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Die Herausgeber

Dipl. Med.-Päd. Martin Ohder, Schulleiter der Bildungseinrichtung Sinsheim, DRK-Landesschule Baden-Württemberg gGmbH.

Joachim Volz, stellv. Schulleiter der Landesschule des Arbeiter-Samariter-Bundes, Mannheim.

Marc Schmidt, Schulleiter des Lehrinstituts für Notfallmedizin mobile medic, Denkendorf.

Rico Kuhnke, Gesamtschulleiter der DRK-Landesschule Baden-Württemberg gGmbH.

Matthias Ziegler, Schulleiter der Bildungseinrichtung Ravensburg, DRK-Landesschule Baden-Württemberg gGmbH.

Lektorat: Konstanze Rösch und Marc Schmidt

Martin Ohder, Joachim Volz, Marc Schmidt, Rico Kuhnke, Matthias Ziegler (Hrsg.)

Unter Mitarbeit von Janina Würtenberger und Konstanze Rösch

Notfallsanitäter-Curriculum

Baden-Württemberger Modell für eine bundesweite Ausbildung

2. Auflage

Verlag W. Kohlhammer

 

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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2. Auflage 2018

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-032938-6

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-032939-3

epub:    ISBN 978-3-17-032940-9

mobi:    ISBN 978-3-17-032941-6

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Inhalt

 

 

  1. Danksagung
  2. Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
  3. Abkürzungsverzeichnis
  4. Einleitung
  5. Martin Ohder
  6. 1 Einführung
  7. Janina Würtenberger
  8. 1.1 Historie – Ein geschichtlicher Rückblick
  9. 1.2 Ein neues Berufsbild in der EU: Der Notfallsanitäter und DQR/EQR
  10. 1.2.1 DQR-Einstufung der Gesundheitsfachberufe
  11. Martin Ohder
  12. 1.3 Demografischer Wandel und Notfallversorgung der Bevölkerung
  13. 1.4 Notfallsanitäter – Ein neues Berufsbild mit neuen Anforderungen
  14. 1.4.1 Aufgaben und Ziele des Berufes
  15. 2 Pädagogischer Begründungsrahmen
  16. 2.1 Berufspädagogische und didaktische Grundlagen
  17. Matthias Ziegler
  18. 2.1.1 Diagnose der Ausgangssituation
  19. 2.1.2 Bildungsauftrag der Berufsschulen und Didaktische Grundsätze der KMK 2011
  20. 2.1.3 Pädagogische Perspektiven des Konstruktivismus
  21. 2.1.4 (Neuro-)Didaktische Vorschläge für gehirngerechtes Lernen
  22. 2.2 Berufliche Ausbildung im Lernfeldkonzept
  23. Heike Heinrich
  24. 2.2.1 Die vollständige Handlung
  25. 2.2.2 Kompetenzbegriff
  26. 2.2.3 Kultusministerkonferenz (KMK)
  27. Alexandra Geckeler
  28. 3 Entwicklung des Curriculums – Ein Prozess
  29. Thomas Gähme
  30. 4 Lernfelder
  31. 4.1 Lernfelder und Zeitansatz
  32. 4.2 Lernfeld 1 – Das Tätigkeitsfeld »Rettungsdienst« erkunden und berufliches Selbstverständnis entwickeln
  33. Matthias Klausmeier, Janina Würtenberger und Joachim Volz
  34. Umsetzungshilfe zu Lernfeld 1
  35. 4.3 Lernfeld 2 – Lebensbedrohliche Zustände erkennen und bewerten sowie einfache lebenserhaltende Maßnahmen durchführen
  36. Markus Linke, Marc Baecker und Konstanze Rösch
  37. Umsetzungshilfe zu Lernfeld 2
  38. 4.4 Lernfeld 3 – Die Einsatzbereitschaft verschiedener Rettungsmittel herstellen und erhalten
  39. Janina Würtenberger und Roland Linder
  40. Umsetzungshilfe zu Lernfeld 3
  41. 4.5 Lernfeld 4 – Einen Krankentransport durchführen
  42. Markus Bela, Martin Großmann, Katherine Surtees und Konstanze Rösch
  43. Umsetzungshilfe zu Lernfeld 4
  44. 4.6 Lernfeld 5 – Bei Notfalleinsätzen assistieren und erweiterte notfallmedizinische Maßnahmen durchführen
  45. Matthias Ziegler, Lisa Roth, Nils Haag und Jürgen Mohrbacher
  46. Umsetzungshilfe zu Lernfeld 5
  47. 4.7 Lernfeld 6 – Patientinnen und Patienten, Angehörige, Kolleginnen und Kollegen sowie Dritte unterstützen und beraten
  48. Christine Raatz, Katja Pumpe, Philipp Kiecherer und Simon Schönecker
  49. Umsetzungshilfe zu Lernfeld 6
  50. 4.8 Lernfeld 7 – Einen Notfalleinsatz selbstständig planen, durchführen und bewerten
  51. Heike Heinrich und Patrick Michelmann
  52. Umsetzungshilfe zu Lernfeld 7
  53. 4.9 Lernfeld 8 – Einsätze mit erweiterten Anforderungen selbstständig planen, durchführen und bewerten
  54. Christine Raatz, Max Gay und Philipp Kiecherer
  55. Umsetzungshilfe zu Lernfeld 8
  56. 4.10 Lernfeld 9 – In komplexen fachdienstübergreifenden Einsatzlagen selbstständig arbeiten
  57. Frank Löschmann, Jörg Umbach und Armin Hess
  58. Umsetzungshilfen zu Lernfeld 9
  59. 4.11 Lernfeld 10 – Im beruflichen Umfeld agieren und sich entwickeln
  60. Joachim Volz, Janina Würtenberger und Matthias Klausmeier
  61. Umsetzungshilfe zu Lernfeld 10
  62. 5 Umsetzung im Unterricht
  63. 5.1 Konzepte und Methoden – Der Weg zur Lernsituation
  64. Markus Bela und Konstanze Rösch
  65. 5.1.1 Handlungssituationen
  66. 5.1.2 Handlungsfelder
  67. 5.1.3 Lernfelder
  68. 5.1.4 Lernsituationen
  69. 5.1.5 Vom Lernfeld zur Lernsituation
  70. 5.1.6 Handlungsorientiert unterrichten
  71. 5.1.7 Die Rolle der Lehrkräfte
  72. 5.1.8 Beispielhafte Umsetzung eines Lernfelds in einer Lernsituation mit Unterrichtsplanung
  73. 5.2 Kommunikation im Team
  74. Konstanze Rösch und Marc Schmidt
  75. 5.2.1 Grundlagen der Kommunikation
  76. 5.2.2 Aktives Zuhören
  77. 5.2.3 Lerncoaching
  78. 5.3 Beratungskompetenzen im pädagogischen Alltag
  79. Marc Schmidt und Konstanze Rösch
  80. 5.3.1 Die kollegiale Beratung
  81. 5.3.2 Die Arbeit mit dem »inneren Team«
  82. 5.4 Kommunikation im pädagogischen Team
  83. Marc Schmidt und Konstanze Rösch
  84. 5.5 Kompetenzorientiert prüfen
  85. Marc Schmidt und Konstanze Rösch
  86. 5.5.1 Aufgaben und Ziele von Bewertungen und Beurteilungen
  87. 5.5.2 Gütekriterien
  88. 5.5.3 Verschiedene Arten der Bewertung und Leistungsbemessung
  89. Anhang

Danksagung

 

 

Ein besonderer Dank gilt folgenden Personen:

Leonhard Aicher, Birgit Appenzeller, Thomas Behringer, Markus Bela, Marco Betz, Achim Casper, Martin Fechling, Thomas Gähme, Oliver Göring, Daniel Grein, Daniel Groß, Judith Heitz, Maximilian Kaptur, Philipp Kicherer, Michael Kraus, Sven Knödler, Julian Körner, Thorsten Lang, Marc Lippe, Frank Mayer, Michael Müller, Udo Müller, Jürgen Nikola, Katja Pumpe, Uwe Rennhofer, Stephanie Reußink, Konstanze Rösch, Luisa Scherle, Stefan Schmidt, ,Stephanie Schmidt, Daniel Schmitz, Katherine Surtees, Jan-Gregor Steenberg, Johannes Stocker, Michael Weisbach

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

 

 

 

Abb. 1:

Der Weg zum Notfallsanitätergesetz

Abb. 2:

Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland

Abb. 3:

Wirkungsmodell und Strukturierungshilfe

Abb. 4:

Gliederung des Stundenumfangs der Ausbildung Notfallsanitäter nach der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Notfallsanitäter und Notfallsanitäterinnen des Bundesrats

Abb. 5:

Erwerb von Kompetenzen im LF 1

Abb. 6:

Erwerb von Kompetenzen im LF 2

Abb. 7:

Erwerb von Kompetenzen im LF 3

Abb. 8:

Erwerb von Kompetenzen im LF 4

Abb. 9:

Erwerb von Kompetenzen im LF 5

Abb. 10:

Erwerb von Kompetenzen im LF 6

Abb. 11:

Erwerb von Kompetenzen im LF 7

Abb. 12:

Erwerb von Kompetenzen im LF 8

Abb. 13:

Erwerb von Kompetenzen im LF 9

Abb. 14:

Erwerb von Kompetenzen im LF 10

Abb. 15:

Modell der vollständigen Handlung

Abb. 16:

Beispiel eines Brainstorming-Ergebnisses

Tab. 1:

DQR und Einstufung des Rettungsassistenten und des Notfallsanitäters

Tab. 2:

Prüfungsmethoden im Überblick

Tab. 3:

Prüfungsinstrumente und damit prüfbare Kompetenzbereiche in der schriftlichen Leistungsbemessung

Tab. 4:

Mündliche Prüfinstrumente und damit prüfbare Kompetenzbereiche

Tab. 5:

Praktische Prüfinstrumente und damit prüfbare Kompetenzbereiche

Tab. 6:

Kombinierte Prüfinstrumente und damit prüfbare Kompetenzbereiche

Abkürzungsverzeichnis

 

 

 

AAAABCEEEE-Schema

Gefahrenmatrix: Angstreaktion, Atemgifte, Atomare Gefahr, Ausbreitung, chemische Stoffe, Explosion, Erkrankung & Verletzung, Einsturz, Elektrizität

AAO

Alarm- und Ausrückeordnung

ABCDE-Schema

Strategie zur Beurteilung und Versorgung kritischer Patienten

AED

Automatische externe Defibrillation

ALS

Advanced Life Support

AMPLE

Merksatz zur Anamneseerhebung: Allergien, Medikamente und Drogen, Patientengeschichte, letzte Nahrungsaufnahme, Ereignisse in Bezug auf den Notfall

APrVo

Ausbildungs- und Prüfungsverordnung

BLS

Basic Life Support

BOS

Betriebe und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben

CABCDE

Catastrophic Haemorhages Before Airway Problems

COPD

Chronic Obstructive Pulmonary Disease

CPR

Cardio-pulmonale Reanimation

CRM

Crew Resource Management

DIN

Deutsches Institut für Normung

DME

Digitaler Meldeempfänger

DV

Dienstvorschrift

EKG

Elektrokardiogramm

EOL

Erfahrungsorientiertes Lernen

EUG

Extrauterine Gravidität

FME

Funkmeldeempfänger

FMS

Funkmeldesystem

GCS

Glasgow-Coma-Scale

GEMS

Geriatric Education for Emergency Medical Services

HIV

Humane Immundefizienz-Virus

HLW

Herz-Lungen-Wiederbelebung

i. m.

intra muskulär

i. o.

intra ossär

i. v.

intra venös

ITLS

International Trauma Life Support

KIT

Krinseninterventionsteam

KMK

Kultusministerkonferenz

KTW

Krankentransportwagen

LF

Lernfeld

Ltd.

Limited Company

MANE

Massenanfall von Erkrankten

MANV

Massenanfall von Verletzten

MEK

Mobiles Einsatzkommando

MEQ

Modified Essay Question Test

MPG

Medizinproduktegesetz

MPrBetrVO

Medizinproduktebetreiberverordnung

NA

Notarzt

NACA

Naca-Score: Einschätzung für die Schwere von Verletzungen, Erkrankungen oder Vergiftungen

NEF

Notarzteinsatzfahrzeug

NIV

Non-invasive Ventilation

NND

Notfallnachsorgedienst

NotSanAPrV

Notfallsanitäter Ausbildungs- und Prüfungsverordnung

OPQRST

Merksatz zur Beschwerdeanamnese: Schmerzbeginn, Verstärkung + Linderung, Qualität, Ausstrahlung, Stärke der Beschwerden, zeitlicher Verlauf

OrgL

Organisatorischer Leiter Rettungsdienst

OSCE

Objective Structured Clinical Examination

PALS

Pädiatrisches Notfallmanagement

POL

Problemorientiertes Lernen

PSA

Persönliche Schutzausrüstung

PSNV

Psychosoziale Notfallversorgung

PTBS

Posttraumatische Belastungsstörung

RD

Rettungsdienst

RDG

Rettungsdienstgesetz

RH

Rettungshelfer

RR

Riva Rocci – Erfinder der nicht-invasiven Blutdruckmessung

RS

Rettungssanitäter

RTW

Rettungswagen

SAMPLE

Merksatz zur Anamneseerhebung: Symptomatik, Allergien, Medikamente und Drogen, Patientengeschichte, letzte Nahrungsaufnahme, Ereignisse in Bezug auf den Notfall

SLT

Struktur-Lege-Technik

TEL

Technische Einsatzleitung

TJE

Triple Jump Exercise

UE

Unterrichtseinheit

VU

Verkehrsunfall

Einleitung

Martin Ohder

 

 

Am 01.01.2014 ist das Notfallsanitätergesetz (NotSanG) und die entsprechende Ausbildungs- und Prüfungsordnung (NotSan-APrV) in Kraft getreten. Der Notfallsanitäter/die Notfallsanitäterin löst als neuer Gesundheitsfachberuf das bisherige Berufsbild der Rettungsassistentin und des Rettungsassistenten ab. Folgende besonders hervorstechende Veränderungen sind im Vergleich zur bisherigen Ausbildung beispielhaft zu nennen:

•  Die Ausbildung verlängert sich von zwei auf drei Jahre.

•  Die Auszubildenden sind bei einem Träger angestellt und erhalten ein Ausbildungsentgelt. Bisher war die Ausbildung zur Rettungsassistentin und zum Rettungsassistenten selbstzahlend in Lehrgangsform organisiert.

•  Es wird explizit eine outputorientierte Ausbildung gefordert, die auf berufliche Handlungskompetenz mit den integrativen Bestandteilen Fach-, Sozial-, Personal- und Methodenkompetenz abzielt.

•  In der beruflichen Ausübung seiner Tätigkeit wird der Notfallsanitäter und die Notfallsanitäterin über ein deutlich höheres Maß an selbstständiger Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit verfügen (z. B. Versorgung von Patientinnen und Patienten unter Beachtung der Bedürfnisse und der Lebenssituation, Durchführung von erweiterten und heilkundlichen Maßnahmen).

•  Pädagogische Qualifikation der Lehrkräfte mindestens auf Bachelor-Niveau

•  Verzahnung der Lernorte Theorie, Rettungswache und Krankenhaus unter der Verantwortung der Schulen

Analog zur Einordnung der Ausbildung von Gesundheitsfachberufen ergeben sich für die Umsetzung des Notfallsanitätergesetzes in der Ausbildung folgende Besonderheiten:

•  Die Ausbildung unterliegt im Gegensatz zu anderen Ausbildungsberufen nicht dem Berufsbildungsgesetz (BBiG).

•  Für die Ausgestaltung der Ausbildung sind die Länder innerhalb des Rahmens des NotSanG und der NotSan-APrV verantwortlich.

•  Die Aufsicht über die Ausbildung liegt je nach Bundesland bei unterschiedlichen Behörden (z. B. Sozialministerium in Baden-Württemberg) und unterliegt nicht zwangsläufig der Schulaufsicht der Kultusministerien der Länder.

Das neue Berufsbild Notfallsanitäter/Notfallsanitäterin macht eine curriculare Umsetzung der Vorgaben des NotsanG und der NotSan-APrV zur Ausgestaltung der dreijährigen Ausbildung an den Schulen erforderlich. Aus dieser Anforderung ergibt sich die Fragestellung, wie unter den gesetzlichen Rahmenbedingungen, den strukturellen Besonderheiten der Gesundheitsfachberufe unter Beachtung kompetenzorientierter Ausbildung sowie dem aktuellen wissenschaftlichen und berufspädagogischen Verständnis von Lehr-Lern-Prozessen ein Curriculum für den neuen Ausbildungsberuf des Notfallsanitäters und der Notfallsanitäterin gestaltet sein kann. Das Sozialministerium Baden-Württemberg hat eine »Arbeitsgruppe Curriculum« mit Vertreterinnen und Vertretern der fünf Rettungsdienstschulen Baden-Württembergs unter wissenschaftlicher Begleitung durch einen Vertreter des Landesamtes für Schulentwicklung Baden-Württemberg beauftragt, analog zu obiger Fragestellung einen einheitlichen Rahmenlehrplan für Baden-Württemberg zu erstellen. Dabei sollen folgende Kriterien erfüllt sein:

•  Spiralcurriculärer Aufbau

•  Orientierung an Lernfeldern (KMK, 2011)

•  Kompetenzbeschreibungen, die sich an vollständigen beruflichen Handlungen orientieren und den Endzustand von Kompetenzbreite und -tiefe am Ende jedes Lernfeldes darstellen.

Der Rahmenlehrplan ist Grundlage dieses Curriculums für die Ausbildung von Notfallsanitätern und Notfallsanitäterinnen nach dem Baden-Württemberger Modell. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe haben den Rahmenlehrplan durch folgende Punkte ergänzt:

•  Theoretischer Begründungsrahmen, unter anderem mit einer Einführung in die Historie des Berufes, Einführung in das Lernfeldkonzept, pädagogische Begründungsrahmen und einer Einführung in das outputorientierte pädagogische Paradigma.

•  Spiegelstrichlisten mit konkreten, den Lernfeldern zugeordneten Inhalten. Diese sind abgestimmt mit den Empfehlungen zu heilkundlichen Maßnahmen durch den Notfallsanitäter/die Notfallsanitäterin (Arbeitsgruppe »Erweiterte und heilkundliche Maßnahmen« im Auftrag des Sozialministeriums Baden-Württemberg) und spiegeln die Vorgaben der Themenbereiche aus dem NotSanG wider.

•  Empfehlungen zur konkreten konzeptionellen und methodischen Umsetzung im Unterricht und zu kompetenzorientierten Prüfungen.

•  Literaturempfehlungen als Hilfe für die Lehrkräfte.

Das vorliegende Curriculum schlägt eine Brücke zwischen den Vorgaben aus den gesetzlichen Rahmenbedingungen und den konkreten Lehr-Lern-Situationen an den Schulen. Für die Lehrkräfte in den Bildungseinrichtungen bietet es eine Strukturierungshilfe und leistet damit einen wertvollen Beitrag zur Sicherung einer einheitlichen Ausbildungsqualität.

Besuchen Sie die Website zum Buch: Unter www.notfallsanitaeter-curriculum.de finden Sie zahlreiche ergänzende Informationen zum Download und eine Vielzahl hilfreicher Verlinkungen.

1         Einführung

Janina Würtenberger

Die bisherige Ausbildung zur Rettungsassistentin und zum Rettungsassistenten wird durch die Ausbildung zum Notfallsanitäter und zur Notfallsanitäterin ersetzt. Das Rettungsdienstsystem befindet sich im Wandel. Tiefgreifende Veränderungen sowohl in der Ausbildung als auch in der Ausübung notfallmedizinischer Versorgung sind die Folge. Begreifbar wird der Prozess vor allem unter Berücksichtigung der Berufsgeschichte des Rettungsdienstes. Zunächst findet daher ein geschichtlicher Rückblick statt. Anschließend wird das neue Berufsbild im europäischen Vergleich eingeordnet und Aufgaben und Ziele der neuen Ausbildung insbesondere im Hinblick gesellschaftlicher Veränderungen und im Hinblick auf den demographischen Wandel werden benannt.

1.1       Historie – Ein geschichtlicher Rückblick

In den letzten Jahrzehnten konnte die Medizin enorme Fortschritte vorweisen. Auch das Rettungsdienstsystem entwickelte sich im 20. Jahrhundert stetig weiter. Angefangen mit einem einfachen Krankentransport und basalen Maßnahmen der Ersten Hilfe bis hin zu einem differenzierten Rettungsdienst mit einem der weltweit aufwändigsten präklinischen Versorgungssysteme.

Die Notwendigkeit, Verletzte und Erkrankte am Notfallort zu behandeln und zu transportieren, ist keine Erscheinung moderner Gesellschaftsformen. Bereits im 14.–16. Jahrhundert findet man Anweisungen zum »Tragen von Hand, mit Rossbahren, Notbahren von Spießen und zu Schiff« der Schweizer Eidgenossenschaft. Erste zivile Ordnung war beispielsweise die 1727 im Rahmen der Pestvorsorge erlassene Wiener Pestordnung. Noch bis 1772 gab es sogenannte »Krüppelfuhren«, bei denen Erkrankte von einer Gemeinde zur anderen abgeschoben wurden. Bis zum 19. Jahrhundert war der Krankentransport in Deutschland allerdings wenig organisiert, wenngleich es bereits im 18. Jahrhundert die Erkenntnis gab, dass Menschenleben mithilfe von Wiederbelebungsmaßnahmen erhalten bleiben können. Beispielsweise wurde von Ludwig XV schon im Jahr 1740 der Avis zur Hilfeleistung bei Ertrinkenden erlassen, dass Menschen wiederbelebt werden dürfen (vgl. Online112, 2013). Auch empfahl die Royal Humane Society im Jahre 1774 die Mund-zu-Mund- und eine Blasebalgbeatmung, da sie »vielen nütze und niemandem schade «.

Die Wurzeln des geregelten, modernen Rettungsdienstes liegen in dem militärischen Krankentransportwesen aus dem 19. Jahrhundert. Zum Beispiel erließ das Preußische Kultusministerium 1813 eine Anweisung zur zweckmäßigen Behandlung und Rettung von Scheintoten oder durch plötzliche Zufälle verunglückter Personen (vgl. Online112, 2013). Die Durchführung übernahmen die Berufsfeuerwehr, Verbände wie der Arbeiter-Samariter-Bund und das Deutsche Rote Kreuz sowie freiwillige Rettungsgesellschaften oder auch private Unternehmer.

1908 wurde in Frankfurt der erste internationale Rettungskongress abgehalten, auf dem die Grundforderung für eine »präklinische Notfallversorgung« bekannt gegeben wurde. Da die finanziellen Mittel begrenzt waren, wurden diese Aufgaben ausschließlich von samaritanen Organisationen unter Mitarbeit von freiwilligen Helferinnen und Helfern durchgeführt. Der Heidelberger Chirurg Martin Kirschner kam 1938 bei dem 62. Deutschen Chirurgenkongress zu dem Entschluss, dass die Ärztin/der Arzt so schnell wie möglich zu der Patientin und dem Patienten gelangen muss. Hierfür entwickelte er in Zusammenarbeit mit Siemens den ersten Monitor und den ersten Operationswagen (vgl. Online112, 2013).

In den 1960er Jahren geriet das Gesundheitswesen unter immer stärker werdenden Druck. Mit der wachsenden Mobilität erhöhten sich die Unfallzahlen. Viele Menschen kamen bei Verkehrsunfällen zu Schaden und verstarben noch am Unfallort. Der Ruf wurde laut, verletzten Menschen direkt am Einsatzort fachkompetente medizinische Versorgung zu gewährleisten. Ärzte und Hilfsorganisationen suchten hierfür Lösungen. Besonders Städte wie Heidelberg, Köln und München waren stark an der Gestaltung beteiligt. In der Folge entstand ein neues präklinisches Versorgungsparadigma (vgl. Nößler, 2012). Ausgehend von einem auf schnellen Transport ausgelegten »Load-and-go«-System mit begrenzten materiellen Ressourcen und niedrigem notfallmedizinischen Ausbildungsstand wurden Strukturen, Organisationsformen, Ausstattungsstandards und die personellen Voraussetzungen geschaffen, um eine schnelle, qualifizierte Hilfe vor Ort gewährleisten zu können. Ziel des neuen Paradigmas war die Stabilisierung vital bedrohter Patientinnen und Patienten und qualifizierte medizinische Versorgung an der Einsatzstelle sowie während des Transports, z. B. wurde dazu in Heidelberg 1964 der Arzteinsatzwagen eingeführt. Bei Bedarf wurde damit eine Ärztin/ein Arzt im Rendezvous-System an den Notfallort zugebracht, die/der dort zusammen mit der Besatzung des Rettungswagens eine schnellstmögliche ärztliche Versorgung gewährleistete (vgl. Online112, 2013).

Der wachsende Stellenwert notfallmedizinischer Versorgung schlug sich auch auf die Gesetzgebung nieder. So etablierten die Bundesländer 1974 verschiedene Rettungsdienstgesetze. In diesen waren beispielsweise die am Rettungsdienst beteiligten Organisation und Hilfsfristen vorgegeben. Ein einheitliches Ausbildungs- und Berufsprofil gab es lange Zeit trotz des wachsenden Stellenwertes der Notfallrettung nicht. Erst 1977 verabschiedete der Bund-Länder-Ausschuss das »520-Stunden-Programm zur Ausbildung der Rettungssanitäter« als erste bundesweit einheitliche Richtlinie zur Qualifizierung von Personal im Rettungsdienst. Diese Empfehlung galt von diesem Zeitpunkt an 12 Jahre lang als Mindestanforderung an Rettungsfachpersonal (vgl. Domres & Lipp, 2000, S. 134). Unter der Regierung des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl verabschiedete der Bundestag am 15. Juli 1989 ein Gesetz für das erste geschützte Berufsbild mit zweijähriger Ausbildung im Rettungswesen, die Rettungsassistentin/den Rettungsassistenten.

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Abb. 1: Der Weg zum Notfallsanitätergesetz (in Anlehnung an: Lipp & Domres, 2000, S. 135)

Seit seiner Einführung stand das Rettungsassistentengesetz stark in der Kritik. Das Berufsziel, das Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten als »Helferin/Helfer der Ärztin/des Arztes« bezeichnete, unterstellte ihnen nur ein geringes Maß an selbstständigem Handlungsspielraum. In der Realität sind sie allerdings häufig vor der Notärztin/dem Notarzt an der Einsatzstelle und gezwungen, die Patientinnen und Patienten bis zum Eintreffen des Arztes mit u. U. invasiven Maßnahmen notfallmedizinisch zu versorgen. Unter anderem fehlte es in dem Rettungsassistentengesetz an dieser Stelle an konkreten Regelungen, so dass Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten häufig in einer Grauzone agierten. Die Ausbildung zum Notfallsanitäter/zur Notfallsanitäterin, die seit dem 01.01.2014 das Berufsbild der Rettungsassistentin und des Rettungsassistenten ablöst, stellt nun neue Weichen in der notfallmedizinischen Versorgung. Die drei Jahre dauernde Ausbildung soll den Auszubildenden in Zukunft die notwendige berufliche Handlungskompetenz vermitteln, Notfallpatientinnen und -patienten mit deutlich mehr Eigenständigkeit und Handlungsspielraum auf hohem Niveau zu versorgen.

1.2       Ein neues Berufsbild in der EU: Der Notfallsanitäter und DQR/EQR

Mit Einführung des Notfallsanitätergesetzes gibt es im Rettungsdienst wesentliche Änderungen, so auch in der Verortung des Berufsbildes in die Berufsbildungslandschaft sowohl in Deutschland als auch in Europa. Eine Herausforderung in der Erstellung curricularer Vorgaben für die Ausbildung zum Notfallsanitäter und zur Notfallsanitäterin liegt in der Einordnung der Kompetenzen der neuen dreijährigen Ausbildung in den europäischen und in den nationalen Vergleich mit anderen Berufsgruppen, insbesondere innerhalb der Gesundheitsfachberufe. Für eine Verbesserung der Mobilität und der Vergleichbarkeit von Bildungsniveaus in Europa wurde mit dem Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) ein Instrument geschaffen, um nationale Referenzen zu entwickeln. Der EQR stellt die Grundlage für eine gemeinsame bildungspolitische Zusammenarbeit auf der gesamten EU-Ebene dar, welcher einen Bezug zur Entwicklung, Förderung und Aufrechterhaltung der Wissensbasis nach sich zieht. Hierbei wird mithilfe von acht Niveaustufen eine Transparenz und Vergleichbarkeit der Kompetenzen und Qualifikationen geschaffen. In diesen acht Niveaustufen werden die Grundlagen von den Lernergebnissen qualitativ definiert. »Ziel des EQRs ist die Verständigung auf einen allgemeinen bildungsbereichsübergreifenden Referenzrahmen auf europäischer Ebene« (KMK). Dies ermöglicht eine Gegenüberstellung sowohl nationaler als auch sektoraler Qualifikationen der Mitgliedstaaten. Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen dienen dem EQR als Beschreibungskategorien für die Ausführung der Niveaustufen. Unter Kompetenzen werden in diesem Prozess die Handlungskompetenzen verstanden, insbesondere die Kompetenz der Verantwortung und Selbstständigkeit.

In Bezug zu dem EQR wurde 2013 der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR) eingeführt; dieser hat eine Probelaufzeit von fünf Jahren. Ebenso wie der EQR stellt der DQR eine gewisse Transparenz und Vergleichbarkeit auf nationaler Ebene sicher. Hierfür werden die Lernergebnisse der akademischen und beruflichen Bildung bildungsbereichsübergreifend dargestellt (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, 2013). Der DQR hat sowohl für die Lernenden, Berufstätigen, Unternehmen als auch für die Bildungseinrichtungen einen Nutzen. Das bestehende System der Zugangsberechtigung wird mit dem DQR nicht abgelöst, sondern dient vielmehr dazu, das Bildungssystem besser zu verstehen und handhabbarer zu machen. Ebenso stellt er eine orientierende Funktion für den Arbeitsmarkt dar. Unter anderem strebt der DQR folgende Ziele an:

•  das deutsche Qualifikationssystem transparent zu machen,

•  Verdeutlichung der Gleichwertigkeit von allgemeiner, beruflicher und hochschulischer Bildung sowie Weiterbildung,

•  Verdeutlichung von Unterschieden der jeweiligen Qualifikationen,

•  Chancenförderung in Deutschland und Europa sowie Verbesserung der Mobilität und

•  Anerkennung auch von Ergebnissen des informellen Lernens (vgl. Bund-Länder-Koordinierungsstelle für den Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen, 2013).

Zur Veranschaulichung wird eine tabellarische Übersicht gegeben (image Tab. 1), welche die Niveaus von Stufe 1–8 unter Berücksichtigung der für das jeweilige Niveau benötigten Qualifikationen darstellt.

Niveau Qualifikation

Tab. 1: DQR und Einstufung des Rettungsassistenten und des Notfallsanitäters (in Anlehnung an: DQR Deutscher Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen, Anlage (2013), S. 2)

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Die Übersicht zeigt, dass die bisher ausgebildeten Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten mit zweijähriger Ausbildung auf dem Niveau 3 einzustufen sind, die neue dreijährige Ausbildung zum Notfallsanitäter und zur Notfallsanitäterin formal auf Niveau 4 eingeordnet werden kann. Niveau 4 des DQR besagt, dass die Absolventinnen und Absolventen »über Kompetenzen zur selbständigen Planung und Bearbeitung von fachlicher Aufgabenstellungen in einem umfassenden, sich verändernden Lernbereich oder beruflichen Tätigkeitsfeld verfügen« (DQR Deutscher Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen, Anlage (2013), S. 34). Diese Eingruppierung muss in den Kompetenzbeschreibungen eines Curriculums erkennbar und ableitbar sein.

1.2.1     DQR-Einstufung der Gesundheitsfachberufe

Martin Ohder

Die formale Zuordnung von Ausbildungen in die DQR-Stufen wurde durch das Expertenvotum zur zweiten Erarbeitungsphase des Deutschen Qualifikationsrahmens (2010) für den Bereich Gesundheit durch die AG Gesundheit beurteilt. Dabei kam die AG Gesundheit zu folgenden Ergebnissen:

•  In vielen Ausbildungen im Gesundheitswesen finden sich kompetenz- und outputorientierte Curricula nur selten

•  In Bezug auf die allgemein bildenden Abschlüsse mit einer Zuordnung der allgemeinen Hochschulreife zu Niveaustufe 5 wird eine Überbewertung gegenüber dualen oder fachschulischen Ausbildungen gesehen

•  Eine Zuordnung z. B. der Physiotherapie auf Niveaustufe 4 kann im Vergleich zur allgemeinen Hochschulreife sowohl im Bereich Fachkompetenz als auch im Bereich Sozialkompetenz nicht nachvollzogen werden. Die Zuordnung der allgemeinen Hochschulreife zu Niveaustufe 5 wertet dadurch die dualen oder fachschulischen Ausbildungen ab.

Beispielhaft wurden durch die AG Gesundheit sowohl die Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung als auch die Ausbildung zur Physiotherapeutin und zum Physiotherapeuten mehrheitlich der Niveaustufe 5 zugeordnet. Es wurden drei Beurteilungen vorgenommen. Die erste Beurteilung erfolgte anhand bundesweiter Regelungen (z. B. Krankenpflegegesetz). In dieser Überprüfung kam die AG Gesundheit zur Einstufung der Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung auf Niveaustufe 4. In der zweiten Überprüfung wurde der Ausbildungsgang der Gesundheits- und Krankenpflege auf komplexe Inhalte hin analysiert und im Hinblick auf vertieftes, integratives fachtheoretisches und wissenschaftlich fundiertes Wissen auf Stufe 5 eingeschätzt. In der dritten Überprüfung wurde exemplarisch der bayrische Lehrplan analysiert. Die AG Gesundheit kam zu dem Ergebnis, dass die hier aufgeführten Anforderungen an eine Pflegekraft (z. B. Selbstständigkeit, Verantwortung und nach nicht klaren Vorgaben handeln zu müssen) nahe an Niveaustufe 6 heranreichen, jedoch nicht in allen Kompetenzbereichen. Ein ähnliches Ergebnis erzielte die Überprüfung bei der Ausbildung zur Physiotherapeutin und zum Physiotherapeuten, die im Hinblick auf die »Handlungskompetenz in einzelnen Aspekten bzw. in der Selbstkompetenz auch vollständig Stufe 6 zugeordnet werden« (BMBF, 2010, 36).

Die Ergebnisse der AG Gesundheit zeigen den Trend der Gesundheitsfachberufe, ein hohes Maß an Verantwortung zu übernehmen und unterstreichen den