispen, die jedoch nicht gleichzeitig aktiv sind, um die Selbstbestäubung des Baumes zu vermeiden.
In einem größeren Ahornbestand blühen bei einigen Bäumen zuerst die männlichen Blüten (vormännlich) und danach die weiblichen. Die restlichen Bäume machen es genau umgekehrt. Weder ist bekannt, ob es eine Vereinbarung zwischen den einzelnen Baum-individuen gibt, noch, ob es jedes Jahr die gleiche Folge ist. Ganz offensichtlich aber ist dies nicht dem Zufall überlassen.
Spaltfrucht des Ahorns aus zwei geflügelten Nüssen.
Der reichliche und offen angebotene Nektar lockt viele Insekten, die sich von ihm nähren und zum Dank die Bestäubung übernehmen. Im späten September sind die Früchte reif – die kugligen Samen verfügen über einen hellbraunen Flügel, der aussieht wie ein kleiner Propeller. Sie hängen paarweise an den ehemaligen Blütenständen. Hier warten sie darauf, dass der Wind sie pflückt und in die Welt trägt, was manchmal Monate, oft bis in das nächste Jahr hinein dauern kann.
Der Ahorn verfügt über ein intensives Herzwurzelsystem, das genauso kraftvoll in die Erde greift wie sein Kronengeäst in den Himmel. Es verfügt über ein außergewöhnlich zielstrebiges Tiefenwachstum. Stößt die Wurzel auf ein Hindernis, so verzweigt sie sich unverzagt in die Breite. Dies versetzt ihn sogar in die Lage, auf bewegten Geröllfeldern Fuß zu fassen. Verletzungen heilt er schnell aus und ist relativ unempfindlich gegen Steinschlag; sind die Wunden jedoch zu tief, so kann er daran zugrunde gehen und „verbluten“.
Es heißt, Leonardo da Vinci hatte die Idee der „Luftschraube“, die er um 1490 n. Chr. skizzierte, nachdem er die geflügelten Ahornsamen bei ihrem Flug beobachtet hatte. Da Vinci war berühmt für seine spiegelverkehrten Aufzeichnungen – dauerte es deshalb noch 450 Jahre bis der erste Helikopter abhob? Denn das Fortbewegungsprinzip der sogenannten Schraubenflieger-Samen ist das Gleiche.
© Wikimedia Commons, Luc Viatour
Seine Heimat sind die ursprünglichen Bergwälder
Der Ahorn kommt in unseren Wäldern freilebend nicht allzu häufig vor – durch den geringen Anteil von nur knapp 2 Prozent am deutschen Wald ist es eher Glückssache, ihn in freier Wildbahn anzutreffen.
Es mag wenig überraschen: Die angestammte Heimat des Berg-Ahorns sind die tiefen Bergwälder. Weltberühmt sind die „Ahornböden“ der Almen des Karwendelgebirges, wo die weiten Ahornbestände ein farbenfrohes Duett mit den herbstlich gefärbten Lärchen feiern. Er besiedelt vorzugsweise Almen und Bergwiesen und genießt dort das feuchte, niederschlagsreiche Klima. In den nördlichen Alpen kommt er bis über 1.700 Meter vor und im Schweizer Kanton Wallis wurde er gar schon auf über 2.000 Meter Höhe gesichtet. Das bedeutet jedoch nicht, dass man ihn nicht auch anderswo antreffen kann: Auch entlang der mitteleuropäischen Bach- und Flussläufe siedelt er sich gerne an. In Nordspanien und in den Pyrenäen trifft man den Ahorn genauso wie im Inland Italiens, bis hinab nach Sizilien, in Griechenland nur bis an den nördlichen Peloponnes, und nach Osteuropa über Polen bis hin zur Ukraine. Doch nur in den seltensten Fällen tritt er bestandsbildend auf, er streut sich gern in buchenreiche Misch- und subalpine Fichtenwälder.
DER UNGLÜCKSBAUM DER ANTIKEN GRIECHEN EROBERT TROJA IM ALLEINGANG
Acer ist lateinisch und bedeutet spitz, scharfkantig, pseudoplatanus deutet bereits auf die augenfällige Ähnlichkeit mit der Platane hin. Schon vor 8.000 Jahren schnitzten jungsteinzeitliche Ackerbauern aus dem hellen Holz Schalen und Löffel. Im antiken Griechenland allerdings war dieser heitere, sorglose Baum Ares geweiht, dem Gott des Krieges, des Blutbades und des Massakers – sah man in den tanzenden Schattenbildern mordlüsterne Fratzen? Nach dem griechischen Historiker Pausanias (115-180 n. Chr.) war der Ahorn ein Unglücksbaum, der Phobos ergeben war, dem Dämon des Entsetzens.
Den Kelten dagegen galt das strahlend weiße Holz des Ahorns als Zeichen makelloser innerer Reinheit. Obwohl der auffällige Baum unseren Vorfahren geläufig gewesen sein muss, spielt er in den nordischen und germanischen Sagenwelten überhaupt keine Rolle.
Das Trojanische Pferd war angeblich aus Ahornholz gezimmert.
Im Mittelalter zählte man den Ahorn aufgrund des lustigen Schattenspiels zu den gelassenen, heiteren Bäumen. Er war voller Harmonie und stand nun in dem Ruf, antidämonische Kräfte zu besitzen. Die Schwellen der Haustüren wurden aus diesem Holz gefertigt, um Hexen und bösen Geistern den Zutritt zu verwehren. Die Volksmedizin wusste die Größe der Blätter zu nutzen und legte sie zur Kühlung auf tiefe, pochende Wunden. Sie wurden hierfür zu Johanni gepflückt, getrocknet aufbewahrt und zur Verwendung in kochendem Wasser wieder eingeweicht.
Sauerkraut und Zuckersirup: Der Ahorn als Lebensmittellieferant
Der kleine Bruder des Berg-Ahorns, der Feld-Ahorn, war ein sehr wichtiger Nahrungslieferant, woher die althergebrachte Bezeichnung „Maßholder“ stammt. Der althochdeutsche Name für ihn, mazzaltra, leitet sich vom Germanischen mat für Speise ab. Man erntete seine jungen Blätter nicht nur als Futter für das Vieh, sondern legte sie ein wie Sauerkraut, stampfte und vergor sie.
Heute ist der Ahorn jedem Kind vor allem durch den köstlichen, sehr zuckerhaltigen Sirup bekannt, der in Kanada und in den USA auf keinem Pfannkuchen fehlen darf. Sein Blatt ist als Nationalsymbol Kanadas weltberühmt (Maple Leaf), auch wenn es sich hierbei freilich genau genommen um ein stilisiertes Blatt des Zucker-Ahorns handelt. Nichtsdestoweniger war die Technik der Herstellung des Ahornsirups auch bei uns bereits im Mittelalter gängige Praxis. Das Anstechen der Stammrinde und das Auffangen des Blutungssaftes macht bei unseren heimischen Ahornarten heute jedoch keinen Sinn mehr – die Qualität ist zu gering.
Die hervorragenden Klangeigenschaften und das optimale Schwingungsverhalten des Ahornholzes prädestinieren es für den Instrumentenbau. Für Zupf- und Streichinstrumente wird es gerne genutzt. Neben dem Birnbaumholz verleiht das des Ahorns einer gedrechselten Flöte den schönsten, wärmsten Klang.
APFELBAUM
Malus spec.
Es gibt eine unüberschaubare Menge an Literatur über den Apfel: Mythen, Legenden, biblische Auslegungen und historische Werke füllen ganze Bibliotheken. Natürlich gibt es vieles zu wissen, zu diskutieren und zu berichten über diesen geschichtsträchtigen Baum. Doch nichts kann dieses eine Erlebnis ersetzen, nichts führt einem deutlicher die wahrhaftig große Bedeutung des Apfels für die menschliche Kulturgeschichte vor Augen als der Geruch von Butterbrot und Apfelschnitzen. Geht er einem in die Nase, so wirbelt man umgehend in der Zeit zurück, und Bilder fast vergessener Erlebnisse tauchen auf: Der Haken an der Garderobe des Kindergartens, an den man nicht heranreicht, sonnige Pausenhöfe, die ersten Klassenkameraden. Und diese Erinnerungen sind fast immer gut. Was der Apfel für den einzelnen Menschen und seine Geschichte bedeutet, bedeutet er nicht weniger für unseren gesamten Kulturkreis, unser kollektives Gedächtnis. Er wurzelt wahrscheinlich tiefer in unserem religiösen und kulturellen Menschentum als alle anderen Bäume.
DER KULTURAPFEL KOMMT AUS ASIEN
Gemeinhin wird angenommen, dass der Wild- oder Holzapfel die Mutter aller Apfelsorten sei. Dieser naheliegende Gedanke ist jedoch falsch – unser Kulturapfel stammt in der Mehrheit von einer süßeren und aromatischeren Apfelsorte aus Asien (Malus sieversii) ab, die es noch heute in Kasachstan, in der Gegend um Almaty (früher: Alma Ata), gibt, und der heute als „Urapfel“ gilt. Er wurde bereits vor über 2.000 Jahren kultiviert. Im Vergleich zu den Äpfeln, die wir aus den Supermarktregalen kennen, ist der Holzapfel sehr klein, mehr als 3,5 cm Durchmesser erreicht der grüngelbe Obstzwerg kaum.
Dem Wildapfel geht es ähnlich wie seiner verwilderten Schwester, der Wildbirne. Beide kommen in der Natur kaum mehr vor oder sind zumindest sehr schwer nachzuweisen. Hierfür bräuchte man das Referenzobjekt, den tatsächlichen Holzapfel, wie er einstmals nach der Eiszeit aus dem Kaukasus wieder zu uns eingewandert ist. Freilebende Exemplare sind mithin eher Nachkommen irgendeines Kulturapfels, der vermutlich irgendwann aus der Enge eines Schrebergartens geflüchtet ist, sich mit anderen Gartenflüchtern oder wirklichen Holzäpfeln durchmischt hat und erst danach wieder gelernt hat, in der Freiheit zurechtzukommen. Und dann können sie einen durchaus wilden Eindruck machen!
MAL BAUM, MAL STRAUCH
Als sehr lichtbedürftiger und konkurrenzschwacher Baum kommt der Apfelbaum allerdings im Wald so gut wie gar nicht vor. Er braucht die Offenheit des Waldrandes, der freien Felder oder der Wegböschungen. So kann er sich zu einer durchaus beachtlichen Baumgestalt aufrichten und erreicht dann Höhen von bis zu zehn Metern. Zumeist hat er eine sehr bizarre Krone, die schon in geringer Höhe ansetzt und trotz Verletzungen und Astbruch dank seines hohen Regenerationsvermögens sehr dicht werden und verzerrt und entstellt wirken kann. Oftmals bückt er sich jedoch eher strauchartig ins Dickicht, wo er versucht, ein möglichst unauffälliges Leben zu führen.
Zur Blütezeit misslingt ihm das jedoch gehörig. Zuerst entwickelt er aber seine Blätter, die bis zu neun Zentimeter lang werden, spitz zulaufen und eiförmig doppelt gezahnt sind. Sie sind auch an der Unterseite kahl und nicht behaart, dies ist ein wichtiges Unterscheidungskriterium zum reinen Kulturapfel. Die außerordentliche Schönheit der Blütentracht teilt er jedoch mit ihm: Seine reinweißen, außen rosa umhauchten Blüten, die er Ende April, Anfang Mai öffnet, stehen an den Kurztrieben in kleinen Grüppchen zusammen. Wie mit einem weißen Blütenkleid übergossen, prangt der Baum oder der Busch in seiner ganzen Anmut, fast scheint es ihm ein bisschen unangenehm zu sein. Die pollenspendenden Staubblätter quirlen aus den Blüten hervor und werden gern von Wild- und Honigbienen besucht. Ein zarter Rosenduft, von dem berichtet wird, er sei nachts stärker als des Tags, umhüllt ihn über den Zeitraum der Blüte hinweg. Apfelbäume sind wie alle Obstbäume der großen Familie der Rosengewächse einhäusig und zwittrig, das bedeutet, dass die Blüten selbst männliche und weibliche Anteile entwickeln.
Um eine Selbstbestäubung durch die eigenen Pollenkörner unwahrscheinlich zu machen, werden die weiblichen Fruchtblätter früher reif als die männlichen Staubblätter. So ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Befruchtung durch ein Pollenkorn geschieht, das nicht demselben Baum entsprungen ist.
Der Apfel ist nicht nur das älteste Kernobst, sondern überhaupt das beliebteste Obst der Deutschen. Und das schon lange: In den Pfahlbauten am Bodensee sind jahrtausendealte, verkohlte Apfelreste gefunden worden.
Die Borke des Wildapfels ist graubraun, schuppig und längsrissig. Er verwendet viel Kraft auf eine tiefe Herzwurzel, die sich auch horizontal weit ausbreiten kann. So kann sich der Apfel auch durch Wurzelbrut und Stockausschlag gut vermehren, selbst im hohen Alter von bis zu 100 Jahren.
FUTTERTROG FÜR WILDTIERE
Im September, Oktober finden sich die Früchte an den Zweigen, die kleinen Holzäpfel, die nur selten eine rötliche Färbung aufweisen und auch sonst nicht viel mit den uns bekannten Kulturäpfeln zu tun haben. Sie fallen zu Boden und werden dort von den Waldbewohnern gerne gefressen, Rehen, Hirschen, aber auch dem Igel dienen sie als reiche Nahrungsquelle. Für die menschliche Geschmackspapille unserer Breitengrade dagegen ist dieses Erlebnis eher nicht zu empfehlen – Holzäpfel sind sehr sauer, mit äußerst bitterem Abgang. Roh ist die Frucht kaum zu ertragen, nur gedörrt oder gekocht kann man sie genießen – oder aber als Edelbrand, auch hier besser nur in Maßen.
Der Holzapfel ist aus dem Kaukasus eingewandert, er gehört bei uns heute zu den seltensten Baumarten und kommt nurmehr sehr zerstreut vor. Größere Vorkommen werden allenfalls aus Teilen der Elbauen und dem Ost-Erzgebirge gemeldet. Deutschlandweit sind es laut dem Bundesamt für Landwirtschaft und Ernährung nur etwa 5.500 Exemplare. In den Alpenländern sieht es etwas besser aus, der Baum kommt nahezu in ganz Europa vor – allerdings fast immer nur vereinzelt, weswegen es für die Baum-Individuen immer schwerer wird, Fortpflanzungspartner zu finden. Die Art ist stark gefährdet.
Sinnbild der Liebe und sinnlichen Begierde
affaltraapfulapitz