Dieses E-Book ist der unveränderte digitale Reprint einer älteren Ausgabe.
Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg
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Umschlaggestaltung Anzinger | Wüschner | Rasp, München
Impressum der zugrundeliegenden gedruckten Ausgabe:
ISBN Printausgabe 978-3-499-23628-0
ISBN E-Book 978-3-688-10934-0
www.rowohlt.de
ISBN 978-3-688-10934-0
Die Übersetzung folgt im Großen und Ganzen der neuseeländischen Ausgabe des Originalwerks, bis auf die Anmerkung des Autors, die aus der amerikanischen Ausgabe stammt.
Für Jessica Kiri und Olivia Ata, die besten Mädchen auf der ganzen weiten Welt
Vor einigen Jahren wohnte ich in New York in einem Appartment mit Blick auf den Hudson River. Dort besuchten mich in den Ferien meine Töchter Jessica und Olivia, die in Neuseeland lebten. Nachdem wir gemeinsam viele Filme gesehen hatten, fragte Jessica: «Daddy, warum sind die Jungen eigentlich immer die Helden? Warum schreien die Mädchen bloß: ‹Rette mich, rette mich, ich brauche Hilfe!›?»
Der Besuch meiner Töchter fiel mit einem merkwürdigen Ereignis zusammen, an das viele New Yorker sich vielleicht noch erinnern: Ein Wal schwamm den Hudson River hinauf bis zum Pier 86 an der 12th Avenue und der West 46th Street. Durch diese beiden Ereignisse inspiriert schrieb ich noch während meines Aufenthalts in New York diesen kleinen Roman, der in Neuseeland spielt, auf der anderen Seite der Welt.
Witi Ihimaera, 2003
Die Ankunft Kahutia Te Rangis
In alter Zeit, in den Jahren vor unserer Zeitrechnung, verspürten Land und Meer eine große Leere, eine Sehnsucht. Die Berge glichen damals einer poutama, einer Leiter, die in den Himmel hinaufragte, und der üppige grüne Regenwald war ein wogender kakahu, ein farbenprächtiger Mantel. Der Himmel schillerte in den Farben der Pauamuschel, und Wind und Wolken wirbelten in Spiralmustern, ähnlich den kowhaiwhai an den Decken unserer Versammlungshäuser. Manchmal spiegelten sich am Himmel die Farbspektren des Regenbogens oder des Südlichts. Das ständig sich wandelnde Meer war pounamu, grüne Jade, schimmernd ging es unmerklich in den Himmel über. Es war der Brunnen am Grunde der Welt, und wenn man hineinschaute, meinte man, bis ans Ende der Ewigkeit sehen zu können.
Das soll nicht heißen, dass es auf dem Land und im Meer an Leben und Treiben fehlte. Die Tuatara, die uralte Echse mit dem dritten Auge, hielt in der heißen Sonne Wache, aufmerksam und ohne zu blinzeln blickte sie wartend gen Osten. Auf der Südinsel weidete in riesigen Herden der flügellose Moa. Im warmen Bauch des Regenwaldes suchten Kiwis, Wekarallen und die anderen Vögel nach den Larven des Huhu und ähnlichen saftigen Insekten. Durch die Wälder klangen das Rasseln von Baumrinde, das Zirpen der Zikaden und das Murmeln fischreicher Flüsse. Manchmal wurde es unvermittelt still, und dann hörte man im nassen Busch wie ein funkelndes Glissando das feenhaft zarte Gelächter der patupaiarehe.
Im Meer wimmelte es von Fischen, aber auch sie schienen zu warten. In leuchtenden Schwärmen zogen sie dahin, wie glitzernder Staubregen tanzten sie durch die Jadetiefen – Hapuku, Manga, Kahawai, Tamure, Moki und Warehou –, angeführt vom Mako oder vom Mango ururoa. Manchmal sah man in der Ferne einen weißen Schatten durch das Meer gleiten, aber das war nur der gelassene Flug des Tarawhai, des Rochens mit dem Stachel am Schwanz.
Warten. Warten auf die Aussaat. Warten auf die Gaben. Warten auf den Segen, der da kommen sollte.
Plötzlich erblickten die Fische, als sie zur Meeresoberfläche hinaufschauten, die dunklen Bäuche der Kanus aus dem Osten. Die ersten der Alten kamen in ihren Booten aus dem Inselreich hinter dem Horizont. Eine ganze Zeit später war zu sehen, wie die Kanus in den Osten zurückkehrten und dabei lange Risse in den glänzenden Meeresspiegel zogen. Land und Meer seufzten vor Freude:
Sie haben uns gefunden.
Sie bringen die Nachricht zum Wohnsitz der Alten.
Bald wird unser Segen kommen.
Während dieser Wartezeit wurden Erde und Meer von dem schmerzhaften Verlangen befallen, die Sehnsucht möge ein Ende haben. Die Wälder schickten mit dem Wind süße Düfte gen Osten und gaben den Strömungen Girlanden von Pohutukawa mit. Im Meer blitzten immer wieder Fliegende Fische auf, die hoch in die Luft sprangen, um hinter den Horizont zu schauen und die Ersten zu sein, die die Ankunft verkündeten; in den seichten Gewässern tänzelten erwartungsvoll die chamäleonartigen Seepferdchen. Die Einzigen, die sich zurückhielten, waren die patupaiarehe, die mit ihrem silbernen Lachen in den Höhlen unter glitzernden Wasserfällen Zuflucht suchten.
Die Sonne ging auf und unter, auf und unter, immer wieder. Dann, eines Tages, als sie gerade im Zenit stand, wurde das erste Zeichen gesichtet: eine Gischtwolke am Horizont. Eine dunkle Gestalt erhob sich aus den Jadetiefen des Ozeans, Ehrfurcht gebietend tauchte sie auf, ein Leviathan, der die Meeresoberfläche durchbrach und sich dem Himmel entgegenwarf, um dann wieder ins Meer hinabzustürzen. Unter Wasser erdröhnte ein gedämpfter Donnerschlag, wie eine gewaltige Tür, die sich in weiter Ferne öffnet, und Meer und Land erzitterten unter der Wucht dieses Abtauchens.
Plötzlich war das Meer mit erhabenem Gesang erfüllt, mit einem Lied, das Ewigkeit in sich trug, einem karanga an das Land:
Ihr habt gerufen, und ich bin gekommen
und bringe die Gaben der Götter.
Die dunkle Erscheinung stieg wieder auf, hob sich wieder aus dem Wasser. Ein taniwha von gewaltiger Größe. Ein tipua, ein Schutzgeist. Als er erneut die Wasseroberfläche durchstieß, sah ein Fliegender Fisch, der in seiner Begeisterung hochgesprungen war, Wasser und Luft wie tosenden Schaum von dem edlen Geschöpf herunterfließen, und da wusste er, oh ja, dass die Zeit gekommen war, denn das Ungetüm trug das heilige Zeichen, eine wirbelnde Spirale, auf die Stirn tätowiert.
Als es sich erneut zum Himmel hob, sah der Fliegende Fisch, dass auf seinem Kopf rittlings ein Mensch saß. Er war ein wunderbarer Anblick, dieser Walreiter. Das Wasser strömte an ihm herab, und er öffnete den Mund, um in der kalten Luft Atem zu schöpfen. Seine herrlichen Augen strahlten, und sein Leib leuchtete im diamantenen Sprühregen. Auf dem ungeheuren Tier wirkte er wie eine kleine, tätowierte Statue, dunkelbraun schimmernd und aufrecht. Es sah aus, als würde er den Wal mit seiner ganzen Kraft in den Himmel hinaufziehen.
Höher und immer höher. Der Mann spürte die Stärke des Wales, der aus dem Meer nach oben schnellte. Weit in der Ferne erblickte er das Land, das er lange gesucht und endlich gefunden hatte, und auf seiner glorreichen Reise dorthin begann er nun, kleine Speere mit mauri, mit Lebenskraft, ins Meer und auf das Land zu schleudern.
Manche der Speere verwandelten sich im Flug in Tauben, die in die Wälder zogen. Andere wurden bei der Landung im Meer zu Aalen. Der Gesang im Meer erfüllte die Luft mit zeitloser Musik, und Land und See öffneten sich für das lang ersehnte Geschenk: für tangata, den Menschen. Voller Freude und Dankbarkeit rief der Mensch dem Land zu:
Karanga mai, karanga mai, karanga mai!
Sprich zu mir!
Aber ein mauri, so wird erzählt, der letzte, wollte die Hand des Walreiters nicht verlassen, als dieser ihn warf. Sooft er es auch versuchte, der Speer wollte nicht fortfliegen.
Also sprach der Walreiter ein Gebet über den Holzspeer, das lautete: «Möge dieser mauri in der Zukunft seinen Platz finden, denn jetzt haben schon genügend von ihnen ihr Ziel erreicht. Möge dieser mauri gedeihen, wenn die Menschen in Not sind und die Lebenskraft am dringendsten gebraucht wird.»
Da sprang der mauri voller Freude aus seiner Hand und stieg in den Himmel auf. Er überflog tausend Jahre. Als er anschließend auf der Erde auftraf, verwandelte er sich nicht, sondern ließ noch weitere einhundertfünfzig Jahre vergehen, bis er benötigt wurde.
Die Schwanzflosse des Wals strich majestätisch am Himmel entlang.
Hui e, haumi e, taiki e.
So soll es geschehen.
Schicksalsmächte
Die Halbinsel Valdés in Patagonien. Te Whiti Te Ra. Der Sonnenaufgang. Die Wiege der Cetaceen: Vor vier Monaten waren die riesenhaften Wale aus ihren Weidegründen in der Antarktis in zwei große, ruhige Buchten gewandert, um sich zu paaren, zu kalben und ihre Jungen aufzuziehen. Ihr Leitwal, der uralte Bulle, und die älteren Kühe flöteten gemeinsam herrliche, wohltuende Walgesänge, während sie über die Herde wachten. In diesem glasklaren Meer, das man den Pfad der Sonne nennt, und unter der kreisenden Pracht der Sterne warteten sie ab, bis die Neugeborenen stark genug für die langen Wanderungen waren, die vor ihnen lagen.
Während er so Wache hielt, überfielen den uralten Walbullen Erinnerungen an seine eigene Geburt. Drei Monate danach war seine Mutter von Haien zerrissen worden, und als er in den flachen Gewässern von Hawaiki um sie weinte, hatte der goldene Mensch ihm beigestanden und war sein Meister geworden. Der Mensch hatte den Kummer des jungen Wals vernommen und war Flöte spielend ins Meer gestiegen. Schwermütig und traurig klang seine Musik, als er versuchte, sein Verständnis für den Kummer des jungen Wals zu übermitteln. Ohne dass der Flötenspieler davon wusste, ahmte er mit seinen Melodien den Trostgesang der Wale nach. Der junge Walbulle schwamm näher zu dem Menschen heran, und dieser nahm ihn in die Arme, und in einem ersten hongi drückten das verwaiste Waljunge und der Flötenspieler Nasen und Stirnen aufeinander. Als die Herde weiterzog, blieb der junge Wal zurück und wuchs in der Obhut seines Meisters auf.
Er entwickelte sich zu einem schönen, kraftvollen Walbullen, und er liebte seinen Meister. In seiner Jugendzeit war der Wal, sobald sein Meister die Flöte spielte, ihrem Ruf gefolgt. Und auch in den schwerfälligeren Jahren des Alters erinnerte der Bulle sich noch an diese Jugendjahre und an seinen Meister; in solchen Momenten sandte er lange, wogende Klagelieder durch die tanzenden, leuchtenden Wasser. Die alten Kühe schwammen dann eilig zu ihm hin, denn sie liebten ihn, und in der von Lichtkringeln erhellten Wärme umsorgten sie ihn freundlich.
In einer Flut von Klängen sang der alte Walbulle von seiner Sehnsucht, bis er auf einmal die Flöte seines Meisters durch das Wasser hallen hörte. Sofort unterbrach er seinen Gesang und versuchte, aus dem Meer zu springen, so wie er es immer getan hatte, als er noch jünger gewesen war und eilig zu seinem Meister hatte schwimmen können.
Im Laufe der vielen fruchtbaren Jahre hatte der uralte Walbulle immer wieder die Lockung jener glücklichen Tage verspürt wie einen Sirenengesang. Doch seine alten Kühe fürchteten sich. Für sie bedeutete seine Schwärmerei von der Jugend, von dem Lied der Flöte, nichts weiter, als dass ihr Leitwal sich in Gedanken den gefährlichen Inseln im Südwesten zuwandte.
Wenn diese Geschichte einen Anfang hat, dann muss sie sicherlich mit Kahu beginnen. Schließlich war es Kahu, die zum Schluss da war, und Kahus Eingreifen war es auch, das uns vielleicht alle rettete. Wir hatten immer gewusst, dass so ein Kind einmal geboren werden würde, aber als Kahu zur Welt kam, da schauten wir in eine andere Richtung. Wir waren gerade alle bei unserem Koro, ich und die Jungs, und unterhielten uns und feierten eine Party, als das Telefon klingelte.
«Ein Mädchen», sagte Koro Apirana angewidert. «Ich will nichts mit ihr zu tun haben. Sie hat die männliche Abstammungslinie in unserer whanau, unserer Großfamilie, unterbrochen. Aue.» Er drückte Nanny Flowers den Hörer in die Hand und sagte: «Hier. Das ist deine Schuld. Deine weibliche Seite war zu stark.» Dann zog er seine Gummistiefel an und stampfte aus dem Haus.
Der Anruf kam von seinem ältesten Sohn, meinem Bruder Porourangi, der auf der Südinsel lebte. Seine Frau Rehua hatte gerade das erste Enkelkind in unserer whanau zur Welt gebracht.
«Tena koe, mein Lieber», sagte Nanny Flowers in den Apparat. Sie war Koro Apiranas knurrige Art gewohnt, auch wenn sie ihm jeden zweiten Tag androhte, sie würde sich von ihm scheiden lassen. Ich sah gleich, dass es sie überhaupt nicht interessierte, ob das Baby ein Mädchen oder ein Junge war. Ihre Lippen bebten vor Rührung, denn sie hatte schon den ganzen Monat auf Porourangis Anruf gewartet. Sie schielte ein bisschen, wie immer, wenn die Liebe sie überwältigte. «Wie bitte? He aha? Was hast du gesagt?»
Wir mussten lachen, die Jungs und ich, und wir riefen Nanny zu: «Hey! Alte Lady! Man muss den Hörer ans Ohr halten, wenn man was hören will!» Nanny mochte Telefone nicht. Wenn sie aus den kleinen Löchern in der Ohrmuschel eine Stimme herausschallen hörte, war sie meistens so erschüttert, dass sie den Hörer auf Armeslänge von sich hielt. Also ging ich zu ihr hin und drückte ihr den Hörer wieder ans Ohr.
Im nächsten Augenblick liefen der alten Dame die Tränen über die Wangen. «Wie bitte, mein Lieber? Ach, die Arme. Die arme Frau. Ach nein, die arme Rehua. Oje. Sag ihr, dass es beim Ersten am schlimmsten ist. Die anderen kommen dann leichter, weil sie dann schon weiß, wie’s geht. Ja, mein Lieber. Das richte ich ihm aus. Ja, keine Sorge. Ja, ist gut. Ja, und wir haben euch auch lieb.»
Sie legte auf. «Also, Rawiri», sagte sie zu mir, «du und die Jungs, ihr habt eine Nichte, und wir haben eine wunderschöne mokopuna. Ja, sie muss schön sein, denn Porourangi hat gesagt, sie ist mir wie aus dem Gesicht geschnitten.» Wir verbissen uns das Lachen, denn Nanny war nicht gerade ein Filmstar. Dann stemmte sie plötzlich die Hände in die Hüften, setzte ein grimmiges Gesicht auf und trat auf die vordere Veranda. In der Ferne, unten am Strand, schob der alte Koro Apirana sein Ruderboot auf das nachmittägliche Meer hinaus. Immer wenn er wütend war, stieg er in sein Boot und ruderte auf den Ozean hinaus, um dort zu schmollen.
«He», rief Nanny Flowers mit dröhnender Stimme, «du alter paka.» Paka, Schuft, war der Kosename, mit dem sie unseren Koro immer rief, wenn sie ihn wissen lassen wollte, dass sie ihn liebte. «He!» Aber er tat so, als hörte er sie nicht, kletterte in sein Boot und ruderte aufs Meer hinaus.
Das reichte. Nanny Flowers wurde fuchsteufelswild. «Er denkt wohl, er kann mir entwischen?», grummelte sie. «Pae kare! Wohl kaum!»
Inzwischen krümmten die Jungs und ich uns vor Lachen. Wir versammelten uns auf der Veranda und guckten zu, wie Nanny zum Strand hinunterwatschelte und ihrem Alten Kosewörter nachrief. «Du kommst wieder hierher zurück, du alter paka!» Aber das tat er natürlich nicht, und so flitzte die alte Dame ausgerechnet zu meinem Dingi hinüber. Bevor ich protestieren konnte, ließ sie den Außenborder aufheulen und brauste hinter Koro Apirana her. Den ganzen Nachmittag lang brüllten die beiden sich an. Koro Apirana ruderte in der Bucht von einem Ankerplatz zum anderen, und Nanny Flowers warf den Motor an und knatterte hinter ihm her, um ihn auszuschimpfen. Das muss man der alten Dame lassen, es war schlau von ihr gewesen, sich ein Boot mit Motor auszusuchen. Schließlich gab der alte Koro Apirana einfach auf. Er hatte eigentlich auch keine andere Wahl, denn Nanny Flowers band sein Boot kurzerhand an ihrem fest, nahm ihn ins Schlepptau und zog ihn zum Strand zurück, ob es ihm nun passte oder nicht.
Das war vor acht Jahren, als Kahu geboren wurde, aber ich weiß es noch, als wäre es gestern gewesen. Besonders gut erinnere ich mich an den Streit zwischen unserem Koro und Nanny Flowers. Das Problem war, dass Koro Apirana seine herkömmlichen Ansichten über die Leitung eines Maori-Stammes und über das mana, die Autorität oder geistige Kraft eines Häuptlings, nicht mit Kahus Geburt in Einklang bringen konnte. Nach dem Brauch der Maori wurde die Häuptlingswürde vererbt, und normalerweise fiel der Mantel des mana immer vom ältesten Sohn an dessen ältesten Sohn. Doch in diesem Fall war das älteste Kind eine Tochter.
«Ich kann sie nicht gebrauchen», brummte Koro Apirana oft. «Überhaupt nicht. Ich will nichts mit ihr zu tun haben. Dieser Porourangi soll lieber zusehen, dass er nächstes Mal einen Sohn kriegt.»
Schließlich kam es so weit, dass Koro Apirana, immer wenn Nanny Flowers auf dieses Thema zu sprechen kam, die Lippen zusammenpresste, die Arme verschränkte, ihr den Rücken zukehrte und irgendwohin schaute, bloß nicht in ihre Richtung.
Einmal war ich gerade in der Küche, als das passierte. Nanny Flowers knetete auf dem großen Tisch den Teig für ein Maori-Brot, und weil Koro Apirana so tat, als würde er sie nicht hören, wandte sie sich an mich.
«Er denkt, er weiß alles», murmelte sie und wies mit dem Kopf in Koro Apiranas Richtung. Wums, krachte ihre Faust in den Teig. «Dieser alte paka. Er denkt, er wüsste genau, wie es ist, Häuptling zu sein.» Klatsch, machte das Brot, als sie es auf den Tisch knallte. «Dabei ist er gar kein Häuptling. Ich bin sein Häuptling», sagte sie nachdrücklich und fügte, über die Schulter hinweg an Koro Apirana gewandt, hinzu: «Vergiss das bloß nicht.» Pampf, sagte der Teig, als sie die Finger hineingrub.
«Te mea, te mea», sagte Koro Apirana. «Te mea, te mea.» Na und, na und.
«Mach dich bloß nicht über mich lustig», gab Nanny Flowers zurück. Autsch, schrie das Brot, als sie es mit den Armen platt drückte. Sie sah mich finster an und erklärte: «Er weiß ja, dass ich Recht habe. Er weiß, dass ich von der alten Muriwai abstamme, und sie war die größte rangatira, der höchste Häuptling meines Stammes. Jawohl.» Hilfe, stöhnte der Teig, als sie ihn puffte und knuffte und streckte und würgte. «Hätte ich doch bloß auf meine Mutter gehört, als sie sagte, ich sollte ihn nicht heiraten, den alten paka, den Schuft», und damit steuerte sie auf den üblichen Höhepunkt ihrer Rede zu.
Aus den Augenwinkeln konnte ich sehen, wie Koro Apirana Nannys folgende Worte bereits sarkastisch vor sich hin sprach.
«Aber dieses Mal», zischte sie, während sie das Brot mit beiden Händen erdrosselte, «lasse ich mich wirklich scheiden.»
Koro Apirana hob die Augenbrauen und tat so, als ließe ihn das kalt.
«Te mea, te mea», sagte er. «Te mea –»
Da fügte Nanny Flowers mit blitzenden Augen hinzu: «Und dann ziehe ich zu dem alten Waari drüben hinter dem Berg und lebe mit dem zusammen.»
Oh Schreck, nichts wie raus hier, dachte ich da, denn Koro Apirana war seit Jahren auf den alten Waari, der Nanny Flowers’ erster Freund gewesen war, eifersüchtig. Kaum war ich aus der Tür, da ging der Streit auch schon los. Du Feigling, rief der Teig mir nach, als ich mich wegduckte.
Aber das war gar nichts gegen den Streit, den sie ausfochten, als Porourangi anrief und sagte, er würde das Baby gerne Kahu nennen.
«Was passt dir denn an Kahu nicht?», fragte Nanny Flowers.
«Ich kenne deine Tricks», antwortete Koro Apirana. «Du hast hinter meinem Rücken mit Porourangi geredet und ihn dazu aufgestachelt.»
Das stimmte zwar, aber Nanny Flowers fragte: «Wie, meinst du mich?», und klimperte dem alten Mann mit den Augenlidern zu.
«Du hältst dich für schlau», sagte Koro Apirana, «aber glaube bloß nicht, dass du damit durchkommst.»
Als er dieses Mal aufs Meer hinausfuhr, um zu schmollen, nahm er mein Dingi, das mit dem Motor.
«Ist mir doch egal», sagte Nanny Flowers. Am Vormittag hatte sie gemeinerweise die Hälfte des Sprits aus dem Tank laufen lassen, sodass unser Koro nicht wieder zurückfahren konnte. Den ganzen Nachmittag lang rief und winkte er, aber sie tat einfach so, als hörte sie ihn nicht. Gegen Abend ruderte sie dann zu ihm hinaus und erklärte, nun könne er es nicht mehr verhindern. Sie habe Porourangi angerufen und ihm gesagt, er dürfe das Neugeborene Kahu nennen, nach Kahutia Te Rangi.
Ich konnte jedoch verstehen, warum der alte Mann so sehr dagegen war. Kahutia Te Rangi war nicht nur ein Männername, sondern der Urahn unseres Dorfes hieß so. Koro Apirana glaubte, es würde das mana