Venus & Faunus
Eine Liebesgeschichte
„Es tut mir ehrlich leid.“ Enver legte Sami eine Hand auf die Schulter. Nachdem er ihm erklärt hatte, dass es gar nicht cool wäre, seine Gefühle zu verstecken, sollte einem entspannten Treffen mit seiner Familie nichts mehr im Wege stehen. Sami nickte, ohne ihn anzusehen. „Wirklich, alles in Ordnung zwischen uns?“, hakte er nach. Sami schaute auf. Seine dunkelblauen Augen strahlten eine versteckte Vertrautheit aus, die er vermutlich nicht jedem zukommen ließ. Wie ein tiefer Ozean.
„Sami …“ Samis Onkel Yassin Kaya lächelte warm und setzte sich zu ihnen auf die Terrasse. „Wieso verbringst du nicht eine weitere Woche hier? Wir könnten zum See fahren und zelten, was meinst du?“ Er legte eine Hand auf seine andere Schulter. Sami starrte zu Boden, das Gesicht zu einer Maske erstarrt.
„Onkel Yassin, kann ich dich kurz sprechen?“, rief Gesa von der Terrassentür aus. Ihr Onkel begleitete sie hinein.
„Er ist wirklich nett, dein Onkel Yassin, nicht wahr?“, sagte Enver aufmunternd. Sami nickte, den Blick weiterhin auf den Boden gerichtet. „Viel netter als Onkel Ilja“, fügte er hinzu. Jetzt schielte Sami zu ihm und seine Mundwinkel verzogen sich ganz kurz, bevor sein Gesicht erneut erstarrte. Nach einigen Minuten tauchte Yassins hochgewachsene Statur wieder im Garten auf. Er stellte eine Holzkiste auf den Tisch, hob den Deckel und holte ein Stück Papier hervor.
„Rate mal, wer die zwei Buben sind“, bat er und legte ein Foto auf den Tisch. Sami sah es aufmerksam an. Enver erkannte zwei Jungen, etwa fünf und zehn Jahre alt. Der größere glich Sami fast bis aufs Haar. Die Jungen standen in Gummistiefeln im Wasser. Der Große hielt ein einfaches Segelboot aus Holz in Händen, dem Kleineren fehlte ein Milchzahn. Sie strahlten in die Kamera, Hand in Hand.
„Das war unser erster Ausflug zum See. Dein Vater und ich fuhren später als Jugendliche jeden Sommer hin. Und noch später, als Adem bereits Auto fahren durfte und die vier Jahre Altersunterschied unsere Welten trennten, nahm er mich und Ilja trotzdem jeden Sommer mit.“ Sami presste die Lippen zusammen, die Augen auf das Bild fixiert.
„Da hängen viele Erinnerungen dran.“ Sein Onkel legte ihm einen Arm auf die Schulter. Sami sah kurz zu ihm auf.
„Ich könnte vielleicht eine Woche …“, stotterte er. Yassin gab ihm einen Kuss auf den Kopf.
„Deine Schwester kann das mit der Schule besprechen. Jetzt pack aber erst mal. Ihr müsst bald fahren, wenn ihr pünktlich zum Essen bei Envers Familie sein wollt.“
„Darf ich es noch eine Weile behalten?“, fragte Sami. Sein Onkel sah auf das Foto und nickte.
„Tu das. Du kannst dir später ein anderes aussuchen und behalten“, versprach er mit leicht zittriger Stimme. Sami stand auf und schlurfte in Richtung Haus. Gesa lächelte ihren Bruder liebevoll an und streichelte über seinen Arm, als er an ihr vorbeiging. „Du bist ein kluges Kind“, sprach Yassin und drückte ihre Hand.
„Er braucht nur etwas Vertrauen“, erwiderte sie. Ihre türkische Aussprache war, wie Samis, nicht perfekt.
„Ihr wart wohl nicht oft hier zu Besuch?“, fragte Enver auf Englisch.
„Meine Mutter kam nicht gerne her. Sie schien sich in Istanbul einfach unwohl zu fühlen.“ Gesa setzte sich auf den freien Stuhl und schob vorsichtig die Kiste von sich. Enver wunderte sich. Sie wirft nicht mal einen Blick auf den Inhalt.
„Du bist alt genug für die Wahrheit“, begann Yassin und sah seine Nichte mit seinen tiefblauen Augen ernst an. Gesa erwiderte seine Blicke fragend. Nach einer gefühlten Ewigkeit, während der er die Schachtel abwesend betrachtete, begann er zu erzählen. „Deine Mutter war eine außergewöhnliche Frau, Gesa. Bildschön, unglaublich klug und sinnlich. Du bist ihr, abgesehen von der Farbe deiner Augen und Haare, sehr ähnlich. Auch ich war damals ein bisschen verliebt in sie.“ Yassin lachte leise bei der Erinnerung. „Sie brauchte nur über die Straße zu gehen, und die Männer fielen reihenweise um. Nur die Mutigen und Törichten wagten es, sie anzusprechen, und holten sich einer nach dem anderen einen Korb. Mit ihren langen blonden Haaren und großen blauen Augen hatte sie meinen Bruder schnell um den kleinen Finger gewickelt. Ilja war stolz wie ein Löwe.“
„Onkel Ilja war mit Mama zusammen?“, fragte Gesa schockiert.
„Ja, er hatte sie im Hotel kennengelernt. Sie machte dort Urlaub und er verdiente sich etwas Geld als Animateur. Adem kam am gleichen Tag von einer Studienreise zurück, als Ilja sie mit nach Hause brachte. Er pflegte seine Freundinnen nicht zu verstecken. Am selben Tag noch trennte sich Alexandra von ihm. Ilja fühlte sich vor der Familie bloßgestellt und stellte sie zur Rede. Alexandra brach vor allen in Tränen aus und zitterte am ganzen Leib, ohne ein Wort hervorbringen zu können. Adem ging zu ihr und ich dachte, er wollte sie trösten. Aber im Grunde starrten sich beide nur an. Ich werde dieses Bild nie vergessen … Es war, als blickten sie ganz tief in das Innere des jeweils anderen.“
„Sie hatten sich verliebt“, wisperte Gesa und fing unvermittelt an zu weinen. Enver schnürte sich der Hals zu. Wieso muss sie jetzt schon wieder weinen! Der Anblick war kaum erträglich. Die Tränen kullerten nur so über ihre blass gewordenen Wangen. „Deshalb kam sie nicht gerne her …“, schluchzte sie.
„Es ist nichts, dass man einem Kind erzählt, aber du bist alt genug, um es zu wissen. Sie hatten sich auf den ersten Blick verliebt. Deshalb hatte Alexandra mit Ilja Schluss gemacht. Sie wusste selbst nicht, was mit ihr geschah und wollte Abstand.“
„Und Onkel Ilja?“ Gesa wischte ihre Tränen weg und sah ihn mit großen Augen an.
„Er fiel aus allen Wolken. Ich glaube, er wollte mehr von Alexandra als nur einen Flirt. Vielleicht hat er deshalb nie geheiratet. Nun ja … einige Monate später vertrugen meine Brüder sich wieder. Adem verkündete ein halbes Jahr später seine Verlobung mit Alexandra. Sie kamen sogar ein paar Mal her. Aber die Sache hat unser Familienleben für immer verändert. Eine Zeit lang habe ich deine Mutter dafür gehasst.“ Yassin sah seine Nichte entschuldigend an. „Aber dann traf ich Oya und konnte auf einmal nachfühlen, was Alexandra und Adem füreinander empfanden. Wir hatten von da an wieder regelmäßig Kontakt, auch wenn wir uns nur selten sahen.“ Yassin legte den Deckel auf die Kiste und sah Gesa mit Tränen in den Augen an. „Sami ist ihm so ähnlich, dass es mir fast das Herz zerbricht. Es ist nicht nur das dunkelbraune Haar oder die schlaksige Statur … Es ist etwas in seinen Augen und seiner Haltung …“ Er wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und stand hastig auf. „Dein Großvater möchte ihn immer noch hierbehalten. Er sieht seinen ältesten Sohn in ihm. Ilja und ich haben auf ihn eingeredet, ihn bei dir in München zu lassen. Jetzt, wo du nicht mehr allein bist. Passt gut auf ihn auf“, bat er mit brüchiger Stimme. Gesa nickte und drückte die Hand, die er auf ihre Schulter legte, bevor er ins Haus ging. Enver räusperte sich und schluckte den Kloß runter, der sich in seinem Hals gebildet hatte.
„Wir sollten packen“, sagte er und rutschte unruhig auf dem Stuhl herum.
„Sonnenkind! Mein Liebling!“ Enver ließ sich von seiner Mutter herzen, hob sie lachend hoch und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.
„Du hast abgenommen!“, stellte er fest und senkte sie vorsichtig wieder auf den Boden. Sie fuhr sich mit den Händen über ihre vollschlanken Hüften und lächelte.
„Seit einer Woche kriege ich keinen Bissen runter!“ Vor einer Woche hatte sie von seiner angeblichen Verlobung erfahren. Enver war zerknirscht. Natürlich. Dann starrte sie mit großen Augen zu Gesa, die in einem cremeweißen Kleid, flachen Ballerinas und hochgestecktem Haar im Türrahmen stand. „Oh“, sagte sie nur mit einem überraschten Ausdruck im Gesicht. Es war das erste Mal, dass sie eine weibliche Person, die Enver ihr vorstellte, nicht mit abschätzigem Blick musterte. „Du bist also meine zukünftige Schwiegertochter!“, rief sie unter Tränen. „Bitte, komm doch rein! Ich bin Maja!“ Sie streckte ihre Hände aus und bestaunte Gesa, die sich ins Haus führen ließ. Enver sah auf Gesas feste Pobacken, die bei jedem Schritt leicht gegen den taillierten Stoff rieben. Ihre Kurven ließen wirklich keine Männerwünsche offen. Selbst ihre kleinen Brüste kamen ihm unter dem hochgeschlossenen Kleid wie versteckte Früchte vor, die nur darauf warteten, von ihm entdeckt und vernascht zu werden. Ich muss dieses Prachtweib dringend flachlegen! „Und du musst Sami sein! Was für ein Goldjunge du doch bist!“, rief Maja, griff sich den Jungen und herzte ihn ausgiebig.
„Wir freuen uns ebenfalls, euch kennenzulernen. Enver hat uns ja schon so viel erzählt“, entgegnete Gesa und lächelte ihn spöttisch an. Er knuffte sie in die Seite und lachte, als sie spitz aufschrie und einen Sprung zur Seite machte.
„Jetzt verschreck das arme Ding nicht schon vor der Hochzeit!“, warnte ihn seine Mutter, und sie meinte es verdammt ernst! Alle anderen, die sich vermutlich auf ihr Geheiß hin im Hintergrund aufgehalten hatten, traten jetzt näher.
„Dürfen wir unsere neuen Familienmitglieder nun auch begrüßen?“, fragte Halas Zirek und zwinkerte seinem Sohn zu. Enver grinste und legte einen Arm um seine Schultern.
„Das sind Gesa und Sami. Das ist Halas, mein Vater“, stellte er sie einander vor.
„Willkommen in unserer Familie!“, rief Halas und drückte beiden einen Kuss auf die Stirn.
„Danke“, erwiderte Gesa mit zittriger Stimme. Viele Väter küssen ihre Töchter auf die Stirn, das ist nichts Besonderes, also reiß dich gefälligst zusammen!
„Und das sind meine wunderschönen Zwillingsschwestern Silan und Hanim.“ Die Zwillinge konnten ihr Gekicher und die neugierigen Blicke kaum bändigen. Sie umarmten und küssten die beiden und hießen sie von Herzen willkommen. Die Ältere, Silan, trug ihr glattes hellblondes Haar bis über die Schultern, wie ihre Mutter, während ihre zwei Minuten jüngere Schwester Hanim sie seit Jahren zu einem frechen Bob geschnitten trug.
„Ben, Sofia. Na kommt, begrüßt euren Onkel und unsere neuen Familienmitglieder“, forderte Silan. Sie streichelte über die blonden Köpfe ihrer Kinder, als diese vortraten. Enver kitzelte die siebenjährigen Zwillinge und sie versteckten sich kichernd in seinen Armen, anstatt wegzulaufen. Sie waren immer so schrecklich schüchtern.
„Mein Name fängt auch mit Sss an“, sagte Sofia mutig zu Sami. Er lächelte schüchtern zurück. Daraufhin nahm Sofia seine Hand, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. Dass seine Schwester keine Scheu vor dem Besuch hatte, ließ auch Ben mutiger werden. Er strahlte Sami mit seinen blauen Augen an.
„Und ich heiße wie mein Papa, der fliegt einen Jumbo! Ich werde auch Pilot, wenn ich groß bin“, plapperte er stolz.
„Dann bist du bestimmt schon mal in einem Flugzeug geflogen“, warf Gesa ein. Ben nickte heftig, ohne sie anzusehen.
„Und ich bin Can!“, rief eine klare Stimme vom Sofa.
„Can, spring nicht auf dem Sofa rum“, befahl seine Mutter Hanim streng. Der Junge hüpfte herunter, preschte durch die im Weg stehenden Erwachsenen hindurch und blieb direkt vor Gesa stehen.
„Bist du eine Prinzessin?“, fragt er.
„Ehm … nein, bedaure.“
„Warum glänzen deine Augen so? Hast du dir grüne Glitzersteine reinmachen lassen?“
„Can, du sollst Gesa und Sami willkommen heißen, nicht tausend Fragen stellen“, mahnte Hanim und streichelte ihrem Sohn liebevoll durch sein dunkles Haar. Envers sechsjähriger Neffe sah seine Mutter kurz an, ehe er sich wieder Gesa zuwandte. Für Sekunden starrte er sie schweigend aus seinen großen braunen Augen an.
„Darf ich dich auch heiraten?“ Die Umstehenden, bis auf Enver, schmunzelten.
„Das geht doch gar nicht! Onkel Enver hat sie zuerst gesehen!“, protestierte ein Stimmlein neben Halas Zirek. Enver ging in die Hocke und hielt die Arme auf.
„Hallo, Noah!“ Noah warf sich in die Arme seines Onkels und lächelte dann Sami und Gesa an. Enver strahlte die beiden ebenfalls an. „Noah ist Hanims Jüngster. Du bist schon drei, stimmt’s, Großer?“ Noah lachte vergnügt, sodass seine blauen Augen lustig funkelten. Er umarmte Sami und Gesa hastig und lief dann zu seiner Mutter, die ihn für sein höfliches Verhalten lobte. Noah schob peinlich berührt Hanims Hand von seinem dunkelblonden Schopf.
„Nicht, Mama! Ich bin doch schon groß!“, protestierte er in einem Ton, der gleichzeitig konsequent und tröstend klang. Enver richtete sich wieder auf. Seinen Einfluss auf die Kleinen unterschätzte er ständig.
„Meine Schwäger konnten sich so kurzfristig leider nicht freinehmen. Aber dafür sind Alice und Emil gekommen, die tollsten Großeltern, die man in Schweden finden kann“, verkündete er, an Sami und Gesa gerichtet. Seine Großeltern traten näher.
Bereits als Kind wurde ihm ständig gesagt, wie ähnlich er seinem Großvater doch sei. Das konnte er damals nicht nachvollziehen. Emil war doch blond und blauäugig, und er hatte das widerspenstige schwarze Haar und die, nach Aussage seiner Schwestern, frechen braunen Augen seines Vaters. Aber an seinem neunzehnten Geburtstag wurde Enver klar, dass es doch stimmte. Er besuchte seine Großeltern damals in Solna. Sein Großvater und er sahen sich einen Film an. Bei einer Szene lachten sie laut los, und Enver drehte sich zu ihm und wollte etwas kommentieren. Da bemerkte er zum ersten Mal, wie sein Großvater einen Keks in seinen Tee tunkte. Enver sah auf seine Hand, die das gleiche tat. Ihm fiel dann plötzlich ein, dass sie über vieles ähnlich dachten. Enver hatte das gleiche Sprachtalent und mochte ebenfalls keinen Kaffee. Als sein Großvater mitten in einer spannenden Szene aufstand, um nach seiner Frau zu sehen, die sich nebenan hingelegt hatte, kamen Enver in Bezug auf die Ähnlichkeit kurz Zweifel. So fürsorglich wie sein Großvater würde er niemals werden. Aber vieles passte dennoch. Er lächelte bei der Erinnerung an diesen Augenblick der Erkenntnis und hoffte, mit 85 noch genauso fit zu sein wie er ‒ und vor allem, genauso tolles, dichtes weißes Haar zu haben.
„Wie schön, euch kennenzulernen!“, rief Emil in akzentfreiem Deutsch. Auf Schwedisch fuhr er mit einem Zwinkern zu seinem Enkel fort. „Als Maja uns von der Verlobung erzählte, dachte ich, es wäre ein schlechter Scherz von dir, Söhnchen.“ Er beugte sich hinunter, um Gesa zu umarmen.
„Ach, wirklich?“, gab sie ebenfalls auf Schwedisch zurück. Emil erstarrte in seiner Bewegung.
„Ehm … Gesas Familie hat ein Jahr in Schweden verbracht. Ihr Vater hat dort ein Bauprojekt geleitet“, beeilte Enver sich zu sagen. Das hätte ich vielleicht früher erwähnen sollen. Emil sah ihn verwundert an.
„Warum hast du das nicht früher erwähnt?“ Enver zuckte mit der Schulter, auf den Lippen ein entschuldigendes Lächeln.
„Mein Schwedisch ist nicht besonders gut. Ich habe mich mehr für Zahlen interessiert“, entgegnete Gesa auf Englisch. Emil grinste und umarmte sie fest. Gesa lachte plötzlich und schlang ihre Arme um ihn. Sie wirkte in seiner Umarmung wohlbehütet und zufrieden.
„Alice, du kannst losstricken!“, grinste sein Großvater begeistert.
„Wenn es so weit ist, sind die Babysöckchen schnell gestrickt, du musst nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen!“, mahnte sie ihn. Enver kniff bei der Vorstellung die Lippen zusammen. Kinder standen nicht auf seinem Plan … was die nächsten zwanzig, dreißig Jahre anging.
Plötzlich redeten alle durcheinander und Sami und Gesa hörten den Scherzen und Familiengeschichten zu und ließen sich in der gemütlichen Sitzlandschaft im Wohnzimmer umzingeln und mit Tee abfüllen, der ihnen ständig ungefragt nachgeschenkt wurde.
„Weißt du, Gesa …“, sagte Hanim irgendwann und warf in aller Ruhe zwei Zuckerstücke in ihren Tee. „Als Enver auf die Welt kam, waren wir Mädchen sieben und hatten ständig Streit. Um Puppen, Spielregeln und Spielzeug. Als wir hörten, dass wir ein Brüderchen bekommen haben, waren wir uns zum ersten Mal in einem Punkt einig.“ Sie rührte klirrend ihren Tee um und grinste breit. „Weil Baba einen besonnenen Charakter hat, bildeten wir uns ein, dass mit Enver mehr Ruhe einkehren würde.“ Enver schaute etwas beleidigt, als alle laut loslachten. „Tja, wie soll ich es sagen …“ Hanim sah zur Decke, die vollen, pfirsichfarben geschminkten Lippen zu einem breiten Grinsen verzogen.
„Lass mich raten“, erwiderte Gesa mit einem spöttischen Lächeln. „Er fegte schon als Zweijähriger wie ein Wirbelwind durch das Haus, plapperte unentwegt und stellte euer Leben völlig auf den Kopf. Seitdem haltet ihr Mädels zusammen. Denn nur mit vereinten Kräften könnt ihr den unverschämten Bengel einigermaßen in Schach halten.“
„Genau!“, riefen Silan und Hanim wie aus einem Mund und lachten herzlich.
„Wie du siehst, sind wir beide blond und blauäugig, Gesa“, stellte Silan fest und warf ihr glattes Haar zurück. Sie beugte sich vor und senkte ihre Stimme, als würde sie ein Geheimnis preisgeben. „Wir dachten immer, Enver würde eine Blondine heiraten. Schließlich haben wir ihn als Nesthäkchen in der Familie sehr verwöhnt und waren ständig um ihn herum.“
„Sie ist doch blond, honigblond halt!“, rief Hanim. Silan betrachtete Gesas locker hochgestecktes Haar, was Gesa erröten und zu Boden blicken ließ. Enver lächelte unmerklich, als er Gesas Verlegenheit bemerkte. In wenigen Stunden wirst du mit genau diesem Blick neben mir liegen. Ich werde dein Kinn anheben, sodass du meine Blicke erwidern musst.Heute Nacht, Baby …
„Quatsch, sie ist dunkler, vielleicht mit einem Stich Kupfer.“ Silan stellte ihre Tasse ab. „Warte, aus diesem Winkel gesehen bist du tatsächlich heller, Gesa. Merkwürdig …“
„Blond oder nicht blond, ich muss zugeben, dass du meine Erwartungen weit übertriffst!“, verkündete Maja laut.
„Jetzt bring du sie nicht auch noch in Verlegenheit, Mama. Sie traut sich ja kaum noch aufzuschauen“, beschwichtigte Enver. In Wirklichkeit genoss er jede Sekunde, die sie verlegen zu Boden sah, auch wenn es nicht seinetwegen geschah. Noch nicht …
„Nein, wirklich, Enver. Sie ist bezaubernd.“ Maja sah ihren Sohn ehrlich erfreut an.
„Das habe ich selbst schon festgestellt“, gab er zurück. Er sah betont nachdenklich und mit leicht geöffneten Lippen zu Gesa. Wenn sie nur einmal meinetwegen zu Boden blicken würde … Er wartete auf ein Zeichen, das ihm signalisierte, was er in dieser Nacht zu erwarten hatte.
„Danke sehr“, murmelte Gesa und sah verlegen seine Mutter an. Hey, ich habe dir auch ein Kompliment gemacht, du Mistkröte! Gib mir endlich das Ich-bin-fickbereit-Zeichen, verdammt!
„Sami, Enver erwähnte, dass du mit deinem Onkel eine Woche am See verbringen willst“, wandte sich Halas an Sami. Dieser nickte, worauf Gesa ihre Hand auf seine legte und sie leicht drückte.
„Ja, wir wollen zelten“, sagte er daraufhin und schaute auf. In seine melancholischen Augen trat Lebendigkeit. „Wir sind gern draußen in der Natur. Unser Haus in München steht am Waldrand, ganz in der Nähe einer schönen alten Mühle. Manchmal wandern wir dort oder fahren mit den Fahrrädern rum. Wir haben sogar eine Hütte am See, nur ein paar Autostunden entfernt.“ Enver schnaubte leise. Nein, wie langweilig!
„Das klingt schön. Ich war einige Male geschäftlich in Deutschland, aber in München war ich noch nicht“, gab Halas zu.
„Ich hole deine Sammlung, Baba“, kündigte Enver an und ging in die Bibliothek, wo neben dem Kamin ein Bücherregal die gesamte Wand dunkel bekleidete. Sein Vater sammelte penibel Stadtkarten und besaß umfangreiche Reiseaufzeichnungen über jeden Ort, den er je besucht hatte. Er war sozusagen ein heimlicher Reisejournalist. Aus der Vielzahl marmorgrauer Kisten zog Enver die mit der Aufschrift Germany hervor und ging zurück ins Wohnzimmer. Innerhalb der Minute, während der er nicht im Raum gewesen war, hatte sich die Gruppe aufgelöst. Sein Vater saß jetzt neben Sami und war mit ihm ins Gespräch vertieft. Die anderen waren nicht zu sehen. Enver hörte Geschirr klappern und sah kurz darauf Gesa und seine Schwestern draußen auf der Terrasse. Sie unterhielten sich angeregt und begannen, den Gartentisch zu decken. Silan legte Wolldecken raus und Hanim schaltete die beiden Heizstrahler an, die er vor dem letzten Winter eingebaut hatte.
„Enver“, hörte er die Stimme seiner Mutter. Sie, Emil und Alice kamen aus dem Büro neben der Bibliothek. Dort hatte Maja Zirek stets geschäftliche Angelegenheiten bearbeitet, während sie ihre Kinder gleichzeitig mit Adleraugen hütete. Sie machte ihrem Sohn ein Zeichen in Richtung Bibliothek. Enver half seiner Großmutter beim Hinsetzen, während der alte Herr sich seufzend in den Sessel daneben fallen ließ.
„Danke, mein Engel“, sagte Alice und strahlte ihren Enkel an. Ihr schneeweißes Haar war zu einem kurzen Bob geschnitten, und ihre Lippen waren wie immer dezent in Pink geschminkt. Seine Schwester Hanim erinnerte Enver nicht nur wegen der Vorliebe zum Bobschnitt am ehesten an seine Großmutter. Sie hatte auch viel von ihrer Art. Er betrachtete das alte, zufriedene Gesicht und genoss die Frische, die sie ausstrahlte.
„Danke, dass ihr die Reise auf euch genommen habt, um hier zu sein“, erwiderte er und küsste ihre Hand.
„Ihr müsst uns bald einen Gegenbesuch abstatten, ja?“, bat sie und strich ihm eine widerspenstige Strähne aus der Stirn.
„Das werden wir“, antwortete er mit warmer Stimme.
„Ihr wollt also nur eine kleine Hochzeitsfeier“, stellte Emil fest. Enver setzte sich, nickte und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Seine Familie anzulügen lag ihm nun wirklich nicht, und er musste sich sehr beherrschen, um sich nicht zu verplappern.
„Eine schlimme Sache, mit ihren Eltern“, brummte Emil leise und zog die Augenbrauen zusammen.
„Die armen Kinder!“ flüsterte Alice und seufzte.
„Ja, Sami sieht so unglücklich aus. Kaum vorstellbar, was die beiden durchmachen müssen“, sagte Maja. Ihre Miene war kummervoll und in ihren Augen glänzten Tränen. „Ich möchte ihre Familie gerne zum Essen einladen. Kannst du uns mehr über sie erzählen? Es ging ja alles so schnell.“ Also gab Enver wider, was Gesa ihm erzählt hatte. Nur die Liebesgeschichte von Adem und Alexandra behielt er für sich. So wie er seine Mutter einschätzte, wüssten es in wenigen Stunden sämtliche Verwandte, und das wäre Sami gegenüber nicht fair. Als er alles erzählt und sie keine Fragen mehr hatten, die er beantworten konnte, wischte Maja ihre Tränen weg und schniefte in ein Taschentuch.
„Wir sollten die Hochzeit in München ausrichten. Vielleicht eine kleine Feier in ihrem Elternhaus. Meinst du, Gesa wäre einverstanden?“, fragte sie mit tränenerstickter Stimme. Enver wurde es zu viel. Diese Lügerei raubte ihm noch den letzten Nerv.
„Frag‘ sie doch selbst“, gab er patzig zurück.
„Ich frage aber dich“, regte sich seine Mutter auf.
„Geht die Streiterei schon wieder los!“, rief er erbost.
„Sie ist deine Verlobte, du musst doch wissen, wo sie heiraten möchte!“ Enver öffnete den Mund, um zu widersprechen.
„Entschuldigung …“ Sami stand im Türrahmen.
„Mein Goldjunge!“ Maja strahlte ihn an. Enver sah sie förmlich dahinschmelzen.
„Gesa fragt, ob ihr den Pilaw lieber mit Fleisch oder Fisch mögt“, kam Samis Stimme von der Tür her.
„Sie kann kochen? Das muss ich sehen!“ Maja stand hastig auf und folgte Sami in Richtung Küche.
„Hoffentlich nistet sie sich nicht bei euch in München ein“, sagte Emil und zwinkerte seinem Enkel zu. Alice schlug ihm leicht auf die Schulter.
„Lass ihr die Freude“, tadelte sie.
Emil ließ sich nicht beirren und fuhr fort: „Maja ist so schrecklich emotional. Manchmal frage ich mich, ob der Klapperstorch sich nicht verirrt hat, als er sie zu uns gebracht hat. Er wollte bestimmt nach Italien und hat in einem Gewitter die Orientierung verloren“, scherzte er und lachte über seinen alten Witz. Alice unterdrückte ihr Lachen und gab ihm wieder einen schwachen Hieb auf die Schulter.
„Die Zwillinge sind viel ausgeglichener“, bestätigte sie dann doch.
„Wo sind Onkel Albert und Nils eigentlich?“, fragte Enver neugierig.
„Dieses Jahr sind sie in Japan, Gott weiß, wo genau! Dass ihre Frauen das mitmachen, bleibt mir ein Rätsel. Aber vielleicht ist das auch das Geheimnis ihrer erfolgreichen Ehe mit meinen ewigen Kindsköpfen“, sagte Alice mit tiefer Wärme in der Stimme.
„So gut habe ich noch nie gegessen!“, rief Halas und lehnte sich zufrieden zurück. Mehrere warnende Blicke trafen ihn.
„Ich meine natürlich, abgesehen von Majas unübertrefflichen Kochkünsten ist dein Menü vorzüglich geraten, Gesa.“
„Danke, anders hatte ich es auch nicht verstanden“, gab sie mit einem Lächeln zurück. Halas lächelte dankbar zurück. Sie hatte ihm gerade den Kopf aus der Schlinge gezogen. Enver musste ihm im Stillen beipflichten, ihr Essen war einfach köstlich. Sie hatte diesbezüglich ihr Versprechen gehalten. Zu seinem Ärger verschluckte er sich bei der Erinnerung an den peinlichen Verlauf seiner Provokation in Cems Apartment. Im Augenwinkel konnte er sehen, dass Gesa ihm einen spöttischen Blick zuwarf. Heute Nacht wirst du mir ganz andere Blicke zuwerfen, Baby! Er nahm sich vor, sie besonders hart ranzunehmen, nur um ihr klar zu machen, wer das Sagen in dieser Scheinverlobung hatte.
Etwas später waren die Kleinen im Bett und die Erwachsenen saßen bei Tee und Mokka im Wohnzimmer. Gesa stand auf und ging in Richtung Bad. Enver wartete eine Minute und ging ihr dann nach. Als sie herauskam, packte er sie und zog sie in die Besenkammer nebenan.
„Was soll das werden?“, fragte sie gefasst.
„Meine Mutter stellt mir ständig Fragen über unsere Hochzeitspläne. Wir müssen uns absprechen.“
„Kann das nicht warten? Wir müssen das doch nicht in der Besenkammer …“
„Wenn das hier schiefgehen soll, bitte, warten wir halt“, zischte er.
Die Reise nach Istanbul war für Gesa anstrengend gewesen. Die Angst, Sami könnte wieder zusammenbrechen, sobald sie ihr Zuhause verließen, begleitete sie ständig. Ihrem kleinen Bruder etwas vorzumachen, hatte sie zusätzlich Kraft gekostet. Dann die Planänderung, weil Eva und Cem sich verliebt hatten und die Schwierigkeiten zwischen Sami und Enver. Das Letzte, was sie gerade brauchte, war eine Hochzeitsbesprechung in einer Besenkammer. Andererseits mussten sie irgendwann diese Details klären ‒ je früher, desto besser. Gesa verschränkte die Arme und atmete tief durch.
„Also gut, was will sie wissen?“
„Wo soll die Feier stattfinden? In München, im kleinen Kreis?“
„So normal wie möglich halt.“
„Ich hätte es gerne unauffällig. Wenn sich herumspricht, dass ich verheiratet bin …“ Er wusste nicht, wie er den Satz elegant beenden sollte.
„Schon klar, du willst deine Chancen bei zukünftigen Eroberungen nicht versauen“, versetzte sie kühl.
„Wenn du es so ausdrücken willst!“, fuhr er sie an. Tief im Innern verspürte er einen kleinen Triumph. War sie vielleicht eifersüchtig? Wieso sonst sollte sie sich derart abfällig äußern? Nicht mehr lange, und er würde sie aus diesem Kleid schälen.
Gesa wollte ihm sagen, wie lächerlich sein Verhalten in ihren Augen war. Glaubte er wirklich, sie würde auch nur einen Gedanken an sein Sexleben verschwenden? Dann besann sie sich aber. Er verkörperte momentan die einzige Chance, ihr Zuhause zu retten. „Keine Sorge, niemand wird dir eine Szene machen, solange du nur vor Sami den braven Ehemann spielst.“ Ihre kühle Art regte Enver auf. Er beugte sich zu ihr runter, um ihr eine giftige Antwort ins Gesicht zu schleudern, aber der Duft ihres Haars benebelte seine Gedanken sofort.
„Was geht’s dich an, mit wem ich schlafe?“, brachte er dann doch hervor.
„Spiel du nur deine Rolle, der Rest interessiert mich nicht im Geringsten.“ Dieser verzogene Schmollmund … Sein männlicher Instinkt übernahm.
„Wir können das Problem auch anders lösen.“ Er zog die erstaunte Gesa mit einem Ruck an sich. Im gleichen Moment hörten sie ein Niesen vor der Tür, und sie starrten einander erschrocken an. Nach einigen Sekunden in angespannter Stille riss Gesa sich von ihm los, öffnete die Tür und betrat den Flur. Er folgte ihr und sah seinen Großvater.
„Habt ihr euch verlaufen?“, scherzte Emil. Enver fragte sich, ob er etwas von dem Gespräch mitbekommen hatte. Gesa lächelte ihr Gegenüber verlegen an und ging zurück ins Wohnzimmer. Emil wartete, bis sie weg war, und wandte sich dann seinem Enkel zu.
„Sie ist bildschön“, stellte er fest.
„Ehm … ja“, gab Enver zurück und sah seinen Großvater unsicher an. Blaue Augen bohrten sich in seine und brachten seine Unschuldsmiene zum Bröckeln. Fast wäre er mit der Wahrheit rausgeplatzt, als Sami plötzlich im Flur auftauchte. Enver murmelte eine Entschuldigung und ging ins Wohnzimmer.
„Sami, du siehst müde aus“, ließ Halas sich irgendwann vernehmen. „Enver, du und Gesa könnt das Gästezimmer nehmen, Sami kann doch in deinem alten Zimmer schlafen.“
Gesa sah überrascht auf.
„Oh, wir wollen nicht unhöflich sein. Nicht wahr, Enver?“
Enver sah einige Sekunden eindringlich in ihre funkelnden Augen.
Wag es ja nicht, du elender Mistkerl!
Dann lächelte er seinem Vater zu.
„Danke, Baba.“ Er stand beherrscht langsam auf.
„Es war ein langer Tag. Komm Sami, ich zeig dir mein Zimmer.“ Enver küsste seine Großmutter auf die Stirn, dann seine Mutter. Die anderen blieben noch sitzen, während Hanim Gesa das Gästezimmer zeigte.
Oben angekommen wartete Sami geduldig, während Enver das Bett frisch bezog.
„Sie sind nett“, sagte er.
„Überrascht dich das etwa?“, fragte Enver.
„Irgendwie schon.“
„Du scheinst ja nicht viel von mir zu halten.“
„Der erste Eindruck war nicht der beste. Aber das Bett beziehst du wie ein Pro.“ Enver grinste schief bei dem Kompliment. Wenn du wüsstest, wie viel Übung ich habe!
„Schlaf gut“, entgegnete er stattdessen. „Und kram nicht in meinen Sachen, das würde ich merken!“, warnte er Sami, bevor er die Tür schloss. Er ging mit geschmeidigen Schritten ins Gästezimmer und musterte Gesa von oben bis unten, während er die Tür hinter sich schloss. Gesa drehte sich zu ihm um und verschränkte die Arme.
„Es gibt nur ein Bett“, stellte sie fest.
„Du kannst auf dem Boden schlafen, wenn es dich stört.“ Enver ging in das kleine angeschlossene Badezimmer und zog sich aus, ohne die Tür vorher zu schließen. „Ich jedenfalls freue mich auf das weiche Bett!“, rief er ihr zu und stieg dann mit der Zahnbürste unter die Dusche. Zehn Minuten später betrat er das Zimmer, nur ein Handtuch um die Hüften gewickelt. In der Spiegeltür des Kleiderschranks konnte er sehen, dass er eine gewohnt gute Figur machte. Schließlich war er mit einem attraktiven Körper gesegnet, trieb regelmäßig Kraftsport und joggte jeden zweiten Tag. Sie sah an ihm vorbei ins Badezimmer. Enver nahm es gelassen. Ich sorge schon dafür, dass du mir nicht widerstehen kannst. Er holte blaue Boxershorts aus seinem Kleiderstapel und sah zu ihr rüber. „Eigentlich schlafe ich nackt, aber heute mache ich mal eine Ausnahme“, ließ er beiläufig fallen.
„Ich bin müde“, erwiderte sie und ging ins Bad, ohne ihn anzusehen. Wieso denn so angespannt, Schätzchen? Er schaltete das Nachtlicht aus, legte sich ins Bett und wartete. Gesa kam wieder ins Zimmer, wühlte in ihrem Koffer und spähte dann zu ihm. Er hielt die Augen nur einen winzigen Spalt breit geöffnet. Sie sollte bloß nicht glauben, dass er es nötig hatte. Plötzlich war es dunkel.
„Mist …“, flüsterte sie und tapste durch das dunkle Zimmer. „Enver …“
Er atmete betont entspannt.
„Enver, das Licht im Bad ist kaputt“, informierte sie ihn nun lauter. Er spürte eine Bewegung am Bett, dann ging das Nachtlicht an, und ihre Schritte entfernen sich wieder in Richtung Bad. Er blinzelte und sah noch, wie sie hinter der halb geschlossenen Badezimmertür verschwand. Kurz darauf stieg sie unter die Dusche. Der Lichtkegel reichte kaum bis dorthin. Sein Schwanz war trotzdem prall und hart, denn seine Phantasie vollendete das Bild unter der Dusche. Sie war schlank, aber diese Kurven, dieser feste, wohlgeformte Hintern! Und diese süßen Apfelbrüste! Was würde ich dafür geben, von ihnen zu kosten! Er kämpfte gegen den Drang, sich bei ihrem ‒ wenn auch nur vagen ‒ Anblick zu befriedigen. In ein Badetuch gewickelt kam sie aus der Kabine. Er hörte, wie sie sich die Zähne putzte. Als sie in T-Shirt und Slip gekleidet ins Zimmer kam, schloss er die Augen wieder. Sie würde wohl kaum auf dem Boden schlafen. Das ist die Chance! Sie schaltete das Licht aus und er fühlte, wie sich die Matratze bewegte, als sie ins Bett kroch.
Nach einer Minute im Dunkeln öffnete er die Augen und bemerkte, dass sie sich mit dem Kopf zur Fußseite und an den äußersten Rand des Bettes gelegt hatte.
Langsam, aber sicher fühlte er sich beleidigt.
„Guten Morgen“, sagte Gesa und lächelte ihn verschlafen an.
„Morgen“, murmelte er.
„Möchtest du zuerst ins Bad?“
„Nein“, entgegnete er knapp. Sein Glied meldete sich schon wieder. Auch schon wach? Er blieb im Bett, während sie sich im Bad herrichtete. Hastig hob er die Decke hoch. „Jetzt gib nicht mir die Schuld!“, zischte er. Dann gab er auf, zog die Shorts aus und legte Hand an. Wieso lässt mich diese Frau so lange zappeln? Vielleicht spielt sie das Rühr-mich-nicht-an-Spiel, um mich zu beeindrucken. Nein … oder sie spielt so gut, dass sie den Oscar dafür verdient. Es machte ihn wahnsinnig, ihr so nahe zu sein und nicht zum Zug zu kommen. Mit Groll in der Brust massierte er weiter und rief sich die Bilder von gestern Abend ins Gedächtnis. Ihre Scham war in der Dunkelheit nicht auszumachen gewesen, ihre Silhouette nur undeutlich zu sehen. Die Badezimmertür ging auf. Enver zog blitzartig seine Hand unter der Decke hervor und unterdrückte seine heftige Atmung. Sie stand in Slim-Jeans und einer feminin geschnittenen schwarzen Tunika da und trocknete sich das Haar mit einem Handtuch.
„Meinst du, deine Familie freut sich über selbstgebackene Brötchen?“
„Kann schon sein“, antwortete er ungeduldig. In seinem Schritt pulsierte und pochte es. Es reicht!
„Hast du eigentlich keine Lust?“, fragte er und sah ihr dabei direkt in die Augen. Für einen Moment wirkte sie irritiert. Dann wanderte ihr Blick zu der verbeulten Stelle der Decke. Enver griff genau dort hin, hielt die Decke auf Hüfthöhe vor sich und stand auf. Sie wirkte mit einem Mal atemlos, ihre Augen fixierten seine nervös. Enver ließ die Decke fallen und ging langsam auf sie zu. Sie starrte unvermittelt auf seinen Steifen.
Riesenschwanz! Oh, mein Gott, er will seinen …
Und plötzlich war es nass und dunkel.
„Was zum …?!“ Enver hörte die Zimmertür zufallen, noch bevor er das Handtuch von seinem Gesicht gerissen hatte.
Offenbarung
„Hi, Ceylan, hier ist Enver. Ich versuche schon seit einer Woche, dich zu erreichen. Ruf bitte zurück.“ Enver legte auf und sah sich in dem geräumigen Schlafzimmer um. Der helle Raum vermittelte durch wenige Nischen aus dunklem Holz, gut gewähltem Licht und einige farbige Akzente Geborgenheit. „Sehr geschmackvoll. Aber ich dachte, ihr wohnt in München und nicht außerhalb.“
„Meine Eltern waren gerne für sich. Aber die wenigen Nachbarn, die wir haben, sind sehr nett und die Natur ist mir lieber als die Hektik in der Stadt.“ Gesa stand barfuß am Fenster und sah in den Garten hinunter, während sie erzählte. Er betrachtete die hohe Decke und den warmen Holzboden.
„Schön ist es ja, aber so einsam …“ Für jeden Drink oder Clubbesuch müsste er in die Stadt fahren, was schon ein Widerspruch war, da er grundsätzlich nie betrunken fuhr.
„Wir haben im ganzen Haus Fußbodenheizung mit automatischen Reglern und ein sparsames Wassersystem, das Regenwasser nutzbar macht. Draußen im Gartenboden ist ein Wasserauffangtank, und den Steinofen dort haben wir gemeinsam gebaut. Meine Eltern waren sehr umweltbewusst. Und sie mochten den Landstil, Luft gepaart mit Erdigkeit.“ Er umrundete seine beiden Koffer und gesellte sich zu ihr. Links am Ende des großen Gartens lag etwas unter einer Plane.
„Was ist darunter?“ Er deutete mit dem Kinn zur Plane.
„Holz. Sami und Papa wollten einen Schuppen für die Gartengeräte bauen“, antwortete sie. Ihre Stimme zitterte etwas.
„Ich kann ihn bauen.“
„Du?“
„Stell dir vor, ich bin handwerklich begabt.“
„Ich weiß nicht. Sami …“ Sie stockte, und er ließ es dabei bewenden. Mit einem leisen Schnaufen sah er in den trostlosen Garten hinaus und stellte sich vor, was man dort alles wachsen lassen könnte. Die Gene väterlicherseits machten sich bemerkbar – es juckte ihm förmlich in den Fingerspitzen. Wenn Ceylan sich nicht bald meldete, würde er noch aus reiner Langeweile zum Hobbybauern mutieren.
„Die Koffer kannst du in den Keller stellen. Es ist unten, die Tür rechts vom Gäste-WC. Die Waschmaschine findest du in einem separaten Raum direkt unter der Treppe. Dein Kleiderschrank wird leider erst morgen angeliefert. Die Fläche hinter der Tür sollte für die Sondergröße breit genug sein.“ Enver sah auf das Möbelstück zu seiner rechten Schulter.
„Verlangst du wirklich von mir, in diesem Schrank zu schlafen?“
„Es ist ein ausklappbares Bett.“ Sie sah ihn entschlossen an. „Du wirst doch kaum hier sein. Jedenfalls betonst du diese Tatsache ständig, also was stört dich daran?“
„Was, wenn Sami reinplatzt?“
„Er ist ein höflicher Junge und würde vorher anklopfen. Ansonsten hatten wir einen Streit, sowas kommt doch vor.“
„Wovor hast du eigentlich solche Angst?“
Sie drehte sich auf dem Absatz um, aber er versperrte ihr den Weg, bevor sie entkommen konnte. Sie versuchte, sich an ihm vorbeizuwinden. Enver tänzelte hin und her und drängte sie an die Wand.
„Was soll das?“, fragte sie empört.
„Was soll was? Bin ich dir zu nahe?“
„Ja“, sagte sie mit fester Stimme.
„Und für wen nimmst du dann die Pille?“ Sie sahen beide zu der Tablettenpackung auf ihrem Nachtschränkchen neben dem großen Bett, das Enver viel verlockender erschien als der schmale Schrank, in den sie ihn verfrachten wollte.
„Das hat nichts mit dir zu tun!“, gab sie erbost zurück.
„Jetzt spiel nicht die holde Jungfer, Baby.“
„Wie bitte? Du hältst dich wohl für unwiderstehlich!“ Lässig legte er seine Hände links und rechts neben ihrem Kopf an der Wand ab.
„Ich bin unwiderstehlich, merk‘ dir das.“
„Pah!“ Ihr Kinn schoss trotzig vor. Enver runzelte die Stirn.
„Soll das heißen, dass du anderer Meinung bist?“
„Allerdings.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Er war ihr wirklich viel zu nah, geradezu unerträglich!
„Bisher hat mir noch keine widerstanden“, prahlte er. Gesa strafte ihn mit einem kühlen Blick und zuckte mit den Schultern. Er beugte sich zu ihr, sodass sein Gesicht direkt über ihrem war. Na warte, Schätzchen … Er erkannte immer noch kein Begehren in diesen glühenden Smaragden. „Beweise, dass du mir widerstehen kannst“, forderte er sie heraus. Sie hielt seinem Blick stand.
„Ich muss nichts beweisen.“
„Gib mir deine Hand.“
„Wozu?“
Enver grinste schief. „Wirst du schon sehen. Oder hast du Angst, schwach zu werden?“ Sie schnaufte und hielt ihm dann die rechte Hand hin. Er nahm sie und vertiefte seine Blicke, die in ihren Augen versanken. Dann betrachtete er in Ruhe die zierliche Hand in seiner und strich mit seinem Daumen über ihre Finger. „Du hast mir in einem Punkt keine Chance gelassen, meinen Einwand einzubringen“, erklärte er und legte ihre flache Hand auf seine Brust.
„Und in welchem?“, gab sie ungerührt zurück. Enver ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er umfasste ihre schmale Hand und öffnete den obersten Hemdknopf.
„Sex.“ Er bemerkte ihren flackernden Blick und lachte innerlich.
„Das haben wir schon geklärt“, verneinte sie entschlossen. Ihr Atem streifte seine Haut und hinterließ ein Prickeln. Er führte ihre Hand auf seiner Brust etwas nach unten und öffnete einen weiteren Knopf.
„Ich bin nicht einverstanden“, bekannte er.
„Und was stellst du dir vor?“
„Was glaubst du wohl?“
„Du kannst Freundinnen haben.“
„Und?“
„Nichts weiter.“ Du eingebildeter Affe!
„Wie gesagt, damit bin ich nicht einverstanden.“
„Du kannst mich mal.“
„Das würde ich ja gern“, raunte er. Sie wollte sich an ihm vorbeidrängen, aber Enver hielt sie fest und blieb, wo er war.
„Loslassen“, sagte sie bestimmt.
„Ich höre, was du sagst, aber deine Körpersprache sagt etwas anderes.“
„Wie lächerlich!“ Sie versteckte ihre Wut nun nicht mehr.
„Du starrst auf meinen Mund.“
„Tu ich nicht!“ Sie versuchte ihre Hand aus seiner großen zu befreien.
„Da, schon wieder. Du willst, dass ich dich küsse.“
„Will ich nicht!“
„Ach Schätzchen, du bist so süß, wenn du lügst.“ Sie zerrte heftig an seinem Hemd. Ein Knopf sprang ab und Enver schob sofort ihre Hand unter den Stoff.
„Deine Brust …“, begann sie überrascht.
„Fühlt sich das gut an?“, raunte er.
„Wieso ist sie rasiert?“ Enver sah sie verdutzt an.
„Das wird heutzutage in der Modebranche erwartet.“ Sie nutzte seinen locker gewordenen Griff und befreite sich.
„Es mag nicht dem Trend entsprechen, aber ich mag Männer mit Brusthaaren!“, gab sie trotzig zurück. Bevor er reagieren konnte, war sie schon an der Tür.
„Ich lasse sie wachsen!“, rief er, aber sie war schon hinausgelaufen.
„Du kleines Luder“, grummelte er. Sein Herz klopfte heftig. Ihr Duft hing ihm noch in der Nase und ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen. „Das ist bereits das zweite Mal, dass du mir davonläufst. Ein drittes Mal passiert mir das nicht.“
Gesa lehnte ihre glühende Wange an die kühle Wand im Flur und horchte ihrem heftigen Atem. „Dem hab ich’s gezeigt“, murmelte sie. Sein verdutzter Gesichtsausdruck, als sie ihn auf seine rasierte Brust angesprochen hatte, war einfach zu köstlich gewesen. Sie musste plötzlich kichern und hielt sich die Hand vor den Mund, um das alberne Geräusch einzudämmen. Sein Geruch hing an ihr und stieg ihr in die Nase. Mit merkwürdig rasendem Herzen riss sie sich gedanklich los und klopfte an Samis Tür. Sie steckte den Kopf hinein. Er saß über seinen Schularbeiten am Schreibtisch und drehte sich nun zu ihr um. „Es wird bald Zeit fürs Abendessen. Hilfst du mir in der Küche?“, bat sie. Sein Gesicht war eine ernste Maske, und Gesa fühlte ihr Herz sinken und das innere Lachen, das sie eben noch verspürt hatte, verstummen.
„Ich brauche noch fünf Minuten“, entgegnete Sami und beugte sich wieder konzentriert über seine Bücher.
Enver war sein breites Bett in Mailand gewohnt. Kaum hatte er sich auf die Seite gedreht, fühlte er bereits den Matratzenrand. Für einen Moment spielte er mit dem Gedanken, früh aufzustehen und es doch mit Joggen in diesem gottverlassenen Wald zu probieren. Seine Trainingsgeräte waren noch in Mailand, und er wollte mit dem Ring am Finger ungern in einem Fitness-Studio auftauchen. Ein leises Quietschen ließ ihn aufhorchen. Er sah zu Gesas Zimmerseite und musste grinsen. Welch ein unverhoffter Anblick … Sie war in ein Badetuch gewickelt und hielt den Knoten oberhalb ihres Busens fest. Auf nackten Füßen ging sie zum Fenster neben ihrem Bett und zog mit einem Surren das Plissee hoch. Kühles Licht fiel ins Zimmer. Sie ging geräuschlos zum Kleiderschrank gegenüber.
Als sie zu ihm spähte, stellte er sich schlafend und öffnete die Augen erst wieder, als das quietschende Geräusch ihres Kleiderschranks erneut zu hören war. Sie fischte hellblaue Wäsche, eine Jeans und einen Pullover heraus und schloss den Schrank. Dann legte sie die Kleidung auf das Bett und wandte sich zur Schminkkommode, die sich zwischen Bett und Kleiderschrank befand. Das Badetuch glitt zu Boden, und im gleichen Moment erwachte jede Zelle in Enver zum Leben. Im Spiegel konnte er alles von seinem Bett aus sehen. Ihre Scham war ein fast durchsichtiger, seidiger Streifen aus dunklem Gold, gerade mal zwei Finger breit. Ihre Brüste hätte er mit seinen Handinnenflächen problemlos verdecken können. Sie sahen so keck und lieblich aus, dass er bei ihrem Anblick pures Glück empfand. Auf den spitz zulaufenden, blassen Erhebungen thronten rosige, prall-runde Brustwarzen wie Knospen auf weichen Rosenblüten. Ihre Pobacken waren zwei feste Kreise. Sie war so anziehend wie unschuldig, dass es ihm die Sprache verschlug. In weniger als zehn Sekunden hatte sie die hellblaue Wäsche angezogen, aber der Anblick ihrer Weiblichkeit, ihrer elfenbeinfarbenen Haut im Kontrast zu dem warmen Schein ihres Haars, hatte sich bereits in sein Gehirn eingebrannt. Sein Körper hatte so heftig reagierte, dass sein Atem rasselte und seine Haut schmerzte. Er hatte seine Hände krampfhaft in das Laken gekrallt und versuchte, das Zittern wieder unter Kontrolle zu bekommen.
Gesa zog nun Jeans und Pullover an, setzte sich auf den Hocker vor den Spiegel und kämmte ihr Haar. Im Licht des klaren Morgens schimmerte es golden. Er beobachtete jede ihrer Bewegungen, als sähe er das erste Mal in seinem Leben eine Frau. Sie steckte ihr Haar locker hoch, und es wirkte sofort dunkler, mit einem satten Schimmer aus Kupfer und Bronze, wenn sie den Kopf bewegte. Die einfache Geste zog ihn vollends in ihren Bann. Eine goldglänzende Haarwelle fiel auf ihren schlanken Nacken, berührte ihre blasse, makellose Haut … Seine Finger zuckten leicht, als wollten sie die ungehorsame Strähne an ihren Platz zurückstreichen. Mit in sich gekehrten Gesten cremte sie ihr Gesicht ein, griff dann zu einem schmalen Kasten und öffnete ihn. Sie betonte Augenbrauen und Wimpern mit Stift und Tusche. Ihre Bewegungen waren so anders als die der professionellen Stylisten, die er ständig um sich hatte. Envers Körper setzte sich wie von selbst auf, um die feinen Gesten genauer verfolgen zu können. Gesa bemerkte ihn im Spiegel, und plötzlich stand die Atmosphäre unter Starkstrom. Enver sah, wie ihre Augen größer wurden, bevor sie sich fasste. Sie öffnete den Mund leicht, sagte aber nichts. Stattdessen drehte sie sich um und sah ihn misstrauisch an. Als würde sie die Gefahr abschätzen, die von einem Raubtier ausging. Wag es ja nicht, mich anzurühren! Oder mir nochmal deinen … deinen Monsterschwanz anzubieten! Und er war sich sicher, dass sie die unverhohlene Lüsternheit in seinen Augen sah, aber sie drehte sich etwas steif wieder um und machte weiter.
Gesa überlegte fieberhaft, wie lange er wohl wach dalag. Er kann mich nicht … er wird mich doch nicht nackt … Nein, er schlief! Und was, wenn doch? Soll ich ihn geradeheraus fragen? Panisch sprang sie auf und verließ das Zimmer mit eiligen Schritten. Enver starrte schwer atmend auf die geschlossene Tür. Er konnte nur noch an eins denken. Ich muss sie haben! Ein drittes Mal wollte er sich keinesfalls abweisen lassen. Und so eine prickelnde Atmosphäre musste doch auch in ihr etwas auslösen. Es sei denn, sie war eine Roboterfrau. Allerdings eine mit Kurven, die einen Mann zum Wahnsinn trieben.
Mr. Latin Lover
Gesa war im ersten Moment zu verdutzt, um wütend zu sein. Ihr Kleiderschrank stand offen, und Enver war vornübergebeugt halb darin verschwunden. Offenbar hatte er sie nicht bemerkt, denn er wühlte fröhlich weiter. Sie hörte das rollende Geräusch ihrer Wäscheschublade, woraufhin sie entsetzt auf ihn zu preschte. Mit offenem Mund beobachtete sie, wie er Slips und BHs nahm und kritisch beäugte.
„Was wird das hier?“, fragte sie, woraufhin Enver sich so hastig umdrehte, dass er rückwärts in den Schrank fiel. Gesa beherrschte sich, um nicht laut loszulachen.
„Verdammt, Schätzchen, mir ist fast das Herz in die Hose gerutscht!“ Er rappelte sich auf und funkelte sie mit dunklen Augen an. „Du bist doch vor einer Stunde erst ins Büro gefahren!“, fügte er ungehalten hinzu. Gesa starrte ihn mit großen Augen an.
„Ich hatte ein paar Unterlagen vergessen … Moment, wieso erkläre ich mich überhaupt! Was hast du mit meinen Sachen vor?“ Sie entriss ihm einen weißen BH. Grinsend hielt er den passenden Baumwollslip so hoch, dass sie nicht herankam.
„Trägst du die Wolle etwa? Ich meine, die himmelblaue Wäsche ist ja ganz süß, aber das?“ Er zog die Stirn kraus und schüttelte den Kopf.
„Es geht dich überhaupt nichts an …“, begann sie empört.
„Natürlich geht es mich etwas an!“, unterbrach er sie lautstark. „Niemand käme auf die Idee, ich