Buch

Zwei Jahre nach seinem Verschwinden in der sudanesischen Wüste stolpert der Chef einer britischen archäologischen Expedition, Professor Harold McCabe, aus dem Sand, hektisch und delirierend. Bevor er seine Geschichte erzählen kann, stirbt er. Das Geheimnis vertieft sich, als eine Autopsie eine bizarre Besonderheit aufdeckt: Jemand hatte begonnen, den Körper des Professors zu mumifizieren – während er noch lebte!

Seine seltsamen Überreste werden zur weiteren Untersuchung nach London zurückgebracht, während alarmierende Nachrichten aus Ägypten kommen. Das medizinische Team, das die Autopsie des Mannes durchgeführt hatte, erkrankte an einer unbekannten Krankheit, die sich schnell in ganz Kairo ausbreitet. Aus Angst vor einer Epidemie wird Painter Crowe, der Direktor von Sigma Force, hinzugezogen. Denn Professor McCabe war in der Wüste verschwunden, als er nach dem Ursprung der zehn Plagen Mose suchte. Beginnen diese Plagen wieder?

Autor

Der New York Times Bestsellerautor James Rollins hat einen Doktorgrad in Tiermedizin. Als begeisterter Höhlenforscher und ebenso eifriger Taucher ist er häufig unter Wasser oder unter der Erde anzutreffen. Er wohnt in den Bergen der Sierra Nevada in Kalifornien, USA.

Von James Rollins bei Blanvalet erschienen:

Sigma-Force:

Der Genesis-Plan, Feuermönche, Sandsturm, Der Judas-Code, Das Messias-Gen, Feuerflut, Mission Ewigkeit, Das Auge Gottes, Projekt Chimera, Das Knochenlabyrinth, Die siebte Plage

Tucker Wayne:

Killercode

Die Bruderschaft der Christuskrieger:

Das Evangelium des Blutes, Das Blut des Verräters, Die Apokalypse des Blutes

Außerdem:

Sub Terra, Im Dreieck des Drachen, Das Flammenzeichen, Operation Amazonas, Das Blut des Teufels,

Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels

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James Rollins

Die siebte Plage

Roman

Aus dem Englischen
von Norbert Stöbe

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Die englische Originalausgabe erschien 2016 unter dem Titel »The Seventh Plague (Sigma Force 12)« bei William Morrow, New York.
Copyright der Originalausgabe © 2016 by Jim Czajkowski
Published in agreement with the author,
c/o Baror Interantional, Inc. Armonk, New York, U.S.A.
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2018
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Umschlaggestaltung: © Johannes Wiebel | punchdesign
nach einer Originalvorlage
Umschlagdesign und -illustration: Tony Mauro
Redaktion: text in form / Gerhard Seidl
HK · Herstellung: sam
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
ISBN: 978-3-641-21935-2
V004
www.blanvalet.de

Ich danke meinen Eltern, Ronald und Mary Ann, für ihre Anregungen, ihre bedingungslose Unterstützung und ihr lebenslanges Vorbild, das mir gezeigt hat, wie man liebt … Jetzt sind beide wiedervereint in ewigem Frieden.

Vorbemerkung
zum historischen
Hintergrund

Da sprach Mose zum Volk: Gedenkt an diesen Tag, an dem ihr aus Ägypten, aus der Knechtschaft, gezogen seid, denn der HERR hat euch mit mächtiger Hand von dort herausgeführt …

2. Buch Mose 13,3

Nur wenige Bücher der Bibel sind so erschütternd wie die häufig in Schrift und Bild nacherzählte Geschichte Moses. Als Säugling von der Pharaonentochter aus einem im Nil schwimmenden Binsenkorb gerettet, bot er schließlich dem Sohn des Pharaos die Stirn und wurde zu einer legendenhaften Gestalt. Um die Israeliten aus der Sklaverei zu befreien, beschwor er zehn Plagen herauf, teilte das Meer, führte sein Volk vierzig Jahre lang durch die Wüste und übergab ihm die Zehn Gebote, die Grundlage eines neuen Rechtssystems.

Aber entspricht dies alles der Wahrheit? Die meisten Historiker, darunter viele religiöse Gelehrte, tun die Geschichte des Auszugs aus Ägypten als Mythos ab und sehen darin keine historische Realität, sondern eine moralische Lektion. Dazu passt, dass die Ägyptologen in dem in der Bibel bezeichneten Zeitraum keinerlei Belege für eine Serie von Plagen oder einen Massenexodus von Sklaven finden konnten.

Neueste Entdeckungen am Nil aber lassen es als denkbar erscheinen, dass die Zweifler falschliegen könnten. Gibt es tatsächlich Belege für die Geschichte des Moses und den Auszug aus Ägypten, die Wunder und die sieben Plagen? Die in diesem Buch enthaltenen verblüffenden Antworten gründen auf Fakten, die ebenso unbestreitbar sind wie der Name Israel, der auf einer Stele des Sohnes von Ramses dem Großen entdeckt wurde.

Und wenn Ägypten tatsächlich von Plagen heimgesucht wurde – könnte es dann wieder passieren, in globalem Maßstab?

Die Antwort darauf ist erschreckend, denn sie lautet … ja.

Vorbemerkung
zum wissenschaftlichen
Hintergrund

Klima ist das, was wir erwarten, Wetter ist das, was wir bekommen.

Mark Twain zugeschrieben

Neuerdings geht es immer hitziger zu – nicht bloß im Hinblick auf die globale Erderwärmung, sondern auch bei der Debatte über den Klimawandel. In den vergangenen Jahren hat sich die Fragestellung gewandelt. Hieß es zunächst: Ist der Klimawandel real?, so lautet die Frage jetzt: Was sind die Ursachen, und kann man etwas dagegen tun? Selbst viele ehemalige Skeptiker erkennen mittlerweile an, dass mit unserem Planeten etwas geschieht. Weltweit schmelzen die Gletscher, das Packeis Grönlands schwindet in rasantem Tempo, und die Meere erwärmen sich. Das Wetter wird immer extremer, es kommt zu ausgedehnten Dürreperioden und starken Überschwemmungen. Wie im Februar 2016 gemeldet wurde, hat Kanada den zweitwärmsten Winter seit Beginn der Wetteraufzeichnungen erlebt, die Temperaturen lagen mehr als fünf Grad Celsius über dem Durchschnitt. Im Mai desselben Jahres zeigten Satellitenbilder, dass die arktische Eiskappe noch nie so klein gewesen ist.

Die wichtigere Frage – der in diesem Buch nachgegangen wird – aber lautet: Wie geht es weiter? Die Antwort ist überraschend, wird selten diskutiert, gründet aber auf konkreten Hinweisen und wissenschaftlichen Belegen – und es gibt, was schockierend klingen mag, einen historischen Präzedenzfall. Ob Sie nun Skeptiker oder Gläubiger sind, vorgewarnt zu sein heißt, gewappnet sein. Es ist an der Zeit, die schwindelerregende Wahrheit über die Zukunft unseres Planeten öffentlich zu machen.

Und der HERR sprach zu Mose: Sage Aaron: Nimm deinen Stab und recke deine Hand aus über die Wasser in Ägypten, über ihre Ströme und Kanäle und Sümpfe und über alle Wasserstellen, dass sie zu Blut werden; und es sei Blut in ganz Ägyptenland, selbst in den hölzernen und steinernen Gefäßen.

2. Buch Mose 7,19

Denial ain’t just a river in Egypt.1

Mark Twain


1 Wortspiel mit denial (Verleugnung) und de Nile (Slang für the nile, der Nil.)

Frühling, 1324 v. Chr.
Nubische Wüste, Südägypten

Die Hohepriesterin kniete nackt im Sand und wusste, dass die Zeit gekommen war. Die Omen waren deutlich, wurden dringlicher, verwandelten sich in Gewissheit. Im Westen baute sich ein Sandsturm auf, der blaue Himmel dunkelte ein, durchzuckt von Blitzen.

Der Gegner hatte sie fast erreicht.

Zur Vorbereitung hatte Sabah sich am ganzen Leib rasiert, auch die Brauen über den geschminkten Augen. Sie hatte in den beiden Zuflüssen gebadet, die in nördlicher Richtung aus der Wüste kamen und sich an diesem heiligen Ort zu dem mächtigen Strom vereinigten, den die alten Könige der heqa khaseshet Nahal nannten. Sie vergegenwärtigte sich seinen gewundenen Lauf, der an Luxor, Theben und Memphis vorbeiströmte und schließlich jenseits des fruchtbaren Deltas ins große blaue Meer mündete.

Diese Gegend kannte sie nur vom Hörensagen.

Aus den Geschichten über unsere alte Heimat, diesen Ort der grünen Felder und Palmen, das Leben gegliedert von den Überschwemmungen des Nahal …

Aus diesem Land war Sabahs Volk vor über hundert Jahren geflohen, hatte die Zeit der Plagen, des Hungers und des Todes hinter sich gelassen, gejagt von einem längst verstorbenen Pharao. Die meisten anderen Stämme im Delta hatten Zuflucht in der Wüste im Osten gesucht, hatten dort Land erobert und ein eigenes Königreich gegründet – ihr Stamm aber hatte weiter im Süden gelebt, am Fluss in der Nähe des Dorfs Djeba. Im oberägyptischen Distrikt Wetjes-Hor, Thron des Horus.

In jener Zeit der Dunkelheit und des Todes hatte ihr Stamm sich aufgerafft und war flussaufwärts geflohen, bis über die Grenze des ägyptischen Reiches hinaus in die Nubische Wüste. Ihrem Stamm hatten Gelehrte und Schreiber, Priester und Priesterinnen, Bewahrer des großen Wissens angehört. Sie hatten sich in die unbewohnte Weite Nubiens zurückgezogen, um ihr Wissen in den bewegten Zeiten nach den Plagen zu bewahren, als Ägypten von Fremden aus dem Osten besetzt gewesen war, einem wilden Volk mit schnelleren Streitwagen und stärkeren Bronzewaffen, mit denen sie die geschwächten ägyptischen Städte eroberten, wobei kaum ein Pfeil abgefeuert wurde.

Doch die Zeit der Dunkelheit hatte geendet.

Ägypten erstarkte erneut, verjagte die Invasoren, feierte seine zahlreichen Siege mit der Errichtung von Monumenten und breitete sich in alle Richtungen aus.

»Hemet netjer …«, flüsterte hinter ihr Tabor, ihr nubischer Diener.

Vielleicht spürte er ihre Beklommenheit, oder aber er wollte sie an ihre Rolle als hemet netjer erinnern … als Gottesdienerin. »Wir müssen aufbrechen.«

Sie verstand und erhob sich.

Tabor blickte zum Sturm im Westen hinüber, offenbar der Ursprung ihrer Besorgnis, doch Sabah bemerkte eine Rauchfahne genau im Norden, wo am fünften Katarakt des Nahal eine Stadt zerstört wurde, die neueste Eroberung des ägyptischen Heeres. Schon bald würden die Soldaten auch diesen mächtigen Zusammenfluss erreichen.

Zuvor mussten Sabah und die anderen Angehörigen ihres Ordens das verstecken, was sie über hundert Jahre lang bewahrt hatten, ein Wunder wie kein anderes: eine Gabe Gottes, ein Heilmittel, verborgen in einem Fluch.

Während sie beobachteten, wie die Ägypter am Fluss entlang vorrückten und Stadt um Stadt zerstörten, hatten sie tausend Tage lang Vorbereitungen getroffen, darunter rituelle Reinigungen, die sie und ihren Orden zu vollkommenen Gefäßen für den Segen Gottes machen sollten.

Sabah war die Letzte, der die Umwandlung gestattet werden sollte, nachdem sie bereits viele ihrer Brüder und Schwestern auf diesem Weg beaufsichtigt und angeleitet hatte. Wie die anderen hatte sie der Hirse und dem Korn ein Jahr lang entsagt und sich allein von Nüssen, Beeren, Baumrinde und einem Tee aus einem fremdländischen Harz ernährt. Im Lauf der Zeit war ihr Fleisch verschrumpelt, ihre Brüste und Hinterbacken waren teigig geworden und geschrumpft. Obwohl sie noch keine dreißig war, musste sie sich vom kräftigen Tabor stützen und in das Leinengewand helfen lassen.

Als sie sich vom Zusammenfluss entfernten, beobachtete Sabah, wie der Sandsturm sich ihnen unaufhaltsam entgegenwälzte. Blitze zuckten in den wogenden Staubwolken. Sie spürte die Energie, die sich über der Wüste entlud. Sie roch sie in der Luft, spürte sie in den Härchen ihrer Arme. Mit Gottes Hilfe würde der heranwehende Sand ihr Werk unter Dünen vergraben.

Zunächst einmal aber mussten sie die fernen Hügel erreichen.

Sie konzentrierte sich darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Gleichzeitig fürchtete sie, sie habe zu lange am Fluss gewartet. Als sie und Tabor an der Schlucht zwischen den Hügeln ankamen, hatte der Sturm sie erreicht und versengte alle unbedeckten Körperflächen mit heißem Sand.

»Beeilung, Herrin«, drängte Tabor und zerrte sie mit sich. Ihre Zehen schleiften nurmehr über den Boden und schrieben dem Sand unentzifferbare Zeichen ein.

Ich darf nicht scheitern …

Dann hatten sie den dunklen Durchgang passiert und eilten durch einen langen, steilen Gang zu dem aus Sandstein geformten Wunder. Fackeln erhellten ihnen den Weg und offenbarten das, was verborgen war, was Künstler und Gelehrte gemeinsam im Verlauf von über siebzig Jahren erschaffen hatten.

Tabor half ihr über den Verhau der großen Steinzähne hinweg und über die beeindruckend detailliert dargestellte Zunge hinüber. Von der vor ihnen liegenden Kammer gingen zwei Gänge aus: Der eine führte durch den Fels in den steinernen Bauch, der andere, von kleinen Graten gegliedert, in den geräumigen Brustkorb.

Diesem Weg folgten sie in großer Eile.

Während Tabor sie leitete, vergegenwärtigte sie sich die unterirdische Anlage im Bauch der Hügel. Sie beherbergte das Innere einer gesichtslosen ruhenden Gestalt, die unter der Erde bestattet war. Die Skulptur hatte keine Außenhülle – denn die Welt war ihre Haut –, doch sämtliche inneren Organe des Menschen waren sorgfältig aus dem Sandstein herausgehauen, angefangen von Leber und Nieren bis zur Blase und dem Gehirn.

Im Innern der Hügel hatte ihr Orden seinen eigenen Steingott erschaffen, der so groß war, dass sie darin wohnen und ihn als Gefäß verwenden konnten für das, was es zu bewahren galt.

Und das steht mir jetzt bevor … mein Körper muss zu einem Tempel für Gottes große Gnade werden.

Tabor geleitete sie zu der Stelle, wo der gefurchte Gang sich in zwei kleinere Tunnel aufteilte, die den Atemwegen in ihrer Brust entsprachen. Er führte sie nach links, und sie musste sich unter der geschwungenen Tunneldecke ducken. Doch es war nicht mehr weit.

Der Fackelschein wurde heller, als der Gang in einen großen Raum mündete, der von steinernen Rippen gestützt wurde, die sich zum dicken Rückgrat emporwölbten. In der Mitte des Raums befand sich ein steinernes Herz, vier Mal so groß wie sie selbst und wirklichkeitsgetreu gearbeitet, mit dicken, sich nach außen hin auffächernden Blutgefäßen.

Sie schaute die nubischen Bediensteten an, die sie kniend erwarteten.

Dann blickte sie zu den Kolonnaden der geschwungenen Steinrippen hinüber. Viele der Zwischenräume hatte man mit Backsteinen versiegelt. Dies waren die Grüfte ihrer Ordensbrüder und -schwestern, die ihr vorausgegangen waren. Sie stellte sich vor, wie sie auf ihren Stühlen saßen, während ihr Körper die Transformation abschloss und sie in Gefäße für Gottes Gnade verwandelte.

Ich bin die Letzte … die auserwählte Dienerin Gottes.

Sie wandte sich zum steinernen Herzen um. Ein kleiner Durchgang führte in eine der beiden Herzkammern, eine besonders ehrenvolle Gruft. Sie ging hinüber, neigte den Kopf und stieg hinein. Als sie sich aufrichtete, spürte sie die Kälte des Steins an ihrer Handfläche. Ein silberner Thron erwartete sie, so kalt wie der Stein. Daneben stand eine Schale aus Lapislazuli, bis zum versilberten Rand mit Wasser gefüllt. Sie hob die Schale hoch und stellte sie auf ihre mageren Schenkel.

Tabor beugte sich durch die Öffnung. Die Trauer machte ihn sprachlos, doch sie konnte in seinem Gesicht lesen und sah darin Kummer, Hoffnung und Angst. Sie verspürte die gleichen Emotionen – einhergehend mit einer gehörigen Portion Zweifel. Trotzdem nickte sie Tabor zu.

»Tu, was getan werden muss.«

Der Schmerz gewann bei ihm die Oberhand, doch er nickte ihr aufmunternd zu und zog sich zurück.

Die anderen Bediensteten traten vor und versiegelten den Eingang mit Backsteinen aus Lehm und Stroh. Dunkelheit hüllte sie ein, doch im letzten Widerschein der Fackeln sah sie auf die Schale auf ihrem Schoß nieder und machte im Wasser einen dunklen Schimmer aus. Es war dunkelrot. Sie wusste, was das war. Dies war Wasser des Nahal, des Flusses, der mit einem Fluch belegt worden war und sich in Blut verwandelt hatte. Ihr Orden hatte das Wasser vor Jahren gesammelt und aufbewahrt – zusammen mit der Prophezeiung, die in seinem verfluchten Herzen wohnte.

Als der letzte Stein eingesetzt war, schluckte sie mühsam. Auf einmal hatte sie einen trockenen Mund. Sie hörte, wie die Backsteine von außen mit Lehm beschmiert wurden. Dann wurde unter dem Herzen Holz gestapelt.

Sie schloss die Augen, denn sie wusste, was ihr bevorstand.

Sie stellte sich vor, wie mit den Fackeln der Scheiterhaufen entzündet wurde.

Allmählich erwärmte sich der Sandstein unter ihren Füßen. Schon vorher war es stickig in der Kammer gewesen, doch nun wurde es unangenehm warm. Die letzte Feuchtigkeit entwich durch die nachgebildeten Blutgefäße. Schon nach kurzer Zeit hatte sie das Gefühl, sie atme heißen Sand ein. Sie keuchte auf, als ihre Fußsohlen zu schmerzen begannen. Selbst der silberne Thron wurde so heiß wie ein Dünengrat unter der sengenden Sommersonne.

Trotzdem rührte sie sich nicht vom Fleck. Die Bediensteten hatten die Unterwelt bestimmt schon verlassen und den Zugang versiegelt. Im Schutz des Sandsturms würden sie fortgehen, auf ewig von hier verschwinden und es der Wüste überlassen, alle Spuren zu tilgen.

Während sie auf das Ende wartete, strömten ihr Tränen über die Wangen und trockneten, bevor sie auf den Boden tropfen konnten. Ihre Lippen waren rissig geworden. Sie schluchzte vor Schmerz, gepeinigt von der Unausweichlichkeit ihres Schicksals. Dann nahm sie in der Dunkelheit einen schwachen Schimmer wahr. Er ging von der Schale auf ihrem Schoß aus, von leuchtenden Wasserschlieren.

Sie wusste nicht, ob dies aus Schmerz geborene Einbildung war, doch der Schimmer tröstete sie. Er verlieh ihr die Kraft, ihr Werk zu vollenden. Sie hob die Schale an die Lippen und trank sie in tiefen Zügen leer. Das lebensspendende Wasser floss durch ihre ausgedörrte Kehle in ihren verkrampften Magen.

Als sie die leere Schale senkte, war es so heiß geworden, dass ihre Haut Blasen bildete. Trotz der Schmerzen lächelte sie, denn sie wusste, was sie war.

Ich bin dein Gefäß, Herr … jetzt und für alle Zeit.

21:34 EST
2. März, 1895
New York City

Na endlich …

Das Ziel war in Sicht, und Samuel Clemens – besser bekannt unter dem Pseudonym Mark Twain – geleitete seinen widerwilligen Begleiter durch den Gramercy Park. Unmittelbar vor ihnen lockten die Gaslaternen an der anderen Straßenseite, welche die Säulen, den Portikus und das schmiedeeiserne Geländer des Players Club beleuchteten. Sie waren beide Mitglied in diesem exklusiven Etablissement.

Angezogen von der Aussicht auf Gelächter, Alkoholika und gute Gesellschaft, schritt Twain mit weiten, zielstrebigen Schritten aus, eine Wolke aus Zigarrenrauch wehte ihm in der kalten Nachtluft nach. »Was meinst du, Nikola?«, rief er seinem Freund zu. »Meiner Taschenuhr und meinem Bauch zufolge wird im Players noch Abendessen serviert. Abgesehen davon könnte ich einen Brandy zu meiner Zigarre vertragen.«

Nikola Tesla, fast zwanzig Jahre jünger als Twain, trug einen steifleinenen, an den Ellbogen abgenutzten Anzug. Ständig streifte er sich das dunkle Haar zurück und blickte hektisch umher. Wenn er nervös war, so wie jetzt, war sein serbischer Akzent so dominant wie sein Schnauzbart.

»Samuel, mein Freund, es ist schon spät, und ich habe noch im Labor zu tun. Ich bin dir wirklich dankbar für die Theatereinladung, aber ich sollte heimgehen.«

»Unsinn. Von zu viel Arbeit wird man dumpf im Kopf.«

»Dann musst du ja außergewöhnlich scharfsinnig sein … bei der vielen Muße.«

Twain blickte sich um und schnaubte übertrieben. »Ich sag dir Bescheid, wenn ich an einem neuen Buch arbeite.«

»Lass mich raten«, meinte Nikola mit skeptischem Lächeln, »Huck Finn und Tom Sawyer bekommen neuen Ärger.«

»Wenn es nur so wäre!«, erwiderte Twain kichernd, was ihm den erstaunten Blick eines Passanten einbrachte. »Dann könnte ich endlich meine Schulden abbezahlen.«

Twain hielt den Zustand seiner Finanzen zwar geheim, doch er hatte sich im vergangenen Jahr für zahlungsunfähig erklärt und all seine Urheberrechte an seine Frau Olivia übertragen. Um seine Schulden abzubezahlen, plante er für die nächsten zwölf Monate eine Lesetournee rund um die Welt.

Die Erwähnung von Geld hatte die Stimmung freilich getrübt. Twain hätte sich in den Hintern beißen mögen, weil er darauf zu sprechen gekommen war. Auch Nikola hatte mit finanziellen Engpässen zu kämpfen, obwohl er ein wahres Genie war – ein Universalgelehrter, der als Erfinder, Elektroingenieur und Physiker tätig war. Twain hatte schon viele Abende in Teslas Labor in der Fifth Avenue zugebracht, wo sie enge Freunde geworden waren.

Nicola seufzte und gab nach. »Vielleicht auf einen Drink …«

Sie querten die Straße und näherten sich an den zischenden Gaslampen vorbei dem Säuleneingang. Ehe sie ihn erreicht hatten, trat jedoch eine Gestalt aus dem Schatten hervor und sprach sie an.

»Gott sei Dank«, sagte der Mann. »Der Türsteher hat mir gesagt, Sie würden heute vielleicht auftauchen.«

Zu seiner Verblüffung erkannte Twain den Mann. Erfreut klopfte er seinem alten Freund auf die Schulter. »Das ist ja eine Überraschung, Stanley! Was machst du denn hier? Ich dachte, du wärst in England.«

»Ich bin gestern zurückgekommen.«

»Wunderbar! Dann lass uns deine Rückkehr an unsere Gestade mit ein, zwei Gläschen feiern. Vielleicht auch mit dreien.«

Twain zog die beiden Männer mit sich, doch an der Türschwelle hielt Stanley inne.

»Ich habe gehört«, sagte er, »Thomas Edison habe stets ein offenes Ohr für dich.«

»Ich … ich denke schon«, antwortete Twain zögerlich, denn er wusste nur allzu gut Bescheid über den tief verwurzelten Zwist zwischen Edison und Nikola Tesla, seinem heutigen Gefährten.

»Ich habe etwas Wichtiges mit dem Erfinder zu besprechen. Die Krone hat mich beauftragt, ihm etwas zu zeigen.«

»Tatsächlich? Welch reizvolle kleine Intrige.«

»Vielleicht könnte ich Ihnen behilflich sein«, erbot sich Tesla.

Twain stellte die beiden Männer einander vor, wobei er sich in dieser merkwürdigen Angelegenheit sozusagen als Kuppler betätigte. »Nikola, das ist Henry Morton Stanley – wenn man den Gerüchten Glauben schenken darf, wird er bald Sir Stanley heißen –, berühmt nicht nur als Forscher aus eigenem Recht, sondern auch gefeiert, weil er im dunkelsten Herzen Afrikas auf David Livingstone gestoßen ist, einen Kollegen.«

»Ah«, sagte Nikola. »Jetzt erinnere ich mich. Dr. Livingstone, I presume?, lautete so nicht Ihre Begrüßung?«

Stanley stöhnte. »Das habe ich so nicht gesagt.«

Twain deutete lächelnd auf seinen anderen Freund. »Und das ist Nikola Tesla, wie Edison ein Genie aus eigenem Recht, und das möglicherweise mit noch größerer Berechtigung.«

Stanley machte große Augen. »Natürlich. Ich hätte Sie erkennen müssen.«

Diese Bemerkung ließ Nikolas blasse Wangen erröten.

»Nun«, sagte Twain, »mit welcher dringenden Mission hat die britische Krone dich betraut?«

Stanley fuhr sich mit feuchter Hand durchs graue Haar. »Wie du weißt, war Livingstone auf der Suche nach der wahren Quelle des Nils und galt als verschollen. Auch ich habe bereits nach dieser Quelle gesucht.«

»Ja, wie einige andere Briten auch. Offenbar ist die Nilquelle für euch so etwas wie der Heilige Gral.«

Stanley machte ein finsteres Gesicht, enthielt sich aber einer Erwiderung.

Twain vermutete, dass die konzertierte Suche der Briten weniger mit geografischer Wissbegier, sondern vielmehr mit den kolonialen Interessen in Afrika zu tun hatte, doch er verkniff sich eine Bemerkung, da er fürchtete, er könnte seinen Freund damit verscheuchen, bevor dieser das Geheimnis gelüftet hatte.

»Weshalb also interessiert sich die britische Krone für die Quelle des Nils?«, fragte Twain.

Stanley zog ihn zu sich heran und holte einen kleinen Gegenstand aus der Tasche. Es handelte sich um ein Glasfläschchen, gefüllt mit einer dunklen Flüssigkeit. »Das wurde kürzlich in David Livingstones Besitztümern gefunden. Ein nubischer Krieger – dessen krankem Sohn Livingstone das Leben gerettet hatte – hat David einen alten Talisman geschenkt, ein kleines, mit Wachs versiegeltes Gefäß mit eingravierten Hieroglyphen. In diesem Fläschchen ist eine Probe des Wassers, das man in dem Talisman gefunden hat und von dem der Nubier behauptet, es stamme aus dem Nil.«

Twain zuckte mit den Schultern. »Weshalb ist das so wichtig?«

Stanley wandte sich ab und reckte das Fläschchen zu einer Gaslaterne hoch. Die Flüssigkeit leuchtete blutrot im Lichtschein.

»Livingstones Aufzeichnungen zufolge ist das Wasser mehrere tausend Jahre alt und stammt aus der Zeit, als das Wasser des Nils sich in Blut verwandelt hat.«

»In Blut verwandelt?«, wiederholte Nikola. »Wie im Alten Testament?«

Twain lächelte, denn er vermutete, dass Stanley ihn reizen wollte. Der Forscher wusste über seine Abneigung gegenüber der Religion genau Bescheid. Über dieses Thema hatten sie sich schon häufiger hitzige Debatten geliefert. »Dann willst du also behaupten, das Wasser rühre von Moses’ biblischer Plage her, der ersten von zehn, welche die Ägypter heimgesucht haben?«

Stanley verzog keine Miene. »Ich weiß, wie das klingt.«

»Das ist unmöglich.«

»Zweiundzwanzig Angehörige der Royal Society sind tot. Sie sind gestorben, als der nubische Talisman geöffnet und sein Inhalt im Labor untersucht wurde.«

Verblüfftes Schweigen stellte sich ein.

»Woran sind sie gestorben?«, fragte Nikola schließlich. »An einem Gift?«

Stanley war blass geworden. Er hatte bereits furchtlos allen möglichen wilden Tieren, dem zehrenden Fieber und Kannibalen getrotzt. Jetzt aber wirkte er verängstigt.

»Nicht an einem Gift.«

»Woran dann?«, fragte Twain.

»An einem Fluch«, antwortete Stanley im Brustton der Überzeugung. »An einer Plage aus der fernen Vergangenheit.« Er schloss die Hand um das Fläschchen. »Denn das hier ist tatsächlich ein Überbleibsel des Fluchs, mit dem Gott die Ägypter belegt hat – und es ist erst der Anfang, wenn wir die Entwicklung nicht aufhalten.«

»Was sollen wir tun?«, fragte Twain.

Stanley wandte sich an Nikola. »Sie müssen nach England kommen.«

»Weshalb?«

»Um die nächste Plage aufzuhalten.«

Teil 1

Mumifizierung

1

Gegenwart
28. Mai, 11:32 EET
Kairo, Ägypten

Dem nervösen Gebaren des Gerichtsmediziners nach zu schließen, war irgendetwas nicht in Ordnung. »Zeigen Sie uns den Toten«, sagte Derek Rankin.

Dr. Badawi nickte und deutete zum Aufzug der Leichenhalle. »Wenn Sie bitte mitkommen würden.«

Während sie dem Gerichtsmediziner folgten, blickte Derek seine Begleiter an, unsicher, wie er dann mit umgehen sollte. Safia al-Maaz, die ältere der beiden Frauen, war einen Kopf größer als Jane McCabe, ihre jüngere Begleiterin. Sie waren heute Morgen mit einem Privatjet in Kairo gelandet und unverzüglich zur städtischen Leichenhalle gebracht worden, einer Ansammlung unscheinbarer blauer Gebäude, nur einen Steinwurf weit vom Nil entfernt.

Als sie hinter dem Gerichtsmediziner hergingen, legte Safia beschützend den Arm um Jane, die erst einundzwanzig war.

Derek fing Safias Blick auf und dachte: Ob Jane damit wohl klarkommt?

Safia holte tief Luft und nickte ihm zu. Sie war seine Vorgesetzte, die Hauptkuratorin des British Museum. Vor vier Jahren hatte er am Museum angefangen. Er war als ihr Assistent eingestellt worden, als untergeordneter Kurator. Sein Fachgebiet war die Bioarchäologie, speziell die Erforschung der menschlichen Gesundheit in der Vergangenheit. Mittels Untersuchung von Zähnen, Skelett und Geweberesten versuchte er, den körperlichen Zustand der Menschen anderer Zeiten zu rekonstruieren, und bestimmte bei einzelnen Individuen sogar die Todesursache. Als Stipendiat des University College London hatte er verschiedene Epidemien untersucht, darunter die Schwarze Pest in Europa und die Große Hungersnot in Irland.

Bei seinem aktuellen Projekt am British Museum ging es darum, Mumien vom sechsten Nilkatarakt zu untersuchen, wo auf sudanesischem Gebiet ein neuer Staudamm im Bau war. Dieses trockene Gebiet war noch weitgehend unerforscht, doch als der Dammbau begann, hatte die sudanesische archäologische Gesellschaft das British Museum um Unterstützung bei der Hebung der archäologischen Schätze gebeten, die in den Wasserfluten auf ewig zu verschwinden drohten. In den vergangenen Monaten hatten sie im Rahmen dieses Projekts bedeutende Felsbilder gerettet und alle dreihundertneunzig Steinblöcke einer kleinen nubischen Pyramide ausgegraben und in Sicherheit gebracht.

Dieses Projekt hatte sie hierhergeführt. Seit vor zwei Jahren der leitende Archäologe mitsamt einem kompletten Forschungsteam verschwunden war, glaubten viele, das Vorhaben stehe unter einem bösen Fluch. Nach monatelanger Suche war man zu dem Schluss gelangt, das Verschwinden der Gruppe stehe in Zusammenhang mit den arabischen Aufständen und den nachfolgenden politischen Unruhen. Die Hälfte des Teams waren zwar Sudanesen, doch es war trotzdem gefährlich für Ausländer, sich in entlegene Gebiete zu begeben, wo Banditen und Aufständische ihr Unwesen trieben. Auch ein Terrorakt wurde in Betracht gezogen, wenngleich sich niemand dazu bekannt hatte und auch keine Lösegeldforderung gestellt worden war.

Der Verlust hatte die Belegschaft des Museums erschüttert. Professor Harold McCabe, der Teamleiter, war aufgrund seines eigensinnigen Charakters zwar nicht sonderlich beliebt, aber ein angesehener Wissenschaftler. Seine Teilnahme an dem Projekt hatte Derek dazu bewogen, sich seinen Rettungsbemühungen anzuschließen. McCabe war in seinen frühen Jahren am University College London Dereks Lehrer und Mentor gewesen und hatte ihm zu dem Stipendium verholfen.

Er musterte Jane McCabe, als sie in den Aufzug trat. Die junge Frau hatte die Arme verschränkt und starrte blicklos ins Leere. Sie war Harolds Tochter. Auf ihrer Stirn und Oberlippe zeichneten sich Schweißtropfen ab. Es war drückend heiß, und die Klimaanlage der Leichenhalle kam dagegen nicht an. Allerdings vermutete er, dass ihr Schwitzen weniger mit der Temperatur als mit der Angst vor der Konfrontation mit dem Toten zu tun hatte.

Bevor die Aufzugtüren sich schlossen, berührte Safia sie am Ellbogen. »Jane, Sie können auch hier warten. Ich habe Ihren Vater gut gekannt, ich kann ihn allein identifizieren.«

Derek nickte zustimmend und streckte die Hand zur Stopptaste aus.

Jane stellte den Blick scharf und straffte sich. »Ich muss das tun«, sagte sie. »Nachdem ich zwei Jahre auf eine Nachricht von meinem Vater und meinem Bruder gewartet habe, kann ich nicht …«

Ihr brach die Stimme, was die junge Frau nur noch mehr zu irritieren schien. Ihr älterer Bruder Rory hatte ihren Vater bei der Expedition begleitet, war zusammen mit all den anderen verschwunden und hatte Jane allein zurückgelassen. Ihre Mutter war vor sechs Jahren nach einem langwierigen Kampf gegen den Eierstockkrebs gestorben.

Jane drückte Dereks Arm weg, worauf die Aufzugtür sich schloss.

Safia seufzte resigniert; offenbar hatte sie sich mit Janes Entscheidung abgefunden.

Derek hatte nichts anderes von Jane erwartet. Sie glich zu sehr ihrem Vater; sie war dickköpfig, stur und blitzgescheit. Derek kannte sie ebenso lange wie ihren Vater. Damals war sie sechzehn gewesen und besuchte bereits Vorlesungen an der Universität. Mit neunzehn machte sie ihren Doktor in Anthropologie und nahm eine Postdoktorandenstelle an, entschlossen, in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten.

Was sie bedauerlicherweise hierhergeführt hatte.

Während der Aufzug in die Tiefe sank, musterte Derek die beiden Frauen. Beide hatten ein leidenschaftliches Interesse an der fernen Vergangenheit, hätten aber unterschiedlicher nicht sein können. Safias Herkunft aus dem Mittleren Osten zeigte sich in ihrer hellbraunen Haut und dem langen dunklen Haar. Sie war zurückhaltend gekleidet, mit dunkler Hose und langärmliger hellblauer Bluse. Auch beim Sprechen bevorzugte sie die leisen Töne, verstand es aber dennoch, sich Gehör zu verschaffen. Mit dem Blick ihrer smaragdgrünen Augen konnte sie notfalls jeden Mann zum Verstummen bringen.

Jane hingegen hatte große Ähnlichkeit mit ihrem schottischen Vater. Sie hatte feuerrotes Haar, das maskulin kurz geschnitten war. Bedauerlicherweise war ihr Temperament ebenso hitzig. Derek war zu Ohren gekommen, dass sie Mitstudenten und bisweilen auch Professoren tyrannisierte, die anderer Meinung waren als sie. Sie war offenbar ganz die Tochter ihres Vaters, doch in einer Hinsicht unterschieden sich die beiden. Harolds Haut hatte nach dem jahrzehntelangen Aufenthalt in der Wüstensonne die Beschaffenheit schrumpeligen Leders angenommen, während Jane, die Jahre in Universitätsbibliotheken zugebracht hatte, blass und faltenlos war. Auf Nase und Wangen hatte sie allerdings ein paar Sommersprossen, die ihr ein mädchenhaftes Aussehen verliehen, das viele mit Naivität verwechselten.

Derek wusste es besser.

Der Aufzug kam ruckartig zum Stillstand. Als die Tür aufging, strömten der beißende Gestank von Bleichmittel und ein Hauch Verwesungsgeruch in die Kabine. Dr. Badawi geleitete sie einen Gang mit weiß getünchten Betonwänden und abgenutztem Linoleumboden entlang. Der Gerichtsmediziner ging schnell, der knielange Laborkittel umflatterte seine hagere Gestalt. Offenbar wollte er die Angelegenheit so rasch wie möglich hinter sich bringen – doch anscheinend machte ihn auch irgendetwas nervös.

Am Ende des Gangs streifte Badawi ein dickes Plastikband beiseite, das einen kleinen Raum abtrennte. Darin stand ein einzelner Stahltisch. Darauf lag ein mit einem weißen Tuch abgedeckter Toter.

Obwohl sie darauf bestanden hatte mitzukommen, zögerte Jane an der Schwelle. Safia hielt sich hinter ihr, während Derek dem Gerichtsmediziner zum Tisch folgte. Er hörte, wie Jane leise sagte, sie schaffe das.

Badawi blickte die beiden Frauen an und stieß ungeschickt gegen eine hinter dem Tisch von der Decke hängende stählerne Waagschale. »Sie sollten sich ihn als Erster ansehen«, flüsterte er Derek zu. »Vielleicht ist es unpassend, dass die beiden Frauen hier sind.«

Jane hatte ihn gehört und reagierte auf den versteckten Tadel. »Nein.« Sie näherte sich zusammen mit Safia dem Tisch. »Ich will wissen, ob das mein Vater ist.«

Derek las mehr aus ihrer Miene heraus. Sie wollte Antworten, eine Erklärung für die jahrelange Ungewissheit und die trügerische Hoffnung. Vor allem aber wollte sie sich Gewissheit verschaffen, um ihren Vater endlich loslassen zu können.

»Bringen wir’s hinter uns«, sagte Safia.

Badawi senkte leicht den Kopf. Er trat vor den Tisch, schlug das Tuch zurück und entblößte den nackten Oberkörper des Leichnams.

Derek sog scharf die Luft ein und wich einen Schritt zurück. Er wollte es nicht wahrhaben. Das konnte unmöglich Harold McCabe sein. Der Tote auf dem Tisch sah aus, als sei er jahrhundertelang im Sand begraben gewesen. Die Haut spannte sich über Gesichtsknochen und Rippen. Sie hatte eine dunkelbraune Farbe angenommen und glänzte wie lackiert. Nachdem er den ersten Schock überwunden hatte, bemerkte er jedoch das angegraute rote Haar auf Schädel, Wangen und Kinn. Sein erster Eindruck war falsch gewesen.

Jane erkannte ihn ebenfalls. »Dad …«

Derek wandte den Kopf. Verzweiflung und Schmerz spiegelten sich in Janes Gesicht wider. Sie wandte sich ab und barg den Kopf an Safias Brust. Safia war kaum minder erschüttert als Jane. Sie hatte Harold wesentlich länger gekannt als Derek. Doch irgendetwas irritierte sie anscheinend.

Derek ahnte den Grund für ihre Bestürzung. »Ich dachte, Professor McCabe wäre noch am Leben gewesen, als er vor zehn Tagen gefunden wurde«, wandte er sich an den Gerichtsmediziner.

Badawi nickte. »Eine Nomadenfamilie hat ihn entdeckt, wie er durch die Wüste stolperte, etwa einen Kilometer von Rufaa entfernt.«

Der Gerichtsmediziner bedachte Jane mit einem mitfühlenden Blick. »Sie haben ihn mit einem Karren ins Dorf gebracht, doch er ist verstorben, bevor Hilfe eingetroffen ist.«

»Das ergibt keinen Sinn«, sagte Safia. »Der Leichnam sieht viel älter aus.«

Derek konnte ihr da nur beipflichten. Doch es gab noch etwas, das ihm zu denken gab. »Sie sagen, Professor McCabes sterbliche Überreste seien vor zwei Tagen mit einem Laster hergebracht worden und niemand habe ihn einbalsamiert. Der Leichnam sei lediglich in Plastikfolie eingewickelt gewesen. War der Laderaum gekühlt?«

»Nein. Aber der Leichnam wurde gleich nach seinem Eintreffen in ein Kühlfach gelegt.«

Derek blickte Safia an. »Der Leichnam wurde somit zehn Tage lang bei hohen Temperaturen gelagert. Trotzdem sind kaum Hinweise auf Verwesung zu erkennen. Kein aufgeblähter Bauch, keine Risse in der Haut. Er sieht aus, als wäre er konserviert worden.«

Die einzige Beschädigung war der Y-förmige Einschnitt auf dem Oberkörper, der von der Autopsie herrührte. Derek hatte den Abschlussbericht auf dem Herflug von London gelesen. Es konnte keine eindeutige Todesursache festgestellt werden, doch Überhitzung und Dehydrierung waren die Hauptverdächtigen. Trotzdem blieb vieles im Dunkeln.

Wo hatte Professor McCabe die ganze Zeit über gesteckt?

Safia fasste den Gedanken in Worte. »Haben Sie von der Nomadenfamilie noch mehr in Erfahrung gebracht? Hat Professor McCabe gesagt, weshalb er allein in der Wüste unterwegs war? Und hat er seinen Sohn oder seine anderen Begleiter erwähnt?«

Badawi sah zu Boden, als er Safia antwortete. »Was er sagte, ergab keinen Sinn. Er war geschwächt und fantasierte, und die Leute, die ihn hergebracht haben, sprachen einen sudanesischen Dialekt des Arabischen.«

»Mein Vater beherrschte mehrere arabische Dialekte«, erklärte Jane.

»Das stimmt«, sagte Safia. »Wenn er vor seinem Tod etwas gesagt hat …«

Badawi seufzte. »Ich habe das im Bericht nicht erwähnt, aber einer der Nomaden hat berichtet, Professor McCabe habe gesagt, er sei von einem Riesen verschluckt worden.«

Safia runzelte die Stirn. »Von einem Riesen verschluckt?«

Badawi zuckte mit den Schultern. »Wie ich schon sagte, er war stark dehydriert und hat vermutlich fantasiert.«

»Und das war alles?«, fragte Safia.

»Auf dem Weg nach Rufaa hat er ein bestimmtes Wort in einem fort wiederholt.«

»Welches Wort?«

Badawi blickte die junge Frau an Safias Seite an. »Jane.«

Harolds Tochter war bei der Erwähnung ihres Namens zusammengezuckt. Sie wirkte gequält und verloren.

Safia versuchte, Jane zu trösten. Derek nutzte die Gelegenheit, um den Toten behutsam zu untersuchen. Mit den Fingern prüfte er die Elastizität der Haut. Dann zog er eine knochige Hand unter dem Tuch hervor und betrachtete die gelblich verfärbten Fingernägel.

Er wandte sich an Badawi. »In Ihrem Bericht heißt es, Sie hätten im Magen mehrere kleine Steine gefunden, alle gleich groß und gleich geformt.«

»Ja. So groß wie Wachteleier.«

»Und Sie haben Reste von Baumrinde gefunden.«

»Das stimmt. Ich nehme an, er hat alles verschlungen, was in der Wüste zu finden war, um das peinigende Hungergefühl zu dämpfen.«

»Oder aber es gibt dafür eine andere Erklärung.«

»Was könnte das sein?«, sagte Safia, den Arm um Jane gelegt.

Derek trat zurück. »Ich muss erst ein paar Untersuchungen durchführen, um meine Vermutung zu erhärten. Eine Biopsie der Haut und eine toxikologische Untersuchung des Mageninhalts.« Im Kopf ging er bereits die nötigen Vorbereitungen durch. »Vor allem aber möchte ich einen Gehirnscan vornehmen.«

»Woran denken Sie?«, fragte Safia.

»Ausgehend vom Zustand des Leichnams, seinem Aussehen und dem guten Erhaltungsgrad, glaube ich, dass Professor McCabe mumifiziert wurde.«

Badawi zuckte zusammen. »Ich kann Ihnen versichern, dass niemand den Mann nach seinem Tod angerührt hat«, sagte er gekränkt und verletzt. »Das hätte niemand gewagt.«

»Sie haben mich falsch verstanden, Dr. Badawi. Ich glaube nicht, dass er nach seinem Tod mumifiziert wurde.« Er blickte Safia an. »Sondern schon vorher.«

16:32

Fünf Stunden später beugte Derek sich über eine Ansammlung von Computerbildschirmen. Durch die Fenster blickte man auf den Kernspintomografen mit dem langen Untersuchungstisch und der großen weißen Magnettrommel.

Aufgrund bürokratischer Probleme konnten sie den Leichnam Professor McCabes erst morgen nach England überführen. Bis dahin wollte Derek so viele Informationen wie möglich sammeln, um der einsetzenden Verwesung zuvorzukommen. Er hatte bereits eine Biopsie der Haut vorgenommen, Haarproben analysiert und den Mageninhalt – die eigenartigen Steine von der Größe von Wachteleiern und die Reste unverdauter Baumrinde – versiegeln lassen. Badawi hatte dafür gesorgt, dass er den Tomografen eines nahen Krankenhauses benutzen durfte.

Er betrachtete die Ergebnisse des zweiten Scans. Auf dem Bildschirm wurde ein parasagittales Kopfbild angezeigt, ein lateraler Querschnitt des Schädels. Die gewölbte Hirnschale, das Nasenbein und die Augenhöhlen waren von den Magnetkräften und elektromagnetischen Wellen scharf herausmodelliert worden. Das Gehirn aber war als einheitliche graue Masse dargestellt – damit hatte er nicht gerechnet.

»Dieses Bild ist noch verschwommener als das Ergebnis des ersten Durchgangs«, sagte Safia, die sich über seine Schulter gebeugt hatte.

Er nickte. Beim ersten Scan waren zumindest einige Details der Gehirnoberfläche sichtbar gewesen, unter anderem die äußeren Windungen und Faltungen. Da er mit der Auflösung unzufrieden war, hatte Derek darum gebeten, den Toten erneut scannen zu dürfen, bevor er in die Leichenhalle zurückgebracht wurde. Jetzt aber waren noch weniger Einzelheiten zu erkennen.

Derek richtete sich auf. »Ich weiß nicht, ob es an einem Kalibrierungsfehler liegt oder ob sich Professor McCabes Gehirn bereits zersetzt hat«, sagte er.

»Wie wäre es mit einem weiteren Scan?«

Kopfschüttelnd betrachtete er den leeren Tomografen. Der Leichnam des Professors wurde bereits in die Leichenhalle zurückgebracht. »Wir können nur versuchen, den Verwesungsprozess so gut es geht aufzuhalten. Ich habe den Gerichtsmediziner gebeten, die Zerebrospinalflüssigkeit zu sammeln und das Gehirn zu entnehmen und in Formalin zu konservieren, damit wir es in London weiter untersuchen können.«

Safia zog besorgt die Augenbrauen zusammen. »Weiß Jane davon?«

»Sie hat eingewilligt, bevor sie ins Hotel zurückgefahren ist.«

Nachdem sie die sterblichen Überreste ihres Vaters identifiziert und die entsprechenden Dokumente unterzeichnet hatte, war sie noch blasser und stiller gewesen als zuvor. Trotzdem hatte Derek ihr mitgeteilt, welche Untersuchungen er durchführen wollte, bevor der Leichnam nach England überführt wurde, wo er bestattet werden sollte. Sie hatte eingewilligt, denn sie wünschte sich Klarheit mindestens so dringend wie er. Allerdings hatte sie der Prozedur nicht beiwohnen wollen. Offenbar gab es Grenzen für ihre stoische Entschlossenheit.

Safia seufzte. »Dann können wir im Moment wohl nichts mehr für ihn tun.«

Derek streckte sich und nickte. »Ich gehe zurück zur Leichenhalle und vergewissere mich, dass alles in Ordnung ist. Vielleicht möchten Sie und Jane später vorbeischauen …«

Das Telefon klingelte. Der Techniker nahm ab, sagte ein paar Worte und reichte Derek den Hörer. »Der Gerichtsmediziner ist dran. Er möchte Sie sprechen.«

Stirnrunzelnd nahm Derek den Hörer entgegen. »Hier Dr. Rankin.«

»Sie müssen unverzüglich hierherkommen«, sagte Badawi atemlos. »Das müssen Sie mit eigenen Augen sehen.«

Derek wollte nachfragen, doch Badawi weigerte sich, Einzelheiten zu nennen, und betonte nur noch einmal, wie dringend seine Anwesenheit erforderlich sei. Derek legte auf und setzte Safia ins Bild.

»Ich komme mit«, sagte sie.

Sie verließen das Krankenhaus und wandten sich zu der zwei Straßenblocks entfernten Leichenhalle. Die Sonne blendete sie, denn sie hatten zwei Stunden bei künstlicher Beleuchtung verbracht, und die Hitze war nahezu unerträglich. Jeder Atemzug brannte in den Bronchien.

Safia hingegen schien die Hitze nichts auszumachen. Mit federnden Schritten ging sie neben ihm her die belebte Straße entlang. »Derek, Sie haben gesagt, Sie nähmen an, dass man mit Harold irgendetwas angestellt, ihn einem Prozess unterzogen hat, der für den merkwürdigen Zustand seines Körpers verantwortlich ist. Was meinen Sie damit, er sei vor seinem Tod mumifiziert worden?«

Derek wäre der Unterhaltung gerne ausgewichen und bedauerte, dass er sich zu dieser Bemerkung hatte hinreißen lassen. Damit hatte er Jane nur noch weiter verunsichert. Er hätte lieber so lange schweigen sollen, bis seine Vermutung sich bestätigt hatte.

Seine Wangen glühten, nicht nur von der Hitze. »Das ist reine Mutmaßung – und eine wilde obendrein. Es war unklug von mir, dass ich mich vorschnell geäußert habe.«

»Klären Sie mich bitte trotzdem auf.«

Er seufzte. »Man spricht von Selbstmumifizierung, wenn jemand seinen Körper so präpariert, dass nach dem Tod keine Verwesung einsetzt. Diese Praxis ist bei Mönchen im Fernen Osten geläufig, insbesondere in Japan und in China. Aber auch bei bestimmten indischen Kulten und bei einigen asketischen Sekten des Mittleren Ostens gibt es dieses Ritual.«

»Aber wozu tut man das? Mir erscheint das als eine Form der Selbsttötung.«

Safia schnaubte abfällig.

Safia blickte ihn von der Seite an. »Wenn das alles stimmt, wie geht man dann bei der Selbstmumifizierung vor?«

sokushinbutsu mokujikyo

»Ja, und durch die kleinen Steine, die ebenfalls darin gefunden wurden. Bei der Röntgenuntersuchung von sokushinbutsu-Mumien hat man in den Eingeweiden ebenfalls kleine Steine gefunden.«

»Man nimmt an, dass bestimmte Kräuter, Toxine und Harze bei fortlaufender Aufnahme eine antimikrobielle Wirkung auf das Gewebe ausüben und nach dem Tod wie eine natürliche Einbalsamierungsflüssigkeit wirken.«

»Der Prozess wird für gewöhnlich damit abgeschlossen, dass der Betreffende sich in eine Begräbniskammer mit kleiner Atemöffnung einmauern lässt. In Japan singen die Mönche und läuten eine Glocke, bis sie tot sind. Dann versiegelt man die Kammer, wartet drei Jahre und sieht dann nach, ob der Mönch es tatsächlich geschafft hat.«

Er nickte. »Wenn das der Fall ist, wird Räucherwerk verbrannt, um die Konservierungswirkung zu steigern.«

»Oder er wurde dazu gezwungen. Jedenfalls wurde das Ritual nicht abgeschlossen. Ich schätze, dass die Prozedur bei Harold erst vor zwei oder drei Monaten begonnen wurde.«

»Außerdem gäbe es Anlass zu hoffen, dass die anderen Expeditionsteilnehmer noch am Leben sind. Vielleicht hält man sie gefangen und unterzieht sie dem gleichen langwierigen Prozess. Auch Janes Bruder Rory. Wenn wir sie bald finden, könnten sie sich wieder vollständig erholen.«

»Daran habe ich noch nicht gedacht. Aber ja, das sollte möglich sein.«

Die Frau nickte Derek und Safia zu. »Dr. Badawi hat mich gebeten, Sie zu ihm zu bringen.«

Sie geleitete sie eine Treppe hinunter und in einen mit Sitzbänken ausgestatteten Beobachtungsraum. Das Fenster ging aufs Pathologielabor hinaus. Die Mitte des Labors nahm ein Stahltisch ein, über dem eine Halogenlampe angebracht war. Die Leichenhalle und das nahe gelegene Krankenhaus waren der medizinischen Fakultät der Universität von Kairo angegliedert. In diesem Raum wohnten Studenten offenbar Autopsien bei.

»Ich weiß nicht, was das bedeutet, aber bevor ich fortfahre, das Gehirn des Toten zu entnehmen und zu konservieren, möchte ich Ihnen zeigen, was wir bislang herausgefunden haben. Ich habe mir die Freiheit genommen, die Untersuchung zu filmen.«

Badawi bedeutete seinen Mitarbeitern, sich vom Tisch zu entfernen. Der Leichnam des sechzigjährigen Paläontologen lag nackt im grellen Licht der Halogenlampen, lediglich der Unterleib war mit einem kleinen Tuch abgedeckt. Ein weiteres feuchtes Tuch bedeckte seinen Schädel. Der Kopf des Toten wies zum Beobachtungsfenster.

Der Gerichtsmediziner entfernte das Tuch. Die Kopfhaut war bereits zurückgeschlagen, die Schädeldecke aufgesägt. Badawi hob die rückwärtige Schädelplatte hoch, die er offenbar behutsam wieder am Kopf platziert hatte, nachdem er das Gehirn freigelegt hatte.

Badawi legte die Schädelplatte beiseite und trat zurück. Die beiden grau und rosig gefärbten Gehirnlappen glänzten im Lampenschein, eingebettet in gefaltetes meningeales Gewebe.

Und jetzt ist das alles verschwunden …

Er machte einem seiner Mitarbeiter ein Zeichen. Der Mann schaltete die Deckenlampe und die Raumbeleuchtung aus. Derek musste einige Male blinzeln, bevor er seinen Augen traute.

Von Gehirn und meningealem Gewebe ging in der Dunkelheit ein rosafarbenes Leuchten aus, das an die Morgenröte erinnerte.

»Was ist die Ursache?«, stellte Safia die Frage, die auch Derek durch den Kopf ging.

Ist es das, was ich da sehe?

Derek blinzelte, überrascht von ihrer Entscheidung und ihrem dringlichen Tonfall. »Aber wir können Professor McCabes sterbliche Überreste erst morgen losschicken.«

»Trotzdem«, sagte Derek. »Was hier passiert, übersteigt alles, was ich bisher erlebt habe. Ich brauche weitere Unterstützung.«

»Wen?«