Hrsg. |
Bayerischer Hospiz- und Palliativverband |
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Bd. 1 |
Schulung ehrenamtlicher Hospizbegleiter (Gratz, Mayer, Weidemann; ISBN: 978-3-17-029940-5) |
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Bd. 2 |
Auf dem Weg zur Kooperationsvereinbarung (Kittelberger, Gratz, Rösch; ISBN: 978-3-17-029944-3) |
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Bd. 3 |
Trauerbegleitung organisieren (Meyer, Brüning-Wolter, Fischinger, Rudert-Gehrke, Stockstrom; ISBN: 978-3-17-029948-1) |
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Bd. 4 |
Hospiz- und Palliativversorgungsnetzwerke gestalten (Rösch; ISBN: 978-3-17-030770-4) |
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Bd. 5 |
Die Schätze des Alters heben (Bergmann, Kittelberger; ISBN: 978-3-17-031883-0) |
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Bd. 6 |
Hospizkultur und Palliativkompetenz in stationären Einrichtungen entwickeln und nachweisen (Rösch, Kittelberger; ISBN: 978-3-17-031891-5) |
In Vorbereitung:
• Palliative Fallbesprechung etablieren (Gratz, Schwermann, Roser; ISBN: 978-3-17-032990-4)
• Kultursensible Hospiz- und Palliativarbeit (Paal, Grünewald, Rizzi; ISBN: 978-3-17-032986-7)
Erich Rösch ist u. a. prom. Wirtschaftswissenschaftler, Geschäftsführer des Bayerischen Hospiz- und Palliativverbandes. Er unterrichtet an den bayerischen Hospizakademien und berät Vorstände von Einrichtungen der Hospiz- und Palliativversorgung in bundesweiten und internationalen Projekten.
Meike Schwermann ist Trainerin für Palliative Care und Palliative Geriatrie. Sie arbeitet als Pflegewissenschaftlerin und Pädagogin an der FH Münster im Fachbereich Gesundheit sowie als freiberufliche Referentin in der Erwachsenenbildung.
Edgar Büttner ist prom. Philosoph, Diplom-Theologe und Business-Trainer bei FaktorM. Er war 7 Jahre erster Vorsitzender des amb. Hospiz- und Palliativvereins DaSein in München.
Dirk Münch ist u. a. ehrenamtlicher Vorsitzender im Hospiz-Team Nürnberg. Er ist Organisations- und Ethikberater mit Berufserfahrung in Personalmanagement und Betriebswirtschaft. Seit 2010 arbeitet er als Netzwerkkoordinator beim Hospizverein.
Michael Schneider ist Diplom-Psychologe und hat sich in Soziologie promoviert und habilitiert. Er lehrt und forscht an der LMU München und am bifa Umweltinstitut in Augsburg. Er war 7 Jahre Schatzmeister im ambulanten Hospiz- und Palliativ-Verein DaSein in München.
Margit Gratz ist u. a. Vorstandsmitglied des BHPV und hat mehrere Jahre als Koordinatorin in einem ehrenamtlich geführten Hospizverein gearbeitet. Sie ist freiberufliche Referentin und leitet das Hospiz St. Martin in Stuttgart-Degerloch.
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1. Auflage 2018
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-032982-9
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-032983-6
epub: ISBN 978-3-17-032984-3
mobi: ISBN 978-3-17-032985-0
Kaum ein Hospizverein, kaum eine Einrichtung der Hospiz- und Palliativversorgung kommt heutzutage in Imagebroschüren ohne ein Zitat von Dame Cicely Saunders aus. Dabei begegnet dem aufmerksamen Beobachter der Szene meist das berühmte Zitat, mit dem Cicely Saunders 1948 dem polnischen Kellner David Tasma zu erklären versuchte, warum sie sich so selbstlos um ihn kümmert:
»You matter because you are you, and you matter to the last moment of your life.«1
Gerne wird dieses Zitat übersetzt als »Du zählst, weil Du du bist. Und du wirst bis zum letzten Augenblick deines Lebens eine Bedeutung haben.« Eine andere Abwandlung erweitert diese Aussage: »Sie sind wichtig, weil Sie eben Sie sind. Sie sind bis zum letzten Augenblick Ihres Lebens wichtig, und wir werden alles tun, damit sie nicht nur in Frieden sterben, sondern auch bis zuletzt leben können.«
Dass sich allein schon durch die Groß- oder Kleinschreibung der im Text recht häufig verwendeten persönlichen Anrede »sie« in den zahlreichen dafür existierenden Übersetzungen und deren Anwendung in, teils scheinbar unbedacht zusammengestellten Broschüren zur Erläuterung und Weitergabe der Hospizidee ein Missverständnis ergeben könnte, auf dem unter Umständen die moderne Hospizbewegung fußt, scheint noch niemandem aufgefallen zu sein (ebenso wenig wie die Tatsache, dass das deutsche »sie« eigentlich mit dem englischen »they« übersetzt wird).
Was also vielleicht nur für diesen einen Patienten, David Tasma, gedacht war und deswegen nach deutscher Rechtschreibregel mit der Großschreibung des Wortes »Sie« als persönliche Anrede zwischen behandelnder Ärztin und Patienten richtig gewesen wäre, begegnet einem bei genauerer Recherche auch in der Kleinschreibung dieses kleinen Wörtchens und entfaltet damit eine ganz andere Bedeutung und letztendlich auch eine deutlich andere Mission für all jene, die sich in der Hospizbewegung engagieren.
Es stellt sich also die Frage, was Cicely Saunders tatsächlich gemeint hat. Hat sie einem einzelnen Patienten erklärt, warum sie sich so für ihn aufopfert (was vielleicht auch darin begründet sein könnte, dass sie der Überlieferung nach in ihn verliebt war) oder hat sie mit dieser Äußerung bewusst oder unbewusst der modernen Hospizbewegung ihren Grundauftrag auf die Fahne geschrieben?
Vielfach erschöpft sich darüber hinaus die Mission, die nicht umfassend informierte Verantwortliche in der heutigen Hospizbewegung als den wichtigsten und einzigen Auftrag der Hospizidee an den haupt- und ehrenamtlichen Nachwuchs weitergeben, genau in diesem Zitat. Ein »Leben bis zuletzt« zu ermöglichen scheint also alles zu sein, was die moderne Hospizbewegung heutzutage beseelt oder antreibt.
Was nun, wenn das nun auch noch auf einem Irrtum beruht?
Zugegeben, ein waghalsiges Gedankenexperiment – aber ist es wirklich so abwegig?
Nachdem Dame Cicely Saunders zeitlebens mitbekommen haben könnte, welchen Deutungswandel ihre Worte gefunden haben, und dem allem Anschein nach nie widersprochen hat, können wir wohl davon ausgehen, dass sie sich richtig verstanden fühlte und die Hospizidee von Anfang an darauf ausgelegt war, ein individuelles Versprechen an das jeweilige »Sie« und zugleich einen generellen gesellschaftlichen Auftrag zur Sorge um bessere Bedingungen für Schwerstkranke und Sterbende in sich zu vereinen.
Mit dem vorliegenden Band wollen wir sowohl dieses individuelle Versprechen als auch den gesellschaftlichen Auftrag adressieren – und dies vor allem für und aus der Perspektive ehrenamtlich tätiger Vorstände; denn die Führung und Leitung ambulanter oder stationärer Einrichtungen der Hospiz- und Palliativversorgung ist zunehmend zu einer Herausforderung geworden. Es genügt längst nicht mehr, vielleicht aus einer karitativen Haltung heraus, »nur« Gutes zu tun und das »individuelle Versprechen« einzulösen. Darüber hinaus steht der »gesellschaftliche Auftrag« mehr denn je in engem Bezug zu den sich permanent wandelnden gesetzlichen Rahmenbedingungen und zu den Anforderungen eines modernen Nonprofit-Managements. Der Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Prälat Dr. Peter Neher, bringt diesen »Systemwechsel« auf folgenden Punkt:
»Wer karitativ engagiert ist, hat zunächst einmal kein Faible für betriebswirtschaftliche Belange. […] Aus dieser durchaus wohlmeinenden Grundhaltung heraus, den Menschen helfen zu wollen, ist früher leider manches versäumt worden. Das können wir uns heute schlicht nicht mehr leisten.« (Die Zeit, 7.9.2006, S. 36)
Schon lange scheinen also die ausschließlich ehrenamtlich arbeitenden Hospizvereine ihrer Gründungsphase in den 1980er Jahren entwachsen. Sie fungieren heute als Arbeitgeber, sie stehen in großen Städten in einem zunehmenden Wettbewerb mit privatwirtschaftlichen Anbietern und Gebietskörperschaften (z. B. private Pflegeeinrichtungen, -Dienste sowie Palliativstationen der kommunalen oder universitären Träger) und auch sie müssen ihre Leistungen über Mitgliedsbeiträge, Spenden, Zuschüsse und/oder Preise bzw. Gebühren finanzieren.
Anders formuliert: Ausschließlich ehrenamtlich arbeitende Hospizvereine sind Auslaufmodelle, aber die nach wie vor ehrenamtlich tätigen Vorstände agieren in einem veränderten Umfeld und sind mit den Anforderungen verschiedenster politischer oder kommunaler Akteure (Verbände, Krankenkassen oder Ämter) sowie Anspruchsgruppen (Hauptamtliche, Vereinsmitglieder oder Freiwillige) konfrontiert. Um diese Rolle verantwortungsvoll zu übernehmen, ist es notwendig, das heutige Profil ehrenamtlicher Vorstandsarbeit zu analysieren und Wege aufzuzeigen, wie man als ehrenamtlicher Vorstand in einem solchen dynamischen Feld noch Impulse setzen kann. Unterzieht er sich diesen Aufgaben nicht, dann sieht er sich – wohl nicht zu Unrecht – mit dem Vorwurf des Politikwissenschaftlers Wolfgang Seibel konfrontiert, der bereits in den 1990er Jahren an die Adresse der Nonprofit-Organisationen, also an die von (gewählten) Ehrenamtlichen strategisch geführten Einrichtungen, gerichtet war:
»Nonprofit-Organisationen leiden an ineffizienten Strukturen, Missmanagement, mangelndem Verantwortungsbewusstsein und unklaren Entscheidungsstrukturen. Der Staat unterstützt sie aber trotzdem; denn er überträgt an sie gesellschaftliche Probleme, die er selbst nicht lösen kann, und alimentiert sie entsprechend. Nonprofit-Organisationen fungieren daher als ›politische Mülltonnen‹, und das Zusammenspiel von Staat und Nonprofit-Organisationen ist als ›funktionaler Dilettantismus‹ bzw. ›erfolgreiches Scheitern‹ zu bezeichnen.« (Seibel 1994)
Wir schreiben in den folgenden vier Kapiteln gegen diesen »funktionalen Dilettantismus« bzw. gegen dieses »erfolgreiche Scheitern« an, indem wir zunächst den »weiten Weg der Hospizbewegung auf dem Gesundheitsmarkt« skizzieren. Dadurch werden auch die Herausforderungen für Vorstände und mögliche Reaktionen hierauf deutlich. Das zweite Kapitel »Multi- und Interprofessionalität – auch in den Führungsstrukturen« ist ein Plädoyer, das vielzitierte Leitbild der Multiprofessionalität auch in den Führungsgremien der Hospizvereine wirklich zu »leben« und scheinbar »hospizfremde« Berufsgruppen dort willkommen zu heißen. Im dritten Kapitel geht es um die Besonderheiten ehrenamtlicher Leitung im Hospizbereich: was zeichnet sie aus, was motiviert, was hilft? Worauf müssen wir die Menschen vorbereiten und wie? Schließlich wollen wir im abschließenden vierten Kapitel das »Gemeinsam Verbindende« betonen und die Erfolgsfaktoren für ein gutes Miteinander von Haupt- und Ehrenamt benennen.
Die im Zusammenhang mit Hospizarbeit und Palliativversorgung gern zitierten zwei Seiten einer Medaille können auch als Bild dienen, wenn es darum geht, das Zusammenspiel von Haupt-und Ehrenamt in diesem Kontext zu durchleuchten.
So wenden wir uns im zweiten Teil des Buches »der anderen Seite der Medaille« zu und beleuchten aus der Sicht hauptamtlich Tätiger diese Konstellation. Diese ist generell im Kontext des bürgerschaftlichen Engagements entstanden und oftmals im Bereich sozialer Dienstleistungen weit verbreitet. Durch die Thematik aber, mit der sich Hospizarbeit und Palliativversorgung befassen, gewinnt sie an zusätzlicher Dynamik.
Oftmals als erster und einziger hauptamtlicher Mitarbeiter in einem motivierten und engagierten Team, das seit Jahren aufeinander eingespielt ist und aus starker emotionaler Bindung an das Thema und aneinander einen Teil seiner Energie zieht, mit gleichem Maßstab gemessen und gleichen – oftmals unausgesprochenen – Erwartungen konfrontiert, kann man – fatalerweise oftmals auch noch als »Professioneller« bezeichnet - schnell ins Abseits oder unter die sprichwörtlichen Räder gelangen, wenn sich beide Seiten nicht klar machen, welches Wagnis sie mit ihrer Zusammenarbeit eingehen. Rollenklarheit, Aufgabendefinition und Feedbackkultur können beiden Seiten dabei helfen, die Klippen zwischen der Skylla der organisierten Selbstausbeutung und der Charybdis der Spaltung wohlbehalten zu umschiffen und die eigentlich segensreiche Verberuflichung in einem Bereich, der zwar aus dem Ehrenamt entstanden aber damit gleichzeitig auch an seine Grenzen gestoßen ist, zum Wohle aller zu gestalten.
Die Autoren, im Juni 2017
1 vgl. http://news.bbc.co.uk/2/hi/uk_news/4254255.stm
Allein die Leistungsstatistiken der Hospizdienste und SAPV-Teams zeigen zusammen mit den Belegungszahlen der stationären Hospize und Palliativstationen recht eindrucksvoll, wie viel in der Hospizbewegung und Palliativversorgung bislang erreicht wurde, wie viele direkte Hilfe für Patienten und Angehörige tagein tagaus in den verschiedensten Versorgungsformen geleistet wird. Darüber hinaus würden die Zahlen aus den Hausarztpraxen und ambulanten Pflegediensten, die bis vor kurzem im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten noch nicht oder nur in geringem Umfang an der Refinanzierung ihrer qualifizierten und unverzichtbaren Leistungen partizipieren konnten, das Bild des Booms auf diesem Sektor vervollständigen. Es wird also wirklich für die Zielgruppe der Hospizbewegung und Palliativversorgung »viel getan, damit sie nicht nur in Frieden sterben, sondern auch bis zuletzt leben kann« und wie es scheint, sind viele damit zufrieden, an der Verwirklichung dieser Idee, beziehungsweise einem Teilaspekt dieser Idee, in irgendeiner Form mitzuwirken.
Die Hospizidee ist also scheinbar in der Mitte der Gesellschaft angekommen und selbst der Gesetzgeber wagt es nun erstmals im Rahmen der Gesetzgebung im Hospiz- und Palliativgesetz (HPG) des Jahres 2015, schwerstkranke und sterbende Menschen explizit zu erwähnen, nachdem er seit der Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 diesen möglichen Aggregatzustand menschlichen Seins zumindest in der Wortwahl der Gesetzgebung bewusst oder unbewusst ausgespart hat und lediglich in untergesetzlichen Regelungen dafür umschreibende Worte zu finden sind (Rösch et al. 2017; siehe hierzu auch einen kurzen Abriss dieser Entwicklungen im Anhang ( Anhang 4).
In der Tat hat die Hospizarbeit in Deutschland eine beachtliche Entwicklung hinter sich gebracht. Es ist zwar immer wieder zu hören, dass sich die Hospizarbeit in Deutschland im Vergleich mit anderen angelsächsischen Ländern nur langsam entwickelt habe (Heller et al. 2013). Betrachtet man aber den Sachstand in Deutschland im Zeitraum von 1996 bis 2016, sieht man die enorme Entwicklung im ambulanten Hospizbereich sowie im stationären Kontext: Während die ambulanten Hospiz- und Palliativdienste (für Erwachsene, Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene) einen Zuwachs von 451 im Jahr 1996 auf etwa 1 500 im Jahr 2016 verzeichnen, ist die Entwicklung der Anzahl stationärer Einrichtungen (für Erwachsene, Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene) ähnlich beeindruckend (1996: 30 stationäre Hospize und 28 Palliativstationen und -einheiten; 2016: 235 stationäre Hospize und 304 Palliativstationen und -einheiten) (DHPV 2016).
Dame Cicely Saunders hatte noch die Vorstellung, dass die Versorgung und Betreuung von Schwerstkranken und Sterbenden ein Teil der medizinisch-pflegerischen Regelversorgung wird. Durch die Veränderungen von Personen und Funktionsträgern in den Vereinen verliert sich teilweise das Wissen über die geschichtlichen Entstehungs- und Entwicklungsstrukturen der Hospizarbeit. Im Anhang ( Anhang 4) finden Sie einen Abriss ihrer Vorgeschichte, sie mündet in das Hospiz- und Palliativgesetz (HPG), in dem viele Vorstellungen der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland Umsetzung finden sollen.
Das Gesetz enthält im Wesentlichen folgende Regelungen (Bundesministerium für Gesundheit 2016):
Die Palliativversorgung wird ausdrücklicher Bestandteil der Regelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Im vertragsärztlichen Bereich werden die Selbstverwaltungspartner zusätzlich vergütete Leistungen vereinbaren – zur Steigerung der Qualität der Palliativversorgung, zur Zusatzqualifikation der Haus- und Fachärzte sowie zur Förderung der Netzwerkarbeit.
Die Palliativversorgung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege wird gestärkt. Der Gemeinsame Bundesausschuss erhält den Auftrag, in seiner Richtlinie über die Verordnung häuslicher Krankenpflege die Leistungen der Palliativpflege zu konkretisieren und damit für die Pflegedienste abrechenbar zu machen.
Um insbesondere in ländlichen Regionen den weiteren Ausbau der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) zu beschleunigen, wird ein Schiedsverfahren für entsprechende Versorgungsverträge eingeführt. Zudem wird klargestellt, dass allgemeine und spezialisierte ambulante Palliativversorgung auch in selektivvertraglichen Versorgungsformen gemeinsam vereinbart werden können. Auch in diesen Verträgen gelten die hohen Qualitätsanforderungen der SAPV.
Die finanzielle Ausstattung stationärer Kinder- und Erwachsenen-Hospize wird verbessert. Hierfür wurde der Mindestzuschuss der Krankenkassen erhöht. Hospize erhalten nun einen Tagessatz je betreutem Versicherten von rund 261 Euro. Die Krankenkassen tragen 95% der zuschussfähigen Kosten. Zusätzlich können für stationäre Kinderhospize eigenständige Rahmenvereinbarungen abgeschlossen werden.
Bei den Zuschüssen für ambulante Hospizdienste werden neben den Personalkosten auch die Sachkosten berücksichtigt. Der Zuschuss der Krankenkassen je Leistung wird erhöht. Bei der Förderung ist zudem der besondere Aufwand für das hospizliche Erstgespräch zu beachten. Der steigende Zuschuss der GKV trägt insgesamt dazu bei, dass Hospizdienste mehr finanziellen Spielraum erhalten, auch um die Trauerbegleitung der Angehörigen mit zu unterstützen. Außerdem soll die ambulante Hospizarbeit in Pflegeheimen stärker berücksichtigt werden. Auch Krankenhäuser können nun Hospizdienste mit Sterbebegleitungen beauftragen.
Die Sterbebegleitung wird ausdrücklicher Bestandteil des Versorgungsauftrages der sozialen Pflegeversicherung. Kooperationsverträge der Pflegeheime mit Haus- und Fachärzten müssen verpflichtend abgeschlossen werden. Ärztinnen und Ärzte, die sich daran beteiligen, erhalten eine zusätzliche Vergütung. Außerdem werden Pflegeheime zur Zusammenarbeit mit ambulanten Hospizdiensten verpflichtet und müssen die Kooperation mit vernetzten Hospiz- und Palliativangeboten künftig transparent machen.
Darüber hinaus können Pflegeheime ihren Bewohnerinnen und Bewohnern eine Versorgungsplanung zur individuellen und umfassenden medizinischen, pflegerischen, psychosozialen und seelsorgerischen Betreuung in der letzten Lebensphase organisieren und anbieten. Dieses besondere Beratungsangebot wird ebenfalls von den Krankenkassen finanziert.
Zur Stärkung der Hospizkultur und Palliativversorgung in Krankenhäusern können für eigenständige Palliativstationen krankenhausindividuelle Entgelte mit den Kostenträgern vereinbart werden, wenn das Krankenhaus dies wünscht. Aber auch in Krankenhäusern, in denen keine Palliativstationen zur Verfügung stehen, wird die Palliativversorgung gestärkt: Ab 2017 können Krankenhäuser krankenhausindividuelle
Versicherte haben nun einen Anspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch die gesetzlichen Krankenkassen bei der Auswahl und Inanspruchnahme von Leistungen der Palliativ- und Hospizversorgung. Dabei sollen Krankenkassen auch allgemein über Möglichkeiten persönlicher Vorsorge für die letzte Lebensphase informieren, insbesondere zu Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung.
Um mehr Transparenz über die Entwicklung der Hospiz- und Palliativversorgung herzustellen, erhält der GKV-Spitzenverband den Auftrag, regelmäßig über die verschiedenen Versorgungsinstrumente zu berichten.