BUCERIUS LAW SCHOOL PRESS
Das Jahrbuch des Instituts für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen
Schriftleitung
Dr. Emily Plate-Godeffroy
Julia Theele
Verlag:
Bucerius Law School Press, Jungiusstr. 6, 20355 Hamburg
Herausgeber:
Prof. Dr. Rainer Hüttemann, Prof. Dr. Peter Rawert, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Karsten
Schmidt, Prof. Dr. Birgit Weitemeyer
1. Auflage 2013
Herstellung und Auslieferung:
tredition GmbH, Hamburg
ISBN: 978-3-86381-028-3
Printed in Germany
Alle Rechte vorbehalten.
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Das Institut für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen der Bucerius
Law School, Hamburg, wird gefördert durch
Das diesjährige Non Profit Law Yearbook 2012/2013 widmet sich im Schwerpunkt − zehn Jahre nach ihrem Inkrafttreten am 1. September 2002 − der Bewertung der Reform des Bundesstiftungsrechts im BGB und bezieht dabei die nachfolgenden Anpassungen an das Bundesrecht in den Landesstiftungsgesetzen ein. Seinem Anspruch entsprechend, neben den Entwicklungen im deutschen Stiftungs- und Non-Profit-Recht zuverlässig über ausländische Rechtsordnungen zu unterrichten, enthält es ferner mehrere Beiträge über das Stiftungs-, Non-Profit- und Gemeinnützigkeitsrecht aus Österreich, der Schweiz und Italien.
Den Auftakt macht ein Beitrag zur „Governance und Management von Förderstiftungen in Deutschland und in der Schweiz“ von Georg von Schnurbein. Der Autor untersucht die in beiden Ländern – geringen – gesetzlichen Anforderungen an eine Foundation Governance und stellt die Empfehlungen im Swiss Foundation Code den Grundsätzen guter Stiftungspraxis des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen e.V. gegenüber. Im Ergebnis sieht er sinnvolle Governance Strukturen als unabdingbar für eine gelungene Arbeit von Förderstiftungen an.
Das Gesetz zur Modernisierung des Stiftungsrechts vom 15. Juli 2002 hat die Voraussetzungen für die Errichtung einer Stiftung Bürgerlichen Rechts abschließend im BGB geregelt und das Nebeneinander von bundes- und landesrechtlichen Vorgaben beseitigt. Obwohl bereits der 44. Deutsche Juristentag des Jahres 1962 die Frage aufgeworfen hatte, ob das Stiftungsrecht bundesgesetzlich vereinheitlicht und reformiert werden soll, sollte es bis zur Reform noch 40 Jahre dauern. Vor dem Hintergrund, dass sich die tatsächliche Lage und die Bedürfnisse von Stiftern und Stiftungen seit den Reformüberlegungen verändert haben, stellt sich die Frage, ob erneute Anpassungen notwendig sind, damit das Stiftungsrecht im 21. Jahrhundert „ankommt“. Hierzu hat das Institut für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen am 25. und 26. September 2012 eine Tagung ausgerichtet, deren Erträge in diesem Band abgedruckt sind.
So zeigt Birgit Weitemeyer in ihrem Beitrag „Zehn Jahre Reform des Bundesstiftungsrechts und Anpassung der Landesstiftungsgesetze. Weiterer Reformbedarf zur Anpassung des Stiftungsrechts an moderne Entwicklungen?“ einleitend die wesentlichen Änderungen der Stiftungsrechtsreform und das durch aktuelle Änderungen im Umfeld von Stiftern und Stiftungen bedingte Tableau möglicher und breit diskutierter erneuter Reformschritte auf. Das geschieht auch unter Berücksichtigung eines derzeit diskutierten rechtspolitischen Vorschlags der Freien und Hansestadt Hamburg.
Dieter Reuter arbeitet heraus, ob und wie „Die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks“ heute noch gesetzlich und behördlich gewährleistet werden muss oder ob dem Stifter ein größerer Beurteilungsspielraum im Hinblick auf die Erfüllung des Stiftungszwecks zukommen soll, wenn er meint, diesen besser durch eine zeitlich begrenzte Stiftung oder Verbrauchsstiftung erfüllen zu können.
Ob dem noch lebenden Stifter künftig erweiterte Möglichkeiten zur Änderung der Satzung oder des Zwecks „ihrer“ Stiftung zukommen sollen, untersucht Peter Rawert unter dem Titel „Öffnung der Stiftung für körperschaftliche Strukturen? – Der noch lebende Stifter und die Verfassung „seiner“ Stiftung“.
Auch die von Arnd Arnold bearbeitete Fragestellung: „Auf den Weg zu einer besseren Foundation Governance. Organstruktur, Vergütung, Destinatärsrechte“ dreht sich um die Verbesserung der Strukturen innerhalb von Stiftungen. Arnold befürwortet gesetzliche Regelungen wegen der Vielgestaltigkeit von Stiftungen nur im engen Rahmen. Freiwillige Kodices hält er aber − ebenso wie von Schnurbein − für sinnvoll.
Der Verbesserung der Stiftungsarbeit dienen soll schließlich auch eine größere Transparenz im Stiftungswesen. Die Frage „Transparenz und Rechnungslegung bei Stiftungen – Brauchen wir mehr Publizität und ein Bilanzrecht für Stiftungen?“ beantwortet Rainer Hüttemann differenziert mit dem Ergebnis, dass für alle Stiftungen ein öffentliches Register mit negativer Publizität geschaffen werden müsse und größere Stiftungen von Gesetzes wegen anzuhalten seien, eine einheitliche Rechnungslegung vorzunehmen. Diese soll verpflichtend geprüft werden.
Zum Vereinsrecht enthält das Jahrbuch einen Beitrag von Lars Leuschner, der im vergangenen Jahr für seine 2011 erschienene Habilitationsschrift „Das Konzernrecht des Vereins“ mit dem W. Rainer Walz-Preis ausgezeichnet worden ist. Leuschner untersucht in diesem Band unter dem Titel „Holzmüller im Verein? Zur Vorlagepflicht des Vereinsvorstandes bei gruppenspezifischen Maßnahmen“, ob und wann die Mitgliederversammlung über gewichtige Fragen des Vereinslebens zu entscheiden hat und wie die Kompetenzen der Mitgliederversammlung von der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands abzugrenzen sind.
Den steuerrechtlichen Teil des Non Profit Law Yearbook leitet Andreas Musil ein. Unter der Überschrift „Steuerliche Fragen der Gesundheitsreform. Gestaltungsoptionen und Reformperspektiven“ legt Musil dar, wie die Zunahme wirtschaftlicher Betätigung im gemeinnützigen Krankenhaussektor in Form von Holdingstrukturen, durch Outsourcing und durch die politisch forcierte Gründung von Medizinischen Versorgungszentren an die Grenzen des geltenden Gemeinnützigkeitsrechts stößt.
Ob der im März 2010 neu verabschiedete Rechnungslegungsstandard für Spenden sammelnde Organisationen eine sinnvolle Neuregelung darstellt, stellt Manfred Lehmann unter der Überschrift „Spendenbilanzierung nach IDW-Standard RS HFA 21 – Zwischen Anspruch und Wirklichkeit“ zur Diskussion und distanziert sich kritisch von den Zielen der Standard-Setzer, deren Intention es ist, mit dem Standard den betroffenen Organisationen ebenso wie den Spendern fundiertere Informationen bereit zu stellen.
Schließlich stellt Ingo Graffe das Gesetz zur Stärkung des Ehrenamtes vom 21.3.2013 vor, das zahlreiche Änderungen im Gemeinnützigkeitssteuerrecht gebracht hat, und unterzieht die Neuregelung einer ersten Einschätzung aus der Sicht der Finanzverwaltung.
Im internationalen Teil des Bandes untersucht Thomas Koller „Die Steuerbefreiung wegen Gemeinnützigkeit in der neueren Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts“ und nimmt einige aktuelle und auch zum deutschen Gemeinnützigkeitsrecht Parallelen aufweisende höchstrichterliche Entscheidungen zum Ausgangspunkt, in denen es um die Reichweite der Steuerbefreiung für religiöse Vereinigungen geht.
Zunehmend problematisch gesehen wird das Fehlen von speziellen Regelungen zum Internationalen Privatrecht für Stiftungen. Matthias Uhl entwickelt vor dem Hintergrund der „Europarechtlichen Gründungstheorie“ im Gesellschaftsrecht die These, dass für die aufsichtsbedürftige Rechtsform der Stiftung die Zulässigkeit eines freien Zuzugs innerhalb Europas unpassend und auch im Entwurf einer Verordnung über eine Europäische Stiftung die internationale Stiftungsaufsicht noch nicht hinreichend gelöst ist.
Im Abschnitt „Länderberichte“ präsentieren Nils Krause und Florian Haase in ihrem Report „Aus Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltungsanweisungen zum Dritten Sektor im Jahr 2012 in Deutschland“ eine breite Auswahl der wichtigsten Entwicklungen. Francesco A. Schurr hat es übernommen, dem deutschen Leser „Die Stiftung und das System des Gemeinnützigkeitsrecht in Italien“ zu erläutern. Den Länderreport zum Schweizer Vereins- und Stiftungsrecht des Jahres 2012 haben Dominique Jakob und Matthias Uhl verfasst, den Bericht über die Entwicklung des Vereins- und Stiftungsrechts im Jahr 2012 in Österreich erstellten Susanne Kalss und Johannes Zollner.
Für die wertvolle Mitarbeit an dem diesjährigen Non Profit Law Yearbook haben die Herausgeber erneut allen Autoren sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Instituts für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen der Bucerius Law School in Hamburg zu danken: für die Schriftleitung Frau Dr. Emily Plate-Godeffroy und Frau Julia Theele, für die Erstellung der Bibliographie des Jahres 2012 zum Non-Profit-Recht Frau Janne Seelig und Herrn Florian Kamp, für die Erstellung des Schlagwortverzeichnisses Herrn Tim Maciejewski sowie für die Übersetzung einiger der Summaries und des Vorworts Frau Rosalind Kessler.
Hamburg, im August 2013
Rainer Hüttemann, Peter Rawert, Karsten Schmidt, Birgit Weitemeyer
This year’s Non Profit Law Yearbook 2012/2013 focuses on assessing the reform of German federal foundation law in the German Civil Code (BGB) ten years after it entered into force on 1 September 2002 in so doing it also incorporates the subsequent adjustments to the foundation law of the Länder in line with federal law. In accordance with its aim to not only report on developments in German foundation and non profit law but to also reliably provide information on foreign legal systems, it further contains several contributions on foundation, non-profit and charity law in Austria, Switzerland and Italy.
The first article is a contribution on “Governance and Management of Sponsoring Foundations (Förderstiftungen) in Germany and Switzerland” by Georg von Schnurbein. The author investigates the low statutory requirements for foundation governance in both countries and compares the recommendations of the Swiss Foundation Code with the principles of good foundation practice of the German foundation association, the Bundesverband Deutscher Stiftungen e.V. Overall he considers meaningful governance structures to be indispensible for the successful work of sponsoring foundations.
The law to modernise foundation law of 15 July 2002 conclusively regulated the requirements for the formation of a civil law foundation (Stiftung Bürgerlichen Rechts) in the BGB, thus eliminating the coexistence of stipulations by both the federation and the Länder. Although the 44th meeting of the German Association of Jurists had raised the question as to whether foundation law should be standardised and reformed in German federal law in 1962 already, it was to take another 40 years before the reform was introduced. Against the background of the fact that the actual situation and requirements of founders and foundations have changed since the reform considerations were made, the question arises as to whether adjustments are again necessary to enable foundation law to “arrive” in the 21st century. The Institute for Foundation Law and the Law of Non-Profit Organizations held a conference on this subject on 25 and 26 September 2012 and the outcome is published in this volume.
In her contribution: “Ten years of reform of German federal foundation law and adjustments in the foundation laws of the Länder. Is there a need for further reform to adjust foundation law in line with modern developments?” Birgit Weitemeyer shows by way of introduction the major changes of the reform to foundation law and the tableau of possible and widely-discussed steps for new reform in consequence of the current changes in the environment of founders and foundations. This also takes a legal policy proposal made by the Free and Hanseatic City of Hamburg into account which is currently under discussion.
Dieter Reuter elaborates whether and how the “Long-term and sustained achievement of the object of the foundation” still has to be guaranteed by law and governmental authorities today or whether the founder should be given greater latitude for assessment with regard to achieving the object of the foundation, if he considers that this could be better achieved by a foundation limited in time or an endowment foundation (Verbrauchsstiftung).
The question of whether in future a founder should have extended possibilities for changing the statutes or the object of “his” foundation during his lifetime is examined by Peter Rawert under the title “Opening up the foundation for corporate structures? – A founder during his lifetime and the constitution of “his” foundation”.
And the issue dealt with by Arnd Arnold “The path towards better foundation governance. Organisational structure. Remuneration. Rights of beneficiaries” also addresses an improvement to the structures of foundations. Due to the diversity of foundations, Arnold is in favour of having statutory regulations only within narrow constraints. However he – and also von Schnurbein – considers voluntary codices to be meaningful.
It is also ultimately intended for greater transparency in foundations to serve towards improving the work of foundations. The question of “Transparency and accounting in foundations – Do we need more disclosure and an accounting law for foundations?” is answered by Rainer Hüttemann in a differentiated manner, drawing the conclusion that a public register with negative reliance should be established for all foundations and that it should be a statutory requirement for larger foundations to have a uniform accounting system with mandatory auditing.
This Yearbook contains a contribution on the law governing associations by Lars Leuschner who was awarded the W. Rainer Walz Prize last year for his habilitation thesis which appeared in 2011, “The group law of the association”. In this volume, in his article entitled “Does the Holzmüller doctrine apply to associations? The presentation duty of the management board of the association in the case of group-specific actions”, Leuschner examines whether and if so when the meeting of members has to decide on important questions of association life and how the competences of the meeting of members have to be delimited from the managerial authority of the management board.
The tax law section of the Non Profit Law Yearbook is introduced by Andreas Musil. In his contribution with the title: “Tax questions relating to the health care reform. Structuring options and perspectives for reform” Musil shows how the increase in economic activity in the non-profit hospital sector – in the form of holding structures, by means of outsourcing and through the politically-driven establishment of medical care centres – means that this sector is reaching the limits of applicable non-profit law.
Whether the accounting standard for organisations collecting donations adopted in March 2010 constitutes a meaningful new ruling or not is the question raised for discussion by Manfred Lehmann under the title “Donations accounting in accordance with the IDW (Institute of Public Auditors in Germany) accounting standard RS HFA 21 – Between aspiration and reality” and he takes a critical distance from the aims of the standard-setters whose intention with the standard is to provide both the organisations affected and contributors alike with in-depth information.
Finally Ingo Graffe presents the German Act to strengthen voluntary work of 21.3.2013 which introduced numerous changes to non-profit tax law and he makes an initial assessment of the new regulation from the point of view of the tax authority.
In the international section of the book, Thomas Koller examines “Tax exemption for non-profit status in recent case law of the Swiss Federal Supreme Court” on the basis of some current Supreme Court rulings – which also have parallels with German non-profit law – on the scope of tax exemption for religious associations.
The absence of special regulations on private international law for foundations is increasingly considered to be problematical. Against the background of the “European law incorporation theory” of company law, Matthias Uhl evolves the thesis that with respect to the legal form of a foundation requiring supervision, the admissibility of free movement within Europe has been inappropriately solved and that international foundation supervision has not yet been adequately resolved in the Draft Regulation on a European Foundation either.
In the “Country Reports” section, Nils Krause and Florian Haase present a broad selection of the most important developments in their report “Legislation, judicial rulings and administrative instructions on the third sector in Germany in 2012”. Francesco A. Schurr took on the task of explaining “The foundation and the system of non-profit law in Italy” to the German reader. Dominque Jakob and Matthias Uhl compiled the country report on Swiss association and foundation law in 2012 and Susanne Kalss and Johannes Zollner wrote the report on the development of association and foundation law in Austria in 2012.
The editors again wish to thank all the authors and the co-workers at the Institute for Foundation Law and the Law of Non-Profit Organizations of the Bucerius Law School in Hamburg for their valuable collaboration on this Non Profit Law Yearbook. Our thanks go to Dr. Emily Plate-Godeffroy and Mrs. Julia Theele for editorial direction, to Mrs. Janne Seelig and Mr. Florian Kamp for preparing the 2012 bibliography on non-profit law, to Mr. Tim Maciejewski for compiling the index and to Mrs. Rosalind Kessler for translating some of the summaries and this Foreword.
Hamburg, August 2013
Rainer Hüttemann, Peter Rawert, Karsten Schmidt, Birgit Weitemeyer
I. Warum Governance für Stiftungen?
1. Governance aus gesellschaftlicher Perspektive
2. Governance aus ökonomischer Perspektive
3. Rechtliche Bestimmungen zur Foundation Governance in Deutschland und der Schweiz
II. Management in Stiftungen: Wertorientierung und Wertschöpfung
1. Wertorientierung
2. Wertschöpfung
3. Governance als Scharnierfunktion
III. Foundation Governance
1. Grundprinzipien der Foundation Governance
2. Governance-Kodizes in Deutschland und der Schweiz
IV. Zusammenfassung
V. Summary
Auch wenn Stiftungen grundsätzlich langfristig und unveränderlich bestehen sollen, unterliegt ihre Führung und Gestaltung dem Zeitgeist und seinen Modeerscheinungen. Jedoch muss nicht jede neue Gestaltungsform auch zwingend sinnvoll sein. Es ist daher berechtigt, zu Beginn dieses Beitrags kritisch zu hinterfragen, weshalb Governance für Stiftungen von Bedeutung ist und weshalb es einer spezifischen Betrachtung von Foundation Governance bedarf, in Abgrenzung bzw. Abwandlung zur Corporate Governance von Unternehmen.
Anschließend wird zunächst ein Management-Verständnis von Förderstiftungen1 präsentiert, das zwischen Wertorientierung und Wertschöpfung unterscheidet. Governance stellt dabei eine wichtige Scharnierfunktion zwischen den beiden Bereichen dar. Darauf aufbauend werden die Grundprinzipien der Foundation Governance vorgestellt und schließlich unterschiedliche Governance-Kodizes für Förderstiftungen in Deutschland und der Schweiz verglichen. Die Ausführungen dieses Beitrags machen deutlich, dass Governance in Förderstiftungen sowohl aus rechtlicher wie aus betriebswirtschaftlicher Perspektive von großer Bedeutung ist und sowohl in Deutschland wie auch in der Schweiz der Stiftungssektor gute Voraussetzungen für eine wirkungsvolle Umsetzung von Foundation Governance geschaffen hat.
Aus gesellschaftlicher Perspektive gibt es zwei wesentliche Gründe, die eine Auseinandersetzung mit Governance in Förderstiftungen rechtfertigen. Dies sind zum einen Veränderungen in der Gesellschaft selbst und zum anderen das starke Wachstum des Stiftungssektors in den vergangenen zwei Jahrzehnten.
Nicht nur Stiftungen, sondern Nonprofit-Organisationen (NPO) im Allgemeinen spüren heute deutlich stärker den Druck der Öffentlichkeit. Die Legitimation von NPO wird oftmals nicht mehr für grundsätzlich gegeben erachtet, sondern objektiv moralisch überprüft.2 Dies hängt einerseits mit einer zunehmenden Distanz zwischen Bürgern und NPO zusammen, da insbesondere die großen NPO (Kirchen, Parteien, Gewerkschaften) stetig an Mitgliedern verlieren.3 Andererseits entwickelt sich generell ein Vertrauensverlust in organisatorische Strukturen, der zu einem wachsenden Bedarf an Kontrolle und Verantwortlichkeit führt. Dieser „Audit Society“ müssen auch die Stiftungen gerecht werden.4 In einer demokratisierten Gesellschaft erscheint die Stiftung daher wie ein Anachronismus, dessen Legitimation aufgrund der fehlenden demokratischen Fundierung in Frage gestellt wird.5
Gleichzeitig werden Stiftungen aber als ein Indikator einer stabilen demokratischen Gesellschaft verstanden, da Stiftungsgründungen bürgerschaftliches Engagement und Vertrauen in die gesellschaftliche Stabilität voraussetzen. Schließlich sind gerade im Zeitraum seit der deutschen Wiedervereinigung 70% der bestehenden rechtsfähigen gemeinnützigen Stiftungen in Deutschland gegründet worden.6 Auch in anderen Ländern hat sich der Stiftungssektor in den vergangenen zwei Jahrzehnten überdurchschnittlich entwickelt. So sind in der Schweiz 57% der gemeinnützigen Stiftungen nach 1990 entstanden,7 in den USA sind im gleichen Zeitraum ca. 43.000 neue Stiftungen geschaffen worden, was ebenfalls 57% der existierenden Stiftungen entspricht.8
Durch dieses enorme Wachstum ist der Stiftungssektor stärker ins Blickfeld von Politik, Medien und Öffentlichkeit gerückt. Rechtsreformen in vielen europäischen Ländern haben die Stiftungsgründung erleichtert und steuerlich attraktiver gemacht,9 in der Presse wird häufiger über Skandale, vermögende Stiftungen und Stifterpersönlichkeiten berichtet und die Stiftungen selbst schließlich treten verstärkt mit ihren Aktivitäten und Ergebnissen an die Öffentlichkeit.
Aus ökonomischer Perspektive kann Governance knapp als Globalsteuerung eines Unternehmens oder einer Organisation verstanden werden.10 Obwohl der Begriff „Governance“ in der ökonomischen Literatur erst seit Anfang der 1990er Jahre verwendet wird, haben die darunter subsumierten Themen eine weitaus längere Tradition. Insbesondere die Problematik der Trennung von Eigentum und Kontrolle in Publikumsgesellschaften wurde schon früh erkannt.11 Auf den Grundlagen der neuen Institutionenökonomik wurde zur Lösung dieser Problematik die Prinzipal-Agenten Theorie entwickelt, die bis heute maßgeblich die ökonomische Forschung zu Governance beeinflusst. Gemäß dieser Theorie sind beide, Prinzipal (Eigentümer) und Agent (Manager), Nutzenmaximierer. Die Interessen des Agenten stimmen aufgrund unvollständiger Verträge12 aber nicht immer mit denen des Prinzipals überein.13 Dadurch kommt es zu ineffizienten Handlungen des Agenten und zu Kontrollmaßnahmen durch den Prinzipal, der aufgrund des Grundsatzes der beschränkten Rationalität (bounded rationality)14 den Agenten nicht vollständig überwachen kann. Dies führt zu einer asymmetrischen Informationsverteilung, bei der der Prinzipal die Aktivität des Agenten nicht kontrollieren kann (hidden action) oder der Agent dem Prinzipal Informationen vorenthält (hidden information).
Die Übertragung der Prinzipal-Agenten Theorie auf NPO fällt insofern schwer, als die Frage der Eigentümer nicht eindeutig geklärt werden kann.15 Vielmehr gibt es viele „Eigentümer“ mit unterschiedlichen Interessen, die durch den Vorstand definiert und wahrgenommen werden müssen.16 Der Vorstand muss sicherstellen, dass das Management im Sinne dieser Interessen agiert. In NPO handelt es sich deshalb weniger um eine Trennung von Eigentum und Kontrolle, sondern vielmehr um eine Trennung von Aufsicht (Ratifikation) und Umsetzung (Implementierung) von Entscheidungen.17
Aus rechtlicher Perspektive beschreibt Foundation Governance die Bestrebungen, „dass die Stiftung und ihre Beteiligten durch ein angemessenes Organisationsgefüge kontrolliert und vor Fehlverhalten geschützt werden sollen, sei es gesetzlicher oder gestalterischer Art.“18 In beiden Ländern kann dabei in Bezug auf die gesetzlichen Grundlagen der Foundation Governance von einer Regelungslücke gesprochen werden.19 In vielen Aspekten gilt für beide Länder daher, dass die Regelungen in der Satzung bzw. Urkunde der einzelnen Stiftung die rechtliche Schranke für die Funktionsweise und Organisation der Stiftung darstellen.20 Tabelle 1 bietet eine Übersicht zum Rechtsvergleich zu wesentlichen Governance-Aspekten.21 Zur Gründung einer Stiftung bedarf es in Deutschland der Anerkennung durch die zuständige Behörde des Landes (§ 80 Abs. 1 BGB), während in der Schweiz lediglich eine Registrierung erforderlich ist (Art. 52 ZGB). Dies vereinfacht die Stiftungsgründung in der Schweiz, jedoch wirken sich die unterschiedlichen Vorgehensweisen kaum auf die Demographie der Stiftungssektoren in beiden Ländern aus, da beide ähnlich heterogen und von kleinen Stiftungen dominiert sind. In beiden Ländern wird lediglich ein Führungsorgan zwingend vorgeschrieben. Die Gesetzesänderungen der letzten Jahre in der Schweiz haben dem jedoch noch eine obligatorische Revisionsstelle sowie die Eintragungspflicht für alle Stiftungsratsmitglieder in das Handelsregister hinzugefügt. Die Bestimmungen zum Stiftungsvermögen, dessen Erhalt sowie dessen Verwendung sind zwar in Deutschland strenger geregelt als in der Schweiz, die Vorgaben lassen aber dennoch einen hinreichenden Gestaltungsfreiraum, was sich in der Vielfalt der Stiftungen in beiden Ländern wiederspiegelt. So war die zunehmend aufkommende Form der Verbrauchsstiftung in der Schweiz im bestehenden Rechtsrahmen möglich, während in Deutschland aufgrund des Vermögenserhaltungsgebots größere Umsetzungsschwierigkeiten bestanden.22
Hinsichtlich der Rechnungslegung sind die Rechtsgrundlagen in der Schweiz weiter entwickelt als in Deutschland.23 Zusätzlich zu den gesetzlichen Vorgaben besteht bereits seit 2003 in der Schweiz mit den Fachempfehlungen zur Rechnungslegung 21 (Swiss GAAP FER) ein Rechnungslegungsstandard spezifisch für NPO.24 Dieser ist zwar nicht gesetzlich vorgeschrieben, findet jedoch gestützt durch Zertifizierungsstellen und öffentliche Subventionsgeber verbreitete Anwendung.25 Bei der Gestaltung der Aufsicht besteht in beiden Ländern ein vergleichbares System externer, staatlicher Aufsichtsbehörden, die eine formal-juristische Aufsicht übernehmen und föderalistisch organisiert sind. Die Interessen und Rechte der Destinatäre von Stiftungen werden in beiden Rechtssystemen nicht spezifisch geregelt.
Bei Rechtsvergleichen zum Stiftungsrecht wird der Schwerpunkt oftmals auf die steuerrechtlichen Differenzen gelegt, jedoch tragen auch die zivilrechtlichen Unterschiede maßgeblich zur Attraktivität eines Stiftungsstandortes bei.26
Deutschland | Schweiz | |
Gründung | Konzessionssystem Staatliche Anerkennung als Voraussetzung (§ 80 Abs. 1 BGB) Zivilrechtlich: Zweckfreiheit im Rahmen der Rechtsordnung; steuerrechtlich: §§ 51 ff. AO für steuerbegünstigte Stiftungen | Registrierungssystem Freie Zweckwahl |
Führung | Organe der Stiftung: Vorstand (§ 81 Abs. 1 Ziff. 5 BGB) | Organe der Stiftung: Stiftungsrat , Revisionsstelle (Art. 83b Abs. 1) Mitglieder des Stiftungsrates im Handelsregister eingetragen mit Zeichnungsberechtigung (Art. 94 HregV ff.) |
Finanzen | Mindestvermögen nicht gesetzlich geregelt Vermögenserhalt gesetzlich geregelt (Länderebene) Zeitnahe Mittelverwendung (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 AO) | Mindestvermögen nicht gesetzlich geregelt Vermögenserhalt nicht gesetzlich geregelt Keine Mindestausschüttung, jedoch Thesaurierungsverbot (Kreisschreiben Nr. 12 Ziff. II 2 d) |
Rechnungslegung27 | Pflicht zu Einnahmen-Ausgaben-Rechnung inkl. Vermögensübersicht Kaufmännisch eingerichtetes Rechnungswesen nur bei Gewerbebetrieb von Stiftungen mit HR-Eintragung Wirtschaftsprüfung/ Revision bei Stiftungen mit Gewerbebetrieb (65/130/5000) Externe Publizitätspflicht bei Stiftungen mit Gewerbebetrieb (65/130/5000) | Pflicht zu kaufmännisch eingerichtetem Rechnungswesen Pflicht zu externer Revisionsstelle (20/40/250), darunter eingeschränkte Revision, Befreiung bei Bilanzsumme von < 150‘000 CHF und keinen öffentlichen Spendenaufrufen Externe Publizitätspflicht bei Stiftungen mit Gewerbebetrieb, Pflicht auf Anfrage und schutzwürdigem Interesse |
Externe Aufsicht | Kontrolle durch externe Aufsichtsbehörde (im Landesrecht geregelt) formal-juristische Aufsicht | Kontrolle durch Aufsichtsbehörde (Art. 84 Abs. 1 ZGB) formal-juristische Aufsicht |
Destinatärsrechte | Nicht gesetzlich geregelt | Nicht gesetzlich geregelt |
Tabelle 1:Rechtliche Regelungen zur Foundation Governance in Deutschland und der Schweiz28
Der Begriff „Management“ leitet sich über das französische „aménagement“ (Einrichtung, Ausstattung) vom dem lateinischen Wort „mansio“ für Wohnung oder Haus ab. Übertragen bedeutet Management also, etwas auszugestalten – oder bildlich gesprochen: mit Leben zu füllen. Wie jede andere Organisation auch muss eine Stiftung geführt, geleitet oder gesteuert werden: Der Vorstand trifft sich zu Sitzungen, Gesuche werden begutachtet und ausgewählt. Das Stiftungsvermögen wird verwaltet und außerdem ein Jahresbericht für die Aufsichtsbehörde verfasst. In einigen Stiftungen gibt es hauptamtliche Mitarbeitende, für die die Stiftung ein Arbeitsplatz ist. Von außen werden Erwartungshaltungen an die Stiftung herangetragen.
Man könnte nun jeden der genannten Punkte einzeln angehen und gesondert nach Lösungen suchen. In vielen Stiftungen wird bis heute so gearbeitet. Ein kohärentes und systematisches Management für Stiftungen existiert nur selten. Häufig scheitern auch Versuche, eine Stiftung einfach als Unternehmen zu verstehen und entsprechend zu führen. Und scheitern bedeutet hier nicht unbedingt, ökonomisch zu scheitern. Eine Stiftung kann finanziell und organisatorisch bestens aufgestellt sein und trotzdem scheitern. Denn wie bei anderen Nonprofit-Organisationen auch reicht der ökonomische Erfolg bei einer Stiftung nicht aus, da das oberste Ziel der Stiftung ein Sachzweck ist. Es kann sich dabei um Entwicklungshilfe in der Sahel-Zone, um die Unterstützung von Theatergruppen, um Forschungsförderung oder um Kinderschutz handeln. Das oberste Ziel der Stiftung ist, einen wirksamen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten, der mit ihrem Stiftungszweck übereinstimmt. Dieser Umstand macht die Komplexität von Stiftungsmanagement im Unterschied zum klassischen Management aus.29 Konzeptionell lässt sich das Stiftungsmanagement in zwei wesentliche Bereiche differenzieren, die sich aus der Sachzielorientierung der Stiftung ableiten.
Das Raison d’être einer Stiftung ist ihr Stiftungszweck, den es zu erfüllen gilt. Wird er erfüllt oder obsolet, dann bedeutet dies aus rechtlicher Sicht auch das Ende der Stiftung.30 Dieses oberste Sachziel wiederum basiert implizit oder explizit auf einem Wertesystem (z.B. der Stifterperson), an dem die Zweckerreichung orientiert sein soll. Die Wertorientie-rung spielt daher im Stiftungsmanagement eine größere Rolle als im klassischen Management, das primär auf Gewinnerzielung ausgerichtet ist. Aus der Werteorientierung werden Ziele für die Stiftungsaktivitäten abgeleitet. Durch Managementprozesse werden die notwendigen Maßnahmen ergriffen, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Anschließend wird die Effektivität des Prozesses in einem Vergleich der tatsächlich erreichten Leistung mit den gesetzten Zielen (Soll/Ist-Vergleich) überprüft. Sollte im Vergleich das Ist-Ergebnis hinter den Zielen zurückbleiben, müssen der Prozess auf Verbesserungspotenziale geprüft oder die Ziele neu verhandelt werden.31
Wie lässt sich nun die Wertorientierung auf die eigentlichen Tätigkeiten der Stiftung übertragen? Hierzu hilft es, sich zu vergegenwärtigen, dass Stiftungen in aller Regel Dienstleistungen erbringen. Die Produktivität von Förderstiftungen umfasst Auswahl- und Evaluationsprozesse von Gesuchen und Projekten, Koordination von Projekten und Projektpartner, Konzeptionierung und Umsetzung von Förderprogrammen, Finanzierung von Ausstellungen, Wettbewerben u.ä. sowie Durchführung eigener Projekte. Sachgüter fallen allenfalls als Nebenprodukte der eigentlichen Stiftungstätigkeit an, z.B. ein Ausstellungskatalog. Wenn man die Stiftungsaktivitäten als Dienstleistungen versteht, dann hat dies Konsequenzen für das Stiftungsmanagement. Wie bei den Eigenschaften von Dienstleistungen aufgezeigt worden ist, werden Dienstleistungen selten in einem linearen Produktionsprozess erstellt. Stattdessen lassen sich drei Leistungsdimensionen festhalten, die bei der Erstellung der Dienstleistung durchlaufen werden:32
- Leistungspotenzial: Der Anbieter muss ein Potenzial an Vorleistungen, Ressourcen- und Verbrauchsfaktoren bereithalten, das vor Inanspruchnahme der Dienstleistung erstellt wird. Dies umfasst insbesondere die Finanz-, Personal- und Sachressourcen. Es kann sich aber auch um vorgefertigte Teilprodukte, die Gewährleistung von passenden Rahmenbedingungen oder um bestimmte Fertigkeiten und Kenntnisse handeln.
- Leistungserstellungsprozess: Das Leistungspotenzial wird aktiviert und in einem Kombinationsprozess werden interne und externe Produktionsfaktoren zur Dienstleistung vereint. Das Management ist hierbei nicht nur gefordert, einen effizienten Ablauf der Leistungserstellung zu organisieren, sondern auch eine gleichzeitige Qualitätskontrolle zu gewährleisten.
- Leistungsergebnis: Das Resultat der Dienstleistung soll einen Nutzen für den Empfänger stiften. Für die zukünftige Arbeit ist es vor allem wichtig, nach der Leistungserstellung eine Ergebnisbewertung vorzunehmen, um dadurch Verbesserungen an der Dienstleistung oder am Produktionsprozess vornehmen zu können.
Die Herausforderung im Dienstleistungsmanagement besteht nun darin, diese drei Leistungsbereiche effizient und effektiv aufeinander abzustimmen. Nachdem wir zuvor die Wertorientierung der Stiftung als besonderes Merkmal und wichtigen Grundsatz für das Stiftungsmanagement bezeichnet haben, liegt es nahe, die Zielsetzung von Stiftungsarbeit mit der anvisierten Wertschöpfung gleichzusetzen. Dabei ist Wertschöpfung nicht primär als ökonomisch zu verstehen ist, sondern umfasst soziale, humanitäre, kulturelle oder ökologische Werte Die erfolgreiche Umsetzung der Wertorientierung führt unweigerlich zu einer Wertschöpfung im Sinne des Stiftungszwecks.