JhanaVerlag im Buddha-Haus
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Die englische Originalausgabe erschien 1987 unter dem Titel:
Being Nobody, Going Nowhere
bei Wisdom Publications, Boston, USA
© 1987 by Ayya Khema
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar
Die deutsche Erstausgabe erschien 1998 bei O.W.BarthVerlag.
Textgrundlage dieses eBooks ist die gedruckte Version des gleichnamigen Titels.
Print-ISBN 978-3-931274-63-4
eBook-ISBN 978-3-931274-64-1
eBook-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim
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Copyright eBook: © Jhana Verlag, Uttenbühl 2018
© der überarbeiteten Neuausgabe by JhanaVerlag, Uttenbühl 2018
Alle Rechte vorbehalten.
Das Werk darf, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden. Dies gilt auch für die Vervielfältigung, Übersetzungen, Microverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen.
Titelfoto: Nomi Baumgartl
Cover, Layout und Satz: Claudia Wildgruber
Lektorat und Korrektorat: Bärbel Wildgruber
Druck: Druckerei Steinmeier GmbH, Deiningen
Vorwort
1 | Das Warum und Wie der Meditation
2 | Meditation beeinflusst unser Leben
3 | Ruhe und Einsicht
4 | Vier Freunde
5 | Die fünf Hindernisse
6 | Karma und Wiedergeburt
7 | Die Lehrrede über die Liebende Güte
8 | Vier Arten von Glück
9 | Die fünf Daseinsgruppen
10 | Die zehn Vollkommenheiten
11 | Die Vier Edlen Wahrheiten und der Edle Achtfache Pfad
12 | Ein neuer Anfang
Meditation der Liebenden Güte
Glossar
Anmerkungen
Dies ist ein einfaches Buch für ganz gewöhnliche Menschen, die zu mehr Glück und Zufriedenheit finden wollen, indem sie einem spirituellen Weg folgen. Der Weg des Buddha ist einfach, und er ist für gewöhnliche Menschen gedacht. Wer über guten Willen und Entschlossenheit verfügt, kann diesen Weg zur Freiheit des Herzens und des Geistes beschreiten. Herz und Geist müssen an dieser Reise zur Befreiung vom Ich beteiligt sein. Der Geist versteht und kommt zu Schlussfolgerungen, verbindet und unterscheidet. Das Herz hingegen empfindet.
Sind unsere Empfindungen von emotionalen Reaktionen frei und voller Liebe und Mitgefühl, wird unser Geist für die großen Wahrheiten von universaler Bedeutung offen sein. Je mehr wir uns auf diese Wahrheiten beziehen, desto näher werden wir der spirituellen Befreiung kommen. Hoffentlich kann dieses Buch Ihnen einige Schritte weit den Weg gemäß der Lehre des Buddha weisen und damit die Reise erleichtern.
Ein zehntägiger Meditationskurs in Sri Lanka war Anlass für die hier veröffentlichten Ausführungen. Zwar erscheint das Buch unter meinem Namen. Doch ohne die Mithilfe vieler anderer hätte es niemals zustande kommen können. Den Teilnehmern dieses Kurses verdanke ich viele Anregungen, und zahlreiche Themen, die hier angesprochen werden, gehen auf ihre Fragen zurück. Stanley Wijegunawardena war der Organisator des Kurses, und ohne ihn wäre dieses Buch nicht möglich gewesen.
Barbara Raif übertrug die Bänder, und Schwester Sanghamittā tippte die erste Version. Schwester Vayāmā las Korrektur. Katja und Amara kümmerten sich um mein physisches Wohlbefinden. Helga massierte mich und gab mir moralische Unterstützung.
Alle, die mich in Sri Lanka unterstützt haben, besonders Mr. Arthur de Silva, machten es mir möglich, mich in Ruhe und Frieden diesem Buch zu widmen.
Wie kann ich meine Dankbarkeit zeigen? Wenn dieses Buch nur einem einzigen Menschen den Weg zur Freiheit weist, so ist dies reicher Lohn für alle Mühe.
Ayya Khema,
im Oktober 1985 auf Parappuduwa Nuns Island,
Dodanduwa, Sri Lanka
Warum ist Meditation so wichtig? Dass sie wichtig ist, habt ihr offenbar festgestellt, sonst wärt ihr nicht hier. Ich möchte betonen, dass Meditation nicht einfach eine weitere Freizeitbeschäftigung, sondern unverzichtbar für unser Wohlergehen ist. Zu den Absurditäten des menschlichen Daseins gehört, dass wir ständig über die Vergangenheit oder die Zukunft nachdenken. Junge Leute denken an die Zukunft, weil sie den Großteil ihres Lebens noch vor sich haben. Die Älteren denken mehr an die Vergangenheit, weil sie den größeren Teil des Lebens hinter sich haben. Um wirklich zu leben, müssen wir jedoch jeden Augenblick erleben. Das Leben findet nicht in der Vergangenheit statt – das ist Erinnerung. Wir leben auch nicht in der Zukunft. Das sind Pläne. Wir können nur in diesem Augenblick leben, und so absurd es scheinen mag – genau das müssen wir lernen. Als Menschen mit Lebensspannen von sechzig bis achtzig Jahren müssen wir lernen, tatsächlich in der Gegenwart zu leben. Wenn wir das lernen, haben wir ein Großteil unserer Probleme behoben.
So leicht es klingt, so schwer ist es. Jeder, der es versucht hat, weiß das. Wer es noch nicht probiert hat, wird es sicherlich noch feststellen. So eine einfache Aufgabe – und überhaupt nicht leicht zu lösen. Allein durch Meditation können wir lernen, in der Gegenwart zu leben. Sie hat aber auch noch weitere hilfreiche Aspekte.
Wir alle sind imstande, unseren Körper zu pflegen. Wir waschen uns mindestens einmal am Tag, wenn nicht öfter. Wir tragen saubere Kleidung. Nachts gönnen wir dem Körper Ruhe. Jeder besitzt ein Bett. Wir könnten den Belastungen des Alltags nicht standhalten, wenn wir uns nicht ausruhen würden. Wir haben ein Haus, um uns vor Regen, Wind, Sonne, Hitze und Kälte zu schützen. Sonst wäre mit uns nicht viel anzufangen. Wir geben dem Körper gesunde Nahrung – essen nicht einfach irgendetwas – und sorgen für Bewegung. Zumindest gehen wir. Täten wir das nicht, würden unsere Beine verkümmern, und wir könnten sie nicht mehr benutzen.
Genauso müssen wir für den Geist sorgen. Tatsächlich ist das noch viel wichtiger. Denn der Geist ist der Herr, der Körper hingegen nur der Diener. Der allerbeste Diener, mag er auch jung, energiegeladen und stark sein, kann nicht zufriedenstellend arbeiten, wenn er einen schwachen Herrn hat. Der Herr muss den Diener anleiten. Selbst wenn der Diener nicht allzu leistungsfähig und regsam ist, wird ein Haushalt mit einem gescheiten und fähigen Vorstand doch ordentlich funktionieren.
Geist und Körper sind unser Haushalt. Wenn jedoch dieser innere Haushalt nicht in Ordnung ist, wie kann es dann der äußere sein? In was für einem Haushalt wir leben und arbeiten, hängt davon ab, wie wir den inneren Haushalt in Ordnung gebracht haben. Der Herr, der die Verantwortung trägt, muss in bestmöglicher Verfassung sein.
Nichts im gesamten Universum ist mit dem Geist vergleichbar oder dazu imstande, seine Aufgaben zu übernehmen. Alles ist vom Geist geschaffen. Dennoch halten wir unseren Geist für ganz selbstverständlich. Das ist absurd. Niemand betrachtet den Körper als selbstverständliche Gegebenheit. Wird dieser Körper krank, dann rennen wir ganz schnell zum Arzt. Wird er hungrig, geben wir ihm Nahrung. Wird er müde, sorgen wir dafür, dass er sich ausruht. Wie ist das nun aber mit dem Geist? Nur der Meditierende trägt Sorge für den Geist.
Für den Geist Sorge zu tragen ist absolut notwendig, damit das Leben an Tiefe und Inspiration gewinnt. Sonst bleibt es zweidimensional. Die meisten Menschen verbringen ihr Leben in der Vergangenheit und in der Zukunft, zwischen «gut» und «schlecht», «ich mag» und «ich mag nicht», «ich will haben» und «ich will nicht haben», «das ist mein» und «das ist dein». Erst durch die Schulung des Geistes können wir weitere Dimensionen erfahren. Als Erstes kommt der «Hausputz»: Wir müssen den Geist reinigen und ihn sauber halten. Und das nicht nur ein- oder zweimal am Tag, wie wir es mit dem Körper zu tun gewohnt sind, sondern in jedem wachen Augenblick. Damit wir dies tun können, müssen wir erst lernen, wie es geht. Mit dem Körper ist es ganz einfach: Wir verwenden Wasser und Seife. Das haben wir schon als kleine Kinder so gelernt. Der Geist kann jedoch nur durch den Geist gereinigt werden. Was der Geist angenommen hat, kann er auch wieder hergeben. Eine Sekunde der meditativen Sammlung ist eine Sekunde der Reinigung, weil der Geist glücklicherweise nur jeweils eine Sache erledigen kann. Obwohl wir – wie der Buddha sagte – bei einem einzigen Wimpernschlag dreitausend Geistesblitze haben können, ist dies selten der Fall und vor allem haben wir sie nicht alle gleichzeitig. Geistesblitze können zwar schnell aufeinanderfolgen – aber immer einer nach dem anderen.
Wenn wir konzentriert sind, können die fünf Hindernisse (siehe Seite 69) nicht auftreten, weil der Geist immer nur eines nach dem anderen bewältigen kann. Wenn wir uns dann länger konzentrieren können, wird der Geist allmählich von seinen Verunreinigungen befreit.
Unser Geist, dem im gesamten Universum nichts gleichkommt, ist unser einziges Werkzeug. Normalerweise würden wir ein hochwertiges Werkzeug instand halten und pflegen. Wir würden es polieren und keinen Rost ansetzen lassen. Wir würden es schärfen, ölen und es von Zeit zu Zeit ruhen lassen. Und nun verfügen wir über dieses wundervolle Werkzeug, mit dem man alles erreichen kann – bis hin zur Erleuchtung – und es liegt ganz allein an uns, dass wir lernen, pfleglich mit ihm umzugehen. Es würde sonst einfach nicht gut funktionieren.
Wir lernen in der Meditation, alles beiseite zu lassen, wovon der Geist frei sein soll, und ihn nur auf den Meditationsgegenstand zu richten. Mit wachsender Geschicklichkeit werden wir fähig, Entsprechendes auch im Alltag zu tun und alle Gedanken, die nicht heilsam sind, loszulassen. Auf diese Weise unterstützt uns die Meditation im Lebensalltag, und gleichzeitig vertieft sich unsere Meditation. Ein Mensch, der seine Gedanken meistert und nur noch das denkt, was er denken will, wird ein Arahant, ein Erleuchteter.
Wir dürfen nicht überrascht sein, dass wir es nicht immer schaffen, die Gedanken loszulassen. Sicher wird es aber von Zeit zu Zeit gelingen. Es ist eine ungeheure Erleichterung und Befreiung, wenn es uns gelingt – und sei es nur für einen kleinen Augenblick –, das zu denken, was wir wirklich denken wollen. Wir sind dann Herr unseres Geistes, statt von ihm beherrscht zu werden. In das ständige Hin und Her unserer Gedanken, seien diese nun gut oder übel, verwickelt zu sein – davon müssen wir loszukommen lernen, um uns auf einen einzigen Meditationsgegenstand konzentrieren zu können.
Der zweite Schritt ist die Übung des Geistes. Ein ungeübter Geist ist unstet und flatterhaft, hastet von einer Sache zur anderen, ohne verweilen zu können. Wahrscheinlich hat schon jeder die Erfahrung gemacht, beim Lesen eines Buches am Ende der Seite noch einmal von vorne beginnen zu müssen, um das Gelesene zu verstehen. Manchmal muss man den Geist dazu bringen, sich auf einen Punkt zu konzentrieren, als trainiere man Liegestütz oder Gewichtheben. Kraft wird durch ständige Übung erworben, und so muss auch der Geist dazu angehalten werden, genau das zu tun, was er tun soll, ruhig zu sein, wenn er ruhig sein soll.
Dies stärkt den Geist auch deshalb, weil es mit Entsagung, mit Loslassen zu tun hat. Wir alle, die wir keine Arahants sind, haben ein ziemlich großes Ego. Das «Ich-und-Mein-Syndrom» und die «Das-gehört-mir-und-nicht-dir-Haltung» ruft alle Probleme dieser Welt hervor. Bestätigung können wir unserem Ego nur dadurch geben, dass wir denken, reden, lesen, uns Filme ansehen, den Geist im Sinne des Ego einsetzen. Die große Entsagung, die durch Meditation herbeigeführt wird, ist das Loslassen aller Gedanken. Ohne Gedanken kann das Ego keine Bestätigung erhalten.
Anfangs werden wir nur kurzzeitig fähig sein, die Gedanken loszulassen, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Auf dem spirituellen Weg geht es allein um das Loslassen. Es gibt nichts zu erreichen oder zu gewinnen. Diese so oft gebrauchten Worte sind lediglich ein Ausdrucksmittel. In Wirklichkeit ist der spirituelle Weg ein Weg des Loslassens, des Aufgebens von all dem, was wir uns so mühsam aufgebaut haben. Das schließt Besitz ein, Ideen, Gewohnheiten, Glaubensmuster und Gedankenfolgen. Wir tun uns schwer, in der Meditation das Denken abzustellen, weil es Loslassen bedeutet und unser Ego reduziert. Wenn es zum ersten Mal geschieht, dann reagiert der Geist sogleich mit einem: «Oh, was war denn das?» Und schon denken wir wieder.
Durch die Möglichkeit, den Geist auf einen Punkt zu konzentrieren, entwickeln wir geistige Fähigkeiten, gewinnen Kraft und Stärke. Die Lehre des Buddha reicht außerordentlich tief, und nur der außerordentlich tiefgründige Geist kann ihre innere Bedeutung tatsächlich verstehen. Zu diesem Ziel muss die Schulung unseres Geistes hinführen.
Körperkraft erlaubt uns, körperliche Leistungen zu vollbringen. Die Kraft des Geistes ermöglicht uns das Gleiche auf geistigem Gebiet. Ein starker Geist leidet nicht unter Langeweile, Frustration, Depression oder Kummer – was er nicht will, das hat er loszulassen gelernt. Meditationspraxis verschafft uns die dazu nötigen Fähigkeiten.
Der Geist, das wertvollste Werkzeug des Universums, braucht aber hin und wieder Ruhe. Wir haben schon gedacht, als wir noch ganz kleine Kinder waren – und ungezählte Leben davor. Wir denken den ganzen Tag und träumen jede Nacht. Keinen Augenblick gibt es Ruhe. Wir mögen Urlaub machen – und was geschieht dann? Der Körper macht Urlaub. Er begibt sich an den Strand, in die Berge oder in ein anderes Land. Was aber ist mit dem Geist? Statt wie daheim an die Arbeit zu denken, denkt man jetzt an die Aussicht, an die Geräusche und Gerüche, die man an diesem neuen Ort vorfindet. Der Geist hat keinen Urlaub. Er beschäftigt sich lediglich mit etwas anderem.
Würden wir dem Körper keine Nachtruhe gönnen, dann würde er nicht mehr lange funktionieren. Auch unser Geist benötigt Ruhepausen. Der Schlaf verschafft sie ihm nicht. Erholen kann sich der Geist lediglich in der Zeit, da er zu denken aufhört und in bloßer Erfahrung verweilt. Eins der Sinnbilder für den Geist ist das der leeren Projektionswand, auf der pausenlos ein nicht endender Film abläuft. Da dieser Film – die Gedanken – dauernd läuft, vergisst man, dass eine Leinwand vorhanden sein muss, auf die er projiziert wird.
Stellen wir diesen Film in der Meditation für einen Augenblick ab, dann können wir die grundlegende Reinheit des Geistes erfahren. Das ist ein segensreicher Augenblick. Ein Moment, der jene Art von Glück schenkt, das nichts und niemand sonst uns vermitteln kann. Ein von äußeren Umständen völlig unabhängiges Glück – nicht unbedingt, sondern allein durch Konzentration bedingt. Es ist nicht abhängig von gutem Essen, angenehmem Wetter, Unterhaltung oder von anderen Menschen. All dies ist völlig unzuverlässig, und man kann nicht darauf vertrauen, weil es sich unablässig ändert. Innere Sammlung ist zuverlässig, sofern man sich ständig darin übt.
Wenn wir für einen Moment aufhören können, alles in Worte zu fassen, stellt sich ein Gefühl von Zufriedenheit ein. Der Geist hat schließlich nach Hause gefunden. Wir wären gar nicht glücklich, wenn wir für unseren Körper kein Zuhause besäßen. Genauso wenig können wir glücklich sein, wenn der Geist kein Zuhause hat. Dieser ruhige, friedvolle Raum ist das Zuhause des Geistes. Er kann heimgehen und sich ausruhen, genauso, wie wir es nach einem harten Arbeitstag tun, wenn wir den Körper in einem Sessel oder im Bett ruhen lassen. Jetzt kann auch der Geist entspannen. Er muss nicht unentwegt denken. Denken bedeutet leiden, ganz gleich, was man denkt. Denn es beinhaltet Bewegung, und diese erzeugt Reibung. Alles, was sich bewegt, ruft Reibung hervor.
In dem Augenblick, in dem wir den Geist entspannen und ihn zur Ruhe kommen lassen, gewinnt er neue Kraft und erlebt ein Glücksgefühl, weil er weiß, dass er jederzeit nach Hause zurückkehren kann. Das in der Meditation erfahrene Glück begleitet uns durch den Alltag, weil der Geist weiß, dass nichts ihn daran hindern kann, wieder nach Hause zurückzukehren, um dort Ruhe und Frieden zu finden.
Das sind die wichtigsten Gründe dafür, weshalb das Leben ohne Meditation keine Erfüllung bietet. Es mag äußere Bedingungen mit sich bringen, die erfreulich sind. Doch jene Erfüllung, die wir aus den uns innewohnenden Möglichkeiten gewinnen können, reicht viel weiter. Loslassen schenkt Einsicht: Insbesondere begreifen wir, dass das Ego dauernd Wünsche hat und darum auch immer denken will. Hat das Ego keine Wünsche mehr, dann hört auch das Denken auf. Darum sollten wir meditieren. Nun wollen wir uns das «Wie» der Meditation ansehen.
Wir wenden unsere Aufmerksamkeit dem Ein- und Ausatmen zu. Am besten können wir es an den Nasenflügeln wahrnehmen. Atem ist Wind, und wenn er die Nasenflügel streift, empfinden wir etwas. Diese Empfindung hilft uns, genau auf diesen Punkt zu achten. Anfangs fällt uns das schwer.
Atem bedeutet Leben, und so ist er aus verschiedenen Gründen ein idealer Meditationsgegenstand: Wir haben ihn immer bei uns und können ihn nicht einfach irgendwo liegenlassen. Außerdem halten wir ihn für selbstverständlich. Wir beachten ihn erst, wenn wir ihn kurz verlieren, weil wir uns verschluckt haben, weil wir zu ertrinken oder zu ersticken drohen. Dann wird der Atem auf einmal ganz wichtig. Solange wir frei über ihn verfügen, denken wir nicht weiter über ihn nach, obwohl er im wahrsten Sinne des Wortes Leben bedeutet. Und das ist uns doch das Teuerste überhaupt. Der Atem ist ganz eng mit dem Geist verbunden. Wenn jemand aufgeregt ist oder es eilig hat, dann geht der Atem schnell. Wird der Geist still und ruhig, dann wird es der Atem auch. Wird der Atem so leicht, dass wir ihn fast nicht mehr bemerken, dann treten wir in einen Zustand der Sammlung ein. Um uns darin zu schulen, machen wir den Atem zum Meditationsgegenstand. Der Atem ist die einzige Körperfunktion, die diesen Doppelcharakter hat: Er ist einerseits selbstregulierend, andererseits bewusst regulierbar. Wir können ihn vertiefen, verlängern, verkürzen und sogar für einige Zeit anhalten.
Es existieren noch viele andere Methoden, den Atem zu beobachten. Wir können dem Atem so weit nach innen und nach außen folgen, wie wir ihn wahrnehmen können. Macht nichts Besonderes aus eurem Atem, folgt ihm einfach. Das erweitert unsere Aufmerksamkeit, und wir brauchen uns nicht in dem Maß zu konzentrieren wie bei der Wahrnehmung des Atems an den Nasenflügeln.
Ihr könnt auch zusätzlich zum Atem noch ein Wort verwenden. «Buddho» zum Beispiel. Beim Einatmen «Bud», beim Ausatmen «dho». Den Ein- und Ausatem mit je einer Silbe verbinden, das ist für jene Menschen sehr hilfreich, denen der Ausdruck «Buddho» etwas bedeutet.
Ihr könnt auch zählen: Eins beim Einatmen, eins beim Ausatmen. Zwei beim Einatmen, zwei beim Ausatmen. Zählt mindestens bis fünf und höchstens bis zehn. Seid ihr bei zehn angelangt, dann beginnt wieder bei eins. Jedes Mal, wenn der Geist anfängt abzuschweifen, beginnt erneut bei eins. Es macht nichts, wenn ihr am Anfang über eins nicht hinauskommt.
Ein Geist gleicht dem anderen. Ihr müsst nicht denken: «Ich bin dazu besonders ungeeignet.» Wer ist denn dieses Ich? Es handelt sich hier um einen ungeübten Geist im Unterschied zu einem geübten. Jeder, der an einem Marathonlauf teilnimmt, kann gut und schnell laufen, wenn er eifrig trainiert. Anzunehmen, man könne ohne Übung ausdauernd und schnell laufen, wäre töricht.
Zählen, «Buddho», Beobachten des Ein- und Ausatmens – aus all diesen Möglichkeiten solltet ihr diejenige auswählen, die euch am besten liegt. Ihr solltet dann aber dabeibleiben. Bringt eure Beine in eine Position, die ihr eine Zeitlang beibehalten könnt. Der Rücken sollte gerade, aber entspannt sein. Schultern, Magen und Nacken sollten ebenfalls entspannt sein. Wenn ihr merkt, dass ihr nach vorne sinkt, dann richtet euch wieder auf. Das Gleiche gilt für den Kopf. Wird euch bewusst, dass der Kopf sich senkt, dann hebt ihn. Jedes Vornübersinken deutet auf Schläfrigkeit oder zumindest auf Trägheit hin – und somit auf das genaue Gegenteil von Meditation. Meditation verlangt totales Gewahrsein.
Wahrscheinlich wird euer Geist nicht beim Atem verweilen wollen, wie sehr ihr es auch versucht. Der Geist wird euch nicht gehorchen, solange ihr ihn nicht einige Jahre geübt habt. Der Film der Gedanken wird immer da sein. Ihr könnt so damit umgehen, dass ihr jeden Gedanken schnell etikettiert. Wenn euch das zu schwierig ist, benennt sie nur kurz: «Denken», «Verwirrung», «Erinnerung», «Planung», «Unsinn» – wie auch immer. In dem Augenblick, in dem ihr die Gedanken etikettiert, tretet ihr einen Schritt zurück und beobachtet. Gelingt euch das nicht, dann bleibt ihr der Denker und seid total abgelenkt. Ihr macht euch vielleicht Sorgen um die Katze, die im Schlafzimmer eingesperrt ist, oder um die Kinder, die ihr Abendbrot brauchen. Woran ihr auch denkt, ihr macht euch Sorgen, und euer Geist hat auch gleich die passende Erklärung, indem er sagt: «Aber daran muss ich doch denken.» Während der Meditation müssen wir an gar nichts denken. Das Leben geht weiter, auch wenn wir nicht daran denken.
Tauchen Gedanken auf, beobachtet und benennt sie. Ob das Etikett zutrifft oder nicht spielt keine Rolle. Jede Etikettierung während der Meditation bedeutet, dass wir den dazugehörigen Gedanken fallen lassen sollen. Habt ihr gelernt, in der Meditation zu etikettieren, dann könnt ihr auch im täglichen Leben die Gedanken als heilsam, nützlich, hilfreich oder dergleichen benennen. Ist ein Gedanke nicht hilfreich oder heilsam, dann könnt ihr ihn loslassen. Ihr lernt, das zu denken, was ihr denken wollt. Und wer das beherrscht, wird nie wieder unglücklich sein. Nur ein Narr wird freiwillig unglücklich sein.
Darin liegt der Nutzen des Benennens im Alltagsleben. Aber in der Meditation bedeutet Etikettieren, dass man achtsam geworden ist. Bei dieser Übung geht es einzig und allein um Achtsamkeit.
Der Buddha hat gesagt: «Der einzige Weg zur Läuterung von Wesen, zur Auflösung von Unzufriedenheit, zum Betreten des Edlen Achtfachen Pfades, zum Erreichen von Leidensfreiheit ist Achtsamkeit.» Zu wissen: ich denke; ich meditiere nicht; ich bin besorgt; ich bin beängstigt; ich träume von der Zukunft; ich hoffe; ich wünsche – das gilt es lediglich zu erkennen und dann zum Atem zurückzukehren. Habt ihr während der Meditation tausend Gedanken, dann verseht sie mit tausend Etiketten. Das ist der Weg zu wirklicher Achtsamkeit: Den Denkprozess ebenso zu kennen wie den Inhalt der Gedanken. Das sind die Grundlagen für Achtsamkeit im Alltag – der einzige Weg zur Freiheit, wenn sie tatsächlich geübt werden.
Es werden auch Empfindungen des Unbehagens auftauchen, weil der Körper sich in einer ungewohnten Position befindet, hauptsächlich aber, weil wir den Körper ruhig zu halten versuchen. Der Körper mag es gar nicht, über einen längeren Zeitraum ruhig zu sein. Selbst wenn man eine ganz teure Matratze hat und gut schläft, bewegt sich der Körper viele Male im Laufe der Nacht. Er will nicht in ein und derselben Position verharren, sondern jegliches Unbehagen beheben. Der Körper fühlt sich unbehaglich, und darum bewegt er sich, obwohl der Geist im Schlaf nur vage bei Bewusstsein ist. Wenn wir sitzend meditieren, dann geschieht genau dasselbe. Statt sofort zu versuchen, die Position zu verändern, wie es nun mal die gewohnheitsmäßige, spontane und impulsive Reaktion auf eine unbequeme Position ist, solltet ihr die Situation prüfen. Werdet gewahr, worauf diese Empfindung beruht. Ihr steht in Kontakt mit dem Sitzkissen und dem Boden. Der Kontakt ruft die Empfindung hervor. Die Empfindung löst die Reaktion aus. Dies hält uns übrigens auch im Kreislauf von Geburt und Tod gefangen. Unsere Reaktionen auf unsere Empfindungen sind der Schlüssel zur Wiedergeburt.
Es gibt nur drei Arten von Empfindungen: angenehme, neutrale und unangenehme. «Das jetzt ist unangenehm», sagt uns der Geist. «Das ist ein unangenehmes Gefühl, (Schmerz). Ich mag das gar nicht und will es loswerden!» So leben wir jeden einzelnen Tag unseres Lebens. Vor allem, was sich unangenehm anfühlt, fliehen wir, wir unterdrücken es oder versuchen es zu ändern. Wir tun alles, um unsere Empfindungen von Unbehagen loszuwerden. Doch es gibt keinen Weg, ihnen zu entrinnen, solange wir nicht unseren Wünschen entronnen sind. Was wir auch mit unserem Körper tun, wie wir ihn bewegen, irgendwann wird er sich wieder unbehaglich fühlen, weil wir uns stets nach Behaglichkeit sehnen. Beobachtet die Abfolge von Berührung, Empfindung, Reaktion: «Das ist Schmerz. Ich möchte ihn loswerden.» Statt den Schmerz zu verdrängen, solltet ihr eure volle Aufmerksamkeit auf die Stelle lenken, an der die Empfindung auftritt, und euch darüber klarwerden, dass sie der Veränderung unterliegt. Die Empfindung wird entweder ihre Intensität oder ihre Position verändern. Ihr könnt gewahr werden, dass Bewegung in ihr ist. Sie hat keinen festen Bestand.
Werdet gewahr, dass der Körper kein Leid hat, sondern Leid ist. Erst dann können wir damit beginnen, die Wirklichkeit des menschlichen Leids zu verstehen. Es ist nicht so, dass wir uns ab und zu unbehaglich fühlen, sondern dieser Körper besteht aus Leid. Er kann nicht stillsitzen oder -liegen, ohne Unbehagen zu empfinden. Erkennt die Unbeständigkeit. Erkennt, dass es für den Körper keine dauerhafte Befriedigung geben kann. Erkennt, dass Empfindungen unaufgefordert auftauchen. Warum sie also «meine» nennen? Zieht aus den unangenehmen Empfindungen eure Lehren, und bewegt euch dann, wenn es unbedingt nötig ist – aber bewegt euch nicht unüberlegt. Bewegt euch erst, nachdem ihr geprüft habt, warum ihr es tut. Bewegt euch so behutsam und achtsam, dass es weder euch selbst noch euren Nachbarn stört.
Wenn ihr die Zähne zusammenbeißt und denkt: «Ich bleibe sitzen, koste es, was es wolle», ruft das eine Abneigung gegen die Gesamtsituation – und somit gegen die Meditation – hervor. Diese Reaktion wäre genauso falsch wie das impulsive Bewegen. Im ersten Fall handelt es sich um Begierde nach Bequemlichkeit und im zweiten um Ablehnung des Unbehagens. Das sind die beiden Seiten derselben Medaille. Das einzig Sinnvolle ist Einsicht in uns selbst und in die eigenen Reaktionen – das bringt Resultate. Arbeitet mit den Gedanken und Empfindungen, so wie sie auftauchen. Achtet darauf, wie unbeständig beide sind. Sie tauchen auf und verschwinden. Warum nennt ihr sie dann eure? Habt ihr sie darum gebeten aufzutauchen? Sicher nicht. Tatsächlich wolltet ihr doch meditieren. Und doch sind so viele Gedanken da. Gehören sie zu euch? Ist das kein Leid?
Vergänglichkeit, Unerfülltheit, Nicht-Selbst: Diese drei Daseinsmerkmale finden sich in allem, was existiert. Solange wir sie nicht in uns selbst erkennen, werden wir nie lernen, was der Buddha gelehrt hat. Meditation ist der Weg, das herauszufinden – alles andere sind bloß Worte. Das ist der springende Punkt.
Der Reinigungs- und Läuterungsprozess, von dem ich gesprochen habe, findet im Geist statt. Dennoch werdet ihr feststellen, dass ihr manch alten Unrat beseitigen müsst, der sich aufgrund von psychischen Reaktionen im Körper angesammelt hat.
Stellt euch einen Menschen vor, der die letzten zwanzig, dreißig Jahre in einem Zimmer gelebt und es nie für nötig befunden hat, es sauberzumachen. All die Speisereste und die schmutzige Kleidung – der angesammelte Unrat reicht bis zur Decke. In diesem Müll zu leben ist äußerst unangenehm. Der Mensch in dem Zimmer nimmt das gar nicht wahr, bis eines Tages ein Freund zu Besuch kommt und sagt: «Warum machst du nicht mal sauber?» Gemeinsam machen sie eine kleine Ecke sauber. Jetzt findet diese imaginäre Person heraus, dass es sich in dieser sauberen Ecke wesentlich angenehmer leben lässt. Daraufhin beginnen die beiden den ganzen Raum zu reinigen, bis man schließlich aus dem Fenster schauen und sich im Zimmer bewegen kann. Da er sich nun behaglicher fühlt, kann dieser Mensch ungehindert über seinen Geist verfügen, ohne sich mit körperlichen Unannehmlichkeiten abgeben zu müssen.
Das Haus, in dem wir leben, ist unser Körper. Es spielt keine Rolle, wohin wir uns begeben, unseren Körper nehmen wir überallhin mit, bis er zerfällt und zu Staub wird. In diesem Haus benötigen wir etwas mehr Platz und Behaglichkeit.
Bei unseren psychischen Hindernissen und Blockaden handelt es sich um Ablagerungen unserer emotionalen Reaktionen. Der Geist hat sie angenommen, und darum kann der Geist sie auch wieder loslassen. Für unsere Meditationspraxis bedeutet das: Die Empfindung erkennen, nicht reagieren, dann loslassen!
Das zweite Merkmal unserer Meditationspraxis ist das Nicht-Reagieren: Ein überaus wichtiger Aspekt, wenn wir inneren Frieden und Harmonie erreichen wollen. Ohne dieses Nicht-Reagieren werden unsere Reaktionen uns in Wellenbewegungen mit sich reißen, und wir können den Weg nicht klar erkennen. Er wird uns schleierhaft bleiben. Wir mögen von ihm hören. Wir mögen sogar ahnen, was gemeint ist, aber wir werden ihn nie sehen, weil sehen hier Einsicht bedeutet, inneres Sehen also. Diese innere Sicht wird von unseren psychischen Reaktionen behindert.
Beobachten wir Gefühle und Empfindungen während der Meditation, dann ist es selten notwendig, darauf zu reagieren. Sich einer Reaktion zu enthalten ist also möglich: Genau daran arbeiten wir! Wir können dieses Nicht-Reagieren in unseren Alltag übernehmen, indem wir lernen, alle auftauchenden Gefühle als das zu betrachten, was sie sind: Emotionen, die zum Vorschein gekommen sind und wieder verschwinden. Wenn wir das in unserer Meditationspraxis lernen, so lernen wir etwas ganz Wertvolles über den Umgang mit uns selbst.
Zu den Absurditäten des menschlichen Daseins gehört das weitverbreitete Missverständnis, zu glauben, da wir Lebewesen sind, wüssten wir auch, wie man lebt. Das Leben zu leben ist eine Kunst, und die meisten Menschen erleben im Laufe ihres Daseins manchen Reinfall. Das nennen sie dann eine Tragödie oder ein individuelles Problem. Dabei haben sie lediglich die Kunst zu leben nicht vervollkommnet.
Der dritte, doch nicht minder wichtige Aspekt der Meditation ist die persönliche Erfahrung der Vergänglichkeit. Bevor wir nicht selbst diese Erfahrung gemacht haben, wird sie nur ein Wort bleiben. Worte können niemals befreiend wirken, dazu ist Erfahrung nötig. Den Weg des Buddha gehen heißt nach Befreiung streben, vollkommene und absolute Freiheit, und die kann man nur erfahren. In der Meditation ist die Erfahrung der Vergänglichkeit sehr direkt. Wenn ihr den eigenen Atem beobachtet, merkt ihr, dass der hereinfließende Atem nicht derselbe ist wie der ausströmende. Empfindungen kommen und gehen. Ein Schmerz im Bein: Man bewegt es, und schon ist er fort. Empfindungen kommen und gehen!
Mit ein bisschen mehr Übung in der Meditation ist die Vergänglichkeit der Gefühle und Empfindungen leicht zu erkennen. Gleichzeitig gewinnen wir aber auch Einsicht in die Vergänglichkeit unseres Körpers. Jeder weiß darüber Bescheid. Auf der ganzen Welt gibt es keinen einzigen Menschen, der nicht über die Vergänglichkeit des Körpers Bescheid weiß. Trotzdem leben wir alle so, als beträfe die Vergänglichkeit uns nicht und grämen uns um jene, deren Körper bereits dem gesetzmäßigen Walten der Natur ihren Tribut zollen musste, als ob das etwas ganz und gar Unerwartetes sei.
Offenkundig hegen wir da trügerische und wenig sinnvolle Vorstellungen. Das liegt daran, dass wir vor der Wirklichkeit unsere Augen schließen. Wir wollen nur sehen, was uns gefällt. Dass wir trotzdem unentwegt auch mit Unannehmlichkeiten konfrontiert werden, ist ein Umstand, für den wir ständig jemand anderem die Schuld zu geben versuchen. Viele Menschen gehen so weit, alle Schuld dem Teufel zuzuschieben. Es ist gleichgültig, wen man beschuldigt – den Nachbarn oder den Teufel. In Wirklichkeit ist das Leben totale Vergänglichkeit. Das müssen wir erfahren und akzeptieren. Dann können wir dementsprechend leben.
Wenn wir lernen, in tiefere Bereiche vorzudringen, werden wir feststellen, dass in jeder Zelle unseres Körpers ständig Bewegung herrscht. Dieses Naturgesetz haben wir alle in der Schule gelernt. Wir waren vielleicht elf oder zwölf Jahre alt, als man uns beigebracht hat, dass sich die Körperzellen alle sieben Jahre erneuern. Ich erinnere mich noch genau daran, dass ich überlegt habe, ob der Körper wohl all seine Zellen verliert und diese durch neue ersetzt werden. Da mir das unmöglich schien, gab ich auf. Ich konnte es mir einfach nicht vorstellen. Jetzt können wir verstehen, was wirklich geschieht: Im Verlauf von sieben Jahren haben sämtliche Körperzellen einen Verfallsprozess durchlaufen und sind erneuert worden – ständige Bewegung.
Es muss doch einen Weg geben, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln. In meditativer Sammlung können wir uns die Bewegung auf der Haut und unter der Haut bewusst machen. Danach werden wir uns selbst und die Welt um uns herum mit anderen Augen betrachten, weil wir aus persönlicher Erfahrung wissen, dass es nichts Festes und Statisches gibt. Am allerwenigsten in unserem Körper.
Wissenschaftler haben nachgewiesen, dass es im ganzen Universum nicht einen einzigen stabilen Baustein gibt. Alles Existierende besteht aus Energiepartikeln. Sie bewegen sich mit solcher Geschwindigkeit – treffen aufeinander und entfernen sich wieder –, dass die Illusion von Stabilität entsteht. Ebendies sagte der Buddha, als er vor zweieinhalbtausend Jahren von solchen Partikeln sprach. Er benötigte allerdings kein Labor, um dies herauszufinden und zu beweisen. Er selbst machte diese Erfahrung. Daraus erwuchs seine Erleuchtung. Unsere Wissenschaftler wissen alles darüber. Dennoch kann man sie kaum als erleuchtet bezeichnen. Was ihnen fehlt, ist die persönliche Erfahrung.
Wir können selbst erkennen, dass es nirgendwo etwas Festes gibt. Sogar die verstandesmäßige Logik zeigt uns, dass es nichts Statisches geben kann, sonst wären wir keine menschlichen Wesen, sondern nur leblose Körper. Das verstandesmäßige Wissen genügt aber nicht, diese Tatsachen müssen erfahren werden. Erst wenn wir dies in der Meditation empfinden, wissen wir Bescheid. Was man aus persönlicher Erfahrung weiß, lässt sich nicht wegdiskutieren. Würde euch auch alle Welt von der Beständigkeit des Körpers zu überzeugen versuchen, ihr würdet euch nicht überzeugen lassen, denn ihr habt eure eigenen Erfahrungen gemacht. Als die Menschen über die Lehren des Buddha diskutierten, widersprach er niemals. Er hatte keinen Standpunkt zu verteidigen, denn er sprach über seine eigene Erfahrung.
Wenn wir uns besser sammeln und in tiefere Schichten vordringen können, werden wir diese unablässige Bewegung in uns erkennen. Für den Geist ist klar, dass diese Bewegung, wenn sie denn innen ständig vorhanden ist, auch außen stattfinden muss. Wo also ist etwas Festes zu finden? Der Geist mag fragen: «Wenn alles ständig in Bewegung ist, wo bleibt dann das Ich? Empfindungen ändern sich andauernd, von Augenblick zu Augenblick. Der Körper ist in Bewegung. An nichts kann ich mich halten. Die Gedanken sind unablässig in Bewegung. Wo also bin ich?» Um sich selbst «finden» zu können, ersinnen die Menschen etwas Imaginäres wie zum Beispiel ein höheres Selbst, einen festen Wesenskern oder eine Seele. Bei genauerer Nachforschung stellt sich allerdings heraus, dass es sich hierbei wiederum nur um Illusionen handelt. Vergänglichkeit muss erfahren werden.
Einen anderen Aspekt unserer Meditationspraxis hat der Buddha in den Lehrreden über die Grundlagen der Achtsamkeit erwähnt: Die Meditation über die vier Elemente – Erde, Wasser, Feuer und Luft. Die Empfindung von Festigkeit im Körper entspricht dem Erdelement. Ebenso die Festigkeit des Sitzkissens, das wir spüren. Das Erdelement ist überall gegenwärtig, auch im Wasser, sonst könnten wir nicht schwimmen; auch in der Luft, sonst könnten weder Vögel noch Flugzeuge fliegen.
Das Feuerelement ist gleichfalls überall gegenwärtig. Innerlich wird es für uns spürbar, wenn wir unsere Aufmerksamkeit darauf lenken. Normalerweise nehmen wir es nur wahr, wenn uns eiskalt oder glühend heiß ist oder wenn wir Fieber haben. Aber Temperatur (die Ausdrucksform des Feuerelements) ist stets und überall vorhanden – in allem, was lebt.
Das Wasserelement können wir in unserem Blut, im Speichel und im Urin wahrnehmen. Das Wasserelement ist die verbindende Kraft. Um einen Teig herzustellen, muss man dem Mehl etwas Wasser hinzufügen. Wasser ist das überall anzutreffende Verbindungselement. Ohne Wasser würden all die sich ständig bewegenden Zellen auseinanderfallen. Ohne die haltgebende Kraft dieses Verbindungselements würde niemand von uns hier sitzen.
Das alles klingt sehr interessant, hilft uns jedoch nicht weiter, solange wir es nicht selbst erfahren haben. Erst durch die persönliche Erfahrung entwickelt sich die Einsicht, wie die Dinge wirklich sind: Die Dinge so erkennen und sehen, «wie sie wirklich sind» – dieser Worte bedient sich der Buddha häufig.
Wir können als fünftes Element den Raum hinzufügen. In uns ist Raum im Sinne von Öffnungen vorhanden, Mund und Nase beispielsweise. Entsprechendes gilt für das Körperinnere. Das Universum ist Raum. Wenn wir uns dies klarmachen und uns mit der Tatsache anfreunden können, dass diese Elemente überall gleichermaßen zu finden sind, werden wir etwas von unserer Gewohnheit, alles zu trennen, aufgeben können – dieses: «Das bin ich – mag der Rest der Welt in Frieden leben, aber ich sorge zuerst mal für mich selbst. Die anderen sollen mir bloß nicht zu nahe kommen.»
Begreifen wir, dass wir lediglich aus Energiepartikel bestehen, die zusammentreffen und sich wieder trennen, nichts weiter als die fünf Elemente – was ist dann jenes «Ich», das wir so eifrig schützen? Und was ist der Rest der Welt, der so bedrohlich scheint?
Meditation bedeutet nach Einsicht streben. Einsicht ist das Ziel der buddhistischen Meditation. Die Techniken dienen dabei als Werkzeug. Ihr nutzt sie, so gut ihr eben könnt. Jeder geht mit Werkzeug ein wenig anders um. Je geschickter wir damit umzugehen lernen, desto einfacher und schneller erzielen wir Resultate. Die volle Aufmerksamkeit muss jedoch auf das Werkzeug gerichtet sein und nicht auf das eventuelle Resultat. Erst dann können sich Geschicklichkeit und Leichtigkeit entwickeln.
Es gibt viele verschiedene Meditationstechniken. Im «Weg zur Reinheit» sind vierzig erwähnt. Diese Techniken richten sich aber nur auf zwei Ziele: Ruhe und Einsicht. Diese beiden gehen Hand in Hand. Wissen wir nicht, in welche Richtung wir gehen, ist es höchst unwahrscheinlich, dass wir unser Ziel erreichen. Wir müssen unseren Weg kennen, um ihn gehen zu können.
In beidem – Ruhe und Einsicht – müssen wir uns üben, um tatsächlich die Resultate zu erzielen, die in der Meditation möglich sind. Jeder sucht nach innerem Frieden, nach dieser Empfindung glücklicher Zufriedenheit. Wer in der Meditation auch nur ein Zipfelchen davon erhascht, fühlt sich richtig glücklich und will mehr davon haben. Mit einem hübschen Anteil daran wären die meisten schon zufrieden. Doch dazu ist die Meditation nicht da.
Die Ruhe, der innere Frieden, ist ein Hilfsmittel und dient einem Zweck: Ruhe ist das Mittel – Einsicht das Ziel. Hilfsmittel sind wichtig und notwendig, dürfen aber nie mit dem eigentlichen Ziel verwechselt werden. Weil es hier aber um eine so ganz und gar angenehme Erfahrung geht, erwächst daraus eine neue Anhaftung.
Unser ständiges Problem ist, dass wir festhalten wollen, was uns angenehm ist, und zurückweisen, was uns nicht gefällt. Weil wir das zu unserem Lebenszweck machen, hat unser Leben keinen wirklichen Zweck. Es ist unmöglich, alles Unangenehme auszuschalten und nur das Angenehme zu behalten. Solange wir das als Ziel betrachten, haben wir kein Ziel. Das Gleiche gilt für die Meditation.
Wie können wir also zu etwas Ruhe finden, und was haben wir davon? Halten wir unsere Aufmerksamkeit auf den Atem gerichtet, wird irgendwann Ruhe einkehren. Der Geist wird einen Moment aufhören zu denken und sich entspannen. Ein denkender Geist wird nie zur Ruhe kommen, weil der Denkprozess an sich Bewegung ist und Bewegung immer ablenkend wirkt. Dennoch kann für einen Augenblick Ruhe einkehren, und wir können ihn vielleicht sogar verlängern. Je länger wir üben, umso mehr sind wir dazu imstande. So schwer ist es gar nicht. Anfangs mag es schwierig scheinen, aber alles, was wir brauchen, ist Geduld und Entschlossenheit, ein wenig gutes Karma1 und einen ruhigen Platz.
Wir alle verfügen über ein wenig gutes Karma, sonst säßen wir nicht hier. Menschen, die viel schlechtes Karma geschaffen haben, kommen in der Regel nicht zu einem Meditationsseminar. Kommen sie trotzdem, dann bleiben sie nicht. So muss also das gute Karma bereits vorhanden sein.
Was die Geduld anbelangt