ISBN: 978-3-95764-215-8
1. Auflage 2018, Altenau (Deutschland)
© 2018 Hallenberger Media GmbH
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Umschlagabbildung: Unter Verwendung einer Abbildung von Janina Steinbach.
Liebe Leserin lieber Leser,
Sie wollen sich mit E.T.A.Hoffmanns Novelle Der Sandmann etwas intensiver beschäftigen. Wir wollen sie dabei unterstützen, wenn Sie sich dem kleinen Kunstwerk nähern. (Die in Klammern eingefügten Ziffern sind Seitenangaben. Sie beziehen sich auf die Ausgabe: E.T.A. Hoffmann: Der Sandmann; Das öde Haus. Hamburger Lesehefte Verlag, Husum/Nordsee. Auch bei der Schreibung des Namens „Klara“ folgen wir dieser Textausgabe.)
In knapper Form bieten wir zunächst den Inhalt an, um eine inhaltliche Orientierung möglich zu machen, ehe wir uns mit den einzelnen Erzählabschnitten in Teilen intensiver beschäftigen. Wir werden vor allen Dingen nach den eigenartigen Verflechtungen der Figuren und Motive zu fragen haben.
Anschließend stellen wir die Hauptfiguren in den Mittelpunkt unserer Betrachtung. Wir fragen nach ihren Handlungsmotiven und den Verflechtungen, in denen sie stehen, nach den Beziehungen, die sie zueinander haben.
Die wichtigsten Motive werden in einem eigenen Abschnitt genauer untersucht. Dabei wird nicht nur nach dem zentralen Motiv der Augen und des Blicks gefragt, es werden auch die Gläser und das Perspektiv in den Blick genommen.
Der Erzähler der kleinen Geschichte ist nicht ganz einfach auszumachen, zumal sie durch drei Briefe eröffnet wird, die eben nicht ohne weiteres einen eigenen Erzähler erkennen lassen. Hier werden wir einiges genauere zur Erzählerposition und zur Erzählhaltung zu sagen haben.
Schließlich wollen wir versuchen, Beziehungen zwischen der Epoche der Spätromantik und dem kleinen Werk herzustellen. Dabei werden nicht nur romantische Motive gesucht und herausgearbeitet, es wird vielmehr auch danach gefragt, welche Punkte einer kritischen Reflexion zugänglich gemacht werden.
Im Rahmen möglicher Aufgabenstellungen (Die Charakterisierung der Personen stellt eine solche Aufgabenstellung dar. Hier finden sich eigene Arbeiten) zeigen wir anhand einer in den kreativen Bereich hineinreichenden Aufgabenstellung, wie weit der Leser produktiv in den Verstehensprozess eingreifen kann.
Friedel Schardt
Janina Steinbach
Was geht uns heute noch die Erzählung eines gespensterbegeisterten Hoffmann an, die sich mit einem sonderbaren jungen Mann beschäftigt, welcher einer Wahnsinnsidee anhängt und sich am Ende umbringt, nachdem es ihm nicht gelingt, seine Verlobte zu töten. Schnell ist man bereit zu sagen: Das gehört einer früheren Zeit an und betrifft uns nicht mehr. Dabei würde man freilich etwas zu kurz greifen.
Die Erzählung „Der Sandmann“ stellte zu ihrer Zeit so etwas wie einen Bestseller dar, d.h. das Publikum nahm die Geschichte mit Begeisterung auf. In der Zeit, in der man drauf und dran war, Rationalität absolut zu setzen, auf den Verstand zu vertrauen und alles andere hintanzustellen, wird nun eine Geschichte attraktiv, in der diese Konzentration auf den Verstand infrage gestellt wird mit der Behauptung, es gebe doch mehr zwischen Himmel und Erde als das, was der Verstand uns eröffnet.
Gleichzeitig aber entwickelt sich die Geschichte nicht zu einem Loblied des Gefühlsmäßigen bzw. Fantastischen. Auch hier wird offengelegt, wie gefährlich es werden kann, wenn eine unkontrollierte Fantastik das Leben des Menschen beeinflusst oder gar regiert.
Wenn dann schließlich noch eine Figur auftaucht wie die Olimpia, die - als Automat konstruiert - gerade den emotional orientierten Menschen besonders anzieht, wenn auch die übrige Gesellschaft kaum in der Lage ist, diesen Automaten von einem Menschen zu unterscheiden, dann wird unsere Geschichte geradezu aktuell angesichts gegenwärtiger Versuche mit künstlicher Intelligenz, mit Automaten und menschenähnlichen Robotern.
Unsere Geschichte bietet keine Lösungen an, die müssen wir schon selbst in Angriff nehmen. Sie fordert aber zum Nachdenken heraus, indem sie zumindest Fragen stellt. Attraktiv wird sie geradezu, wenn man immer wieder feststellen muss, dass der Erzähler den Leser hin und wieder im Dunkeln lässt, ihm eben keine Wege zeigt, ihn sogar im Zwielicht stehen lässt.
In einem Brief erzählt der Student Nathanael seinem Ziehbruder Lothar von einer eigenartigen Begegnung. Bei ihm tauchte ein Wetterglashändler auf, der sich Coppola nannte und starke Ähnlichkeit mit einem unangenehmen Bekannten aus früher Kindheit hatte. Mit jenem Bekannten, dessen Name Coppelius war, hatte Nathanael als Kind schlimme Erfahrungen gemacht. Coppelius tauchte in Nathanaels Kindheit regelmäßig abends im Hause auf. Die Kinder wurden damals zu Bett geschickt mit dem Hinweis, der Sandmann komme.
Nathanael wollte schon damals genaueres über den Sandmann in Erfahrung bringen, wurde aber zunächst abgespeist mit dem Ammenmärchen vom bösen Sandmann, der den Kindern Sand in die Augen streut und ihnen auch die Augen ausreißt, um sie an seine Jungen zu verfüttern. Die Mutter klärt zwar Nathanael auf, bei dem „Sandmann“ handle es sich um eine Märchenfigur, die es in Wirklichkeit nicht gebe, Nathanael gibt sich damit aber nicht zufrieden, denn immer noch taucht in regelmäßigen Abständen abends der Fremde auf und die Kinder werden zu Bett geschickt. Nathanael versucht, hinter das Geheimnis des Fremden zu kommen und versteckt sich, um ihn beim Besuch zu beobachten. Es gelingt ihm, er muss feststellen, dass es sich um Coppelius handelt, der gelegentlich im Haus auch bei Tisch zu sehen ist. Bei Coppelius handelt es sich um eine unangenehme Figur, die auf Kinder schlecht zu sprechen ist und alles daran setzt, die Kleinen bei jeder Gelegenheit zu ärgern und ihnen Furcht einzuflößen. Bei der nächtlichen Begegnung bedroht nun Coppelius Nathanael, so dass dieser fürchterlich erschreckt, zumal der nächtliche Besucher seine Augen haben möchte. Nathanael ist nun mehrere Wochen krank, Coppelius verlässt die Stadt und taucht nach einem Jahr noch einmal im Hause auf, um mit dem Vater alchimistische Versuche durchzuführen. Bei einem solchen Versuch kommt es zur Explosion und der Vater Nathanaels verliert dabei sein Leben. Coppelius verschwindet nun aus der Stadt, er hat aber bei Nathanael einen tiefen Eindruck hinterlassen. Für Nathanael ist Coppelius schuld am Tod des Vaters. Er verkörpert alles Böse, für das schließlich der Sandmann steht.
Nathanael adressiert den für Lothar bestimmten Brief falsch, so dass er in die Hände seiner Verlobten Klara gelangt. Bei Klara handelt es sich um eine kluge junge Frau, die versucht, Nathanael klarzumachen, dass er keinen Grund hat, Coppola oder Coppelius zu fürchten. Sie versucht ihm deutlich zu machen, dass er in seinem kindlichen Gemüt den schrecklichen Sandmann des Ammenmärchens mit dem Kinderschreck Coppelius verknüpft hatte und so das Bild eines Unholds entwarf, der sich mehr und mehr zu Bedrohung für das Kind entwickelte. Sie empfiehlt, beide, Coppola wie Coppelius, einfach zu ignorieren, ihnen keinen Platz im Bewusstsein einzuräumen und sich klarzumachen, dass sie keine feindliche Gewalt entwickeln können, wenn er es nicht zulässt.
Klara versucht ihrem Verlobten klarzumachen, dass es sich bei dem Sandmann bzw. Coppelius schon um so etwas wie ein Prinzip des Bösen handeln kann, gleichzeitig aber weist sie darauf hin, dass dieses Prinzip nur dann wirkt, wenn er selbst daran glaubt. Das Prinzip und seine Wirksamkeit also ist von ihm selbst, von seinem Innern abhängig.
In einem weiteren Brief, den Nathanael an Lothar, seinen Jugendfreund und Ziehbruder, richtet, versichert Nathanael, er habe das Problem im Griff, zumal wohl doch ein deutlicher Unterschied zwischen Coppola und Coppelius besteht. Mehr nebenbei berichtet er noch von einem jungen Mädchen, das er als Tochter seines Professors gesehen hat. Dieses sei, so berichtet Nathanael, sehr schön, allerdings habe es etwas Starres an sich.
Nach dem dritten Brief stellt ein außenstehender Icherzähler die weiteren Geschehnisse dar. Nathanael hat sich zwar nach außen hin distanziert von den „dunklen Mächten“, die sich für ihn im Sandmann manifestierten, diese Mächte allerdings beschäftigen ihn immer intensiver. Wenn nun das Bild des Coppelius in seiner Erinnerung zu verblassen droht, gibt sich Nathanael alle Mühe, die Erinnerung aufrecht zu erhalten. Er sieht seine Beziehung zu Klara extrem gefährdet durch das Prinzip des Bösen, und er versucht nun, dieser seiner Ansicht in einem Gedicht Gestalt zu verleihen. Nachdem er dieses Gedicht, in dem dargestellt wird, wie seine Liebe zu Klara von Coppelius zerstört wird, Klara vorgetragen hat, kommt es zu einem großen Streit zwischen beiden. Nathanael wirft schließlich seiner Verlobten vor, sie sei ein „Automat“. Man versöhnt sich wieder und es scheint so, als habe sich Nathanael endgültig befreit von seinen Ängsten. Nathanael kehrt an seinen Studienort zurück und es kommt zu einer erneuten Begegnung mit Coppola, wieder brechen bei Nathanael Ängste auf, zumal Coppola immer wieder von „Augen“ spricht. Schließlich kauft Nathanael ihm ein Perspektiv ab. Mit diesem Perspektiv sieht er zum ersten Mal Olimpia etwas genauer. Dabei muss er feststellen, dass beim Blick durch die Gläser die kalten, starren Augen Olimpias mehr und mehr an Leben gewinnen. Beim Fest im Hause seines Professors verliebt sich Nathanael in Olimpia. Er ist völlig fasziniert von ihr und bemerkt nicht, dass sich seine Kollegen mehr und mehr distanzieren. Er bemerkt ebenfalls nicht, dass seine Kommunikation mit Olimpia eine sehr einseitige Angelegenheit ist. Auch das Automatenmäßige seiner Freundin bleibt ihm verborgen. Als er dann eines Tages seinen Professor besuchen will, trifft er auf ihn, als er gerade mit Coppola in Streit geraten ist. Offenbar streiten sich beide um eine Figur, die sich als Olimpia herausstellt. Nathanael muss jetzt zur Kenntnis nehmen, dass es sich um eine Puppe handelt. Coppola, den der Professor als Coppelius bezeichnet, erobert die Puppe und flüchtet mit ihr, während Nathanael Spalanzani fast erwürgt, ehe er von ihm getrennt wird. Wiederum erkrankt Nathanael für längere Zeit, wacht im Kreis seiner Familie auf und scheint wiederum geheilt. Endlich scheint er glücklich vereint mit Klara, mit der er, ehe er sich aufs Land zurückziehen will, den Rathausturm besteigt. Von oben möchte er ein Phänomen etwas genauer betrachten und greift mehr oder weniger automatisch zu dem Perspektiv. Dabei gerät ihm Klara vor die Gläser. Wieder wird Nathanael in seinen Wahnzustand versetzt, gerät außer sich und setzt alles daran, Klara vom Turm zu stürzen Lothar kann Klara retten. Während sich zu Füßen des Turms eine große Menschenmenge versammelt, in der auch Coppelius zu sehen ist, springt Nathanael vom Turm und stürzt sich in den Tod. Klara wird ein paar Jahre später glücklich verheiratet im Kreis Ihrer Familie wieder gesehen.