Max Monroe
The Doctor Is In! 2: Dr. Womanizer
Copyright © 2017 by Max Monroe
Published by Arrangement with Max Monroe LLC
c/o Jane Rotrosen Agency LLC, 318 East 51st Street, New York, NY 10022 USA
Copyright © 2019 der deutschsprachigen Ausgabe und der Übersetzung by Plaisir d’Amour Verlag, D-64678 Lindenfels
www.plaisirdamour.de
info@plaisirdamourbooks.com
Übersetzung: © Joy Fraser
Covergestaltung: © Mia Schulte
Coverfoto : © Istockphoto.com
ISBN Taschenbuch: 978-3-86495-362-0
ISBN eBook: 978-3-86495-363-7
Dieses Werk wurde im Auftrag der Jane Rotrosen Agency LLC vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.
Sämtliche Personen in diesem Roman sind frei erfunden. Dieses Buch darf weder auszugsweise noch vollständig per E-Mail, Fotokopie, Fax oder jegliches anderes Kommunikationsmittel ohne die ausdrückliche Genehmigung des Verlages oder der Autorinnen weitergegeben werden.
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Epilog
Danksagungen
Autorinnen
Für Shakira.
„Hips Don`t Lie“?
Unsere Hüften lügen auch nicht.
Es sei denn, sie werden breiter. Dann sind unsere Hüften verfluchte Lügner. Die zusätzlichen Zentimeter haben natürlich nichts damit zu tun, dass wir eine Familienpizza, Knoblauch-Brotsticks, Chicken Wings, Mozzarellasticks, Pommes und einen pizzagroßen Chocolate Chip Cookie an einem Abend vernichtet haben.
Und für jene, die sich je gefragt haben, ob wir über sie schreiben … das tun wir.
Wir scherzen nur … oder?
Scott
Als ich mir ein frisches OP-Hemd anzog und es in den Hosenbund steckte, kitzelten mich die kühlen, nassen Enden meiner Haare am Hals.
Ich schob eine Doppelschicht, und die letzten paar Stunden waren einige der schmutzigsten gewesen, die ich seit Langem erlebt hatte. Blut, andere Körperflüssigkeiten, Erbrochenes … was man sich auch vorstellen mochte, ich war von oben bis unten voll davon. Nur eine Dusche im Umkleideraum hatte dafür sorgen können, dass ich mich wieder halbwegs menschlich fühlte.
Ich schlug den Spind zu, klipste das ID-Kärtchen wieder ans Hemd, steckte das Handy ein und ging aus der Tür.
Die Kollegen lächelten mich an und nickten mir zu, als ich durch den Flur ging, aber Essen und Kaffee waren nicht nur für meine Gesundheit nötig, sondern auch für die der Menschen in meiner Umgebung. Wenn ich hungrig war und unter Koffeinentzug litt, wurde ich nicht nur übellaunig, sondern sogar streitsüchtig. Und manchmal wurde ich unnötig unflätig.
Einer meiner wenigen Fehler.
Ich sah die Cafeteria vor mir, beschleunigte meine Schritte, stieß die Tür auf und schubste beim Eintreten eine aufregend aussehende Krankenschwester zur Seite.
Normalerweise hätte ich so eine süße Frau sofort abgecheckt und mir einen Plan ausgedacht, um sie mit meinem Charme und geistreichen Kommentaren zu erobern. Doch gelegentlich verschoben sich meine Prioritäten. Selten, aber das war eine dieser Situationen.
Erst Kaffee und etwas zu essen, dann Sex.
Apropos Kaffee … eine mir bekannte Person lauerte vor der Maschine. Eine, die mich amüsierte, trotz des Mangels an Koffein und Nahrung – der einzigartige Dr. Obszön.
An ihn, mich und noch einen anderen Chefarzt, war eine Fernsehproduktionsfirma herangetreten, die mit uns eine medizinische Realityshow-Serie drehen wollte. Die Serie hieß The Doctor Is In und lief nun sechsunddreißig Wochen lang jeden Dienstagabend. Zwar waren alle Folgen zur gleichen Zeit gedreht worden, aber ausgestrahlt wurden zuerst die mit Will, und es war die Hölle für ihn gewesen.
Nacktheit, unangemessenes Bettgeflüster und, wie ich den Gerüchten entnahm, eine steigende Anzahl neuer Patientinnen, die verzweifelt versuchten, an den guten Doktor heranzukommen. Er hatte es schwer, aber für einen Außenstehenden wie mich war der Unterhaltungswert enorm.
„Will Cummings!“, rief ich ihm über die zwanzig Meter Distanz zwischen uns zu.
Beim Klang meiner Stimme drehte er ruckartig den Kopf und ein aufrichtiges Lächeln hob seine Mundwinkel. Verständlich – ich wäre auch froh, mich zu sehen.
Ich ging direkt auf ihn zu, denn schließlich stand er genau vor der Kaffeemaschine, und hielt ihm grüßend die Hand hin.
„Scott“, sagte er locker, nahm meine Hand und schüttelte sie.
Vor meinem geistigen Auge spulte sich eine Szene aus seiner letzten Folge ab und mein Lächeln verrutschte leicht. Der arme Idiot war viel zu offen vor der Kamera gewesen. Und davon abgesehen, dass ich alle Sendungen genoss, in denen seine normalerweise goldenen Absichten ein bisschen weniger zum Strahlen kamen, hatte ich Mitleid mit ihm. Will Cummings war ein wirklich guter Kerl.
Aber keine Realityshow wollte drei Männer in den besten Jahren ihrer medizinischen Karriere so zeigen, wie sie in Wahrheit waren: als Lebensretter und aufrechte Bürger. In der heutigen Zeit drehte sich alles um Drama und Ausstrahlung und darum, die Stars des Realityfernsehens so unterhaltsam wie möglich zu machen. Meistens zum Schaden ihrer Persönlichkeit und beruflichen Existenz.
Deshalb hielt ich meine Liebeleien von der Kamera und der Klinik fern. Und als mit mir gedreht worden war, hatte ich sie sogar komplett eingestellt. Während Will immer wieder mit heruntergelassenen Hosen erwischt wurde, wusste ich, wenn meine Folgen ausgestrahlt würden, dass sie so etwas bei mir nicht erhascht hatten. Der Gedanke brachte mich zum Lächeln.
„Hör auf, mich so anzusehen“, sagte Will und stöhnte auf.
Ich konnte meine Erheiterung nicht verbergen. Manchmal war er einfach zu leicht zu reizen. „Oh, empfindlich heute, der Herr. Jemand hat schlechte Laune.“
„Wart’s nur ab“, brummte Will und rührte seinen Kaffee so heftig um, dass er beinahe alles auf den Tresen gekleckert hätte. „Dir wird es genauso gehen.“
Ich lachte. Oh, Will. Er war wirklich zu naiv. „Du gehst davon aus, dass jeder ein so gutes Arschloch abgibt wie du.“ Ich rüttelte ihn spielerisch an der Schulter. „Du bist einfach der Beste.“
„Oh, nein, Scott“, widersprach er mit neuer Schärfe in der Stimme. „Ich kann dir versichern, dass dich in dieser Beziehung niemand schlagen kann, auch wenn wir es alle versuchen. Frag Mandy. Und Sarah. Und Monica.“
Tja, Scheiße, das hatte gesessen. Ich lächelte trotz des unangenehmen Gefühls, doch diese Namen zu hören, fühlte sich an wie Salz in einer offenen Wunde. Ich hatte diese Situationen falsch eingeschätzt, war zu lange geblieben, hatte angenommen, sie würden die Sache genauso locker sehen wie ich. Sie hatten es nicht verdient, dass ich einfach abgehauen war, aber ich war nun mal kein Typ für eine feste Beziehung. Überhaupt nicht.
„Ich glaube, du hast wirklich schlechte Laune“, murmelte ich in dem Wissen, dass ich mir dieses Gespräch selbst eingebrockt hatte. Er war offensichtlich durch die Sendung überempfindlich, was die öffentliche Meinung anging, und ich konnte mir bloß selbst die Schuld in die Schuhe schieben für die Mandy-Sarah-und-Monica-Munition, die ich ihm geliefert hatte.
„Entschuldige, Scott. Es ist nur … wegen der Sendung und all dem … und ich hatte noch nicht einmal einen Kaffee.“ Er zuckte mit den Schultern, sein ganzer Körper stellte eine einzige Entschuldigung dar. „Ich glaube, du hast recht. Ich bin das größte Arschloch.“
Fast hätte ich gelacht. Gott, Will war echt ein übertrieben guter Kerl.
Trotzdem ließ ich die Möglichkeit, die seine Entschuldigung bot, nicht vorüberziehen, denn wie er so schön gesagt hatte, war ich das größere Arschloch. „Zumindest siehst du das jetzt ein.“ Ich tätschelte seinen Rücken und verzog mich, solange ich die Oberhand hatte.
Zeit, Leben zu retten, Kaffee hin oder her.
Zwölf Wochen später
Nun war es amtlich. Ich war der größte Glückspilz in ganz New York City. Umwerfender Sex mit drei verschiedenen Frauen, drei Nächte diese Woche ohne nachtragende Gefühle und die heißeste Show im Fernsehen – ich fühlte mich, als könnte mich verdammt noch mal nichts aufhalten. Als wäre ich ganz oben angekommen und nichts könnte mich runterziehen.
Dr. Erotik. So nannten sie mich. Der Womanizer. Allein der Gedanke daran entlockte mir ein Lächeln. Während Will den Kopf in den Sand hatte stecken müssen, streckte ich meinen in den Himmel. Richtung Ruhm und Ehre und wunderbare Zeiten.
Mein Zölibat zur Zeit der Dreharbeiten zahlte sich aus, und jetzt war ich bereit, mich mal wieder richtig auszuleben.
Ich, Dr. Scott Shepard, bin offiziell Dr. Erotik. Und werde seine Macht und Anerkennung direkt auf die Straßen von New York City und in die Höschen williger Frauen nehmen.
Seid ihr bereit für mich?
Harlow
Sieben Wochen später
„Also, was machst du so in deiner Freizeit, Harlow?“, fragte Barron nach einem kräftigen Schluck Wein.
Er hatte uns eine dritte Flasche bestellt – vielleicht einen Merlot? –, die wir uns zum Essen teilten, und er hatte sich bemüht, mir jedes Detail der seltenen und erlesenen Qualität des Weins zu erklären.
„Unglaublich“, hatte mein Date gesagt, sein Glas geschwenkt und gegrinst. „Ich bin von dem Bouquet dieses Weins beeindruckt. Hast du den subtilen Hauch von Eiche und Schokolade bemerkt, der den Gaumen belebt?“
Barron Alexander Conrad der Dritte – so der volle und, lasst uns ehrlich sein, sehr protzige Name meines Dates – schwafelte bereits über Weinbouquets, seit der Kellner die erste Flasche auf den Tisch gestellt hatte. Ich wusste nichts über Wein. Tanninsäure. Eiche. Voller Körper. Jedes Wort, das er sprach, floss in meinem Hirn zu einem Begriff zusammen: prahlen.
Wenn es um Wein ging, interessierte mich nur, wie viele Gläser ich brauchte, um angeheitert zu sein. Ich unterdrückte den Drang, die Augen zu verdrehen, nickte zustimmend und leerte das erste Glas aus der neuen Flasche.
Erste Dates, oh Mann. Ich hasste sie wirklich.
Ich verabscheute generell alles, was zu einer festen Beziehung führen könnte. Zwar hatte ich keine Beziehungsphobie oder so etwas, aber ich wusste einfach, dass Langzeitbeziehungen nicht mein Ding waren. Ein Mal hatte ich mir die Finger daran verbrannt und meine Lektion gelernt. Ich würde den Rest meines Lebens die Hände vom heißen Ofen fernhalten, vielen Dank auch.
Ich zwang mich zu einem Lächeln. Zumindest hoffte ich, dass es eins war. Kann ein Lächeln nach Essig schmecken? Falls ja, dann lächele ich definitiv.
„Nun, ich bin ziemlich mit meiner Arbeit beschäftigt. Und wenn ich nicht arbeite, gehe ich gern mit Freunden essen, lese, schaue mir Filme an, besuche Konzerte …“ Bla, bla, bla. Gott, ich klang genauso langweilig wie Barron.
Wieso lasse ich mich auch immer wieder zu solchen Dates überreden?
Weil ich Sex wollte.
Ich weiß, ich weiß. Aber ich wollte wirklich Sex haben.
Neben der Option, auf Tinder alles in einem Zweikilometerradius nach rechts zu wischen, waren solche Dates die einzige Möglichkeit, besonders, wenn sie mit einer Penetration endeten, ohne dass man sich mit hohen Absätzen und einem Rock so schmal wie ein Gürtel an die Straßenecke stellen musste. Falls allerdings alles nichts half, hatte diese Option etwas für sich.
Es war einfach zu lange her, und meine tägliche Masturbation reichte nicht mehr aus.
Jungs, ich brauche einen Penis.
„Wie lange bist du jetzt schon bei Gossip?“
Ich seufzte innerlich beim Klang von Barrons nasaler Stimme und dem lächerlichen Job, den ich mein Eigen nannte. „Es müssten um die vier Jahre sein.“
Verdammt noch mal zu lange.
Gossip war ein Online- und Printmagazin, in dem nachgeforscht, geschwindelt und bestochen wurde, um als Erster den anstößigsten Klatsch über die Reichen und Berühmten dieser Welt zu erfahren, besonders den über New Yorker. Es war Schund und genau das, was man von einem Magazin erwartete, das den Namen Gossip, Klatsch, trug.
VIPs waren alle gleich. Sie liebten es, wenn wir sie wahrnahmen, aber hassten es, wenn wir ihre dreckige Wäsche zum Trocknen raushängten.
Ich sollte erwähnen, dass ich nicht komplett auf der dunklen Seite arbeitete, wie manche meiner Kollegen in diesem Geschäft. Ich gab meinen Lesern fast nur die echten VIP-News mit sehr wenig kreativer Ausschmückung. Ich folgte der Straße der Wahrheit, selbst wenn ich ab und zu auch mal auf das Gras daneben trat. Andere hinterhältige Vipern rannten durch den Wald und suchten den saftigsten vergifteten Apfel, den sie dann dem VIP-Opfer in die Hand drückten.
Doch sogar ich hatte meinen Spaß daran gehabt, über einen Promi zu schreiben, der das Kindermädchen gefickt hatte, während sich seine Frau tausende Kilometer entfernt bei einem Filmdreh befand. Das Kindermädchen hatte ihn verraten und sogar Beweise geliefert. Ich dachte, der Spaß daran würde mir nie vergehen.
Dasselbe galt natürlich für fremdgehende Ehefrauen und die Arschlöcher, die ihre Assistenten und Mitarbeiter schlecht behandelten.
Kurz gesagt, mein Job bei Gossip sollte eigentlich ein vorübergehender sein, nachdem ich den Collegeabschluss in der Tasche und eine furchtbare Beziehung hinter mir gelassen hatte, aber irgendwie wurde es etwas Permanentes.
Wenn ich nun, mit neunundzwanzig, mein Leben betrachtete, fragte ich mich, wieso ich überhaupt noch dort arbeitete.
Echt jetzt, wieso bin ich noch da?
Ich stocherte mit der Gabel im Spargel auf meinem Teller herum und überlegte, wann ich angefangen hatte, in einem Beruf Karriere zu machen, der mir gar keinen Spaß mehr brachte, und mich mit Männern wie Barron zu treffen, nur weil ich mich verzweifelt nach einem Penis sehnte. Meine Güte, so gesehen war der Zug meines Lebens aus den verfluchten Schienen gesprungen.
Wie aufs Stichwort grinste Barron und hielt mir über den Tisch hinweg seine Gabel hin. „Das musst du probieren“, drängte er und stieß zur Bekräftigung mit der Gabel nach mir.
Ich schüttelte den Kopf.
„Probier es einfach, Harlow. Der Hummer ist fantastisch“, sagte er und nickte zur Gabel, die sich nun zwei Zentimeter vor meinem Gesicht befand, als würde ich mich trotz der unmissverständlichen Aufforderung immer noch fragen, was er von mir wollte.
„Äh …“ Ich verzog das Gesicht, als der fischige Geruch meine Nase traf. „Ich bin kein Fischesser.“
„Aber das ist Hummer.“
„Ja, Fisch, Hummer … eigentlich alles, was im Wasser schwimmt, ist nicht mein Ding.“
„Komm schon“, drängte er weiter.
Ich unterdrückte den Wunsch, die Gabel aus meinem Gesicht zu schlagen.
„Niemand kann Daniels Hummer widerstehen.“
„Ich schon.“
Er starrte mich an und ich ihn. Die Filmmusik von Mortal Kombat spielte in meinem Kopf.
Verflucht noch mal, nimm die Gabel aus meinem Gesicht.
Endlich, nach einer gefühlten Stunde, aß er den Bissen Hummer selbst und stöhnte laut dabei.
„Gott, ist das gut.“
Falls dieses Dinner ein Vorgeschmack auf später war, war anzunehmen, dass ich mich besser aus dem Staub machen sollte, noch ehe die Rechnung gebracht wurde. Ich könnte einen Notfall vortäuschen. Eine meiner Freundinnen per Handy anschreiben, damit sie mich vor dem Desaster rettete, das unweigerlich vor dem Ende dieser Verabredung geschehen würde.
Guter Plan, Harlow! Schreib Amanda an.
Sie war eine meiner ältesten und engsten Freundinnen aus dem College, und es wäre nicht das erste Mal, dass sie mich aus solch einer Lage rettete.
Während Barron weiterhin von Wein und Hummer fasziniert war, holte ich diskret das Handy aus der Handtasche und schrieb meiner besten Freundin in der Hoffnung, dass ihr der perfekte Notfall einfallen würde. Und dann würde ich sie bitten, das Ganze mit mir durchzuziehen.
Ich: Hilfe. Ich brauche einen Notfall.
Amanda: Nee. Diesmal nicht, Frances.
Ich: Was??? Ich sterbe hier! Und nenn mich nicht Frances, du weißt, dass ich das hasse.
Frances Harlow Paige. Mein voller Name. Fast so schlimm wie Barron Alexander Conrad III. Ich nannte mich nicht so und niemand rief mich so. Man glaube mir bitte, dass Harlow – so unkonventionell der Name auch war – viel besser zu mir passte.
Doch manchmal wollte meine beste Freundin eine Bitch sein und mich damit aufziehen, dass ich nach meiner Großmutter benannt worden war. Verfluchte Frances. Himmel, dieser Name war das totale Gegenteil von mir.
Amanda: Immerhin ist es dein echter Vorname, und er ist wunderschön, und deshalb ignoriere ich deine Bitte. Vielleicht solltest du diesem Typen mal eine Chance geben, Harlow. Er könnte ein toller Kerl sein. Er könnte DER tolle Kerl sein.
Ich: Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt für den Karrierestart als Motivationstrainer! Dieser Typ redet nur über Weinbouquets und hält mir Hummer vors Gesicht. Ich brauche Hilfe in Form eines Notfalls. Irgendwas. Komm her und lös den Feueralarm aus. Melde eine Bombe.
Ich schickte die Nachricht ab und überlegte noch mal. Bombendrohung und Feueralarm klang ein bisschen riskant. Ich wollte nur, dass mir Amanda aus meiner Lage half, nicht dass sie verhaftet und vom FBI verhört würde. Wahrscheinlich sollte ich es selbst tun. Das würde sicherlich mit einer Leibesvisitation enden.
Nein. Nein! So zu denken, war sogar für mich ein neues und absolutes Tief.
Ich: Warte! Mach so etwas nicht. Das könnte böse ausgehen. Oh! Ruf mich an und erzähl mir, dass jemand nur noch drei Stunden zu leben hat und ich sofort da hin muss, um mich zu verabschieden. Bitte! Ich flehe dich an!
Amanda: Nein. Du triffst dich mit jemandem, also bringst du es auch anständig zu Ende, Missy.
Verfluchte Scheiße.
Wenn mir nicht selbst ein Notfall einfiel, ohne Amandas Hilfe, saß ich hier fest.
Deshalb blieb ich bis zum Ende des Dinners. Und überstand die langweiligen Gespräche. Und die stumpfsinnige Taxifahrt zu Barron nach Hause.
Ich drückte mir selbst die Daumen, dass der Sex die Mühe wert war.
Barrons Schlafzimmer sah genauso aus, wie ich es erwartet hatte. Alles hatte seinen Platz, war exakt so arrangiert, dass Reichtum und Opulenz unterstrichen wurden, und all seine Gemälde, Skulpturen und Möbel stellten klar, dass er nicht bei Aldi einkaufen ging. Es war ein luxuriöses, elegantes Apartment mit Blick auf den Central Park, um all das noch zu toppen. Leider hatte es keinerlei Persönlichkeit.
Bei näherer Untersuchung fand ich zwei antike Kleiderschränke, die ich total bewunderte. Ob die vielleicht von IKEA waren?
Ich wollte ihn fragen, aber als ich auf sein Gesicht hinuntersah, das sich gerade zwischen meinen Beinen befand, dachte ich mir, dass jetzt kein guter Zeitpunkt war, über Möbel zu sprechen.
Okay, ich gebe es zu. Ich befinde mich in Barrons Schlafzimmer und er versucht sich in diesem Moment an Oralsex. Und ehrlich gesagt ist es furchtbar. Dass ich an Inneneinrichtungen denke, zeigt das recht deutlich.
„Fühlt sich das gut an, Harlow?“, stöhnte er an meine Haut.
Ich biss mir auf die Zunge, um nicht etwas zu sagen wie: Bitte hör auf. Ich glaube, du machst meine Vagina traurig.
Ich stöhnte und gab mein Bestes, um Lust zu faken. Ein kleines Seufzen. Ein wohlplatziertes Nach-Luft-Schnappen.
„Gott, du schmeckst so gut.“
Oh fuck, autsch. Hatte er einen Dolch an der Zungenspitze?
Ich konnte das nicht länger aushalten. Ich hatte Oralsex immer gemocht, aber heilige Scheiße, meine Vagina konnte nicht mehr ertragen, was er da mit seiner Zunge veranstaltete. Ich befürchtete, sie könnte ein Trauma davontragen, falls ich diesen Kerl weitermachen ließe. Gab es Therapiestunden und Antidepressiva für Pussys?
Eventuell würde es besser, wenn wir das Vorspiel wegließen und gleich zum Beischlaf übergingen.
So manche Frau hätte jetzt vielleicht aufgegeben, aber nur wegen Sex hatte ich das Dinner ausgehalten und mich am langweiligsten Small Talk der Menschheitsgeschichte beteiligt.
Himmel, ich würde verdammt noch mal einen Funken Lust aus dieser Verabredung herausholen, und wenn es bedeutete, seinen Penis als Geisel zu nehmen und das Ficken selbst zu übernehmen.
„Fick mich, Barron“, wisperte ich in der Hoffnung, den traurigen Sexzug zu einem unzüchtigeren Ort umzuleiten.
Er sah zu mir auf und hatte ein Glimmen in den Augen.
Ja, weiter so, Harlow. Das könnte funktionieren …
„Bitte, Barron, fick mich jetzt“, sagte ich noch einmal.
Sofort wurde er aktiv. Der Mann war auf einer Mission, als er schnell seine Hosen auszog und einen hübsch geformten und recht großen Penis offenbarte. Gott sei Dank! Und nach dem weltschnellsten Überziehen eines Kondoms begab er sich zwischen meine Beine und glitt in mich.
Okay, das war besser …
Ein Stoß. Zwei Stöße. Nach drei weiteren fing es tatsächlich an, mir zu gefallen. Himmel, ich dachte sogar, dass die Sache den ganzen banalen Abend wert gewesen war. Sein Mund war nicht wie sein Penis, das war schon mal sicher. Seine Konversations- und Oralfähigkeiten waren im Vergleich zu dem, was er beim Sex alles konnte, suboptimal.
„Dreh dich um“, drängte er zwischen keuchenden Atemzügen. „Ich will deinen perfekten Hintern sehen, Baby.“
Baby. Himmel, ich hasste es, wenn Kerle mich Baby nannten. Aber okay, zumindest ging das hier in die richtige Richtung.
Nicht die Konzentration verlieren, Harlow.
Barron ließ mir keine Zeit, mich selbst umzudrehen. Er ergriff meine Hüften und warf mich auf den Bauch. Leider war er nicht gut darin, seinen Weg zu finden, und schubste und drückte sich in mich hinein, fiel auf mir zusammen und zerquetschte mich mit seinem ganzen Gewicht. Sein Brustkorb traf hart auf meinen Rücken und katapultierte meinen Körper hoch. Ich knallte mit der Stirn und einem lauten Geräusch an das Kopfteil seines gigantischen Kingsize-Bettes. Sofort verschwamm meine Sicht und ein spitzer Schmerz jagte hinter den Augen durch meinen Kopf.
„Heilige Scheiße!“, jaulte ich und presste eine Hand an meine Stirn. Heiß glühte der Schmerz an der Stelle und war so intensiv, dass ich Probleme mit der Atmung hatte. „Jesus, Maria und Josef! Was sollte das?“
„Oh mein Gott“, sagte er hinter mir. Schock schwang in seiner Stimme mit. „Es tut mir so leid, Harlow. Oh Gott, ist alles in Ordnung?“
Ich nahm die Hand von der Stirn und murmelte irgendetwas Unzusammenhängendes darüber, dass er mich erst verstümmelte und dann fragte, ob alles in Ordnung sei – und stellte fest, dass dem nicht so war. Helles Blut bedeckte meine Hand, und bei meiner Kopfbewegung sickerte es auf das edle Seidenkissen. Was auch immer mit meiner Stirn passiert war, während Barron seine Leidenschaft für meinen Hintern ausgelebt hatte, auf jeden Fall war der Schaden angerichtet. Ich wandte ihm mein Gesicht zu.
„Oh, fuck“, murmelte er, als er die Verletzung sah. „Das ist eine ganz schön große Wunde, Harlow.“
Ach echt?
„Könntest du mir ein Handtuch holen, damit ich nicht dein Bett vollblute?“ Obwohl es dafür ohnehin bereits zu spät war …
„Scheiße, entschuldige“, murmelte er, sprang aus dem Bett, und sein nun weicher Penis flatterte im Wind, als er ins Bad joggte.
Ich seufzte laut. Das war wirklich der schlimmste Abend, den ich je erlebt hatte. Er verdiente einen dieser Internetartikel über fürchterliche Erlebnisse beim ersten Date.
Keine Minute später drückte Barron ein Handtuch an meine Stirn und betrachtete besorgt mein Gesicht. Schön, dass er sich wenigstens Sorgen machte.
„Danke“, sagte ich.
Er verzog das Gesicht. „Gott, das tut mir furchtbar leid.“
„Schon gut.“
Natürlich war es nicht gut, aber was sollte ich sagen? Ja, es sollte dir leidtun. Du bist unfähig beim Oralsex, und beim Ficken bringst du es fertig, mich gegen dieses Kopfteil zu schlagen, das zufällig aus Glaskristallen besteht.
Wieso zum Geier hatte er so ein Kopfteil? Ich hatte Glück, kein Auge verloren zu haben.
Ich erhob mich und ging ins Bad, um mir die Wunde selbst anzusehen, und Barron folgte mir nicht. Ich sah zurück zu ihm und beobachtete, wie er das blutige Kissen berührte, entsetzt seine verschmierten Finger betrachtete und dann in der Mitte seines plüschigen Bettes in Ohnmacht sank.
Meine Güte!
Ich schüttelte abgestoßen den Kopf, hielt aber sofort inne. Schwindel verankerte sich in der Mitte meines Schädels, breitete sich aus und drohte, mir das Bewusstsein zu nehmen wie dem Idioten in seinem Bett, wenn ich nicht aufpasste. Ich blickte in den Spiegel und stellte fest, dass die gut sichtbare und immer noch blutende Wunde auf meiner Stirn anschwoll. Das musste genäht werden.
Dabei hatte ich doch nur einen Penis gewollt. Und jetzt musste ich allein in die Notaufnahme fahren. Auf keinen Fall würde ich Minnie Mouse da drin aufwecken, damit er mitkam.
Jesus. Vielleicht wurde es Zeit, einem Nonnenkloster beizutreten.
Scott
„Yo, Scott!“ Justin, einer der Pfleger, begrüßte mich mit einem High-Five-Handschlag.
Es war Schichtwechsel und die Dinge in New York City wurden verdammt interessant.
In zehn Jahren als Arzt und dreieinhalb Jahren als Chef der Notaufnahme im St. Luke’s Hospital hatte ich alle Verletzungen gesehen, die sich ein kranker Geist ausdenken könnte, und noch mehr.
Von Stichwunden und Schusswunden über Überfall-Verletzungen bis hin zu gebrochenen Kniescheiben vom Hinfallen auf überfüllten Gehwegen und Sexspielzeugen tief in weiblichen Genitalien – die medizinischen Fälle in einer Notaufnahme kannten keine Grenzen.
Glücklicherweise kannte auch ich kaum welche. Während die Arbeit an sich das Wichtigste an meinem Beruf war – und zwar immer –, bedeutete das nicht, dass ich dabei keinen Spaß haben durfte.
Die meisten Ärzte nutzten ihre Position als Abteilungschefarzt, um sich vor Nachtschichten zu drücken, aber ich tat das nicht. Nachts traf man die interessantesten Menschen, wurde mit den seltsamsten Fällen konfrontiert, und außerdem war ich schon immer eine Nachteule. Ich schob Nachtschichten, so oft ich konnte.
„Neuer Tag, neues Glück“, rief ich Justin hinterher, als ich die Tür zum Umkleideraum öffnete.
Er hielt inne und grinste. „Drängen sie sich alle in deinen G-String, Dr. Erotik?“
Ich lachte. Ich fühlte mich mit meinem Spitznamen, den mir meine weiterhin steigende Popularität einbrachte, nicht nur wohl, sondern ich lebte für ihn. Nach neun Wochen Ausstrahlung der Folgen fühlte ich mich wie der Herr der Welt. Manche mochten mich extrovertiert nennen, andere eine Aufmerksamkeitshure. Egal wie, es machte mir nichts aus, im Rampenlicht zu stehen.
„Kommt wohl darauf an, wie gut ich bin“, erwiderte ich fröhlich. Dann winkte ich ihm zu und erhöhte mein Schritttempo. Ich war nicht zu spät dran, aber ich hatte noch Arbeit zu erledigen, ehe meine Schicht begann.
Ich ging um eine Ecke und wich einem Bett aus, das durch den Flur geschoben wurde. Im Vorbeigehen gab ich dem Patienten, einem oft betrunkenen Mann namens Barney, der hier auftauchte, wenn er in Schwierigkeiten geraten war, ein High-Five. Barney verbrachte seine Zeit nicht damit, am Lagerfeuer zu sitzen und Altenheim-Lieder zu singen. Er perfektionierte im Suff Unfug, der oft zu Verletzungen führte, die ich dann wieder in Ordnung bringen musste.
„Lutsch meinen Schwanz, Dr. Shepard“, rief er über seine Schulter.
„Nur, wenn du dafür bezahlst, Barn“, gab ich zurück.
Wir mochten einander. Doch, wirklich. Er hatte nur eine einmalige Art, es zu zeigen. Und was mich anging … kaum ein Job war so unterhaltsam wie meiner.
Ich ging direkt zum Empfang, schubste Sherry, eine niedliche kleine Krankenschwester aus Tennessee, freundschaftlich vom Computer weg und gab meine Login-Daten ein. Von jetzt an, 22:58 Uhr, war ich offiziell im Dienst.
Nachdem die Formalitäten des Krankenhauses erledigt waren, wurde es Zeit für meine eigenen: meine Routine, meine Wohlfühlzone, meine Art, mich auf das vorzubereiten, was die nächtlichen Stunden bereithalten würden. Mein Aufwärmen. Mit fragwürdiger Stimme und Tanzbewegungen, die besser waren als die der meisten Kleinkinder, sang ich zur Musik und nutzte mein Zwerchfell, um den Raum zu beschallen.
„Oh Baby, when you talk like that“, sang ich und einige Krankenschwestern drehten sich zu mir um. Ich stellte die Lautstärke am Computer der Schwesternstation lauter, und der langsame Latinorhythmus eines bekannten Liedes ertönte.
„My hips don’t lie“, schmachtete ich zusammen mit Shakira, nachdem ich ein paar Zeilen verpasst hatte, während ich auf einen Bürostuhl stieg.
Die meisten meiner Kollegen lächelten. Sie kannten meine Routine – die ich schon seit Jahren durchführte, wobei ich wöchentlich das Lied wechselte –, das musikalische Aufwärmen für die Dinge, die mich in der Nachtschicht erwarteten. Allerdings musste ich zugeben, dass Shakira am häufigsten vorkam. Sie hatte etwas an sich, das mich leicht süchtig reagieren ließ. Vielleicht ihre Zungenkontrolle bei all den gerollten R’s.
Noch waren nicht viele Patienten da; das wahre Chaos nächtlicher Wochenenden in New York City hatte erst begonnen. Doch die wenigen
sahen meinen Possen mit ein bisschen Misstrauen und Unglauben zu, bis meine Kollegen nach und nach mit einstimmten, denn Shakiras Rhythmus war einfach schwer zu widerstehen. Einige lächelten amüsiert, während andere die oberflächliche Freude übersprangen und sofort Anerkennung ausstrahlten.
Ja, so war ich. Dr. Erotik aus Fleisch und Blut. Es gab ein GIF von mir, wo ich mit den Hüften rollte wie bei meinen Aufwärmübungen, die sie in der Sendung oft gezeigt hatten, wenn ich mich nicht irrte.
Ein paar Handys waren auf mich gerichtet, aber daran war ich gewöhnt. Ich erschien dann bei YouTube und Facebook oder Insta-fuck oder wo auch immer gestellte Fotos oder fingierte Wahrheiten heutzutage gepostet wurden.
Ich bin nicht gegen die sozialen Medien, auch wenn es vielleicht so klingen mag. Ich bin nur ein Lebemann, ein Macher, eine Art Partylöwe. Ich bin lieber da draußen, als dass ich Bilder von mir und meinem Abendessen poste. Sollte Shakira plötzlich vor mir auftauchen, würde ich meine Zeit nicht damit verschwenden, Fotos zu machen, wenn ihr versteht, was ich meine.
Als allerdings in einer meiner Sendungen ihr Song Whenever, Wherever lief, hatte sie mir getwittert, und ich müsste lügen, wenn ich nicht zugeben würde, dass ich das toll fand. Ich wünschte, getwittert bedeutete etwas Physisches, Schmutziges. Ernsthaft jetzt, ich mache jeden ausgeflippten Kram mit, der ihr gefällt.
„Dr. Shepard!“, rief Debbie, die Oberschwester in der Aufnahme, und unterbrach rüde den Höhepunkt meiner Performance. Sie war Mitte vierzig, trug eine normale, blonde Bubikopffrisur, hatte ernste, haselnussbraune Augen und trug wenig bis gar kein Make-up. Debbie war die lebende und sprechende Wörterbuchdefinition von Pflichtbewusstsein. Sie meinte es ernst, setzte Dinge durch und arbeitete ordentlich was weg.
Anders ausgedrückt, sie war eine Nervensäge.
„Mann, Deb“, knurrte ich und stieg von meinem Platz halb auf dem Tresen herunter. „Warum müssen Sie immer meine Routine unterbrechen?“
Sie grinste und schüttelte den Kopf. „Weil sie furchtbar ist. Und Sie werden auf Bühne B gebraucht beziehungsweise hinter Vorhang zwei, bei einem echten Patienten, was etwas mit Ihrem echten Job zu tun hat.“
„Ich bin beleidigt, Deb. Ausgerechnet Sie sollten wissen, dass das Aufwärmen ein wichtiger Teil des Ablaufs ist. Die Arbeitsbedingungen sind ein fester Bestandteil des Erfolgs. Würden Sie sich ohne Handschuhe um Patienten kümmern?“
„Scott …“
„Ich glaube nicht!“, rief ich, und die fingierte Wut machte meine Stimme laut. Einige Augenpaare beobachteten uns.
„Hören Sie auf, eine Szene zu machen“, sagte Debbie. „Haben Sie es nicht satt, sich zum Narren zu machen?“
„Das werde ich nie satt haben, Deb“, versprach ich hoch und heilig. Sie seufzte. „Niemals.“
„Gut, dann machen Sie eine Szene in Raum zwei. Aber machen Sie sie, während Sie eine Kopfwunde nähen, okay?“
„Ich lebe, um Ihnen zu dienen, meine süße Notfall-Göttin.“
„Mannomann“, brummte sie und klatschte mir die Patientenakte vor die Brust. „Die zahlen mir nicht genug für diesen Scheiß.“
Glücklicherweise fand Sherry mich weitaus amüsanter als Deb, falls ihr strahlendes Lächeln ein Hinweis war. Ich zwinkerte ihr zum Dank zu.
„Scott!“, rief Deb vom anderen Ende des Raumes.
Ups. Patient hinter Vorhang zwei. Anscheinend bewegte ich mich nicht schnell genug.
Als ich vor dem Abteil mit dem geschlossenen Vorhang angekommen war, sagte ich: „Ich hoffe, Sie sind wirklich kurz vor dem Verbluten. Sie haben meine Performance unterbrochen, mir einen Anschiss von Deb …“ Das Klappern der Vorhangringe füllte den Raum, als ich ihn zur Seite schob, und ich hörte sofort auf zu sprechen.
Ich werd verrückt. Ist die hübsch! Schulterlanges, leicht gelocktes und unordentliches Haar, sexy Smokey Eyes mit strahlenden grünen Iriden und ein Killerkörper. Außerdem hatte sie eine verfluchte Sauerei auf der Stirn. Sie presste mit beiden Händen ein blutgetränktes Tuch dagegen, aber das war nur ein oberflächliches Detail.
„Wissen Sie was?“, fragte ich rein rhetorisch. „Streichen Sie alles, was ich gesagt habe. Machen Sie sich bloß keine Sorgen, mich unterbrochen zu haben.“
Sie rollte mit den Augen und sank auf dem Bett zurück. „Ich habe mir keine Gedanken um Sie gemacht. Die offene, blutende Wunde auf meiner Stirn? Darüber mache ich mir Sorgen.“
Ich lächelte über ihre Direktheit und ihren Sarkasmus und stieß mit dem Arm leicht gegen ihre Hände. „Darüber mache ich mir auch Sorgen. Wirklich. Also nehmen Sie bitte die Hände herunter.“
Sie verengte die Augen.
Ich lachte. „Ich bin wirklich besorgt. Ich verspreche es.“ Mit einer Hand machte ich ein X über meinem Herz und mit der anderen griff ich nach Handschuhen aus der Box neben dem Bett. „Das ist mein Job.“
„Ihrem Streit mit Deb nach zu urteilen, ist Performen Ihr Job …“
„Nein, nein“, unterbrach ich sie und zog die Handschuhe an. „Sie können meinen Streit mit Deb nicht als Hinweis nehmen. Es war nur die Routine. Es ist eigentlich etwas ganz Banales.“
„Hören Sie, Doktor …?“
„Shepard. Scott Shepard. Sie können mich Scott nennen.“
„Hören Sie, Dr. Shepard …“
Ich lachte über ihr offensichtliches Desinteresse.
„Können Sie bitte einfach nur meine Verletzung behandeln?“
„Natürlich. Wenn Sie Ihre Hände herunternehmen.“
„Es blutet wie Sau! Ich übe Druck darauf aus. Jeder sagt, man soll Druck ausüben.“
„Das stimmt. Bis man im Krankenhaus ist, wo sich der Arzt“, ich deutete auf mich, „und das bin ich, die Wunde ansehen muss, um sie zu behandeln.“
„Aber was ist, wenn sie nur Druck braucht?“
„Dann werde ich drücken.“
„Versprochen?“, fragte sie und ihre großen, verschmitzten Augen wirkten verhangen.
Wow. Das war Talent. Normalerweise besaßen meine Konversationsgegner nicht so viel Kontrolle über ihren Gesichtsausdruck wie ich. Ich war beeindruckt.
„Versprochen.“
„Aua“, murmelte sie, als sie die Hand mit dem blutdurchtränkten Tuch wegnahm. „Verfickter Mistarsch.“
Ich schüttelte erheitert den Kopf. „Und ich dachte, ich sehe mir Ihre Stirn an.“
„Ach, seien Sie still“, murmelte sie.
Ich musste schon wieder über sie grinsen. Ich holte das Desinfektionsmittel und einen Tupfer und reinigte die Umgebung, bis die eigentliche Wunde sichtbar wurde. Höchstens vier oder fünf Stiche waren nötig. „Oh, das sieht überhaupt nicht schlimm aus.“
„Sagt der, der nicht blutet.“ Als Beweismittel hielt sie das Handtuch hoch und zog protestierend einen Mundwinkel nach oben. „Sehen Sie sich das an.“
Ich zuckte mit den Schultern. „Kopfwunden bluten immer sehr stark.“
„Weil sie eine schlimme Sache sind“, sagte sie.
Wegen der Kopfverletzung achtete sie darauf, ihre Augenbrauen nicht zu verziehen, aber ich konnte sehen, dass es sie Mühe kostete. Zwar hatte ich es noch nie beobachtet, aber ungehemmt – davon war ich überzeugt – waren ihre Augenbrauen in der Lage, sich in einen ausgestreckten Mittelfinger zu verwandeln.
„Nur manchmal“, widersprach ich locker.
Die Patientenakte würde das Gespräch bremsen, also überflog ich sie nur, um zu wissen, ob sie irgendwelche wichtigen, lebensbedrohlichen Informationen enthielt, legte sie dann zur Seite und griff nach dem Spritzen- und Nähset. Mit der behandschuhten Hand betupfte ich die Wunde zügig mit einem schnell wirkenden Betäubungsmittel und wartete ein paar Sekunden.
„Ich fange wirklich an, Sie nicht zu mögen“, sagte sie.
„Jetzt erst?“, fragte ich mit einem neckenden Grinsen. „Ich habe nicht mal angefangen, Sie zu mögen.“
„Ich war nur höflich.“
Ich lachte, berührte ihre Stirn, um zu testen, ob sie es spürte. Sie zuckte nicht mal mit der Wimper, also begann ich mit dem Nähen. „Wirklich? Das ist also Ihre höfliche Seite?“
„Ist das Ihre professionelle Seite?“
Ich runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. „Professionell ist so ein schmutziges Wort. Spießig und langweilig. Wer zum Geier will schon professionell sein?“
„Die meisten Ärzte.“
Ich tat so, als müsste ich gähnen. „Lang-wei-lig.“
Plötzlich leuchteten ihre Augen auf, so wie bei allen Leuten, die mich erkannten. Zum ersten Mal stach mich ein blitzartiger Schmerz in der Brust, der nichts mit Aufregung zu tun hatte.
„Oh! Sie sind …“
„Scott Shepard“, sprach ich für sie aus, während ich zweimal in ihre Haut stach.
Sie verengte die Augen, grinste aber gleichzeitig. Die Haut, an der ich arbeitete, bewegte sich leicht, aber die Frau zeigte keinen Schmerz. „Genau. Dr. Scott Shepard.“
„Der bin ich“, stimmte ich lächelnd zu. „Und wie heißen Sie?“
Sie rollte mit den Augen. „Die Lady mit der Kopfwunde.“
„Ihnen ist klar, dass ich nur auf Ihre Akte schauen muss?“ Ich hatte nur hineingesehen, um zu checken, ob Allergien oder andere medizinische Gründe vorlagen, die gegen das Betäubungsmittel sprachen, aber jetzt schien eine gründlichere Prüfung angebracht.
„Ja, aber das würde doch keinen Spaß machen, Dr. Shepard.“
„Okay. Wie soll ich Sie dann nennen?“
„Wie wäre es mit Dank furchtbarem Sex mit einem Kerl mit hochtrabendem Namen blutende Frau?“
Ich lachte kurz, ehe ich mich räusperte und das Gesicht verzog. „Nun, das ist ein bisschen lang. Aber ich schätze, ich kann damit umgehen. Mich würde interessieren, wie man eine Kopfverletzung durch schlechten Sex bekommen kann. Klingt nach einer netten Geschichte.“
„Nein, es ist eine schreckliche Geschichte, die ich nie mehr aufleben lassen will. Nicht mal zu Ihrer Erheiterung.“
„Hmpf, na gut. Hört sich so an, als ob Sie wollen, dass ich nur die Wunde nähe und Sie ansonsten in Ruhe lasse.“
Sie lächelte, und das Lächeln nahm ihr ganzes Gesicht ein. So sehr, dass ich schon dachte, ihre Mundwinkel würden sich gleich so hoch heben, dass sie einen Kreis formten.
„Das wäre nett“, sagte sie.
Ich lachte und war schon wieder total hingerissen.
Jesus, ich hatte lange nicht mehr so viel Spaß an einem Gespräch mit einer Frau gehabt. Ich hatte schon ewig nicht einmal so viel mit einer Frau gesprochen. Normalerweise wurden nur ein paar Begrüßungsworte gewechselt und dann ging es sofort in die Kiste. Woran nichts Falsches war, wenn man meine Ziele verfolgte – eine Nacht voller Spaß und ficken –, aber eben nicht geistig stimulierend.
„So, Sie haben Glück“, sagte ich, machte den letzten Stich und schnitt das Ende des Fadens ab. „Wir sind fertig.“
Allerdings fühlte ich mich ganz und gar nicht fertig. Ich wollte noch nicht fertig mit ihr sein. Leider hatte ich nicht daran gedacht, die Behandlung etwas auszudehnen. Die Unterhaltung mit ihr war zu fesselnd gewesen, um meinem Gehirn noch die Kapazität zu belassen, sich etwas Hinterhältiges auszudenken.
„Super!“, freute sie sich, setzte sich schnell auf und schwang die Beine aus dem Bett.
„Moment mal, langsam, langsam!“ Ich legte eine Hand auf ihre Schulter. „Vorsichtig, Sexopfer. Ich muss noch den Papierkram erledigen und Sie offiziell entlassen.“
„Aber dann werden Sie meinen Namen sehen“, sagte sie.
Das hätte sich seltsam anhören können, aber bei ihr klang es nach Flirten. Bezaubert von ihrem coolen und geistreichen Auftreten und den süßen Rundungen ihrer Brüste, ging ich mit Freuden darauf ein. „Ich werde nicht auf Ihren Namen sehen“, versprach ich.
Und das würde ich auch nicht.
Zumindest nicht, solange sie noch hier war. Je nachdem, wie schief meine moralische Kompassnadel momentan hing, würde ich mir anschließend vielleicht sogar ihre Telefonnummer ansehen. Und dieser Schurke von Nadel deutete in den seltensten Fällen sauber nach Norden.
Harlow
Noch ehe ich die Augen öffnete, standen zwei Dinge fest. Erstens hätte ich das Handy stummschalten sollen, und zweitens fühlte sich mein Gesicht an, als ob ich ein Lifting ohne Betäubung bekommen hätte. Zumindest stellte ich mir das Gefühl so vor.
Ich hatte keine Ahnung, wie spät es war, aber so, wie die Sonnenstrahlen versuchten, mein Schlafzimmer in Flammen zu setzen, war es bestimmt schon nach neun. Was nach den gestrigen Ereignissen verdammt viel zu früh war, um strahlend aufzustehen.
Als mich die Müllabfuhr vor meinem Apartment in SoHo mit ihren Müllzerquetschungskräften beschallte, stöhnte ich laut und öffnete die Augen. Trotz der wunderbaren Sonnenstrahlen sah die Welt auch nicht schöner oder optimistischer aus. Das grelle Licht verführte eher dazu, weiterzuschlafen. Noch dreißig Sekunden und ich hätte genau das getan, doch das Handy zwitscherte erneut. Oh Gott, wer rief mich denn jetzt an?
Ich hatte den Tag noch nicht einmal angefangen, und schon war ich kein Fan von ihm. Ich rollte mich auf die Seite, nahm das Handy vom Nachttisch und drückte heftig auf das grüne Icon, um den Anruf entgegenzunehmen.
„Hör auf“, murmelte ich ins Handy. „Ruf. Mich. Nicht. An.“
„Oh, so schlimm?“
Amandas leicht amüsierte Stimme drang in mein Ohr. Ich seufzte genervt. Meine beste Freundin war ein Morgenmensch. Und obwohl mir Morgen sonst nichts ausmachten, bedeuteten ein paar Stunden in der Notaufnahme, um mein Gesicht nähen zu lassen, nachdem mich mein Date gegen sein Kopfteil geschmettert hatte, ohne einen sexy Abschluss des Abends, keinen glücklichen Start in den Tag. Ich sollte eine Möglichkeit finden, mich von der Außenwelt abzuschotten und die nächsten zweiundsiebzig Stunden in einer Art Winterschlaf zu verbringen.
„Oh, hallo Verräterin. Nur zu deiner Info, du hast mich gestern den Furchtbares-erstes-Date-Wölfen zum Fraß vorgeworfen.“
„Wie bitte?“ Sie lachte auf. „Wieso war dein furchtbares Date meine Schuld?“
„Weil du mir nicht geholfen hast, da wegzukommen!“
„Komm schon, Low. Es war einfach lächerlich. Du hast mich verdammt noch mal darum gebeten, eine Bombendrohung in dem Restaurant zu loszulassen.“
Das hatte ich doch zurückgenommen, verflucht. „Ich brauchte nur einen vorgetäuschten Notfall. Aber da du dich geweigert hast, deiner besten Freundin zu helfen, bin ich gestern Nacht in der Notaufnahme eines Krankenhauses gelandet, vielen Dank auch.“
„Was?“, rief sie. „In der Notaufnahme? Oh mein Gott! Geht es dir gut?“
„Nur eine kleine Kopfverletzung, die ein paar Stiche brauchte, keine große Sache.“
„Keine große Sache?“, rief sie aus. „Was ist denn passiert?“
„Sagen wir’s mal so: Falls du jemals in das Schlafzimmer eines Kerls kommst, an dessen Bett das Kopfteil aus Glaskristallen ist, als ob er Don-Fucking-Corleone wäre, lass dich nicht auf Sex in seinem Bett ein. Du könntest am Ende auf seine kostbaren, weißen Laken bluten, nachdem er dich aus Versehen dagegen gerammt hat.“
„Heilige Scheiße, Low! Du bist beim Sex verletzt worden?“
„Es wäre nett, wenn das Gespräch deinerseits nicht immer mit einer Frage enden würde. Und wir müssen das wirklich nicht alles besprechen. Mir geht es gut. Allen geht es gut, was nicht dein Verdienst ist!“
Es herrschte einen Moment Totenstille, und dann füllte Amandas Gegacker die Leere. Sie fing langsam an und steigerte sich zu einem viel zu lauten, atemlosen Lachen.
Ich verzog das Gesicht. Mein Kopf war noch nicht bereit für solch einen Lärm. „Hör auf zu lachen, blöde Kuh! So witzig ist das nicht.“
„Oh mein Gott, doch, das ist es“, widersprach sie und schnaubte. „Ich kann nicht glauben, dass du einen Sexunfall hattest.“
„Als beste Freundin bist du furchtbar.“
„Hey, also …“ Sie war nur ein bisschen beleidigt. „Schließlich hab ich mich erst erkundigt, wie es dir geht, bevor ich den Grund deiner Verletzung witzig fand. Mann, ich kann nicht glauben, dass dich Barron, der Langweiler in die Notaufnahme gefickt hat.“
„Moment mal … Barron, der Langweiler? Das klingt nach einem etablierten Spitznamen.“
„Äh …“
„Hast du gewusst, dass er langweilig ist, bevor du mich mit ihm verkuppelt hast?“
Amanda hatte es sich zum Ziel gesetzt, einen Mann für mich zu finden, mit dem ich sesshaft werden konnte. Offensichtlich war alle Mühe vergebens. Ich würde mich nie sesshaft werden und hatte mich nur auf das Date eingelassen, weil mein Verlangen nach einem Penis außer Kontrolle geraten war.
„Äh …“, machte sie erneut.
„Amanda Marie“, sagte ich in meiner besten Mutter-Stimme. „Erzähl mir sofort die Wahrheit.“
Stille.
Diese doppelzüngige Schlange. Sie hatte gewusst, dass Barron so aufregend war wie eine Schüssel Haferflocken und hatte trotzdem dieses Höllen-Date arrangiert.
„Ich leg jetzt auf“, murmelte ich als Warnung, ehe ich es tat. Ich tippte auf das rote Icon und warf das Handy auf das Bett neben mich.
Amanda: Ich hab dich lieb.
Ich: Nein, hast du nicht.
Amanda: Doch. Leute mit verschiedenen Persönlichkeiten kommen oft gut miteinander aus, Low. Ich dachte wirklich, bei euch besteht eine Chance.
Ich seufzte schwer.
Ich: Du lachst immer noch, oder?
Amanda: Yep.
Ich: Ich brauche eine neue beste Freundin.
Amanda: Du musst nur deiner Freundin die detaillierte Version deiner Sexkapaden von gestern erzählen. Und ich muss dich warnen, wenn du nach einer neuen besten Freundin suchst. Du machst nicht gerade einen guten ersten Eindruck.
Ich: Hey!
Amanda: #tutmirleidNICHT
Sie war wirklich eine Bitch. Sie hatte Glück, dass ich das an einer Freundin mochte.
Amanda: Details?
Ich seufzte erneut. Dieses viele Tiefdurchatmen machte mich müde.
Ich: Es war nichts Aufregendes. Barron versuchte sich am schlechtesten Oralsex in der Geschichte des Oralsex, und wir gingen zum normalen Sex über. Und während dem Sex – der überraschenderweise gar nicht so schlecht war – drehte er mich auf den Bauch und rammte mich gegen das Kopfteil. Und dieses Mistding bestand aus Glaskristallen. Ich lerne daraus, dass Glaskristalle und Stirnen nicht zueinander passen.
Amanda: Wieso zum Geier ist das Ding aus Glaskristallen?
Ich: Gute Frage.
Amanda: Was für ein Spinner. Ich gebe zu, dass es zum Kreischen ist, aber ich bin froh, dass es dir gut geht. Nimm Schmerzmittel, Koffein und ruf mich später an.
P.S.: Ich brauche deine Hilfe beim Packen! Echt jetzt, wie packt man für eine Europareise, wenn man nur einen Koffer hat? Das ist unmöglich. Hilf mir!