Geleitwort

Am 14. September 2015 um genau 11:51 Uhr erschienen in den Rohdaten eines Signals plötzlich charakteristische Wellenzüge. Im Institut für Gravitationsphysik in Hannover wurden damals routinemäßig die Messdaten von zwei riesigen Laserinterferometern in den USA überprüft. Etwa vier Monate später sollten diese Signale unter der schlichten Bezeichnung »GW150914« Weltruhm erlangen.

Es war schon ein glücklicher Zufall. Denn eigentlich waren die zum Nachweis erforderlichen Detektoren nach einem größeren Umbau noch in der Testphase. Die Signale wurden gleich am ersten Tag empfangen, an dem es überhaupt möglich war, ein solches Ereignis zu messen. Anschließend hat es ja dann auch vier Monate gedauert, bis wir ausreichend zuversichtlich waren, um die Daten zu veröffentlichen. Die spezielle Form dieser Welle, die dann für internationale Aufmerksamkeit gesorgt hat, entsprach perfekt dem, was man erwarten würde, wenn in den Tiefen des Kosmos zwei Schwarze Löcher verschmelzen.

Die Signalqualität war sogar so hervorragend, dass man zunächst denken konnte, es handle sich um eine Simulation. Dennoch zeigte die sorgfältige Analyse aller Messdaten schließlich eindeutig, dass es sich tatsächlich um das erste, jemals direkt auf der Erde nachgewiesene Gravitationswellensignal handelte. Das Jahr 2015 war damit zu einem »Jahr der Gravitation« geworden. Denn am 3. Dezember 2015, fast auf den Tag genau hundert Jahre nach der Veröffentlichung von Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie, wurde auch unsere Satellitenmission »LISA Pathfinder« gestartet.

Voraussichtlich im Jahr 2034 soll mit »LISA« sogar ein vollständiges Weltraumteleskop für Gravitationswellen ins All starten. Drei Satelliten werden dann über eine Strecke von einigen Millionen Kilometer hinweg winzigste Verwerfungen der Raumzeit erfassen. Genau wie beim Ereignis vom 14. September 2015 werden dazu Laserstrahlen verwendet, die dann einen gewaltigen Riesensensor im All bilden. Dieser wird die Aufgabe haben, nach langwelligen Signalen zu suchen, die vor Milliarden von Jahren erzeugt wurden und seitdem durch den Kosmos laufen.

Man kann sich heute noch gar nicht ausmalen, was wir alles aus diesen Gravitationswellensignalen lernen werden. Bereits das allererste Signal war ein äußerst informativer Hinweis darauf, was uns erwartet. GW150914 ist mit Abstand das gewaltigste Ereignis, das man bislang im Universum beobachtet hat. Innerhalb von Sekundenbruchteilen wurden drei Sonnenmassen vernichtet und in reine Energie umgesetzt. Trotzdem war das Ereignis für alle möglichen konventionellen Teleskope nicht sichtbar. Man kann nun also erstmals Signale aus einer dunklen Schattenwelt erfassen, die bisher völlig unbekannt war. Erst wenn wir in ein paar Jahren über eine blühende Gravitationswellenastronomie verfügen, wird man erahnen können, was uns noch alles auf der dunklen Seite des Kosmos erwartet. Zweifellos halten Dunkle Energie und Dunkle Materie noch viele Überraschungen bereit. Eines Tages werden wir dann mit Gravitationswellendetektoren vielleicht sogar den Urknall, das heißt die Entstehung des Universums selbst, erlauschen können.

Es freut mich sehr, dass einer meiner ehemaligen Mitarbeiter aus den Anfangsjahren der Laserinterferometerentwicklung die Zeit gefunden hat, dieses spannende Stück Wissenschaftsgeschichte einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen.

Ich bin zuversichtlich, dass das vorliegende Buch dazu beitragen wird, die neuen und hochinteressanten Erkenntnisse aus der Astrophysik sowohl jugendlichen »Nachwuchsforschern« als auch der interessierten Allgemeinheit zugänglich zu machen.

Prof. Dr. Karsten Danzmann

Direktor, Albert-Einstein-Institut, AEI Hannover:

Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik und

Institut für Gravitationsphysik der Leibniz Universität Hannover

Vorwort zur 2. Auflage

Nach dem jahrzehntelang keine wirklichen Durchbrüche vermeldet werden konnten, scheint die Welt der Gravitationswellenforschung nun geradezu vom Erfolg verwöhnt zu werden. So wurde am 3. Oktober 2017 bekannt gegeben, dass für den direkten Nachweis von Gravitationswellen der Physik-Nobelpreis verliehen wird.

Nur wenige Wochen zuvor konnte ein weiterer Meilenstein in der Astrophysik gesetzt werden. Es war gelungen, eine Quelle der Raumzeitwellen sowohl im sichtbaren Licht als auch in anderen Bereichen des elektromagnetischen Spektrums zu beobachten. Am 17. August 2017 registrierten die Detektoren der beiden LIGO-Observatorien in den USA und das VIRGO-Labor in Italien rund 100 Sekunden lang winzige Verwerfungen der Raumzeit. Mit diesem Ereignis namens GW170817 wurde eine sogenannte »Kilonova« entdeckt. Sie entsteht, wenn zwei Neutronensterne miteinander verschmelzen. Nahezu gleichzeitig konnte auch einer der bislang höchst geheimnisvollen Gammastrahlenblitze beobachtet werden. Weltweit richteten Astronomen daraufhin ihre Teleskope auf die Ursprungshimmelsregion. Die klassischen Observatorien konnten so eine Reihe neuer Erkenntnisse über Neutronensterne, die dichtesten bekannten Sterne im Universum, gewinnen. Aus den Beobachtungen folgerten Wissenschaftler, dass in der Umgebung dieser Neutronensternverschmelzung Gold, Platin und andere schwere chemische Elemente entstanden sind. Dies kann als klarer Hinweis darauf gelten, dass sich bei solchen Ereignissen in erheblichem Umfang massereiche Atomkerne bilden. Deren Entstehungsgeschichte lag bislang im Dunklen, nun liefern die Beobachtungen in allen Spektralbereichen ein völlig neues Bild. Damit konnte sich die gerade erst geborene Gravitationswellenastronomie bereits jetzt als wertvolles Hilfsmittel auch für zukünftige interdisziplinäre Forschungsvorhaben etablieren. Welche weiteren bahnbrechenden Entdeckungen die Gravitationswellenastronomie noch liefern wird, kann man momentan noch kaum abschätzen.

PROLOG

Die Jahrhundert-Entdeckung

»Wenn du die Wahrheit suchst, sei offen für das

Unerwartete, denn es ist schwer zu finden und

verwirrend, wenn du es findest.«

Heraklit von Ephesos, oft auch zu »Erwarte das Unerwartete« verkürzt

Der große Paukenschlag kam am 11. Februar 2016. In Pressekonferenzen rund um die Welt wurde der direkte Nachweis von Gravitationswellen bekannt gegeben. Das Echo in den Medien war gewaltig.

Ein an der US-amerikanischen Forschungseinrichtung LIGO (Laser Interferometer Gravitational Wave Observatory) erfasstes Gravitationswellenereignis wurde zum Meilenstein der Wissenschaft.

Das Signal, das aus einem Raumbereich zwischen der Kleinen und Großen Magellanschen Wolke empfangen wurde, hatte seinen Ursprung in den Tiefen des Universums und erreichte die Erde aus einer Entfernung von 1,3 Milliarden Lichtjahren. Gravitationswellen gehören zu den spektakulärsten Vorhersagen von Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie aus dem Jahre 1915. Erst ein halbes Jahrhundert nach ihrer theoretischen Entdeckung versuchten unerschrockene Physiker sie aufzuspüren. Seit Anfang der 1970er-Jahre stiegen verschiedene Forschergruppen weltweit in das Rennen um die Detektion der geisterhaften Wellen ein. Auch Dank der Vorarbeiten dieser Pioniere der Wissenschaft konnten die Raumzeit-Wellen schließlich nachgewiesen werden. Im September 2015 erzeugten sie jenes Signal, das vier Monate später die Welt der Gravitationswellenforschung revolutionieren sollte.

Selbst Albert Einstein hatte seine Zweifel. Er vermutete, dass man Gravitationswellen niemals wird nachweisen können. Einstein ging davon aus, dass die Vibrationen der Raumzeit, die sich aus seiner Theorie ergaben, für eine Messung zu schwach seien. Bald nach der Vollendung seiner Allgemeinen Relativitätstheorie veröffentlichte Einstein in den Jahren 1916 und 1918 jeweils eine Abhandlung zum Phänomen der geheimnisvollen Wellen. Nach fast genau 100 Jahren konnten sie nun endlich mittels aufwändiger Messmethoden direkt nachgewiesen werden.

Mitte Juni 2016 wurde dann bereits die Entdeckung eines zweiten Signals offiziell bekannt gegeben. Damit sollten auch die letzten Zweifel am tatsächlichen Erfolg des LIGO-Projektes ausgeräumt sein. Die Identifizierung weiterer Ereignisse in vorhandenen oder neuen Messdaten dürfte damit nur noch eine Frage der Zeit sein. Messungen der von der Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagten Raumzeitverwerfungen werden also bald zu den Standardmethoden der Experimentalphysik zählen.

Albert Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie erfährt damit eine weitere Renaissance, ihre inzwischen über 100 Jahre alten Vorhersagen bleiben hochaktuell.

KAPITEL 1

Die Allgemeine Relativitätstheorie und ihre Folgen

»Seit die Mathematiker über die Relativitätstheorie

hergefallen sind, verstehe ich sie selbst nicht mehr.«

Albert Einstein

Die Allgemeine Relativitätstheorie beschreibt insbesondere das Verhältnis zwischen massebehafteter Materie und Gravitationsfeldern. Sie interpretiert die Schwerkraft als rein geometrische Eigenschaft einer gekrümmten vierdimensionalen Raumzeit. Die Theorie wurde von Albert Einstein entwickelt, der sein Werk im November 1915 in den Sitzungsberichten der Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin veröffentlichte. Sie gilt bis heute als einer der wichtigsten Meilensteine der Physik.

Abbildung 1: Dem Nachweis von Gravitationswellen hätte Einstein bestimmt ein Ständchen gewidmet, wie hier zusammen mit Adolf Hurwitz und dessen Tochter L. Hurwitz im August 1913.
© ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv; Fotograf: Unbekannt; Portr_07389; Public Domain Mark

Die eigentliche Geschichte der Relativitätstheorie hat ihren Ursprung jedoch bereits am Ende des 19. Jahrhunderts. Schon damals versuchte man, Natur und Wesen des Lichtes zu erforschen. Insbesondere wollten die Entdecker jener Zeit herausfinden, ob das Licht ähnlich wie Schall ein Medium für seine Ausbreitung benötigt. Bei den entsprechenden experimentellen Arbeiten entdeckte man einen Effekt, der später als Zeitdilatation bezeichnet wurde. Allerdings erkannte zunächst niemand die tiefgreifenden Veränderungen, die diese Entdeckung für das physikalische Verständnis der Zeit bedeutete. Erst der große Albert Einstein war in der Lage, die volle Tragweite der historischen Versuchsergebnisse zu erkennen. Im Rahmen seiner Relativitätstheorie folgerte er, dass die Lichtgeschwindigkeit in allen sogenannten Inertialsystemen dieselbe sein müsse.

In einem Inertialsystem bewegt sich ein Körper geradlinig und gleichförmig. Solange keine Kräfte auf ein Objekt einwirken, ändern sich weder der Betrag noch die Richtung der Geschwindigkeit. Inertialsysteme bewegen sich gegeneinander ebenfalls geradlinig und gleichförmig. Durch das Postulat einer konstanten Lichtgeschwindigkeit in allen Inertialsystemen konnten sämtliche experimentellen Resultate erklärt werden. Ein Trägermedium für Lichtwellen wurde somit nicht mehr benötigt.

Abbildung 2: In einer Ebene laufen Körper ohne Krafteinfluss auf parallelen Bahnen (oben). Erst durch die Wirkung einer Kraft können sich ihre Wege kreuzen (Mitte). Auf der gekrümmten Oberfläche einer Kugel werden sich die Wege der Körper auch ohne äußeren Krafteinfluss treffen (unten).
© Gerhard Weiland/KOSMOS nach Vorlage des Autors

Einsteins neue Erkenntnisse stehen im Einklang mit den Maxwellschen Gleichungen der Elektrodynamik. Seine sogenannte Spezielle Relativitätstheorie wurde zu einem der wichtigsten Fundamente der modernen Physik. Die Theorie sagt voraus, dass der Verlauf der Zeit davon abhängt, wie schnell sich ein Beobachter relativ zu einem anderen bewegt. Je schneller sich also beispielsweise eine Uhr bewegt, desto langsamer sollte sie laufen.

Später entdeckte Einstein, dass diese bewegungsbedingte Zeitdilatation nicht die einzige Form der Zeitdehnung darstellt. Die Weiterentwicklung der Speziellen zur Allgemeinen Relativitätstheorie umfasst auch gegeneinander beschleunigte Bezugssysteme. In diesem Fall tritt ebenfalls eine Zeitdehnung auf. Die allgemeinrelativistische Zeitdilatation entsteht durch Beschleunigungen, beispielsweise wenn sich Objekte im freien Fall oder im Schwerkraftfeld einer anziehenden Masse befinden. Die Zeitdehnung der Allgemeinen Relativitätstheorie führt so auch auf einen Einfluss der Gravitation: Eines der wichtigsten Ergebnisse ist die Erkenntnis, dass auch ein Gravitationsfeld den Gang einer Uhr beeinflusst.

Erst mit seiner Allgemeinen Relativitätstheorie gelang es Einstein, die Spezielle Relativitätstheorie mit der Gravitation zusammenzuführen. Allerdings musste dafür eine seit Isaac Newton allgemein akzeptierte physikalische Vorstellung aufgegeben werden: die Annahme, dass Raum und Zeit durch Vorgänge und Ereignisse in der realen Welt nicht im Geringsten beeinflusst würden. Raum und Zeit waren nicht mehr länger passive und voneinander unabhängige Größen. Vielmehr sollte nach Einstein eine vierdimensionale »Raumzeit« existieren. »Von Stund’ an sollen Raum für sich und Zeit für sich völlig zu Schatten herabsinken und nur noch eine Art Union der beiden soll Selbständigkeit bewahren«, so fasste Hermann Minkowski Einsteins Erkenntnis bereits im Jahre 1908 zusammen.

Die Raumzeit kann durch Materie verzerrt, d. h. gedehnt, gestaucht oder auch gekrümmt werden. Diese Verzerrungen wiederum legen fest, wie sich Materie in der Raumzeit zu bewegen hat. Die gegenseitige Beeinflussung von Raumzeitstruktur und massereichen Körpern liefert eine geometrische und relativistisch korrekte Gravitationstheorie. Neben der präzisen Beschreibung der klassischen Schwerkraftphänomene führt diese Theorie aber auch zu anderen wichtigen und teilweise sehr überraschenden Effekten. So wurde durch die neue Theorie beispielsweise vorhergesagt, dass auch Licht durch Schwerkraftfelder abgelenkt wird. Aber auch die Existenz von exotischen Objekten wie Schwarzen Löchern oder neuartige Effekte wie Gravitationswellen ergeben sich direkt aus der Theorie.

Abbildung 3: Die Gravitation wird nach der Allgemeinen Relativitätstheorie als eine Krümmung der Raumzeit aufgefasst.
© Gerhard Weiland/KOSMOS nach Vorlage von T. Pyle/Caltech/MIT/LIGO Lab

Die grundlegende Idee der Allgemeinen Relativitätstheorie besteht also darin, Gravitation nicht als Kraftfeld zu betrachten, sondern als eine rein geometrische Eigenschaft der neu eingeführten vierdimensionalen Raumzeit. Da sich vier Dimensionen hartnäckig der menschlichen Vorstellungskraft entziehen, wird oft eine Analogie zur Veranschaulichung herangezogen. Reduziert man den Raum um eine Dimension, dann lassen sich einige Aspekte der Raumzeitkrümmung anschaulich darstellen. Man muss sich dabei natürlich stets im Klaren darüber sein, dass es sich bei entsprechenden Illustrationen nur um vereinfachende Modelle handelt.

Aus dem dreidimensionalen Raum wird in der Analogie eine zweidimensionale Ebene. In dieser »Raumebene« sollen sich nun zwei Körper befinden, zwischen denen keinerlei Kräfte wirken. Ohne äußere Kräfte bewegen sich die beiden Körper mit konstanter Geschwindigkeit auf geradlinigen Bahnen. Objekte, deren Bahnen parallel verlaufen, werden somit niemals aufeinander treffen, der Abstand zwischen ihnen bleibt für alle Zeiten der gleiche.

Beobachtet man allerdings, dass Körper von diesem Verhalten abweichen, so spricht man in der klassischen Physik davon, dass eine Kraft wirken muss.

Gemäß den Newtonschen Gesetzen bewirken Kräfte, dass Teilchen aus ihren geradlinigen Bahnen abgelenkt werden. Wenn sich die Teilchen jedoch nicht in einer Ebene bewegen, sondern auf einer gekrümmten Fläche, dann würden sie ebenfalls zusammenlaufen, obwohl sie ursprünglich auf parallelen Bahnen gestartet waren. In diesem Fall muss man keine Kraft einführen, um zu erklären, warum die Bahnen aufeinander zu laufen.

In der Allgemeinen Relativitätstheorie liefert die gekrümmte Raumzeit eine elegante Erklärung für die nicht mehr geradlinige Bewegung von Masseobjekten. Nach Einsteins Theorie ist Gravitation lediglich eine Verzerrung der Raumzeit. Planeten folgen genau wie Tennisbälle oder Satelliten bestimmten Bahnen in dieser Raumzeit. Aufgrund der Krümmung der Raumzeit werden sie relativ zueinander beschleunigt. Für Schwerkraftfelder geringer Stärke ergeben sich aus der neuen Theorie allerdings Bahnkurven, die denen der Newtonschen Mechanik sehr ähnlich sind.

Für »zweidimensionale« Beobachter, die sich lediglich auf einer Kugeloberfläche (siehe Abb. 2) bewegen können, erscheinen die eingezeichneten Bahnen im Übrigen tatsächlich »gerade«. Ein Beobachter, der etwa ein Raumschiff auf einem entsprechenden Kurs anpeilt, würde keinerlei Abweichungen nach links oder rechts feststellen. Lediglich das Verschwinden des Objektes hinter einem »Horizont« wäre ein für ihn unerklärliches Phänomen.

Auch die beiden eingezeichneten Winkel weisen bei lokaler Messung mit einem Präzisionswinkelmaß exakt 90 Grad auf. Da der Schnittwinkel der beiden Linien ebenfalls zur Winkelsumme im dargestellten Dreieck beiträgt, ergibt sich ein Wert von über 180 Grad. Hier wird also bereits klar, dass auf einer Kugeloberfläche die Gesetze der Euklidschen Geometrie nicht mehr gelten.

Einsteins Feldgleichungen beschreiben jedoch nicht nur die Bahnen von Masseteilchen durch die gekrümmte Raumzeit. Die Allgemeine Relativitätstheorie erklärt auch, wie diese Verzerrungen durch im Raum vorhandene Massen erst verursacht werden. Gemäß den Allgemeinen Feldgleichungen ergibt sich so ein permanentes Wechselspiel, bei dem sich Materie und Raumzeit gegenseitig beeinflussen:

Eine bestimmte Materieanordnung verformt die vierdimensionale Raumzeit in einer durch die Formeln exakt festgelegten Art und Weise.

Die Geometrie der Raumzeit legt wiederum fest, wie die Bahnen massiver Objekte aussehen müssen.

Die Feldgleichungen drücken letztendlich genau diese Wechselwirkung in Form von gekoppelten Differenzialgleichungen aus. Darüber hinaus sagen die Formeln aber auch aus, dass nicht nur Massen den Raum krümmen, sondern auch Energie oder beispielsweise Druck. Hier spiegelt sich die bereits in der Speziellen Relativitätstheorie eingeführte Identität von Masse und Energie wieder. Diese Beziehung wird durch die wohl berühmteste Formel der Physik ausgedrückt: E = mc2.

Häufig wird die gekrümmte Raumzeit auch mit einem Gummimembran-Modell dargestellt. Dabei wird auf eine mehr oder weniger gespannte, elastische Membran eine massive Kugel gelegt. Diese Kugel verursacht eine Delle in der Membran. Dieses Modell ist aber als Anschauungsobjekt für eine gekrümmte Raumzeit nur bedingt geeignet.

Die Krümmung des Raums allein zu betrachten ist nicht ausreichend, um die Bewegung von Massen zu erklären. Weder massive Objekte noch Lichtstrahlen laufen dort auf Bahnen, die im gekrümmten Raum kürzest möglichen Strecken entsprechen (es werden Bahnen durchlaufen, bei denen das vierdimensionale, raumzeitliche Wegelement minimal wird). Die Zeitdehnung bleibt bei diesem Modell vollkommen außen vor. Aus den Allgemeinen Feldgleichungen folgt allerdings, dass sowohl der Raum als auch die Zeit von einem Gravitationsfeld beeinflusst werden.

Die Konsequenz aus Einsteins Überlegungen war, dass sich die Krümmung der Raumzeit unter dem Einfluss einer Masse auch auf die Lichtausbreitung auswirkt. Durchquert beispielsweise ein Lichtstrahl die Raumzeitdelle eines massereichen Körpers wie etwa der Sonne, dann sollte er dem kürzesten Weg, den die gekrümmte Raumzeit zulässt, folgen. Dies führt zu einer Ablenkung des Lichtstrahls von seiner geradlinigen Bahn.

Einsteins Theorie liefert allerdings nur unter bestimmten Bedingungen Vorhersagen, die sich von denen der Newtonschen Mechanik deutlich unterscheiden. Erst bei extrem starken Gravitationsfeldern ergeben sich erhebliche Abweichungen. Dennoch wurde die Allgemeine Relativitätstheorie in zahlreichen Tests experimentell bestätigt, sodass sie als Theorie der Gravitation unumstritten ist. Einige dieser experimentellen Bestätigungen werden in den folgenden Kapiteln zusammengefasst.

Periheldrehung des Planeten Merkur

In der klassischen Newtonschen Mechanik beschreibt ein Körper, der ein Zentralgestirn umkreist, eine elliptische Bahn. Das Zentralgestirn liegt dabei in einem Brennpunkt dieser Ellipse. Der Punkt der größten Annäherung, das sogenannte Perihel, ist nach der Newtonschen Theorie fest auf einen Punkt im Raum fixiert.

Im realen Fall des Sonnensystems kommt es dennoch auch nach der klassischen Mechanik zu einer Verschiebung des Perihels des Planeten Merkur. Ursache dafür sind Störeinflüsse anderer Planeten. Astronomen wie Urbain Le Verrier erkannten jedoch frühzeitig, dass die Periheldrehung des Merkur nicht vollständig durch diese Effekte erklärt wird. Die Allgemeine Relativitätstheorie hingegen kann die verbliebene Abweichung durch die entstehende Raumkrümmung mit höchster Präzision korrekt beschreiben.

Diese erste Überprüfung der Allgemeinen Relativitätstheorie durch astronomische Beobachtungen betraf jedoch eine Situation, in der sich Newtonsche und Einsteinsche Vorhersagen nur vergleichsweise wenig unterscheiden. Die Einsteinsche Theorie sagt unter diesen Bedingungen eine Art Rosette für die Merkurbahn voraus. Sowohl der sonnennächste als auch der sonnenfernste Bahnpunkt, also das Perihel bzw. das Aphel, sollten bei jedem Umlauf nur sehr geringfügig weiterwandern.

Abbildung 4: Die langfristige Verschiebung des Perihels von Merkur.
© Gerhard Weiland/KOSMOS nach Vorlage des Autors

Berechnungen im Rahmen der Allgemeinen Relativitätstheorie führen auf genau den beobachteten zusätzlichen Verschiebungseffekt. Da die Rosettenverschiebung anhand des sonnennächsten Punkts definiert wird, ist dieser Effekt auch als relativistische Periheldrehung bekannt geworden. Als sonnennächster Planet durchläuft Merkur das stärkste Schwerkraftfeld, die relativistische Korrektur ist hier also am größten. Deshalb wurde sie beim Merkur als erstes entdeckt. In neuerer Zeit konnte sie jedoch auch für die Planeten Venus, Erde und sogar für den Mars nachgewiesen werden.

Einstein wird nachgesagt, dass er die exakte Vorhersage der Periheldrehung durch die Allgemeine Relativitätsheorie als einen der glücklichsten Momente seines Lebens bezeichnet haben soll.

Lichtablenkung durch die Sonne

Bereits vor der Entwicklung der Allgemeinen Relativitätstheorie war bekannt, dass auch aus der Newtonschen Gravitationstheorie eine Ablenkung von Sternenlicht durch einen massiven Himmelskörper abgeleitet werden kann. Einstein berechnete jedoch, dass dieser Wert doppelt so groß sein sollte als die Vorhersage der klassischen Mechanik. Vereinfacht ausgedrückt trägt die Krümmung der Raumzeit noch einmal denselben Ablenkungswinkel bei wie die klassische Rechnung.

Abbildung 5: Lichtablenkung im Gravitationsfeld der Sonne.
© Gerhard Weiland/KOSMOS nach Vorlage des Autors

Der Einsteinsche Wert der Lichtablenkung wurde am 29. Mai 1919 durch Beobachtungen während einer totalen Sonnenfinsternis durch Sir Arthur Stanley Eddington bestätigt. Dieses Ergebnis machte Einstein und seine Allgemeine Relativitätstheorie mit einem Schlag weltberühmt.

Hier hatte Einstein allerdings großes Glück. Bereits früher waren zwei Expeditionen organisiert worden, welche die Aufgabe hatten, den genauen Wert der Lichtablenkung im Schwerefeld der Sonne zu bestimmen. Im Jahr 1912 verhinderte jedoch schlechtes Wetter brauchbare Aufnahmen. Zwei Jahre später wurden die entsandten Wissenschaftler auf der Halbinsel Krim festgenommen, noch bevor sie die geplanten Messungen ausführen konnten. Denn im Jahr 1914 war gerade der erste Weltkrieg ausgebrochen, und da die Mitglieder der Expedition höchst geheimnisvolle und verdächtige Beobachtungsinstrumente mitführten, wurden sie für feindliche Spione gehalten und verhaftet. Einstein hatte bereits im Jahr 1911 Berechnungen veröffentlicht, die aber einen falschen Wert für die Lichtablenkung ergaben. Erst 1915, nachdem die Allgemeine Relativitätstheorie vollendet war, konnte er den korrekten Wert berechnen. Ob die ursprünglich falschen Berechnungen Einsteins Ruhm geschadet hätten, kann man natürlich im Nachhinein nicht mehr beurteilen.

Die Messgenauigkeit im Jahr 1919 war noch nicht besonders hoch, sie reichte jedoch aus, um zu zeigen, dass die Lichtablenkung im Gravitationsfeld der Sonne deutlich näher an Einsteins Werten lag als an denen der Newtonschen Mechanik. Moderne Analysen der Daten zeigten darüber hinaus, dass Eddingtons Werte im Wesentlichen korrekt waren. Die Beobachtungen wurden in späteren Jahren von verschiedenen Observatorien wiederholt und bestätigten immer wieder die Messungen von 1919. Eine weitere Steigerung der Präzision brachte schließlich die Radioastronomie. Mittels präziser Laufzeitmessungen konnten die letzten Zweifel an der Gültigkeit der Allgemeinen Relativitätstheorie ausgeräumt werden.

Eine besonders beeindruckende Spielart des Lichtablenkungseffekts sind sogenannte Gravitationslinsen, bei denen die Lichtablenkung durch eine Masse dazu führt, dass Astronomen am Himmel zwei oder mehr Bilder von ein und demselben astronomischen Objekt beobachten können.

Gravitationslinsen

Die Gravitationslinsen sind eine direkte Folge der Raumkrümmung durch sehr massereiche Objekte. Das Licht von Körpern, die sich hinter einer Masseansammlung befinden, wird dabei abgelenkt und unter gewissen Bedingungen sogar verstärkt. Der Effekt ist vergleichbar mit dem einer optischen Sammellinse, deshalb wurde er auch unter der Bezeichnung »Gravitationslinse« bekannt.

Abbildung 6: Schematische Darstellung des Gravitationslinseneffekts.
© Gerhard Weiland/KOSMOS nach Vorlage des Autors

Anhand dieses Linseneffekts können extrem weit entfernte astronomische Objekte, wie Galaxien oder Quasare, beobachtet werden. Oftmals wären diese ohne die verstärkende »Sammellinse« gar nicht mehr mit astronomischen Instrumenten erfassbar. Inzwischen wurden kosmische Objekte entdeckt, deren Licht um mehr als das zehnfache durch Galaxienhaufen im Vordergrund verstärkt wurde.

Häufig tritt auch das Phänomen auf, dass Objekte aufgrund einer vorgelagerten Gravitationslinse am Himmel mehrfach erscheinen. Hierbei wird das Licht eines Objektes im Hintergrund um eine Gravitationslinse herum auf verschiedenen Wegen abgelenkt, wodurch es sogar mehr als zweimal erscheinen kann. In speziellen Fällen entstehen auf diese Weise vollständige Lichtringe um massive Objekte wie etwa Galaxien.

Einsteinringe und Einsteinkreuze

Besonders eindrucksvolle Beispiele der Lichtablenkung in starken Gravitationsfeldern sind als »Einsteinringe« bekannt geworden. Hierbei handelt es sich um den Lichtring eines weit entfernten Objekts, der durch die Wirkung der Gravitation einer im Vordergrund liegenden Galaxie entsteht.

Die Galaxie wirkt wieder wie eine Linse, die Verhältnisse sind hier jedoch so, dass das betreffende Objekt nicht nur ein- oder zweimal abgebildet, sondern zu Ringsegmenten verformt wird. Im Idealfall entsteht sogar ein vollständiger Ring. Auch diese Erscheinung wurde bereits von Albert Einstein in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie vorausgesagt.

Abbildung 7: Ein besonders prominentes Beispiel für einen Einsteinring ist in dieser Aufnahme des Hubble-Weltraumteleskops zu sehen. Es wurde aufgrund seiner Form als »Kosmisches Hufeisen« bezeichnet.
© ESA/Hubble & NASA

Für einen geschlossenen Ring muss die entfernte Lichtquelle exakt hinter der Gravitationslinse liegen; deshalb kann man von der Erde aus nur wenige Einstein-Ringe beobachten. Dennoch wurden bislang knapp 100 dieser seltenen Konstellationen entdeckt. Viele wurden bei allgemeinen Himmelsdurchmusterungen gefunden, einige davon später auch mit dem Hubble-Weltraumteleskop näher untersucht.

Bei den bisher beobachteten Einstein-Ringen liegen die Vordergrundgalaxien häufig in Entfernungen von einigen Milliarden Lichtjahren. Eine der am weitesten entfernten Linsen haben Astronomen in den tiefsten Tiefen des Weltalls ausgemacht. Sie konnten ein Objekt beobachten, das über neun Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt ist.

Neben den Ringen existieren auch sogenannte Einsteinkreuze. Wenn sich beispielsweise ein Quasar hinter dem Kern einer weit entfernten Galaxie befindet, kann diese wieder eine Gravitationslinse bilden. Unter bestimmten Bedingungen entstehen durch diese Linse vier ähnlich helle Bilder in Form eines Kreuzes mit dem Galaxienkern im Zentrum. Quasare sind die extrem hellen Zentren sehr weit entfernter Galaxien und erscheinen von der Erde aus gesehen punktförmig.

Gravitative Rotverschiebung des Lichts

Dass die Zeit in der Nähe großer Massen langsamer läuft, wie es die Relativitätstheorie vorhersagt, wirkt sich auch auf Lichtteilchen, sogenannte Photonen, aus. Wenn diese ein Schwerkraftfeld durchlaufen, werden ihre Wellenlängen in den Rotbereich verschoben. Vereinfacht ausgedrückt verlieren Photonen beim Aufstieg in einem Gravitationsfeld Energie. Da die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum aber immer konstant ist, bedeutet dieser Energieverlust keine Abbremsung, sondern eine Dehnung der Lichtwellenlänge.

Im Jahr 1925 lieferte ein Doppelsternsystem die erste Bestätigung für die gravitative Rotverschiebung. Der Effekt konnte durch die Messung der Spektralverschiebung des Weißen Zwergsterns Sirius B erstmals nachgewiesen werden. Obwohl sowohl diese als auch spätere Messungen mit den Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie sehr gut übereinstimmten, wurde argumentiert, dass die Rotverschiebung möglicherweise auch andere Ursachen haben könnte. Aus diesem Grund suchten Forscher nach einer direkteren experimentellen Bestätigung in Laboratorien auf der Erde.

Ein unmittelbarer Nachweis des Effekts gelang aber erst 1959 durch das Experiment von Robert Pound und Glen Rebka, heute kurz Pound-Rebka-Experiment genannt. Dort wurde die relative Rotverschiebung von zwei Quellen, die sich an der Spitze und am Boden des Jefferson-Turms der Harvard University befanden, durch Ausnutzung des Mößbauer-Effekts vermessen.

Schon im Rahmen seiner Doktorarbeit konnte Rudolf Mößbauer im Jahre 1956 den später nach ihm benannten Effekt erstmals nachweisen. Die rückstoßfreie Absorption oder Emission von kurzwelligen Gamma-Quanten durch Atomkerne in einem Kristall führt zu extrem scharfen Resonanzlinien. Damit lassen sich minimale Energiedifferenzen, wie sie etwa durch die Dopplerverschiebung hervorgerufen werden, nachweisen. Bereits fünf Jahre später erhielt Rudolf Mößbauer für diese Entdeckung den Nobelpreis für Physik.

Die Frequenzverschiebung von Gammastrahlung im Gravitationsfeld der Erde konnte mit Hilfe der Mößbauerspektroskopie mit einer Genauigkeit von 1 % vermessen werden. Das Resultat war eine der ersten Präzisionsmessungen, welche die Allgemeine Relativitätstheorie unter Laborbedingungen exakt bestätigten.

Ein weiteres sehr genaues Rotverschiebungsexperiment wurde 1976 durchgeführt. Dazu wurde eine Wasserstoff-Maser-Uhr im Satelliten »Gravity Probe A« mit einer Rakete auf eine Höhe von circa 10.000 Kilometern gebracht. Die Zeitsignale des Masers wurden mit einer identischen Uhr auf der Erdoberfläche verglichen. Der Effekt der gravitativen Rotverschiebung konnte so bis auf 0,007 % genau bestätigt werden.

Der Shapiro-Effekt verzögert Radarsignale

Von Irwin Shapiro stammt die Idee, einen weiteren Test der Allgemeinen Relativitätstheorie innerhalb des Sonnensystems durchzuführen. Seine Messungen wurden zu einer der genauesten Bestätigungen für die Allgemeine Relativitätstheorie in den 1960er Jahren. Shapiro berechnete die relativistische Zeitverzögerung von Radarsignalen, die von sonnennahen Planeten reflektiert werden. Die Relativitätstheorie liefert eine Signalverzögerung, die umso größer wird, je näher die Radarwellen an der Sonne vorbei laufen.

Die Beobachtung der Radarreflexionen von Merkur und Venus unmittelbar vor und nach der Bedeckung durch die Sonne zeigte eine ausgezeichnete Übereinstimmung mit der Allgemeinen Relativitätstheorie. Bereits die ersten Messdaten bestätigten die Einsteinschen Gleichungen mit einer maximalen Abweichung von 5 %. Spätere Messungen mit Hilfe von Raumsonden wie Mariner oder Viking verbesserten die Messgenauigkeit auf 0,1 %. Schließlich konnten mit der Cassini-Sonde die Voraussagen der Allgemeinen Relativitätstheorie sogar bis auf 0,001 % genau bestätigt werden.

Kein GPS ohne Relativitätstheorie?

Oft wird behauptet, satellitengestützte Navigationssysteme wie das Globale Positionierungssystem (GPS) oder Galileo würden ohne Berücksichtigung allgemeinrelativistischer Effekte nicht funktionieren. Die Satelliten, die zur Ortung eines Fahrzeuges auf der Erde notwendig sind, befinden sich in einer Höhe von mehr als 20.000 Kilometern über der Erde. Aufgrund der Effekte der Allgemeinen Relativitätstheorie ist der Zeitablauf dort beschleunigt. Andererseits weisen die Satelliten relativ zur Erde eine hohe Eigengeschwindigkeit auf. Dadurch wird Zeit in den Borduhren gemäß der Speziellen Relativitätstheorie wiederum verlangsamt. Die beiden Effekte zeigen also eine entgegengesetzte Wirkung, kompensieren sich jedoch nicht vollständig. Würde man die Zeitdifferenzen im Vergleich zur Zeit auf der Erde nicht beachten, hätte dies messbare Fehler in der Positionsbestimmung zur Folge.

Obwohl das GPS-System natürlich nicht als Testplattform für grundlegende physikalische Effekte konstruiert wurde, können damit Aussagen der Relativitätstheorie getestet werden. Die Uhren in den Satelliten zeigen stets die nach Einstein zu erwartende Zeitabweichung von mehreren Mikrosekunden pro Tag. Der Einfluss der Zeitdilatation wäre ausreichend groß, um die Funktionen des GPS nachweisbar zu beeinflussen.

Durch die Benutzung von laseroptischen Uhren konnte die Messpräzision inzwischen so weit verbessert werden, dass die gravitative Zeitdilatation selbst bei Abständen von unter einem Meter gemessen werden kann. Unter anderem wurden dabei Aluminiumatome als Uhren eingesetzt. Während ein Atom in Ruhe war, wurde das andere um 33 cm angehoben. Die ermittelten Rotverschiebungswerte waren in sehr guter Übereinstimmung mit den Ergebnissen der Allgemeinen Relativitätstheorie.

Für das GPS-System werden die relativistischen Effekte natürlich berücksichtigt. Dazu wird die Frequenz der eingesetzten Atomuhren entsprechend korrigiert. Würde diese Korrektur nicht durchgeführt, ergäbe sich eine Zeitabweichung von fast 30 Mikrosekunden pro Tag. Da die Entfernungen zu den Satelliten über Lichtlaufzeiten bestimmt werden, hätte sich daraus prinzipiell ein Messfehler von mehreren Kilometern ergeben können, selbst wenn die Satellitenuhren täglich nachgestellt würden.

In kommerziellen GPS-Empfängern ist natürlich keine eigene Atomuhr eingebaut. Zeit und Ort werden vielmehr aus direktem Vergleich von mindestens vier Satellitensignalen bestimmt. Da aber alle Satelliten im Orbit in ähnlicher Weise von den Effekten der Allgemeinen Relativitätstheorie beeinflusst werden, bliebe der tatsächliche Positionsfehler deutlich geringer.

Allgemeinrelativistische Effekte sind im GPS-System also eindeutig nachzuweisen. Allerdings würde das System auch ohne detaillierte Kenntnis der Allgemeinen Relativitätstheorie funktionieren. Die Betreiber der Satelliten würden sich dann lediglich wundern, dass deren hochpräzise Uhren aus unerfindlichen Gründen in sehr charakteristischer Weise falsch laufen.

Die Raumzeit als zäher Leim: der Lense-Thirring-Effekt

Beim Lense-Thirring-Effekt handelt es sich ebenfalls um ein Phänomen, das sich direkt aus der Allgemeinen Relativitätstheorie ableiten lässt. Vergleicht man die Raumzeit mit einem zähen Medium wie beispielsweise Honig oder Leim, so müsste ein Körper wie die Erde durch ihre Drehung die Raumzeit in ihrer Umgebung geringfügig mit sich ziehen und dabei verwirbeln.

Gemäß dem Lense-Thirring-Effekt sollen sich kleine Änderungen des Drehimpulses einer Testmasse ergeben, die sich um die rotierende Erde bewegt. Der 2004 gestartete Satellit Gravity Probe B konnte diesen Effekt erstmals zweifelsfrei nachweisen. Für diesen Test wurden vier mit einem Supraleiter beschichtete Quarzkugeln von knapp vier Zentimetern Durchmesser als Präzisionskreisel benutzt.

Die wissenschaftlichen Analysen nahmen aufgrund verschiedener Störeinflüsse und durch Probleme mit der korrekten Dateninterpretation einen vergleichsweise langen Zeitraum in Anspruch. Im Mai 2011 wurde der Effekt schließlich aber doch bis auf 0,2 % genau nachgewiesen.

Ähnlich wie die Kreiselachsen im Satelliten werden auch die Rotationsachsen von Sternen beeinflusst, die sehr nahe um supermassive kosmische Objekte kreisen. Dieser Effekt wird auch als Präzession bezeichnet. Durch Vermessung dieses Phänomens können verschiedene Effekte der Allgemeinen Relativitätstheorie im Zusammenhang mit sehr starken Gravitationsfeldern getestet werden.

Wie in späteren Kapiteln deutlich wird, spielt dieser Effekt auch bei der Erzeugung von Gravitationswellen eine wichtige Rolle.

Starke Gravitationsfelder verformen die Raumzeit

Vom kosmischen Standpunkt aus betrachtet sind alle Gravitationsfelder innerhalb des Sonnensystems sehr schwach. Selbst direkt an der Oberfläche der Sonne kann man nicht von einem wirklich starken Feld sprechen. Zwar ist die Fallbeschleunigung dort etwa 28-mal so groß wie auf der Erdoberfläche, verglichen mit anderen starken Feldern im Universum ist das jedoch geradezu lächerlich wenig. So herrschen an der Oberfläche eines Neutronensterns bis zu mehrere Milliarden Mal stärkere Gravitationsfelder. Neutronensterne sind extrem dichte Himmelskörper, bei denen die Masse eines gesamten Sterns auf die Größe einer Kugel von etwa zehn bis 20 Kilometer Durchmesser komprimiert ist. Derartige Objekte entstehen, wenn massereiche Sterne am Ende ihrer Lebensdauer kollabieren. Aufgrund der extrem hohen Massenkonzentration ergeben sich an der Oberfläche von Neutronensternen entsprechend intensive Gravitationsfelder.

Die klassischen Experimente innerhalb des Sonnensystems liefern also keinerlei Hinweise darauf, ob die Allgemeine Relativitätstheorie auch in sehr starken Schwerkraftfeldern ihre Gültigkeit behält. Prinzipiell ist es natürlich möglich, dass die Einsteinsche Theorie für sehr starke Gravitationsfelder nicht mehr anwendbar ist. So gibt es alternative Gravitationstheorien, die sich in schwachen Feldern praktisch wie die Allgemeine Relativitätstheorie verhalten, in starken Gravitationsfeldern jedoch zu deutlichen Abweichungen führen.

Um die Grenzen der Allgemeinen Relativitätstheorie auszuloten, muss man also auch Experimente mit Systemen durchführen, deren Komponenten aus Objekten bestehen, die sehr starke Gravitationsfelder erzeugen. Eine Möglichkeit dazu ergibt sich aus der Beobachtung von Neutronensternen. Tatsächlich wurden die bislang besten Tests in starken Gravitationsfeldern mithilfe von Pulsaren durchgeführt.

Pulsare sind schnell rotierende Neutronensterne, die intensive Radiosignale emittieren. Die Aussendung der Radiowellen erfolgt jedoch stark gebündelt. Dies ist eine Folge des starken Magnetfelds der Neutronensterne. Durch die Rotation des Objektes streift dieser gebündelte Radiostrahl durch das All, ähnlich wie der fokussierte Lichtstrahl eines Leuchtturms über das Meer. Liegt die Erde zufällig innerhalb des vom Radiostrahl überstrichenen Gebietes, dann empfängt man dort extrem regelmäßige Radioimpulse. Aufgrund des hochgenauen Zeitabstandes der Impulse können Pulsare als äußerst präzise kosmische Uhren verwendet werden. Die Pulse erlauben so auch eine sehr genaue Überprüfung der Bewegungsdaten des Pulsars.

Durch Beobachtung von Pulsaren, die sich im Orbit um Sterne oder andere Pulsare befinden, wurden ausnahmslos Bahndrehungen nachgewiesen, die nicht auf klassischem Weg erklärt werden können. Alle Messergebnisse stimmten jedoch stets präzise mit den Berechnungen auf Basis der Allgemeinen Relativitätstheorie überein.

Ein besonders prominentes Beispiel in diesem Zusammenhang ist der sogenannte Hulse-Taylor-Binärpulsar PSR 1913+16. Die Bezeichnung PSR steht dabei für Pulsar, die Zahlen geben die Himmelskoordinaten an. Dieser war der erste Radiopulsar, der als Mitglied eines Doppelsystems identifiziert werden konnte; sein Partner ist ein unsichtbarer Neutronenstern. Der Pulsar wurde im Jahre 1974 von Russel Hulse und Joseph Taylor entdeckt. Beide Komponenten haben die typische Masse eines Neutronensterns von etwa 1,4 Sonnenmassen und umlaufen den gemeinsamen Schwerpunkt in 7,75 Stunden. Die Bahn des Systems verschiebt sich um 4,2 Grad pro Jahr. Das ist ein Vielfaches der vergleichbaren Periheldrehung bei Merkur.

Schnell wurde damit klar, dass es sich hierbei um ein einzigartiges Testsystem für die Allgemeine Relativitätstheorie handelt. Die Radiopulse aus diesem Objekt werden mit einer Periode von 59 Millisekunden empfangen. Sie erlauben eine sehr genaue Vermessung der Bahnparameter des Binärsystems. Das System PSR 1913+16 spielte auch beim Nachweis von Gravitationswellen eine herausragende Rolle. Seine besonderen Eigenschaften werden daher in späteren Kapiteln noch sehr eingehend diskutiert.

Nahezu 30 Jahre lang war der Hulse-Taylor-Pulsar das Standardtestobjekt der Allgemeinen Relativitätstheorie in Bezug auf starke Gravitationsfelder. Erst im Jahr 2003 wurde mit dem Doppelpulsar PSR J0737-3039 in etwa 4000 Lichtjahren Entfernung von der Erde ein System entdeckt, das PSR 1913+16 in Hinblick auf relativistische Messungen deutlich übertrifft. Der erste allgemeinrelativistische Effekt in diesem Doppelpulsarsystem, die Bahndrehung von 16,9 Grad pro Jahr, wurde innerhalb kürzester Zeit nachgewiesen. Dieser Wert bedeutet, dass die Bahnachse des Systems in nur 21,3 Jahren einen vollen Kreis durchläuft. Die Perihelwanderung der Merkurbahn benötigt dazu drei Millionen Jahre. Dieser Vergleich zeigt sehr deutlich, wie stark sich allgemeinrelativistische Effekte in einem Doppelneutronensternsystem bereits auswirken.

Anders als beim Hulse-Taylor-System sind bei PSR J0737-3039 beide Komponenten Pulsare. Ihr Abstand beträgt lediglich 900.000 Kilometer. Die Eigenrotationsperioden liegen bei 23 Millisekunden für den ersten Pulsar und bei 2,8 Sekunden für den zweiten. Die Umlaufzeit des Systems beträgt knapp 2½ Stunden.

Da beide Komponenten Pulsare sind, kann man an diesem Objekt noch weit präzisere Messungen durchführen als mit dem Hulse-Taylor-System. Aus dem Blickwinkel eines irdischen Betrachters liegt die Bahnebene des Systems zudem nahezu direkt in der Beobachtungsrichtung. Das Doppelpulsarsystem ist also so orientiert, dass sein Orbit fast von der Kante her sichtbar ist. Dies führt dazu, dass die Pulsare bei jedem Umlauf einmal fast exakt hintereinander stehen. Dadurch laufen die Radiosignale eines Pulsars in einem Minimalabstand von nur 20.000 Kilometern am Begleiter vorbei. Hier ist die Raumzeit bereits extrem stark gekrümmt. Gemäß der Shapiro-Verzögerung verlängern sich dadurch die Laufzeiten der Pulsar-Radiosignale deutlich. So konnte der Effekt bis auf 0,03 % genau gemessen werden. Das ist eine der besten Bestätigungen der Allgemeinen Relativitätstheorie in starken Gravitationsfeldern.

PSR J0737−3039 wurde so zum besten kosmischen Testlabor für Messungen zur Allgemeinen Relativitätstheorie. In keinem anderen System konnten bislang mehr Effekte der Allgemeinen Relativitätstheorie beobachtet und exakt vermessen werden.

Im August 2017 rückten die kompakten Objekte wieder ganz in den Fokus der astrophysikalischen Forschung. Erstmals konnte zu diesem Zeitpunkt auch die Verschmelzung zweier Neutronensterne mit Hilfe von Gravitationswellensensoren nachgewiesen werden. Weitere Details zu dieser revolutionären Entdeckung finden sich im Abschnitt »Gammablitze und verschmelzende Neutronensterne«.

Neben Doppelneutronensternen sind auch Schwarze Löcher geeignete Kandidaten für Tests in extremen Gravitationsfeldern. Messungen an Schwarzen Löchern sind jedoch eher von indirekter Natur. Sie betreffen die Wirkungen ihrer außerordentlich starken Gravitationsfelder auf in der Nähe befindliche Sterne. Auch die Entstehung von sogenannten Akkretionsscheiben, die Ablenkung von Lichtstrahlen und die gravitative Zeitdilatation und Rotverschiebung kann bei Schwarzen Löchern untersucht werden. Akkretionsscheiben spielen in der Astrophysik eine große Rolle. Man versteht darunter eine um ein zentrales Objekt rotierende Scheibe, die Materie in Richtung des Zentrums transportiert. Die Scheibe kann aus atomarem Gas oder interstellarem Staub oder aus verschieden stark ionisiertem Gas, sogenanntem Plasma bestehen. Beobachtungen der Scheiben führen zu interessanten Schlussfolgerungen in Bezug auf relativistische Effekte. Im Kapitel »Zusammenstürzende Schwarze Löcher« finden sich weitere Informationen zu den Begleitern Schwarzer Löcher und deren Bedeutung für den Nachweis von Gravitationswellen.

Die Kosmologische Konstante als »größte Eselei«?

Prüfungen der Allgemeinen Relativitätstheorie im kosmischen Maßstab sind bei weitem nicht so aussagekräftig wie Messungen, die innerhalb des Sonnensystems durchgeführt wurden. Eine dieser kosmologischen Bestätigungen ist die Voraussage und Entdeckung der Expansion des Universums. Alexander Friedmann bemerkte im Jahre 1922, dass die Gleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie auf ein nicht-stationäres Universum hindeuten. Zwei Jahre später zeigte Georges Lemaître, dass das Universum nach den Gleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie entweder expandieren oder wieder in sich zusammenstürzen muss.

Aus diesem Grund führte Albert Einstein die »Kosmologische Konstante« in die Gleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie ein. Diese Modifikation der Feldgleichungen sollte ein statisches Universum ermöglichen. Als Edwin Hubble 1929 nachweisen konnte, dass sich das Universum tatsächlich ausdehnt, verwarf Einstein die Kosmologische Konstante wieder. Angeblich bezeichnete er sie später »als größte Eselei meines Lebens«. Die Vorhersage eines expandierenden Universums gilt seitdem als eine der großen Bestätigungen der Allgemeinen Relativitätstheorie in kosmischen Dimensionen.

Neue Erkenntnisse aus der Astrophysik zeigen sogar, dass das Universum nicht nur expandiert, sondern dass sich seine Ausdehnung weiter beschleunigt. Diese Zunahme der Expansionsgeschwindigkeit könnte schon seit mehreren Milliarden Jahren andauern. Seit einiger Zeit stehen die Kosmologen und Astrophysiker daher vor ernsthaften Erklärungsschwierigkeiten. Im Allgemeinen wird für die mysteriöse Expansionsbeschleunigung eine sogenannte »Dunkle Energie« verantwortlich gemacht. Diese soll bis zu 68 % der Gesamtenergie bzw. Gesamtmasse des Universums ausmachen.

Entsprechend der Theorie soll die Dunkle Energie der Gravitationskraft der Materie entgegen wirken. Ein schwerkraftbedingtes Zusammenstürzen des Universums wird so unmöglich. Bislang konnten allerdings keine konkreten oder direkten Nachweise für die Dunkle Energie gefunden werden. Alternative Theorien stellen die Existenz der Dunklen Energie in Frage. Vielmehr wird spekuliert, dass ominöse Raumzeitwellen oder ein »Inflaton«-Feld die beschleunigte Expansion des Universums verursachen.

Mittlerweile ziehen einige Wissenschaftler die Kosmologische Konstante als Erklärung für die Dunkle Energie in Betracht. Denn einzelne Beobachtungen lassen den Schluss zu, dass sich die Dunkle Energie exakt so verhält, wie es die Allgemeinen Feldgleichungen einschließlich der Kosmologischen Konstante fordern. Allerdings sind noch viele weitere Untersuchungen notwendig, um zu klären, ob die Dunkle Energie tatsächlich mit Einsteins Kosmologischer Konstante zusammenhängt. Bislang hat es durchaus den Anschein, dass die meisten astrophysikalischen Beobachtungsergebnisse mit Einsteins »größter Eselei« vereinbar sind.

Eventuell verbirgt sich hinter der Kosmologischen Konstante auch die sogenannte Vakuumenergie des Universums. Allerdings gibt es bei dieser Interpretation noch erhebliche Probleme. Erste Abschätzungen zu dieser Hypothese führten zu den größten Unstimmigkeiten in der Physik überhaupt. Weitere Details dazu finden sich im Kapitel »Die großen Unbekannten im Kosmos: Dunkle Materie und Dunkle Energie«.

Schwarze Löcher und andere relativistische Objekte

Eine weitere Vorhersage der Allgemeinen Relativitätstheorie ist die Existenz sogenannter Schwarzer Löcher. Diese Objekte haben ein so starkes Gravitationsfeld, dass sie sogar Licht einfangen können: Kommt Licht dem Schwarzen Loch zu nahe, kann es dessen Schwerkraftfeld nicht wieder verlassen. Obwohl solche Schwarzen Löcher auch in der klassischen Physik denkbar sind, können sie erst im Rahmen der Allgemeinen Relativitätstheorie wirklich verstanden werden. Gemäß den Allgemeinen Feldgleichungen verformt eine ausreichend kompakte Masse die Raumzeit so stark, dass ein Schwarzes Loch entstehen kann.