LARRY NIVEN
&
DAVID GERROLD
DIE FLIEGENDEN
ZAUBERER
Roman
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
Das Buch
Die Autoren
Widmung
Die fliegenden Zauberer
Magie? Gibt es nicht! Alles lässt sich wissenschaftlich erklären! Das ist Purpurs Standpunkt, als er auf einem rückständigen Planeten landet. Er schert sich nicht um die Gebräuche der Eingeborenen, die ihm mit ihrem Glauben an Magie primitiv erscheinen. Dorfschamane Shoogar macht Purpurs Verhalten so wütend, dass er dessen Landekapsel zerstört. Die Konsequenzen für das Dorf sind fatal, denn die Explosion macht die ganze Gegend unbewohnbar. Allen ist klar, dass es nur eine Lösung für das Problem gibt: Purpur muss zurück zu seinem Raumschiff im Orbit. Aber dafür müssen der Magier und der Wissenschaftler zusammenarbeiten – was erstaunliche und sehr komische Konsequenzen für beide hat …
David Gerrold wurde am 24. Januar 1944 als Jerrold David Friedmann in Chicago geboren. Er studierte Theaterwissenschaften in Los Angeles und schloss 1967 mit einem B.A. ab. Am 8. September 1966 sah er die erste Folge der TV-Serie Star Trek im Fernsehen und war so begeistert, dass er Produzent Gene L. Coon einen Entwurf für eine Doppelfolge schickte, die dieser allerdings ablehnte. Coon erkannte jedoch Gerrolds Talent und bat ihn um weitere Ideen. Eine davon war »Kennen Sie Tribbles?«, die für den Hugo Award nominiert wurde und heute eine der beliebtesten Star-Trek-Episoden ist. Nachdem er einige Kurzgeschichten in Magazinen veröffentlicht hatte, schrieb Gerrold zusammen mit Larry Niven seinen ersten Roman, die SF-Humoreske »Die fliegenden Zauberer«. Anfang der Siebzigerjahre folgten die hochgelobten Romane »Ich bin Harlie« und »Zeitmaschinen gehen anders«, die heute zu den Klassikern des Genres gehören. In den Achtzigern begann Gerrold mit seinem Chtorr-Zyklus, an dem er bis heute arbeitet. Daneben schreibt er weiter Drehbücher, unter anderem zu der für den Nebula-Award nominierten Star-Trek-Fan-Serie »New Voyages«.
www.diezukunft.de
Titel der Originalausgabe
THE FLYING SORCERERS
Aus dem Amerikanischen von Yoma Cap
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Überarbeitete Neuausgabe
Copyright © 1971 by David Gerrold & Larry Niven
Copyright © 2018 der deutschsprachigen Ausgabe by
Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Covergestaltung: Das Illustrat, München
Satz: Thomas Menne
ISBN 978-3-641-23129-3
V001
Den Jungs von der NASA.
Wir verstehen
ihre Probleme nur zu gut.
Ich wurde von Pilg, dem Ausrufer, geweckt, der aufgeregt an die Wand meines Nestes hämmerte und keuchte: »Lant! Lant! Jetzt ist es geschehen! Komm schnell!«
Ich steckte den Kopf hinaus. »Was ist geschehen?«
»Das Unglück! Das Unglück!« Pilg hopste vor Aufregung auf und ab. »Ich hab' euch gesagt, dass etwas passieren wird.«
Ich zog den Kopf zurück und griff nach meinen Kleidern. Pilgs Entzücken war beunruhigend. Ich spürte, wie sich mir der Pelz sträubte bei dem Gedanken, was wohl Furchtbares geschehen war …
Pilg, der Ausrufer, hatte schon seit Wochen Unheil prophezeit – wie es seine Gewohnheit war. Zweimal im Jahr pflegte er Katastrophen vorherzusagen, jeweils zu den Äquinoktien. Die Tatsache, dass wir den Einflussbereich der einen Sonne verließen und in den der anderen eintraten, würde die lokalen Zauberformeln fast unwirksam machen. Als wir uns dem Zeitpunkt der Konjunktion näherten – wobei die blaue Sonne vor der Scheibe der roten vorbeiziehen würde –, hatte Pilg seine Warnungen mit immer mehr Nachdruck vorgebracht. Dies war Unheilwitterung: irgendetwas Entsetzliches musste geschehen.
Natürlich trat es meist auch wirklich ein. Danach – und nachdem wir Dorfleute gerettet hatten, was jeweils zu retten war – schüttelte Pilg den schweren Kopf und stöhnte: »Wartet nur auf nächstes Jahr. Wartet nur. Da wird es noch viel schlimmer kommen.«
Manchmal machten wir uns über ihn lustig und sagten im Spaß voraus, dass Pilgs ›nächstes Jahr‹ ganz gewiss das Ende der Welt bringen würde …
Ich ließ die Leiter hinunter, und einen Augenblick später stand ich neben Pilg im Gras. »Was ist los?«
»Oh, ich habe euch gewarnt, Lant, ich habe euch gewarnt! Vielleicht werdet ihr mir jetzt glauben. Aber gewarnt hab' ich euch – keiner kann sagen, dass ich euch nicht gewarnt hätte. Die Vorzeichen waren deutlich genug an den Himmel geschrieben. Was für Beweise hättet ihr noch haben wollen?«
Er meinte die Monde. Sie begannen sich alle auf der einen Seite des Himmels zu versammeln. Shoogar der Magier hatte verkündet, dass bald die Zeit der völligen Finsternis anbrechen würde – vielleicht schon heute Nacht –, und Pilg hatte das sofort als weiteres unheilvolles Omen ausgelegt.
Als wir durch das Dorf eilten, versuchte ich aus Pilg herauszubringen, was nun eigentlich geschehen war. Hatte der Fluss seinen Lauf geändert? War einem der Dorfleute das Nest vom Baum gefallen? War unser Vieh unvermutet zugrunde gegangen? Pilg war jedoch so aufgeregt darüber, schließlich doch recht behalten zu haben, dass er sich selbst nicht genauer erkundigt hatte, was überhaupt geschehen war.
Einer der Hirten aus den Bergen war anscheinend voll Entsetzen ins Dorf gerannt gekommen und hatte etwas von einem neuen Zauberer geschrien. Bis ich Pilg jedoch so weit hatte, dass er diese Information hervorstotterte, waren wir bereits auf dem Dorfplatz angelangt, wo der erschreckte Hirte, an einen der großen Wohnbäume gestützt, vor einer beunruhigten Menge seine Geschichte herauskeuchte. Die Leute drängten sich um ihn und bestürmten ihn mit Fragen. Selbst die Frauen hatten in ihrer Arbeit innegehalten und lauschten aus respektvoller Entfernung ängstlich den Worten des Hirten.
»Ein neuer Zauberer«, schnaufte er. »Ein roter Magier! Ich hab' ihn gesehen!« Jemand reichte ihm einen Schlauch; geräuschvoll sog er einige Schlucke Saft heraus und fuhr schweratmend fort: »Beim Steinmal des Windgottes. Er schleuderte rotes Feuer über die Berge.«
»Rotes Feuer. Rotes Feuer.« Die Männer des Dorfes murmelten aufgeregt durcheinander. »Wenn er rotes Feuer schleudert, muss er ein roter Magier sein.« Plötzlich hörte ich das Wort ›Duell‹. Auch die Frauen mussten es mitbekommen haben, denn sie stöhnten auf und zogen sich ängstlich von der durcheinanderdrängenden Menge der Männer zurück.
Ich schob mich in die Mitte der Versammlung. »Ah, Lant«, sagte einer der Männer. »Hast du gehört? Es soll ein Duell geben.«
»Soll es?«, erkundigte ich mich. »Hast du etwa die Runen des Duells an Shoogars Nest gesehen?«
»Nein, aber …«
»Woher willst du dann wissen, dass es ein Duell geben wird?«
»Ein roter Zauberer …«, keuchte der Hirte. »Ein roter Magier …«
»Unsinn. Kein roter Zauberer könnte die Kräfte haben, die du beschreibst. Warum wartest du nicht ab, bis du etwas Genaues weißt, bevor du närrische Gerüchte verbreitest, die nur die Frauen und Kinder erschrecken?«
»Du kennst Shoogar so gut wie wir alle! Sobald er entdeckt, dass ein neuer Zauberer in die Gegend gekommen ist, wird er …«
»Willst du damit sagen, dass es Shoogar noch nicht weiß?«
Der Mann schaute mich betroffen an.
Ich hob die Stimme. »Hat irgendjemand daran gedacht, Shoogar zu benachrichtigen?«
Schweigen. Niemand hatte daran gedacht. Meine Pflicht war klar. Ich musste Shoogar hindern, etwas Voreiliges zu unternehmen. Ich eilte durch die Bäume zum Nest des Magiers.
Shoogars Nest war für einen Zauberer genau das Passende, eine verbeulte Kürbisform in einem unheimlichen, gewaltigen schwarzen Baum, der ein gutes Stück außerhalb des Dorfes stand. (Die Ratsgilde wagte nicht, ihn seinen Wohnsitz näher wählen zu lassen: Er experimentierte andauernd mit neuen Zaubersprüchen.)
Ich traf Shoogar bereits beim Zusammenstellen seiner Reiseausrüstung an. Seine heftigen Bewegungen verrieten mir, dass er beunruhigt war. Dann entdeckte ich, was er da zusammenpackte; nun war ich beunruhigt. Das letzte Mal, als er dieses reichverzierte, aus Knochen geschnitzte tarinele verwendet hatte, war Hamel der Nichtsnutz von ihm mit einem Fluch der juckenden roten Beulen bedacht worden.
Ich sah, was er nach dem tarinele einpackte, und zuckte zusammen.
»Ich glaube, das verstößt gegen die Gildenregeln«, sagte ich.
Einen Augenblick lang glaubte ich, er würde mir eine Verwünschung entgegenschleudern. Ich duckte mich und machte instinktiv eine zauberabwehrende Geste – momentan nicht daran denkend, dass Shoogar selbst die Schutzamulette verfertigt hatte, die ich trug; er konnte unmöglich seinen eigenen Schutz durchbrechen, zumindest nicht während der nächsten paar Tage – seine Schutzsprüche würden ihre Kraft verlieren, wenn die Zeit der Blauen Morgen begann.
»Du!«, fauchte er. »Was weißt du schon von Zauberei? Du nennst dich meinen Freund? Du hattest nicht einmal die Freundlichkeit, mich über diesen Störenfried zu informieren!«
»Ich habe bis vor wenigen Augenblicken selber noch nichts von ihm gewusst. Vielleicht ist er erst heute gekommen.«
»Heute gekommen? Und hat sofort begonnen, rotes Feuer herumzuwerfen? Ohne sich erst über die lokalen Götter, Gezeitenmuster, bereits bestehende Zaubermaßnahmen und ihre Nebenwirkungen zu informieren? Lächerlich! Lant, du bist ein Narr. Du bist ein Idiot erster Ordnung, was Zauberei betrifft. Weshalb störst du mich?«
»Weil du ein Idiot bist, was Diplomatie betrifft!«, fauchte ich zurück, mit gesträubtem Pelz. (Ich bin einer der wenigen Männer im Dorf, die vor Shoogar die Haare aufstellen können und es überleben.) »Wenn ich dich in die Berge stürmen lasse, wann immer du dir einbildest, jemand hätte deine Rechte beschnitten, dann würdest du so oft Duelle ausfechten, wie die blaue Sonne aufgeht.«
Shoogar blickte mich an, und ich erkannte aus seinem Gesichtsausdruck, dass meine Feststellung ihn getroffen hatte. »Beruhige dich, Lant. Ich habe nicht gesagt, dass du in allem ein Narr bist. Ich meinte nur, dass du eben kein Zauberer bist.«
»Freut mich, dass du meine Fähigkeiten als Diplomat anerkennst«, sagte ich und entspannte mich. »Wir müssen einander ergänzen, Shoogar. Wenn wir Erfolg haben wollen, sollten wir den Fähigkeiten des anderen gebührenden Respekt zollen. Nur so können wir unser Dorf beschützen.«
»Du und deine verdammten Reden«, knurrte er. »Eines Tages werde ich deine Zunge zur Größe einer sauren Melone anschwellen lassen – nur um ein bisschen Ruhe und Frieden vor dir zu haben.«
Ich ignorierte diese Bemerkung. In Anbetracht der Umstände hatte Shoogar durchaus das Recht, ein wenig gereizt zu sein. Er schloss sein Bündel und zerrte ärgerlich an den Riemen.
»Bist du fertig?«, fragte ich. »Ich lasse Orbur benachrichtigen, er soll zwei Fahrräder bereithalten.«
»Frechheit«, knurrte Shoogar, aber ich wusste, dass er insgeheim dankbar für meine Fürsorge war. Wilville und Orbur, die beiden ältesten meiner Söhne, schnitzten die besten Fahrräder unserer Gegend.
Wir fanden den neuen Zauberer in der Nähe des Steinmals von Musk-Watz, dem Windgott. Jenseits einer tiefen Schlucht, an der das Mal steht, liegt ein weites, leicht nach Süden geneigtes, mit Gras bewachsenes Hochland. Der neue Zauberer hatte sich die Wiese zu eigen gemacht – seine magischen Geräte und Hilfsmittel lagen überall herum.
Als wir unsere ächzenden Fahrräder zum Stillstand brachten, war er eben dabei, mit Hilfe eines seltsamen Gegenstandes einen Zauber auszuführen. Shoogar und ich blieben in respektvoller Entfernung stehen und warteten gespannt.
Der Fremde war etwas größer als ich und ziemlich viel größer als Shoogar. Seine Haut war heller als die unsere und unbehaart bis auf einen einzelnen Fleck schwarzen Pelzes, der komischerweise eben nur die Oberseite seines Schädels bedeckte. Außerdem trug er noch ein eigenartiges Gestell quer auf der Nase. Mir schien, dass es sich um Quarzlinsen handelte, von einer beinernen Fassung gehalten; offenbar wollte der Fremde seine Augen damit schützen, jedenfalls konnte er ungehindert durchsehen.
Seine Gesichtszüge waren ungewöhnlich, fast etwas beängstigend, und die Proportionen seines Körpers waren noch ungewöhnlicher. Kein gewöhnliches Wesen konnte sich einen derartigen Bauch erlauben, das stand fest. Sein Anblick war ziemlich abstoßend, und ich nahm an, dass einige seiner Vorfahren nicht menschlich gewesen waren.
Magier tragen üblicherweise exotische Kleidung, um sich damit als Magier auszuweisen, aber selbst Shoogar hatte wohl etwas wie das Kostüm dieses Fremden noch nie zu Gesicht bekommen. Es bestand aus einem Stück und bedeckte fast den gesamten Körper des Fremden. Das Tuch war vollkommen nach seiner Körperform gewebt, so seltsam ausgebeult diese Form auch war. Eine jetzt zurückgeworfene Kapuze gehörte zu dem Anzug. Die Hosen hatten breite Aufschläge, damit die wadenhohen Stiefel eng anliegen konnten. Über dem Herzen trug er ein goldenes Symbol und um die Hüfte einen breiten Gürtel, an dem drei oder vier kleine Zaubergegenstände befestigt waren.
Er hatte auch eine ganze Reihe größerer Geräte aufgestellt. Die meisten zeigten den blauweißen Schimmer polierten Metalls. (In unserem Dorf gibt es nur wenig Metall – es rostet zu schnell –, aber ich bin ein weitgereister und erfahrener Mann. Das Aussehen von Metall ist mir vertraut, ich habe im Hochland viel davon gesehen, aber niemals so wunderbar bearbeitet wie hier.)
Diese Apparate ruhten alle auf drei Beinen, so dass sie horizontal ausgerichtet werden konnten, auch wenn der Boden nicht eben war. Während wir aufmerksam zusahen, schaute der Fremde in eins von ihnen, spähte über die Schlucht zum geheiligten Steinmal von Musk-Watz, dem Gott der Winde, und blickte dann wieder in sein Gerät. Unaufhörlich vor sich hinbrummend ging er über die Wiese und richtete kurz etwas an einem anderen Apparat. Offenbar handelte es sich um einen langen und komplizierten Zauber, doch was er damit bezweckte, konnte weder Shoogar noch ich erraten.
Manchmal wandte er sich nach einem eiförmigen Nest um, das riesig, schwarz und glatt am jenseitigen Ende der Weide auf seiner breiteren Wölbung ruhte. Da es in der Umgebung keinen Baum gab, der groß genug gewesen wäre, es zu tragen, hatte der Fremde es auf den Boden gesetzt. (Das war natürlich ziemlich unvorsichtig von ihm, doch die Schale dieses Nestes bestand aus einem Material, wie ich es noch nie gesehen hatte – vielleicht konnte sie sogar umherstreifenden Raubtieren widerstehen.) Ich fragte mich, wie er es über Nacht hatte bauen können. Seine Macht musste gewaltig sein.
Der Fremde bemerkte uns überhaupt nicht, und Shoogar wand sich vor Ungeduld.
Gerade als Shoogar im Begriff war, ihn zu unterbrechen, richtete sich der Fremde auf und berührte sein Gerät. Im gleichen Augenblick schleuderte es rotes Feuer über die Schlucht – genau auf das Steinmal von Musk-Watz!
Ich dachte, Shoogar würde auf der Stelle der Schlag treffen vor Wut. Mit den Wettergöttern ist auch unter günstigen Umständen schlecht fertigzuwerden, und Shoogar hatte sich drei lange Mondkonfigurationen hindurch bemüht, Musk-Watz zu besänftigen, um eine weitere Sturmperiode abzuwenden. Und jetzt hatte dieser Fremde eine seiner sorgfältigsten Beschwörungen zunichte gemacht.
Röter als Rubin, grell und blendend und schmal, gerade wie der Horizont des Ozeans (den ich ebenfalls gesehen habe), so zuckte dieses blutige Feuer über die Schlucht und fraß sich in Shoogars mühsam errichtetes Steintürmchen. Ich glaubte, es würde überhaupt nie mehr erlöschen: wie eine rotglühende Lanze bohrte es sich durch die Luft.
Das Geräusch, das dieses Schauspiel begleitete, war furchtbar. Ein schmerzhaftes, hohes Summen schien im Innern meines Schädels zu vibrieren, ein durchdringendes, unirdisches Schrillen. Daneben konnten wir das Splittern und Knacken der Steine hören.
Brennender Qualm stieg von dem Steinmal auf, und mich schauderte, als ich überlegte, was die Steinasche für einen Einfluss auf die Atmosphäre haben konnte. Wer konnte wissen, wie sich der Staub auf Shoogars Wetterzauber auswirken würde? Ich nahm mir vor, meine Frauen den Boden unseres Nestes verstärken zu lassen.
Plötzlich, ebenso abrupt wie es aufgeflammt war, erlosch das rote Feuer. Wieder breiteten sich Stille und Ruhe über dem Hochland aus. Wieder färbte blaues Dämmerlicht die Wiese. Doch vor meinen Augen stand grell ein blauweißes Nachbild des Feuerstrahls, und das Steinmal des Windgottes knackte immer noch ominös.
Erstaunlicherweise stand das Türmchen noch. Die Steine glosten und knisterten, und dort, wo das rote Feuer getroffen hatte, war ein hässlicher Fleck, aber sonst war alles in Ordnung. Wenn Shoogar baut, baut er solide.
Der Fremde richtete bereits wieder seine Geräte, ständig vor sich hinmurmelnd. (Ich fragte mich, ob das zu seinem Zauber gehörte.) Wie eine Vol-Henne, die nach ihren Jungen sieht, hastete er von einem Gerät zum anderen, guckte in das eine, stellte ein anderes ein, sprach seltsame Beschwörungen über ein drittes.
Ich warf Shoogar einen Blick zu; ich glaubte zu erkennen, wie seine Mundwinkel sich verhärteten. Mir schien, als werde sogar sein Bart steif vor Wut. Ich fürchtete, dass ein Duell im Gange sein würde, bevor der Fremde Shoogar ein Geschenk anbieten konnte. Irgendetwas musste unternommen werden, um Shoogar von einer voreiligen und ziemlich sicher bedauerlichen Handlung zurückzuhalten.
Kühn trat ich vor. »Ahem«, begann ich. »Ahem. Ich bedaure, stören zu müssen, wenn du so offensichtlich beschäftigt bist, aber dieser Steinturm ist Musk-Watz geweiht. Es bedurfte vieler Zyklen, um das Zaubermuster aufzubauen, das …«
Der Zauberer sah auf und schien uns erst jetzt zu bemerken. Er wurde plötzlich seltsam aufgeregt. Er trat rasch einen Schritt auf uns zu, mit ausgestreckten Armen, die offenen Handflächen uns zugewendet, und sprach schnelle, knappe Worte in einer Sprache, die ich nie gehört hatte. Augenblicklich warf ich mich flach zu Boden, die Arme schützend über den Kopf gelegt.
Nichts passierte.
Als ich aufblickte, stand Shoogar immer noch neben dem zweiten Fahrrad und hatte die Arme ausgebreitet in der zauberabwehrenden Geste, die er für die wirksamste hielt. Entweder war der Zauber des Fremden misslungen, oder Shoogar hatte ihn wirklich abwehren können. Jedenfalls schleuderte uns der Fremde keine Beschwörungen mehr entgegen, sondern zog sich zu seinem seltsam geformten Nest zurück, uns dabei nicht aus den Augen lassend. Er sprach weiter, aber jetzt klangen die unbekannten Worte langsam und beruhigend; es war etwa der Tonfall, mit dem man unruhige Tiere besänftigt. Er verschwand in seinem Nest, und wieder war alles friedlich und blau.
Abgesehen von dem Knacken der auskühlenden Steine, das man immer noch über die Schlucht herüber hören konnte und das uns daran erinnerte, dass Musk-Watz beleidigt worden war.
Ich wandte mich an Shoogar: »Das könnte ernst werden.«
»Lant, du bist ein Narr. Das ist bereits ernst.«
»Wirst du mit diesem neuen Zauberer fertig?«
Shoogar grunzte ausweichend, und ich bekam es mit der Angst zu tun. Shoogar war tüchtig; wenn er jetzt seiner Fähigkeiten nicht mehr sicher war, konnte das Unheil für das ganze Dorf bedeuten.
Ich setzte an, ihm meine Befürchtungen klarzumachen, aber da tauchte plötzlich der Fremde wieder auf, mit einem weiteren dieser Geräte aus Metall und einer Art Bein. Dieses war jedoch kleiner als die übrigen und wies auf den Seiten herausragende Stangen auf. Der Anblick war mir gar nicht geheuer. Ich wurde an eins der unangenehmeren Geräte erinnert, die ich während der Dunklen Jahre gesehen hatte.
Der Zauberer behielt uns im Auge, während er den Apparat auf den drei schlanken Beinen aufstellte. Als er ihn in unsere Richtung drehte, erstarrte ich.
Das Gerät begann leise zu summen, etwa wie eine Wasserharfe, wenn man mit einer Bogensaite über die Glasröhren streicht. Der Ton wurde immer höher, bis er beunruhigenderweise so zu klingen begann wie der Apparat, der rotes Feuer spie. Unauffällig schätzte ich die Entfernung zwischen mir und dem nächsten Felsblock ab.
Der Fremde sagte ungeduldig etwas zu uns in seiner unbekannten Sprache.
»Du bist unhöflich«, knurrte Shoogar. »Diese Sache hat doch wohl Zeit?«
Das Zaubergerät sagte: »Zeit?«
Ich landete hinter dem Felsblock. Shoogar hielt mutig die Stellung. »Jawohl«, bekräftigte er. »Du verletzt den alten Brauch. Danach musst du mir, wenn du in mein Gebiet kommst, einen Zauber zum Geschenk machen, den ich noch nicht kenne. Wäre ich aber dagegen in deinem Gebiet …«
Wieder sagte das Zaubergerät etwas. Seine Stimme klang schrecklich und unmenschlich. »Zaubergeschenk – nicht kennen – jawohl.«
Mir wurde bewusst, dass der Fremde zuvor gesprochen hatte. Sein Gerät versuchte, für ihn zu sprechen, doch mit unseren Worten. Shoogar erkannte das auch und war beruhigt. Das Gerät war nur ein Sprechzauber, und zudem ein ziemlich armseliger, trotz seines zauberkräftigen Aussehens.
So standen Shoogar und der Sprechzauber und der Fremde auf dem windüberstrichenen Grashochland und unterhielten sich. Genauer gesagt, sie versuchten es. Das meiste war Kindergeschwätz. Das Ding besaß keinen eigenen Wortschatz. Es konnte nur die Worte verwenden, die es vorher von Shoogar gehört hatte; manchmal gebrauchte es sie richtig, öfter aber ganz verkehrt.
Shoogars Laune besserte sich dadurch nicht. Er war gekommen, um von einem fremden Magier Geschenk oder Duell zu fordern, und sah sich jetzt gezwungen, einem stupiden Apparat das Sprechen beizubringen.
Der Fremde schien sich jedoch recht gut zu unterhalten – leider auf Shoogars Kosten.
Die rote Sonne war seit langem untergegangen, die blaue stand nahe dem Horizont, und die Welt lag in rotschwarze Schatten getaucht. Dann verschwand die blaue Sonne hinter einer Bank tiefvioletter Wolken. Ganz plötzlich war sie weg, wie eine Kerzenflamme, die der Wind ausgelöscht hat. Am Nachthimmel wurden die Monde sichtbar, sie standen nun in der Konfiguration der Gestreiften Eidechse.
Während bestimmter Konfigurationen ist Shoogars Macht größer als während anderer. Ich fragte mich, ob er Herr oder Diener der Gestreiften Eidechse war. Er zog eben hoheitsvoll seine Robe um seine feiste Gestalt. Herr also, nach seinem Verhalten zu schließen.
Plötzlich wiederholte der Fremde seine Geste der ausgestreckten Handflächen, drehte sich um und ging zu seinem Nest zurück. Er ging nicht hinein. Er berührte nur flüchtig den Rand des Eingangs, und augenblicklich flammte Licht auf! Grelles Licht, das aus der Seite seines Nestes flutete, hell wie der doppelte Tag.
Und ein sehr seltsames Licht. Der Boden und die Pflanzen hatten auf einmal ganz falsche Farben, und mit ihren Schatten stimmte etwas nicht, sie waren so schwarz.
Die Absicht des neuen Zauberers war sogar mir klar – und Shoogar erst recht. Mit abwehrend erhobenen Armen sprang er aus dem Lichtkegel. Aber das nützte ihm nichts, das Licht folgte ihm, tauchte ihn in Helligkeit, blendete ihn und machte das Licht der Monde wirkungslos. Der Fremde hatte damit die Zauberwirksamkeit der Gestreiften Eidechse völlig aufgehoben. Zitternd stand Shoogar da, klein und hilflos in dem blendenden Schein dieses seltsam gefärbten Lichts.
Dann, ohne erkennbaren Anlass, ließ der Fremde das Licht wieder erlöschen.
»Ich glaube, das Licht stört euch«, sagte der Sprechzauber, die Worte des fremden Magiers übersetzend. »Es ist nicht wichtig. Wir können genauso gut im Dunkeln sprechen.«
Ich atmete auf, aber völlig beruhigt war ich nicht. Dieser Fremde hatte uns vorgeführt, wie leicht er die Wirkung irgendeiner lunaren Konfiguration aufheben konnte. Wenn Shoogar gehofft hatte, irgendwelche Kräfte vom Himmel zu erlangen, dann musste er diese Hoffnung jetzt begraben.
Ich sah die Gestreifte Eidechse niedergeschlagen im Westen versinken. Die Monde zogen ihre Bahn den Himmel hinunter, milchweiße Sicheln mit dicken roten Rändern. In den folgenden Nächten würden die roten Randstreifen immer schmäler werden, wenn die Sonnen immer kürzer hintereinander untergingen. Dann würde überhaupt kein farbiger Rand mehr zu sehen sein. Später würden sich dann, nach dem zweiten Sonnenuntergang, blaue Ränder zeigen … und all das konnte Shoogar nicht ausnützen …
Shoogar und der neue Zauberer sprachen immer noch miteinander. Mittlerweile hatte der Sprechzauber genügend Worte gelernt, so dass die beiden vernünftig magische Angelegenheiten diskutieren konnten.
»Die Situation ist, ethisch gesehen, eindeutig«, sagte Shoogar eben. »Du praktizierst Magie in meinem Gebiet. Dafür musst du bezahlen. Genauer gesagt, du schuldest mir ein Geheimnis.«
»Ein Geheimnis …?«, wiederholte der Sprechzauber.
Fröstelnd und verkrampft, aber jetzt gar nicht mehr müde, spitzte ich die Ohren.
»Irgendeinen Zauber, den ich noch nicht kenne«, erläuterte Shoogar. »Was zum Beispiel ist das Geheimnis dieses Lichts, das so hell ist wie der doppelte Tag?«
»… Potenzialdifferenz … heißes Metall in einem Edelgas … bezweifle, dass du es verstehen würdest … Hitze entsteht durch den Fluss von … von kleinen Blitzstückchen …«
»Was du sagst, gibt keinen Sinn. Davon habe ich nichts. Du musst mir ein Geheimnis verraten, das ich verstehen und anwenden kann. Ich sehe, dass deine Zauberkräfte groß sind. Vielleicht kennst du eine Methode, die Gezeiten vorherzusagen?«
»Nein, natürlich kann ich die Gezeiten nicht vorhersagen. Ihr habt elf Monde und zwei Sonnen, die eure Ozeane in alle möglichen Richtungen ziehen und quetschen und die sich darüber hinaus noch zusätzlich gegenseitig anziehen, natürlich. Es würde Jahre dauern, ein Schema der Gezeiten zu berechnen …«
»Du musst doch sicher Dinge kennen, die mir fremd sind«, sagte Shoogar. »So wie ich Geheimnisse besitze, von denen du nichts weißt.«
»Natürlich. Ich versuche nur zu überlegen, was dir am meisten nützen würde. Es ist ja überhaupt ein Wunder, dass ihr so weit gekommen seid. Sogar Fahrräder …«
»Das sind gute Fahrräder!«, warf ich ein. »Ich muss es wohl wissen. Zwei meiner Söhne haben sie gebaut.«
»Aber Fahrräder!« Er kam neugierig näher. Ich zuckte zusammen, aber er wollte sie nur genauer ansehen. »Hartholzrahmen, Lederriemen statt Ketten, zusammengenähte Fellstreifen statt Reifen! Fantastisch! Einfach fantastisch. Primitiv, völlig handgefertigt, mit großen, breiten Rädern ohne Speichen, aber das ist unwichtig: es sind trotzdem Fahrräder. Obwohl die Wahrscheinlichkeit dagegen sprach, dass ihr überhaupt irgendeine Form von … entwickelt!«
»Wovon redest du da?«, wollte Shoogar wissen. Ich schwieg, empört über diese Beleidigung von Wilvilles und Orburs Fahrrädern. Primitiv, so!
»… beginnt mit dem Erkennen einer Ordnung«, sagte der Zauberer eben. »Aber in eurer Welt gibt es keinerlei Ordnung. Ihr seid von einer undurchsichtigen Staubwolke umgeben, deshalb habt ihr nie die Fix-Lichter-am-Himmel gesehen. Euer Firmament zeigt euch nur ein Durcheinander von Monden, die aus dem Gürtel von Kleinwelten eingefangen wurden … Dreikörperkonfiguration ist recht günstig dafür … und mit all diesen Monden bekommt man wahrhaftig komplizierte Gezeiten … Monde, deren Bahnen sich willkürlich kreuzen durch Änderung ihrer … wegen der gegenseitigen …« Der Sprechzauber ließ eine Menge Worte des Fremden aus, wodurch das übrige zu einem unverständlichen Kauderwelsch wurde. »Und dann gibt's praktisch jede Woche irgendeine neue Spezies, durch die hohe Intensität der … von der blauen Sonne. Auch keine Ordnung in euren … so weit feststellbar … vermutlich geht auch beim Bauen bei euch alles aufs Geratewohl … keine Zusammensetzband-Techniken, denn wie solltet ihr auf die Idee kommen, mit der Zusammensetzband-Methode mehrmals den gleichen Gegenstand herzustellen? Es ist aber ein menschlicher Instinkt, die Natur beherrschen zu wollen. Ihr müsst mir sagen …«
Shoogar unterbrach das Geschwätz. »Zuerst musst du mir etwas sagen. Sage mir etwas Neues, damit dem Gildengesetz Genüge getan wird. Was ist das Geheimnis deiner roten Flamme?«
»Oh, ich kann dir nicht ein solches Geheimnis sagen!«
Shoogar begann neuerlich zu kochen, aber er sagte nur: »Warum kannst du das nicht?«
»… Nun, erstens einmal, du würdest es nicht verstehen. Du könntest nicht damit umgehen.«
Shoogar richtete sich zu seiner vollen – nicht sehr imposanten – Größe auf und starrte zu dem Fremden hoch. »Willst du behaupten, dass ich nicht einmal ein Magier zweiter Ordnung bin? Jeder Zauberer, der seine Knochen wert ist, kann Feuer machen und werfen!« Und mit diesen Worten schüttelte Shoogar eine Feuerkugel aus dem Ärmel und schleuderte sie beiläufig über die Wiese.
Ich stellte fest, dass der Fremde überrascht war. Das hatte er nicht erwartet. Die Feuerkugel lag zischend auf der Erde, bis sie ausgebrannt und nur mehr ihr verkohlter Kern übrig war. Der Fremde trat zwei Schritte darauf zu, wie um sie zu untersuchen, dann wandte er sich wieder an Shoogar. »Sehr eindrucksvoll«, sagte er, »aber trotzdem …«
Shoogar sagte: »Du siehst, ich kann auch Feuer werfen. Und ich kann die Farbe der Flamme bestimmen. Was ich erfahren möchte ist, wie man in gerader Linie wirft, wie du es tust.«
»Es ist ein völlig andersartiges Prinzip … kohärentes Licht … enger Strahl … kleine Klumpen Energie … Schwingung von …« Wie zur Demonstration berührte er sein Zaubergerät nochmals, und wieder zuckte der rote Feuerstrahl hervor. Eine blendende Flamme fraß an Musk-Watz' Steinmal. Ein weiteres rauchendes Loch. Ich zuckte zusammen.
Der Fremde erklärte: »Es kocht den Stein und sagt mir, woraus er besteht, durch die Farbe des Steindampfs.«
Ich bemühte mich, meine Reaktion zu verbergen. Jeder Idiot hätte ihm sagen können, dass der Rauch blaugrau war, und woraus Steine bestehen. Ich hätte es ihm selbst sagen können.
Er redete immer noch. »Absorption von Licht … aber ich kann dir ohnehin nicht zeigen, wie man damit umgeht; ihr könntet es als Waffe verwenden.«
»Könnten es als Waffe verwenden?«, rief Shoogar betroffen. »Welchen anderen Zweck hat denn ein Zauber, mit dem man rotes Feuer geradlinig schleudern kann?«
»Das habe ich eben erklärt«, sagte der Fremde ungeduldig. »Ich könnte es nochmals erklären, aber wozu? Es ist viel zu kompliziert, als dass ihr es verstehen könntet.«
(Das war eine unnötige Beleidigung. Shoogar mag wohl nur ein Magier Zweiter Ordnung sein, aber das heißt noch lange nicht, dass er untüchtig ist. Tatsächlich gibt es nur wenige Geheimnisse, die er nicht kennt. Außerdem ist die Zulassung zur Ersten Ordnung mehr eine Sache der Politik als der Fähigkeiten, und in der Diplomatie hat Shoogar noch nie geglänzt.)
Ich konnte erkennen, dass er nahe am Siedepunkt war.
Es war hoch an der Zeit, die Beziehungen dieser zwei Zauberer mit dem Öl der Diplomatie zu schmieren. Ich wusste, dass es meine Pflicht war, Reibungen zwischen ihnen zu vermeiden, insbesondere jetzt, da es keine sprachlichen Hürden mehr gab. »Shoogar«, sagte ich, »lass mich reden. Ich bin der Diplomat.« Ohne auf seine Zustimmung zu warten, ging ich auf den Sprechzauber zu – ein bisschen nervös war ich allerdings schon.
»Gestatte mir, mich vorzustellen. Mein Name ist Lant-la-lee-lay-lie-ah-no. Es mag dir vielleicht etwas anmaßend vorkommen, dass ich sieben Silben beanspruche, aber ich bin durchaus kein unwichtiger Mann in unserem Dorf.« Ich hielt es für notwendig, ihm gleich von Anfang an meine Stellung klarzumachen, und dass ich das Recht hatte, für das Dorf zu sprechen.
Der Fremde blickte mich an und sagte: »Ich freue mich, dich kennenzulernen. Mein Name ist …« Der Sprechzauber zögerte, aber ich zählte die Silben seines Namens. Drei. Ich lächelte innerlich. Wir hatten es offenbar mit einem Individuum sehr bescheidenen Ranges zu tun … und dabei kam mir ein ungemütlicher Gedanke. Woher konnte dieser Magier stammen, wenn so unwichtige Individuen wie er so mächtige Zauberkräfte besaßen? Mit dieser Frage wollte ich mich lieber nicht beschäftigen. Vielleicht hatte er uns nicht seinen vollen Namen genannt. Schließlich hatte ich ihm auch nicht den geheimen Teil von meinem verraten.
Der Sprechzauber übersetzte unvermittelt den dreisilbigen Namen des Fremden in unsere Sprache. »Wie ein Farbton zwischen Purpur und Grau.«
»Höchst sonderbar«, sagte Shoogar leise. »Ich habe nie von einem Zauberer gehört, der nach einem Farbton benannt war.«
»Vielleicht ist das nicht sein Name, sondern ein Hinweis darauf, welchem Gott er dient.«
»Unsinn«, flüsterte Shoogar zurück. »Dann hieße er entweder Soundso der Rote oder Soundso der Blaue. Er ist aber keins von beiden.«
»Vielleicht ist er beides – und heißt deshalb Purpur.«
»Rede doch keinen Blödsinn, Lant. Es ist unmöglich, zwei Meistern zu dienen. Außerdem ist er nicht ganz Purpur. Er ist Purpur der Graue. Und ich habe nie von einem Grauen Zauberer gehört.«
Ich wandte mich wieder an den Fremden: »Ist dies dein voller Name? Wie viele Silben enthält der geheime Teil?« Daran konnte er keinen Anstoß nehmen; ich hatte nicht nach dem Namen selbst gefragt.
Er sagte: »Ich habe euch meinen ganzen Namen genannt. Wie-ein-Farbton-zwischen-Purpur-und-Grau.«
»Du hast keinen anderen? Keinen geheimen Namen?«
»Ich verstehe nicht ganz – das ist mein voller Name.«
Shoogar und ich wechselten einen Blick. Der Fremde war entweder unglaublich dumm oder außerordentlich schlau. Entweder hatte er uns seinen vollen Namen verraten und sich damit in Shoogars Macht begeben; oder er spielte nur den Tölpel, um Shoogar seinen wahren Namen verborgen zu halten. Vielleicht war der Name, den er uns gesagt hatte, irgendeine Art von Beschwörungsfalle. Auf jeden Fall gab er keinen Hinweis auf die Identität des Fremden.
Wie-ein-Farbton-zwischen-Purpur-und-Grau sprach von neuem. »Woher kommt ihr?«
»Aus dem Dorf«, ich wollte schon ins Tal hinunter zeigen, unterdrückte die Geste jedoch hastig. Wozu diesem Fremden verraten, wo unser Dorf lag?
»Aber aus der Luft konnte ich kein Dorf entdecken …«
»Aus der Luft …?«, fragte Shoogar.
»Ja, als ich diese Gegend überflog.«
Jetzt spitzte Shoogar die Ohren. »Flog? Du hast einen Flugzauber? Wie machst du das? Ich habe es nie fertiggebracht, etwas größeres als eine Melone zum Fliegen zu bringen – und dabei habe ich sogar die Blasen giftigen Geruchs eingefangen, die aus den Sümpfen aufsteigen.« Tatsächlich hatte sich Shoogar schon seit langem, seit er Magier war, um einen Flugzauber bemüht. Er hatte sogar zwei meiner Söhne überredet, ihm zu helfen: Wilville und Orbur. Oft vernachlässigten sie ihre Fahrradschnitzerei, um an irgendeinem seltsamen Gerät für ihn zu basteln. Ihre Begeisterung für Shoogars Projekt war so groß, dass sie – zu meinem beträchtlichen Ärger – von ihm nicht einmal eine Bezahlung für ihre Arbeit annahmen.
Der neue Zauberer lächelte über Shoogars Idee von einem Flugzauber. »Primitiv«, sagte er, »aber es könnte funktionieren. Mein Flugzeug arbeitet nach einem komplizierteren und wirkungsvolleren Prinzip.« Er wies auf sein riesiges schwarzes Nest. Nein, er musste ein Gerät darin oder in der Nähe gemeint haben. Wer hätte je von einem fliegenden Nest gehört? Ein Nest ist eine feste Heimstatt, ein Zufluchtsort, ein Zuhause, in das man zurückkehrt. Rein philosophisch gesehen hat ein Nest sich nicht einmal zu bewegen, geschweige denn zu fliegen. Was philosophisch unmöglich ist, ist auch der Magie unmöglich. Diesem Gesetz sind selbst die Götter unterworfen.
»Nun, so zeige mir, wie es funktioniert. Lehre mich deinen Flugzauber!«, bat Shoogar aufgeregt.
Der Fremde schüttelte den Kopf. »Ich kann dir auch das nicht beibringen. Es wäre dir unverständlich …«
Das war zuviel für Shoogar. Den ganzen Nachmittag lang hatte dieser neue Zauberer nichts anderes getan als ihn beleidigt. Jetzt weigerte er sich sogar, ihm ein Geheimnis zum Geschenk zu machen, wie es Brauch war. Shoogar begann entrüstet auf und ab zu hüpfen. Er zog sein tarinele aus dem Gerätebeutel und begann wirklich schon, die Blaskammern mit Fluchpulver zu füllen, bevor ich ihn besänftigen konnte.
»Geduld, Shoogar! Bitte!«, flehte ich ihn an. »Lass uns ins Dorf zurückkehren. Berufe doch erst eine Versammlung der Ratsgilde ein! Fordere ihn nicht zu einem Duell, bevor wir Gelegenheit hatten, diese Sache zu besprechen.«
Shoogar murmelte etwas in seinen Bart. Er murmelte ziemlich viel in seinen Bart. »Ich sollte dieses tarinele gegen dich gebrauchen. Du weißt, dass ich es hasse, einen guten Fluch zu vergeuden.« Aber er leerte die Blaskammern, wickelte es in die lederne Schutzhülle und steckte es in seinen Beutel zurück.
Er stand auf und fixierte den neuen Zauberer. »Wir kehren jetzt in unser Dorf zurück, um uns zu beraten. Wir werden dich hier wieder aufsuchen, bevor die Zeit der blauen Morgen anbricht.«
Der Fremde schien das nicht verstehen zu wollen. »Ich begleite euch«, sagte er. »Ich würde gern euer Dorf sehen.«
Shoogar kann recht schlau sein, wenn er es darauf anlegt. »Gewiss kannst du uns begleiten«, erwiderte er. »Es wäre ungastlich von uns, dich nicht willkommen zu heißen. Aber du kannst dich nicht so weit von deinem Nest entfernen. Heute Nacht gehen alle Monde unter, und rotes Unheil zieht durchs Land.« (Mir wäre es lieber gewesen, wenn Shoogar das nicht erwähnt hätte. Mir wurde mit Schrecken bewusst, wie weit wir von zu Hause entfernt waren.)
Shoogar breitete ratlos die Hände aus. »Wenn es im Dorf ein leeres Nest gäbe, würden wir es dir mit Freuden anbieten – aber dem ist nicht so, und da sich die Zeit der völligen Dunkelheit nähert, ist es nicht empfehlenswert, sich so weit vom eigenen Nest fortzubegeben.«
»Ist schon gut«, meinte der Fremde. »Ich werde es einfach mitnehmen.«
»Was?«, sagte Shoogar. »Wie? Wir werden dir ganz gewiss nicht dabei helfen. Das heißt, keiner von uns ist stark genug, um …«
Wie-ein-Farbton-zwischen-Purpur-und-Grau schien zu lachen. Ich bekam sein Lachen allmählich satt. »Macht euch deswegen keine Sorgen«, sagte er. »Zeigt mir nur einfach den Weg, ich komme dann schon nach.«
Shoogar und ich wechselten einen ratlosen Blick. Es war offensichtlich, dass dieser dickbeinige Fremde nicht mit unseren Fahrrädern würde Schritt halten können – insbesondere, wenn er sein Nest mitnehmen wollte. Wir warteten jedoch respektvoll, während der Magier seine Geräte und Apparate abbaute. Ich war erstaunt, als ich sah, wie leicht sie zusammengeklappt werden konnten, und wie kompakt sie dann waren. Ich beschloss, mir eins davon näher anzusehen, wenn sich die Gelegenheit bot. Ich hätte gern gesehen, wie das Bein geschnitzt und wie das Metall bearbeitet war. Vielleicht konnte ich aus dem Bau solcher Geräte etwas lernen. Sie waren so präzis und filigran gearbeitet, dass ich in dem Dämmerlicht kaum mehr etwas erkennen konnte.
Unwillkürlich warf ich einen Blick auf den Himmel. Wir näherten uns rasch der Zeit völliger Dunkelheit. Nur mehr sechs Monde waren sichtbar. Kein Wunder, dass das Licht schwand. Ich hatte keinesfalls die Absicht, noch länger auf diesen Fremden zu warten.
In bemerkenswert kurzer Zeit hatte er alle seine Geräte zusammengepackt und in seinem Nest verstaut. Irgendetwas an seinem Benehmen machte mich unruhig; eine Art Selbstsicherheit, die andeutete, dass er wusste, was er tat. »So«, sagte er. »Ich bin bereit.« Er verschwand in seinem Nest und schloss die Tür hinter sich. Und nun wich meine vage Unruhe nacktem Entsetzen. Purpur-Graus ganzes Nest begann zu summen, wie der Sprechzauber und der Rotfeuerzauber in ihm, nur viel lauter. Plötzlich erhob es sich in die Luft und blieb in zweifacher Manneshöhe stehen. Es begann in einer Farbe zu glühen, die wir noch nie gesehen hatten. Die Pflanzen und Bäume schimmerten gespensterhaft. Grün ist eine dunkle Farbe – nicht grässlich helle Fluoreszenz.
Ich glaubte schon, Shoogar würde vor Erstaunen von seinem Fahrrad fallen. Ich musste selber ziemlich auf meine Hände und Füße aufpassen. Wenn man am ganzen Körper zittert, lässt es sich mit einem Fahrrad eben schwerer als sonst umgehen.
Die Fahrt ins Dorf zurück war ein Albtraum. Shoogar war so verschreckt, dass er vergaß, eines seiner Schutz-canteles zu singen, und wir beide mussten immer wieder über die Schulter nach hinten sehen, wo dieses riesige, düstere Ei lautlos und bedrohlich uns nachschwebte, überallhin Licht ausstrahlend, wie irgendeine schreckliche Manifestation von Elcin, dem Donnergott.
Aber das war leider noch nicht alles: jedes Mal, wenn ich aufschaute, war ein weiterer Mond untergegangen und die Zeit der vollen Dunkelheit noch näher gerückt. Einer von uns jammerte laut, aber ich war mir nicht einmal sicher, ob es Shoogar war oder ich.
Die Fahrräder holperten laut den Bergpfad hinunter, und ich war so ausschließlich darauf bedacht, heil in mein Nest zurückzukommen, dass ich ganz vergaß, Shoogar zu ermahnen, auf mein zweites Rad aufzupassen. Nachdem er sich immer wieder nervös umschaute, war es durchaus wahrscheinlich, dass er das gute Stück an irgendeinem Felsen zerschmettern würde. Glücklicherweise tat er das nicht; ich war mir gar nicht sicher, ob ich haltgemacht hätte, um ihm zu helfen. Nicht mit diesem schimmernden schwarzen Ei auf den Fersen, das uns unverändert aufrecht und drohend nachschwebte.
Irgendwie schafften wir es bis hinunter auf die Grassteppe. Mehrere der Frauen sahen uns kommen – sie waren draußen auf den Feldern, um die Nachtpilze einzusammeln –, aber als sie das riesige strahlende Ei hinter uns gewahrten, machten sie kehrt und flohen ins Dorf. Shoogar und ich dachten nicht einmal daran, unsere Fahrräder auf dem Hügel abzustellen, sondern fuhren bis mitten in die Siedlung damit. (Nun, die Frauen würden später den Schlamm von den Rädern putzen müssen.)
Wir erreichten das Dorf keinen Augenblick zu früh. Der letzte der Monde ging eben im Westen unter. Außer Atem blieben wir auf dem Dorfplatz stehen. Das große schwarze Nest schwebte drohend über uns und erhellte das ganze Dorf mit seinem eigenartigen Schein. Die großen Bäume und die kürbisförmigen Nester, die an ihren mächtigen Ästen hingen, bekamen einen unheimlichen, fremdartigen Farbton.
Aus der Luft dröhnte die Stimme des Magiers lauter als irgendeine menschliche Stimme: »… kein Wunder, dass ich das von oben nicht gesehen habe … Häuser sind kugelförmige Strukturen, die in ungeheuren Bäumen aufgehängt sind … müssen mindestens … Wenn ich das erst … erzähle! Wo soll ich landen?«, fragte er plötzlich.
»Irgendwo …«, stöhnte ich schwach, »setz nur irgendwo auf«, und wies mit einer Geste rundum. Ich schaute mich auch selber um nach einem Baum, an dem man ein solches Nest aufhängen könnte, aber es gab keinen, der stark genug und noch nicht besetzt gewesen wäre.
Allerdings, wenn dieser Zauberer sein Nest fliegen lassen konnte, dann war es ihm wohl durchaus möglich, es an einem dünnen Schössling aufzuhängen.
Aber der Fremde tat das nicht – er landete wirklich auf dem Boden.
Und nicht etwa auf irgendeinem Boden. Er schwebte durchs Dorf in Richtung Fluss und setzte auf dem Hang oberhalb der Froschklassifizierungsteiche auf. Die Teiche waren zur Zeit trockengelegt für die rituelle Reinigung und den Laichzauber, aber mich empörte diese schnöde Missachtung unseres Eigentums. Ich zuckte zusammen, als das Nest des Magiers mit einem lauten, schmatzenden Schlurp in den Morast sank.
Ich schlief gar nicht gut. Als sich der verschwommene Rand der roten Sonne über den Horizont schob, war ich längst auf. Nach dem Reinigungsritus fühlte ich mich etwas besser, aber immer noch unausgeschlafen und müde. Die Ereignisse vom Abend zuvor hatten ihre Spuren hinterlassen.
Ein Blick aus dem Nesteingang genügte, um mich zu überzeugen, dass der Fremde noch in unserer Mitte weilte. Pilg, der Ausrufer, wanderte bereits unter den Bäumen umher, diese neue Entwicklung bejammernd. Unheil würde nun sicherer denn je über uns kommen, da der fremde Zauberer sogar sein Nest ins Dorf gebracht hatte. Von meinem Baum aus konnte ich die neugierige Menge erkennen, die es umringte – in respektvoller, angemessener Entfernung natürlich.
Ang, der Froschhändler, rang verzweifelt die Hände wegen seiner Froschklassifizierungsteiche. Er würde erneut das Reinigungsritual vollziehen müssen, wenn der Fremde fort war, und wenn das nicht bald geschah, würde er die Laichzeit versäumen.
Shoogar und ich machten uns auf, den fremden Magier zu beobachten. Kaum sah er uns kommen, richtete er sich von irgendeinem Kraut auf, das er gerade untersucht hatte, und verschwand in seinem Nest. Er kehrte fast sofort zurück und hielt uns einen Gegenstand hin. »Ein Geschenk«, sagte er. »Ein Geschenk für Shoogar, den Zauberer.«
Shoogar war völlig überrumpelt. Er hatte nicht mehr erwartet, dass der Fremde noch mit dem erforderlichen Geschenk herausrücken würde. Jetzt hatte er seine Verpflichtung als auswärtiger Magier erfüllt und das gesetzliche Recht erworben, in Shoogars Gebiet zu bleiben.
Dasselbe Übereinkommen zwang Shoogar, die Rechte des neuen Zauberers ebenso wie seine magischen Rituale zu achten. In der Beziehung ist das Gildengesetz sehr streng.
Shoogar, als ortsansässiger Zauberer, hatte den Vorrang. Der Fremde durfte nichts tun, das Shoogar in seiner Praxis behinderte oder mit früheren Zaubermaßnahmen in Konflikt stand; abgesehen davon hatte er volle Handlungsfreiheit.
Shoogar untersuchte das Geschenk. Es war klein und leicht, bequem in einer Hand zu halten. An dem einen Ende war eine Glaslinse angebracht. Der Fremde zeigte uns, wie man damit umging. Wenn man eine Art Warze an der Seite nach vorn drückte, kam Licht aus der Glaslinse.
Es war ein ziemlich gewöhnlicher Gegenstand. Ich spürte, dass Shoogar enttäuscht war und gekränkt, dass der Fremde ihm nichts Eindrucksvolleres geschenkt hatte. Shoogar hatte seine eigenen Methoden, kaltes Licht zu produzieren. Aber er konnte schlecht etwas dagegen einwenden. Es zeugt von sehr üblen Manieren, einen Geschenkzauber in Gegenwart des Gebers zu kritisieren.
Der einzige Vorteil des Geschenks war, dass das Licht in einer Form herauskam, die wir noch nicht gesehen hatten. Wenn man am einen Ende drehte, konnte man die Form von einem hellen engen Strahl (ähnlich wie bei dem roten Feuer des Fremden, aber nicht annähernd so gefährlich) zu einem breiten Schein verändern, der die Gegend in weitem Umkreis erhellte.
Mit der Gleitwarze konnte man auch die Helligkeit des Geräts regulieren. Man konnte das Licht zu einem dumpfen Glimmen dämpfen, das nicht heller war als Leuchtmoos, oder so weit aufdrehen, dass es einen blendete. Purpur-Grau riet Shoogar, den Zauber in dieser letzteren Form nur spärlich anzuwenden, weil sonst sein Etwas zu schnell verbraucht wäre. Der Sprechzauber konnte das Wort nicht übersetzen.
Shoogar drehte das Geschenk in den Händen hin und her. Ihm wässerte der Mund nach dem Flugzauber oder dem roten Feuerstrahl. Die Höflichkeit zwang ihn jedoch, dieses Geschenk freundlich anzunehmen. Mir war klar, dass er gern etwas anderes verlangt hätte, aber er wusste nicht, wie er das tun konnte, ohne den anderen Zauberer zu beleidigen.
»Ich verstehe nicht, warum eure Welt überhaupt Leben entwickelt hat«, sagte Purpur-Grau. »Euer Evolutionsschema sieht sehr sonderbar aus – andererseits, wer würde eine solche Welt besiedeln wollen? Wir ganz bestimmt nicht. Erstens seid ihr hinter einer kosmischen Staubwolke verborgen. Und zweitens habt ihr kein gelbes Sonnenlicht.« Anscheinend war dies seine übliche Art zu reden: teils zusammenhängende, aber nicht immer verständliche Sätze, teils völlig sinnloses Zeug. »Obwohl wahrscheinlich die rote und die blaue Sonne zusammen den gleichen Effekt ergeben … die Pflanzen sehen schwarz aus, weil es so wenig grünes Licht gibt, aber das Sowieso in den Pflanzen braucht das Grün ohnehin nicht, also macht das nichts aus. Nur diese doppelten Schatten, die können einen um den Verstand bringen.«
Shoogar wartete mit bewundernswerter Geduld, bis der andere mit seinem verrückten Selbstgespräch zu Ende war. Purpur-Graus Erwähnung andersartiger Farben deutete anscheinend etwas sehr Wichtiges an, und Shoogar wollte erfahren, was das war. »Du sprichst von ›dieser Welt‹«, sagte er. »Soll man daraus schließen, dass du von anderen Welten weißt?« Ich fragte mich, ob Shoogar dem Fremden eine Falle stellte.
»O ja. Meine Welt …« Er blickte hoch, überlegte und zeigte dann in den leeren Himmel. »Meine Welt ist ungefähr dort … glaube ich. Hinter den Staubwolken.«
»Staubwolken?« Shoogar spähte zum Himmel. Ich schaute ebenfalls hinauf. Die Menge der Neugierigen auch. »Staubwolken?« Der Himmel war leer und blau. Wovon redete der Fremde?
Shoogar musterte den anderen Zauberer. »Willst du mich verhöhnen? Ich sehe nichts. Keine Staubwolken. Keine anderen Welten. Der Himmel ist leer.«
»Aber durchaus nicht«, sagte Purpur-Grau. »Meine Welt ist nur zu klein, als dass du sie sehen könntest.«