Matt Coyne

Schief gewickelt

Papa werden ohne Plan

Aus dem Englischen vonLisa Kögeböhn

Suhrkamp

Für Steve

Kleiner Scherz …Für Charlie und seine Mum

Vorwort

Als wir festgestellt hatten, dass wir ein Baby »erwarteten«, kaufte uns jemand einen Kühlschrankmagneten. Darauf stand: »Ein Baby zu bekommen ist, als lade man einen Engel zu sich ein.«

Das mag stimmen.

Aber manchmal, nur manchmal, ist es, als hätte man sich einen Mitbewohner eingeladen. Einen wütenden, schlafraubenden, emotional instabilen, inkontinenten und brustfixierten Mini-Mitbewohner. Der nicht mehr und auch nicht weniger als deine ungeteilte Aufmerksamkeit verlangt, von heute an bis zu dem Tag, an dem du stirbst.

Aber das passt vermutlich auf keinen Kühlschrankmagneten.

Einleitung

Drei Monate nach der Geburt unseres Sohnes Charlie schrieb ich einen Post auf Facebook.

Den hier.

Matt Coyne, 17. Dezember 2015, 19:38

Ich musste mir heute mal selbst auf die Schulter klopfen, weil ich die Kunst des Windelwechselns perfektioniert habe. Ich bin quasi wie eine Boxenmannschaft bei der Formel 1 – im Prinzip bin ich sogar noch besser, denn während du die Reifen von Lewis Hamiltons Auto wechselst, ist es eher unwahrscheinlich, dass er dir in die Augen pinkelt und dich mit Kacke beschießt.

Und das habe ich bisher sonst noch gelernt:

Die Geburt

(In Wirklichkeit ist das Schlimmste an den Wehen, jemanden, den man liebt, so unfassbar leiden zu sehen. Andererseits hat Lyns mich mal gezwungen, eine Folge Downton Abbey mit ihr zu gucken … das kommt ungefähr aufs selbe raus …)

Die erste Woche

(Ich plane, eine Babymode-Linie nur mit Klettverschlüssen rauszubringen, nach dem Vorbild von Stripperhosen. Damit wäre man in der Lage, das Baby mit der einen und dessen Klamotten mit der anderen Hand festzuhalten und beides mit einem befriedigenden Ruck voneinander zu trennen.)

Der erste Monat

Nach drei Monaten … jetzt

Diesen Text habe ich eines Dienstagabends in übermüdetem Zustand geschrieben, als unser kleiner Sohn Charlie beschlossen hatte, seine Augen ein paar Stunden lang zu schließen – gefühlt zum ersten Mal, seit er sie drei Monate zuvor geöffnet hatte. Meine Eier taten weh, und ich hatte tiefe Ringe unter meinen von Babypisse rot unterlaufenen Augen. Ich saß, ich tippte, ich fühlte mich etwas besser. Und als er wieder wach wurde, klickte ich auf den »Posten«-Button und schickte meinen Text in die Social-Media-Arena, damit er von einer Horde erschrocken dreinblickender Katzen, Schwanzbildern und Fotos von Tante Pats Abendessen niedergetrampelt werden konnte.

Am nächsten Tag loggte ich mich wieder ein und stellte fest, dass das Posting hundertmal geteilt worden war. Ein paar Stunden später tausendmal und Ende der Woche schon mehrere zehntausendmal. Es wurde von Bloggern, Vloggern und sogar von Filmstars wie Ashton Kutcher geteilt. Unfassbar, ich bekam auf einmal Interviewanfragen von Zeitungen, TV und Radio. Und alle stellten dieselbe Frage: Wieso traf dieses zusammenhangslose, dahergeschwafelte »Status-Update« einen Nerv bei Eltern, werdenden Eltern und dem langhaarigen Typen aus Ey Mann, wo is’ mein Auto?.

Ich wusste es nicht.

Also setzte ich mich hin und dachte nach. Dann fing ich an, die E-Mails von Eltern zu lesen, die sich die Zeit genommen hatten, mit mir Kontakt aufzunehmen. Die Antwort war offensichtlich. Glasklar. Es gab einen Grund, weshalb genau dieser Text so ein Echo bekam, warum so viele Menschen sich und ihre eigenen Erfahrungen zwischen schmerzenden Eiern und Saugverwirrung wiederfinden konnten, und dieser Grund war so aussagekräftig wie offenkundig:

Die meisten frischgebackenen Eltern haben nicht den blassesten Schimmer, was sie tun.

Klar, es gibt auch Super-Eltern, stinklangweilige Routiniers, perfekte Arschlöcher, die ihren Nullachtfuffzehn-Nachwuchs mit Belohnungssystemen und der »Hochnehmen/Hinlegen«-Methode – was auch immer das sein soll – erziehen.

Aber so sind wir nicht.

Wir sind die Verkacker, die Improvisierer, die Drauf-ankommen-Lasser, die Unfähigen, die Ängstlichen, die Unorganisierten, die Unreifen und Ahnungslosen. Wir haben Kotze an der Schulter und gelbe Kacke unter den Fingernägeln und … Gott, sind wir müde!? … Aber wir sind in der Überzahl.

Und unsere Kinder sind später die Kinder, mit denen andere Kinder spielen wollen. Sie werden die Erwachsenen, mit denen andere Erwachsene Bier trinken wollen. Sie werden die Schlauen, die Kreativen, sie werden die Welt ändern oder sie wenigstens in winzigen Schritten verbessern. Denn so untauglich und unfassbar scheiße wir auch sind, unsere Kinder werden das Beste an uns sein.

Weil wir alles dafür geben.

1

Geburt

Das Baby kommt. Scheiße.

Wir fahren ins Krankenhaus, und im Vorbeigehen erhasche ich einen flüchtigen Blick auf mein Spiegelbild. Diesen Gesichtsausdruck habe ich erst einmal gesehen … und zwar bei Hans Gruber am Ende von Stirb langsam, im freien Fall, nachdem er von Bruce Willis vom Nakatomi Plaza gestoßen wurde.