Giles Sparrow
Der Genie-Test
Wirklich schwieriges Wissen wirklich einfach erklärt
Aus dem Englischen von Ralf Pannowitsch & Benjamin Schilling
Knaur e-books
Giles Sparrow ist studierter Astronom, Wissenschaftsautor und Lektor. Wenn er nicht gerade die Weiten des Weltalls nach neuen Planeten absucht, schreibt er Artikel und Bücher, um seine Leidenschaft anderen Menschen nahezubringen.
Der Verlag und die Übersetzer danken für ihre fachliche Beratung:
Frank Bönker, Gerald Kielau, Peter Steinacker, Kathrin Greve, Lisa Holzhauer, Martin Buhlig und Martin Szyska.
Die englische Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel
»The Genius Test. Can You Master The World’s Hardest Ideas?«
bei Quercus.
© 2018 der eBook-Ausgabe Droemer eBook
© 2017 Quercus
© 2018 der deutschsprachigen Ausgabe Droemer Verlag
Ein Imprint der Verlagsgruppe
Droemer Knaur GmbH & Co. KG, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit
Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
Covergestaltung: totalitalic, Thierry Wijnberg
Coverabbildung: Shutterstock
ISBN 978-3-426-45348-3
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Literaturgeschichte
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Der Urknall
Gibt es Leben im All?
»Und was ist Ihre Meinung zum Higgs-Boson?«
Jeder von uns hat die Erfahrung schon einmal gemacht: Verständig nickend folgen wir einer Unterhaltung zu einem Thema, von dem wir kaum etwas verstehen, bis plötzlich jemand nach unserer Meinung fragt und der Boden unter unseren Füßen nachgibt. Für gewöhnlich sieht unsere instinktive Reaktion so aus, dass wir etwas Unverbindliches murmeln oder jener Person in der Runde zustimmen, die uns am klügsten erscheint. Was wäre aber, wenn wir selbst diese Person sein könnten? Derjenige mit einer fundierten Meinung zu einfach allem, vom Higgs-Boson über die Krise des Kapitalismus und die Gentechnik bis zur Postmoderne?
Das mag zunächst nach einer gewaltigen Aufgabe klingen, denn schließlich ist die moderne Welt ein außergewöhnlich komplexer Ort. Und wer von uns hat schon die Zeit oder Energie, sie in all ihrer Komplexität wirklich zu verstehen – geschweige denn die weit zurückreichende Ideengeschichte, die unsere heutige Gesellschaft formt und ihr zugrunde liegt?
Aus diesem Grund habe ich mir den Genie-Test einfallen lassen – ein Fitnessstudio für den Geist, das Ihnen helfen wird, die Grundlagen einer enormen Vielfalt von Themen zu meistern. Es umfasst grundlegende Konzepte aus Wissenschaft, Philosophie, Kunst und Politik (auf der gegenüberliegenden Seite sehen Sie, wie ich diese Konzepte eingestuft habe: von bloß knifflig bis wahrlich überwältigend).
In der Rubrik »Sind Sie ein Genie?« werden Ihnen in jedem Kapitel fünf Fragen gestellt. So können Sie schon vor dem Abtauchen ins Thema einschätzen, wie viel Sie davon verstehen, oder im Nachhinein testen, ob Sie es gemeistert haben. (Die Antworten stehen auf der letzten Seite jedes Kapitels, und vielleicht schnappen Sie auf dem Weg dorthin sogar noch ein paar interessante Zusatzfakten auf.) Die Rubrik »Zehn Dinge, die ein Genie weiß« bietet Ihnen einen umfassenden Überblick über das Thema und hilft Ihnen, die Kerngedanken und die Entwicklungsgeschichte in kürzester Zeit zu begreifen. »Wie ein Genie reden« versorgt Sie mit praktischen Gesprächsschnipseln – Meinungen, Fakten und faszinierenden Randbemerkungen, mit denen Sie an Ihrem Image basteln können, die gescheiteste Person im Raum zu sein. Und schließlich gibt es sogar eine handliche »Kurzfassung für Hochstapler«, die das Thema auf ein, zwei Sätze herunterbricht und Ihnen dabei helfen könnte, mancher peinlichen Situation zu entkommen.
Natürlich wird dieses Buch allein aus Ihnen kein wahres Genie machen, aber es ist ein guter Anfang. Es wird dazu führen, dass Sie auf Partys besser bluffen können, und vielleicht sogar Ihre Sichtweise auf die Welt verändern und eine bislang verborgene intellektuelle Fähigkeit oder Neugier entwickeln. Wie sagte der Lexikograph Samuel Johnson so schön: »Das wahre Genie ist ein großer Geist, der zufällig in eine bestimmte Richtung gelenkt wurde.« Wer weiß, wo Der Genie-Test Sie hinführen wird?
»[W]ir [sind] Teil des Kosmos […]. Wir sind aus dem Stoff der Sterne. Wir sind eine Möglichkeit für den Kosmos, sich selbst zu entdecken.«
– Carl Sagan –
Vor etwa 4,5 Milliarden Jahren ballte sich unser Planet aus einer Staub- und Gaswolke zusammen, die um die noch junge Sonne kreiste. Doch obwohl auf seiner neu gebildeten Oberfläche unvorstellbar lebensfeindliche Bedingungen geherrscht haben müssen, scheint das Leben überraschend schnell Fuß gefasst zu haben (auch wenn es sehr lange nichts als Einzeller hervorbrachte). Aber wie genau hat das Leben begonnen? Dieses Rätsel hat Generationen namhafter Wissenschaftler beschäftigt und zu einer Reihe von außergewöhnlichen Ideen geführt.
Wo nahm das Leben seinen Anfang - an den Ufern der ersten Meere, in den eisigen Tiefen der urzeitlichen Ozeane oder vielleicht doch auf einem ganz anderen Planeten?
Ein Laborexperiment aus den 1950er-Jahren förderte die Grundbestandteile der DNA zutage.
RICHTIG / FALSCH
Biologen vermuten, dass unsere frühesten Vorfahren mit Mikroben verwandt sein könnten, die Archaebakterien genannt werden und heute nur noch in extrem heißen oder sauren Umgebungen vorkommen.
RICHTIG / FALSCH
Kohlenstoff und Wasser sind unverzichtbare Bausteine des Lebens: Ohne sie ist eine komplexe Biochemie unmöglich.
RICHTIG / FALSCH
Einzellige Organismen sind in der Lage, die Reise zwischen zwei Planeten zu überleben, und könnten so das Leben auf die Erde gebracht haben.
RICHTIG / FALSCH
Komplexe, mehrzellige Lebensformen etablierten sich auf der Erde während der sogenannten Kambrischen Artenexplosion vor rund 540 Millionen Jahren.
RICHTIG / FALSCH
Bei dieser Frage gehen die Meinungen weit auseinander. Wahrscheinlich würden die meisten Biologen aber der breiten Definition zustimmen, nach der ein lebender Organismus ein sich selbst organisierendes System ist, das seiner Umgebung Energie entnehmen kann, um sich selbst zu erhalten, zu wachsen, sich zu vermehren und an seine Umwelt anzupassen. Praktisch gesehen handelt es sich dabei um die Nutzung diverser komplexer chemischer Reaktionen in einer günstigen Umgebung, die wir »Zelle« nennen. Zellen kommen in einer Vielzahl von mehr oder weniger komplexen Formen vor und sind die Grundbausteine des Lebens. Wenn wir also danach fragen, wie das Leben begonnen hat, dann forschen wir in Wahrheit nach der Entstehung der ersten Zellen.
Urzeitliches Gestein von Meteoriten und der Erde legt nahe, dass unser Planet vor etwa 4,6 Milliarden Jahren entstand. Am Anfang war seine Oberfläche größtenteils flüssig. Doch obwohl er bis vor mindestens 3,8 Milliarden Jahren heftig von großen Asteroiden bombardiert wurde, sind die ältesten Fossilien – die Überreste von Mikrobenkolonien namens Stromatoliten, die man in rund 3,5 Milliarden Jahre alten Felsen gefunden hat – nur ein paar Hundert Millionen Jahre jünger. Mehr noch, eingeschlossen im Inneren 4,1 Milliarden Jahre alter Zirconiumkristalle fanden Geochemiker 2015 Spuren von Chemikalien, die anscheinend von lebenden Organismen produziert worden waren. Wie hatte das Leben also derart schnell Fuß fassen können?
1871 spekulierte Charles Darwin (zwölf Jahre nach der Veröffentlichung seiner Theorie über Evolution durch natürliche Selektion) in einem Brief darüber, dass das Leben in einem »kleinen, warmen Teich« auf der sich noch immer abkühlenden Oberfläche der urzeitlichen Erde begonnen haben könnte. Diese Theorie hat die Vorstellungskraft vieler Wissenschaftler beflügelt und wird gemeinhin als Ursuppen-Hypothese bezeichnet (obwohl der Begriff erst in den 1920er-Jahren geprägt wurde). Wasser ist für das Leben ganz sicher ein Muss – schließlich können sich komplexe Chemikalien unmöglich bilden, wenn sich ihre Bausteine nicht in irgendeiner Lösung umherbewegen, zueinander finden und miteinander reagieren können. Zum Glück ist Wasser eine der besten Lösungen weit und breit und auf der Erde alles andere als knapp.
Im Jahr 1952 unternahmen die US-amerikanischen Biochemiker Stanley Miller und Harold Urey den bedeutenden Versuch, die Bedingungen in der Ursuppe nachzustellen. Dazu ließen sie Dampf durch ein Gemisch aus Wasserstoff, Methan und Ammoniakgasen dringen (die als wahrscheinliche Elemente der frühen Erdatmosphäre galten) und führten diesem Mix gelegentlich Energie in Form elektrischer Funken aus Kunstblitzen zu. Nach einer Woche wurde das Kondensat analysiert, wobei Miller berichtete, dass er darin mindestens drei und möglicherweise noch einige weitere Aminosäuremoleküle (unverzichtbare Bausteine des Lebens) gefunden habe. Nach Millers Tod, im Jahr 2007, untersuchten Wissenschaftler mit sensibleren Messverfahren nochmals einige der Proben, die nach dem Originalexperiment versiegelt worden waren, und fanden darin nicht weniger als 20 unterschiedliche Aminosäuren.
Auf den Spuren von Miller und Urey haben viele Chemiker seitdem versucht, mit differenzierteren Experimenten noch besser nachzustellen, was wir mittlerweile über die frühen Umweltbedingungen auf der Erde wissen. Es scheint inzwischen fraglos, dass relativ einfache chemische Reaktionen nach kurzer Zeit zu einer Suppe aus einfachen, kohlenstoffbasierten »organischen« Molekülen geführt haben (Kohlenstoff ist für das Leben unerlässlich, weil er die vielfältigsten chemischen Verbindungen von allen bekannten Elementen eingeht). Die große Herausforderung ist jedoch, von diesen einfachen Bausteinen zu komplexen und sich selbst replizierenden Molekülen wie der DNA zu gelangen (vgl. Kap. Gene und die DNA). Doch einige Wissenschaftler bezweifeln, dass willkürliche chemische Reaktionen in der Ursuppe – im engen Zeitfenster von der Erdentstehung bis zu den ersten fossilen Zeugnissen – eine derartige Komplexität erlangt haben könnten.
Ein beliebter Lösungsansatz für dieses Problem verlegt den Geburtsort des Lebens von seichten Oberflächengewässern in die Tiefen der Ozeane. Dort speien Vulkanschlote, sogenannte Schwarze Raucher, einen reichhaltigen chemischen Nährstoffmix ins kalte, dunkle Wasser. Die in den 1970er-Jahren entdeckten und an Stalagmiten erinnernden Mineralsäulen beherbergen ganze Ökosysteme, die völlig ohne die Wärme oder das Licht der Sonne gedeihen. Seit ein paar Jahren spekulieren Biologen, dass Mikroporen im Inneren der »Raucher« als natürliche Brutstätten der ersten Lebensformen fungiert haben könnten. Der Grund ist, dass sich darin eine üppige Chemikaliensuppe verfängt – unter anderem herabgesunkenes organisches Material –, und zwar in einer energiereichen Umgebung, die für die Entstehung komplexer Chemie im Schnellverfahren ideal ist.
Noch eine Möglichkeit, das rasante Auftauchen des Lebens zu erklären, ist anzunehmen, dass es gar nicht erst auf der Erde begonnen hat. Die Panspermie-Hypothese behauptet stattdessen, dass die Bausteine des Lebens in unserer gesamten Galaxis verstreut sind und die Meteoriten und Kometen, die auf unserem neugeborenen Planeten einschlugen, zugleich ein gebrauchsfertiges Basispaket an organischen Chemikalien – ja vielleicht sogar vollständige, tiefgefrorene Zellen – mit sich brachten. Verfechter der Theorie argumentieren, dass diese den willkürlichen chemischen Reaktionen einige Milliarden Jahre mehr Zeit lässt, um zufällig auf das Rezept des Lebens zu stoßen. Es mag vielleicht weit hergeholt klingen, doch Astronomen haben in Kometen und interstellaren Wolken tatsächlich komplexe organische Moleküle gefunden. Außerdem weiß man mittlerweile, dass große Meteoriteneinschläge gelegentlich Gesteinsbrocken zwischen den Planeten unseres Sonnensystems hin- und hertransportieren, und es gibt Anzeichen dafür, dass manche Erdmikroben und sogar komplexere Lebensformen überraschend lange in den unwirtlichen Bedingungen des freien Weltraums überleben können.
Man nimmt an, dass die ersten Lebensformen in zwei große, sogenannte Domänen unterteilt waren: Archaebakterien und Eubakterien. Bei beiden handelte es sich um Einzeller, auch wenn einige von ihnen größere Kolonien bildeten. Archaebakterien nutzen eine große Bandbreite metabolischer und chemischer Prozesse, um alles Lebensnötige aus ihrer Umwelt herauszuholen. Man findet sie auch heute noch an Orten, wie heißen Säurequellen und Schwarzen Rauchern, die einst für lebensfeindlich gehalten wurden. Eubakterien hingegen sind in einem schmaleren Spektrum von »günstigen« Lebensbedingungen zu finden und nutzen vertrautere Stoffwechselprozesse wie Atmung, Photosynthese und Fermentation. Kurioserweise deuten Genbefunde aber darauf hin, dass unsere eigene Domäne, die der komplexen Lebewesen oder »Eukaryoten«, tatsächlich näher mit den Archaebakterien als mit den Eubakterien verwandt ist.
In der Frühzeit herrschten auf der Erde ganz andere Bedingungen als heute. In der Atmosphäre gab es nur sehr wenig freien Sauerstoff. Bereits vor mindestens drei Milliarden Jahren gediehen photosynthetische Archaebakterien und Eubakterien mithilfe von Photosynthese – sie nahmen Kohlendioxid auf und pumpten Sauerstoff hinaus. Vor rund 2,3 Milliarden Jahren schnellte die Sauerstoffkonzentration in der Atmosphäre jedoch in die Höhe. Dadurch wurde die Luft für viele frühe Lebensformen giftig und gleichzeitig das Fundament zu einem neuen Stoffwechselweg gelegt, der mittels Sauerstoff Energie aus chemischen Substanzen freisetzt und von der Tierwelt heute genutzt wird: der Atmung.
Die Eukaryoten zeichnen sich durch eine hochkomplexe Zellstruktur aus, unter anderem durch die Existenz eines Zellkerns, der fast alle Geninformationen der Zelle enthält. Die meisten Biologen glauben, die ersten eukaryotischen Zellen seien entstanden, als sich spezialisierte Mikroben gegenseitig und mit beidseitigem Nutzen absorbierten – in einer Folge von Ereignissen, die »Endosymbiose« genannt wird. Alle größeren, mehrzelligen Lebensformen sind Eukaryoten und gehen auf einen gemeinsamen Urahn vor rund 1,6 bis 2,1 Milliarden Jahren zurück. Allerdings blieben sie bis vor etwa 575 Millionen Jahren vorwiegend einzellig, als die ersten Fossilien größerer und komplexerer Lebensformen auftauchten: jene seltsamen, kissenartigen Kreaturen, die als Ediacara-Fauna bekannt sind.
»Zu den erstaunlichsten Dingen über das Leben auf der Erde gehört, dass es nur einmal Fuß gefasst hat. Genkartierungen belegen, dass, wenn man nur weit genug zurückgeht, alles von einem einzigen gemeinsamen Vorfahren, wahrscheinlich einem einfachen Bakterium, abstammt. Aber warum sollte das Leben in jenen ersten paar Hundert Millionen Jahren nur ein einziges Mal begonnen haben und danach nie wieder? Die Antwort lautet wahrscheinlich, dass die Nachkommen jenes ersten Bakteriums alle weiteren Versuche vereitelt haben, einen Fuß in die Tür zu bekommen, frei nach dem Motto: Nicht der Stärkste überlebt, sondern der Erste.«
»Das große Henne-Ei-Problem besteht darin, dass man zur Herstellung von Proteinen die DNA benötigt, aber auch die richtigen Proteine zum Replizieren der DNA. Die große Herausforderung für Biologen lautet, einen Weg zu finden, wie man so etwas wie einfache DNA oder einfache Proteine erzeugen kann, und zwar ohne die vorherige Existenz von Leben.«
»Auch wenn die Panspermie-Hypothese befremdlich klingen mag, dürfen wir nicht vergessen, dass wir im Sonnensystem ständig neue Umgebungen entdecken, die zum Leben geeignet sein könnten.«
FALSCH – Das Miller-Urey-Experiment erzeugte Aminosäuren, bei denen es sich aber nicht um Bauteile der DNA handelt. Im Jahr 1961 stellten spanische Wissenschaftler in einem ähnlichen Experiment allerdings tatsächlich Bauteile der DNA her.
FALSCH – Es stimmt zwar, dass die Archaebakterien näher mit uns verwandt sind als die Eubakterien, doch in Wahrheit sind sie in den unterschiedlichsten Umgebungen zu finden.
RICHTIG (vermutlich) – Für komplexe Verbindungen ist Kohlenstoff ein Muss, doch in kalten Umgebungen können auch andere Flüssigkeiten als Wasser als Lösungsmittel dienen.
RICHTIG – Manche Mikroben können im Weltraum überleben, wir wissen aber nicht, ob sie die womöglich Millionen von Jahren zwischen den Umlaufbahnen der Planeten überstehen würden.
RICHTIG – Die Kambrische Artenexplosion ist ein enorm wichtiges Ereignis, durch das sich die meisten neuzeitlichen Tierklassen entwickelten, obwohl mehrzelliges Leben schon mehrere Millionen Jahre früher begonnen hatte.
Es ist kein Problem, einfache organische Substanzen herzustellen, aber der Weg von ihnen zur komplexen Biochemie des Lebens ist sehr weit.
»Alles entsteht durch Verwandlung, und die Natur liebt Nichts so sehr, als das Vorhandene umzuschaffen und Neues von ähnlicher Art zu erzeugen.«
– Marcus Aurelius –
Charles Darwins Theorie von der Evolution durch natürliche Selektion ist die vielleicht größte individuelle Errungenschaft der gesamten Wissenschaftsgeschichte. Es ist ein gleichermaßen einfaches wie elegantes Modell, welches die enorme Vielfalt des Lebens auf der Erde erklärt. Trotzdem bleibt sie auch mehr als 150 Jahre nach ihrer Veröffentlichung in einigen Kreisen weiter umstritten, weil sie religiöse Ansichten über die Schöpfung zu untergraben droht. Bis heute sind Evolutionsbiologen damit beschäftigt, die Unebenheiten der Theorie in der Realität auszubügeln.
Darwins Grundgedanke ist leicht verständlich, doch er ist ungeheuer mächtig, wenn man ihn zur Erklärung der Natur heranziehen will. Können Sie ihn mit all seinen Konsequenzen erfassen?
Die Evolution beruht auf der Vermischung von genetischen Informationen, die bei der geschlechtlichen Fortpflanzung stattfindet.
RICHTIG / FALSCH
Die Evolution wird immer jene Merkmale begünstigen, die das Überleben und die Fortpflanzung eines Individuums unterstützen, und jene ausmerzen, die die langfristigen Fortpflanzungschancen mindern.
RICHTIG / FALSCH
Wissenschaftler versuchen heutzutage, unterschiedliche Arten nach den Gesetzmäßigkeiten der Evolution in größere Klassen einzuordnen.
RICHTIG / FALSCH
Darwin erkannte in den unterschiedlichen Schnäbeln einiger Finkenarten auf den Galapagosinseln ein Zeichen dafür, dass sie alle von einem gemeinsamen Vorfahren abstammten, der vom südamerikanischen Festland auf die Inseln übergesiedelt war. Er lieferte aber keine Erklärung für den Auslöser ihrer Entwicklung.
RICHTIG / FALSCH
Die sexuelle Auslese führt bei einigen Tierarten manchmal zu Merkmalen, die die allgemeine Überlebensfähigkeit einiger Tiere sogar erschweren.
RICHTIG / FALSCH
Die Theorie der Evolution durch natürliche Selektion besagt, dass sich die Merkmale von Lebewesen aufgrund verschiedener Arten von »Selektionsdruck« von Generation zu Generation verändern. Diese Einflüsse reichen von den Umweltbedingungen über die Fähigkeiten beim Jagen hin zu Präferenzen für potentielle Geschlechtspartner. Sie basieren auf zufälligen Unterschieden, die hin und wieder durch Genmutation und Vermischung der elterlichen Merkmale entstehen. Ist ein Individuum zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort aufgrund seiner Merkmalsausstattung besser gewappnet als andere Artgenossen, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es überleben und sich fortpflanzen wird und seine Merkmale an seine Nachkommen weitergibt.
Genuntersuchungen haben gezeigt, dass alles Leben auf einen einzigen Urahn zurückgeht. Wie kam es aber zu der uns bekannten, enormen Vielfalt des Lebens? Die Antwort darauf lautet: Als das Leben entstand und sich ausbreitete, wirkten unterschiedliche Formen von Selektionsdruck auf unterschiedliche Lebewesen ein. Manchmal führen Veränderungen in der direkten Umwelt zu einem neuartigen selektiven Druck, während sich einem Organismus beim nächsten Mal durch zufällige Mutation die Chance zu neuen Überlebensstrategien bietet, die seine Nachkommen anschließend weiter ausschöpfen können – was sie eventuell davor bewahrt, mit ihren Artgenossen um Ressourcen zu konkurrieren. Über Generationen kann das Einwirken unterschiedlicher Formen von Druck auf unterschiedliche Lebewesen zu genetisch derart verschiedenen Populationen führen, dass sie keine lebensfähigen Nachkommen mehr miteinander zeugen können – das klassische Merkmal zur Bestimmung von Arten schlechthin.
Darwins erster evolutionärer Stammbaum, Juli 1837
© Tim Brown
Etwa ab dem 15. Jahrhundert wuchs bei den europäischen Gelehrten durch die Reisen der Entdecker, Händler und Kolonisatoren das Bewusstsein für die enorme Vielfalt des Lebens auf der Erde. 1735 erfand der Schwede Carl von Linné die binäre Klassifikation der Arten und sortierte alle Lebewesen in Gattungen, Familien, Klassen und Ordnungen – in aufsteigenden und immer weiter gefassten Rangstufen. Der daraus abgeleitete »Baum des Lebens« sieht verdächtig nach einem Stammbaum aus und wirft die naheliegende Frage auf, ob es sich bei einander ähnelnden Arten der Gegenwart vielleicht um unterschiedliche Nachkommen ein und desselben Vorfahren handeln könnte. Etwa zur selben Zeit förderte der wachsende Bergbau während der industriellen Revolution Fossilien ausgestorbener Arten zutage und führte zur Entdeckung der gigantischen geologischen Zeitdimension, der sogenannten Deep Time.
Charles Darwin, der sich seit seiner Kindheit sehr für die Natur interessiert hatte, sammelte die meisten Zeugnisse für seine Theorie auf der zweiten Vermessungsfahrt der HMS Beagle, eines Schiffs der britischen Royal Navy, nach Südamerika (1831–36). Er trug jede Menge Proben zusammen, legte zahllose Fossilien frei und beobachtete auf den Galapagosinseln bekanntlich jene einmaligen Variationen, die auf unterschiedlichen Inseln des Archipels zwischen den Arten von Finken und Riesenschildkröten auftraten. Zurück in England, studierte Darwin später die selektive Zucht von Haustieren sowie die alarmierenden Theorien des Ökonomen Thomas Malthus über die Gefahren eines ungehemmten Wachstums der Menschheit. Den Wettstreit um begrenzte Ressourcen vor Augen, entwickelte Darwin seinen Kerngedanken, nach dem sich Arten durch Selektionsdruck im Laufe der Zeit diversifizieren und dadurch direkter Konkurrenz aus dem Weg gehen. Im Jahr 1859 veröffentlichte er seine Überlegungen schließlich in Über die Entstehung der Arten.
Darwins Theorie erschütterte die viktorianische Gesellschaft bis ins Mark, und ihre logischen Konsequenzen missfallen bis heute vielen Menschen. Scheute Darwin sich anfangs davor, die menschliche Herkunft zu thematisieren, so setzte er sich 1871 – in Die Abstammung des Menschen – mit diesem Thema auseinander. Mehr als hundert Jahre vorher hatte Linné die Menschen Seite an Seite mit den Affen und Menschenaffen bei den Primaten eingeordnet, und auch Darwin kam in seiner Arbeit zu einem ähnlichen Schluss. Allen damals verbreiteten Parodien zum Trotz behauptete er aber nicht, dass wir von den Affen abstammen, sondern eher, dass sie unsere entfernten Cousins sind.
Über den Mechanismus, wie individuelle Anpassungen von einer Generation zur nächsten weitergereicht wurden, wusste Darwin nicht viel zu sagen. Erst durch die breite Anerkennung der Existenz von Genen im frühen 20. Jahrhundert wurde seine Theorie (vgl. Kap. Gene und die DNA) auf ein festeres Fundament gestellt. Mit dem sogenannten Neodarwinismus, einem neuen methodischen Ansatz, gelang es Biologen wie J.B.S. Haldane, mathematische Modelle der Evolution zu erstellen, die sich auf die Konzepte von Genmutation und Diversität innerhalb einer Population stützten. Obwohl verschiedene Mechanismen der Artenentstehung aufgedeckt wurden, bestanden manche Probleme fort. Das galt besonders, wenn das Überleben eines einzelnen Lebewesens durch seine Anpassungen unwahrscheinlicher erschien. All das mündete in den 1960er-Jahren in die Hypothese vom sogenannten egoistischen Gen. Ihr Grundgedanke ist, dass Evolution weniger einzelnen Individuen, als vielmehr der Verbreitung erfolgreicher Gene nützt.
Der »Phyletische Gradualismus«, die einfachste Interpretation des darwinschen Evolutionsprinzips, begreift Wandel im Hinblick auf eine langsame, aber konstante Evolutionsrate. Vorhandene Arten verändern sich schrittweise und über große Zeiträume, während neue Arten aufgrund von selektiven Einflüssen durch mehr oder weniger willkürliche Genmutationen entstehen. Demgegenüber postuliert der »Punktualismus«, das andere theoretische Extrem, dass Arten über große Zeiträume im Grunde unverändert bleiben, dann aber als Reaktion auf radikale Umweltveränderungen kurze Phasen rasanter Veränderung und Diversifizierung durchlaufen. Die Entdeckung, dass zwischen bedeutenden Veränderungen in den Fossilienfunden und Katastrophen wie Meteoriteneinschlägen und Klimawandel ein Zusammenhang besteht, scheint dem Punktualismus in gewissem Maße recht zu geben.
Aus Sicht religiöser Kreationisten habe Gott unser Ökosystem als All-inclusive-Paket geschaffen – mit allen Fossilien und genetischen Matrizen –, um unseren Glauben auf die Probe zu stellen. Gegner der Evolutionstheorie verweisen deshalb gern auf vermeintlich wissenschaftliche Unzulänglichkeiten, wie zum Beispiel fehlende Indizien für wichtige evolutionäre Veränderungen (sogenannte missing links). Dabei wird jedoch häufig ignoriert, dass es Fossilienfunde gibt, die tatsächlich zum Schließen der Lücken beitragen und das fossile Gedächtnis insgesamt sehr lückenhaft ist – schließlich hat nur ein Bruchteil aller Arten überhaupt Fossilien hinterlassen, und diese beschränken sich natürlich wieder auf Lebewesen, die in einer bestimmten Umgebung gestorben waren.
Eine weitere These der Kreationisten ist unter dem Begriff »Intelligent Design« (ID) bekannt. Nach ihr ist es unmöglich, dass einige komplexe Merkmale der Anatomie im Laufe einer einzelnen Generationsspanne durch zufällige Mutation entstehen und zu einem Selektionsvorteil führen. Stattdessen müsse es irgendeine externe, die Evolution lenkende Kraft geben. Beliebte Beispiele für jene sogenannte nicht reduzierbare Komplexität von Merkmalen sind das Auge und die Flugfeder. Doch ID-Befürworter ignorieren oft die Möglichkeit, dass derartige Merkmale zum Zeitpunkt ihrer Entstehung andere evolutionäre Vorteile gehabt haben könnten (so dürften Federn kleinen Dinosauriern anfangs als Isolierung gedient haben). Zudem können Mutationen, sofern sie die Fortpflanzungschancen eines Lebewesens nicht beeinträchtigen, über Generationen hinweg vom Selektionsdruck unbehelligt bleiben.
Darwins Theorie ist einflussreich und ohne Zweifel wahr, doch sie wurde und wird allzu oft zu politischen und ideologischen Zwecken missbraucht. Eine besondere Lesart sieht die Evolution als linearen Fortschrittsprozess, in dem später entwickelte Lebewesen den früheren »überlegen« seien. Das ist aber nicht der Fall, da Lebewesen lediglich an ihre speziellen evolutionären Nischen angepasst sind. Nichtsdestotrotz wurde die scheinbare Überlegenheit der weißen Europäer im Imperialismus des 19. Jahrhunderts vielerorts mit jener Vorstellung begründet und wurzelt bis heute tief in rassistischen Annahmen. Inzwischen vereinnahmen auch Fürsprecher der freien Marktwirtschaft und einer wettkampforientierten Wirtschafts- und Sozialpolitik die Ideen des Darwinismus (besonders die Phrase »Survival of the Fittest«), obwohl deren Geltungsbereich korrekterweise auf die biologische Naturwissenschaft beschränkt sein sollte.
»Viele Menschen reden von der Darwin-Wallace-Theorie. Darwin selbst wusste nur zu gut, dass seine Theorie reiner Zündstoff war, weshalb er zwanzig Jahre lang an ihr feilte und Beweise sammelte, bevor er sich an die Öffentlichkeit wagte. Am Ende wäre ihm der Naturforscher Alfred Russel Wallace beinahe zuvorgekommen – dieser war bei seinen Erkundungen der malaiischen Inselgruppe zu den gleichen Schlussfolgerungen gelangt und hatte Darwin in einem Brief sogar nach seiner Meinung gefragt. Nur dem Einfluss von Darwins Freunden aus der Wissenschaftselite ist es zu verdanken, dass beide Versionen gleichzeitig veröffentlicht wurden und Darwin als Sieger dargestellt wurde. Zu aller Glück spielte Wallace mit, als dieser nachträglich von der ganzen Sache erfuhr!«
»Wer sagt, dass die Evolution ›nur eine Theorie‹ sei, begreift nicht, was genau eine Theorie ist. Für Wissenschaftler ist es eine vollständige und durch jede Menge Beweise unterfütterte Beschreibung dessen, wie etwas funktioniert. Man kann sie vielleicht weiterentwickeln, doch es ist sehr unwahrscheinlich, dass man sie komplett über Bord wirft. Der korrekte Begriff für einen Erklärungsversuch, der noch auf wackligen Beinen steht, lautet ›Hypothese‹.«
»Oft wird die Evolution in Graphiken fälschlicherweise als Stammbaum des Lebens dargestellt, an dessen Spitze der Mensch steht. Doch Darwin war von Anfang an auf dem richtigen Weg. In seinen Notizbüchern gibt es eine schöne und einfache kleine Darstellung aus dem Jahr 1837, die das Schema der Evolution ziemlich unmissverständlich als etwas zeigt, das eher nach einer Art wucherndem, verzweigtem Busch aussieht als nach einem Baum.«
FALSCH – Evolution kann auch bei Lebewesen stattfinden, die sich ungeschlechtlich vermehren, weil Mutationen andere Ursachen haben können.
FALSCH – Nach der Theorie vom »egoistischen Gen« gibt es Gene, die verbreitet werden, auch wenn dabei ein Nachteil für einzelne Träger dieser Gene entsteht.
RICHTIG – Die »kladistische« Klassifikation versucht durch Katalogisierung der genetischen und anatomischen Merkmale von Arten herauszufinden, wie nahe diese miteinander verwandt sind.
FALSCH – Der Ornithologe David Lack hat als Erster die Schnäbel der Darwinfinken als Anpassung an ihre unterschiedlichen Nahrungsgewohnheiten erkannt.
RICHTIG – Zum Beispiel sind männliche Pfauen mit ihren langen Schwanzfedern zwar anfälliger für Fressfeinde, die Federn sichern ihnen jedoch auch den Fortpflanzungserfolg.
Wenn Selektionsdruck die Fortpflanzung in einer Generation beeinflusst, dann verändert er die Merkmale, die die Folgegeneration erbt.
»Ich würde nicht so sehr sagen, dass Watson und Crick die Struktur der DNA hervorgebracht haben, sondern eher hervorheben, dass die Struktur Watson und Crick hervorgebracht hat.«
– Francis Crick –
Das Herzstück der Genetik ist ein komplexes Molekül namens Desoxyribonukleinsäure (kurz DNA). Diese ist eine sich selbst replizierende Matrize, die alle nötigen Anleitungen enthält, wie jedes Bauteil eines Organismus gefertigt wird – vom einzelnen Protein bis zur gesamten Anatomie. Schon in den 1950er-Jahren wurden die Struktur der DNA und deren Rolle bei der Vererbung ermittelt, doch die zur Kartierung der gesamten DNA eines Organismus nötige Technologie ist weitaus jünger. Bis heute sind Biologen damit beschäftigt, die neuen Erkenntnisse zu ordnen, welche die Entschlüsselung des gesamten Genoms ans Licht beförderte.
Falls Sie wirklich wissen wollen, wie Genetik funktioniert, müssen Sie zunächst das Molekül kennenlernen, das alldem zugrunde liegt.
Vieles, was die Wissenschaft über die Funktion der DNA weiß, verdankt sie einem kleinen Insekt namens Drosophila melanogaster.
RICHTIG / FALSCH
Bei der Befruchtung werden von jedem Elternteil zwei vollständige Sätze aus Genen getrennt und nach dem Zufallsprinzip miteinander vermischt. Auf diese Weise wird der eine Satz Gene bestimmt, der über die zukünftigen Merkmale des Nachwuchses entscheidet.
RICHTIG / FALSCH
Jede Sprosse der DNA-Leiter besteht aus einem Aminosäurenpaar. Einige von ihnen kann der Körper selbst herstellen, andere aber nicht, weshalb wir sie von außen über die Nahrung aufnehmen müssen.
RICHTIG / FALSCH
Wie eine wohldurchdachte Software verfügt auch die DNA über integrierte Prozesse, die für Redundanz und Fehlerkontrolle sorgen.
RICHTIG / FALSCH
Die DNA verlässt nie den Zellkern, außer wenn sich eine Zelle zweiteilt, um sich zu duplizieren.
RICHTIG / FALSCH
Im Zusammenhang mit der Genetik gibt es jede Menge Fachbegriffe, von denen wir einige zunächst klarstellen sollten: Ein Gen ist eine Abfolge von genetischen Informationen, die über ein bestimmtes Merkmal wie die Augenfarbe entscheidet und auf dem DNA-Strang als verschlüsselte Sequenz von »Basenpaaren« vorliegt. Dagegen bezeichnet das Chromosom einen einzelnen DNA-Doppelstrangfaden, der in der Regel mehrere Millionen Basenpaare umfasst und aus Tausenden von Genen besteht. Der Zellkern im Inneren einer typischen menschlichen Zelle enthält 46 Chromosomen – 22 identische Paare (auf die Gründe kommen wir später zurück) und zwei eigenständige Geschlechtschromosomen. Der vollständige Chromosomensatz wird als »diploider Chromosomensatz«, der in diesem enthaltene vollständige Satz genetischer Erbinformationen als »Genom« bezeichnet.
Die DNA im Zellkern wurde bereits 1869 durch Friedrich Miescher nachgewiesen, ihre Bedeutung aber erst viel später erkannt. Um 1866 stieß der österreichische Mönch Gregor Mendel bei seinen Experimenten mit Erbsenpflanzen auf die Grundprinzipien der Genetik. Er konnte zeigen, dass gewisse Pflanzenmerkmale in Form von Faktoren verschlüsselt waren, die wir heutzutage als Gene bezeichnen. Jede Pflanze trägt zwei Versionen jedes Gens in sich (da sie von beiden Eltern je eine geerbt hat), weist aber stets nur Merkmale auf, die entweder durch ein einziges Gen oder eine Mischung beider Gene bestimmt werden. Zu Mendels Lebzeiten fand seine Arbeit jedoch kaum Beachtung. Erst um 1900 wurde sie wiederentdeckt, als sie dazu beitrug, Darwins Evolutionstheorie zu stützen. Doch es sollte bis in die 1940er-Jahre hinein dauern, ehe ein US-amerikanisches Forschertrio Hinweise darauf fand, dass die DNA-Moleküle die Träger des genetischen Codes sind.
Die genetische Ausstattung eines Organismus ist als »Genotyp« bekannt, während seine äußere Erscheinung »Phänotyp« heißt (manche Wissenschaftler weiten den Begriff Phänotyp noch auf die Interaktionen eines Organismus mit seiner Umwelt aus). Der Genotyp enthält zwei Versionen jedes Gens, wobei sich oft nur eine im Phänotyp »äußert«. Diese verschiedenen Versionen eines Gens werden »Allele« genannt und sind generell entweder »dominant« oder »rezessiv« – ein Hinweis darauf, welches von beiden sich, wenn beide vorhanden sind, äußert. Häufig erbt ein Organismus jedoch Mischformen verschiedener Allelausprägungen, sodass das Resultat entweder intermediäre Vererbung (ein Mix aus beiden Merkmalen) oder Kodominanz (wenn sich beide Merkmale in unterschiedlichen Teilen des Körpers äußern) lautet.
Das DNA-Molekül ist ein Polymer – ein komplexes Molekül aus unzähligen einfachen, sich wiederholenden Einheiten. Seine berühmte Doppelhelix-Struktur stellten Francis Crick und James Watson 1953 heraus, wobei sie sich auf experimentelle Daten von Maurice Wilkins und Rosalind Franklin stützten. Viele vergleichen die DNA-Struktur auch mit einer in sich verdrehten Leiter. Ihre Längsholme (Stränge) bestehen aus sich wiederholenden Gruppen, die als »Phosphat-Rückgrat« bezeichnet werden, während die Sprossen von je einem chemischen Basenpaar gebildet werden, das in der Mitte verbunden ist. Diese Paare setzen sich aus vier Bausteinen zusammen: Adenin (A), Cytosin (C), Guanin (G) und Thymin (T), die ihrerseits spezifische Paarbindungen eingehen – Adenin und Thymin gehören zusammen, ebenso Cytosin und Guanin.
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Jede Anordnung der vier Basenmoleküle auf einem Strang der DNA-Leiter erfordert die komplementäre Anordnung auf dem gegenüberliegenden Strang, damit ein Basenpaar entsteht. Die DNA kann Informationen demnach in Form zweier komplementärer Stränge aus »Buchstaben« speichern. Bei der Zellteilung (dem Prozess, der es unserem Körper ermöglicht zu wachsen, sich selbst zu reparieren und fortzupflanzen) werden die DNA-Stränge mithilfe eines Zellmechanismus repliziert. Dieser teilt das Molekül zunächst wie einen Reißverschluss der Länge nach in der Mitte und fügt dann die fehlenden komplementären Basen- und Rückgrat-Moleküle hinzu, um so die fehlende Hälfte des Ursprungsmoleküls zu rekonstruieren.
Der genetische Code der DNA nimmt mithilfe von Proteinen Gestalt an. Proteine sind vielfältige Mehrzweck-Moleküle, die alle komplexen Strukturen in unserem Körper bilden und selbst wieder aus unzähligen kleineren Einheiten, den Aminosäuren, bestehen. Bei der Proteinsynthese öffnet die DNA für kurze Zeit den Reißverschluss, damit ihr Code auf ein intermediäres Molekül, die sogenannte Ribonukleinsäure (RNA), kopiert werden kann, die als einzelner Strang vorliegt. Danach lesen Zellmaschinen, die sogenannten Ribosomen, den RNA-Code aus – im Takt von jeweils drei Buchstaben zugleich. Jede dieser als »Codon« bezeichneten Drei-Buchstaben-Folgen verweist auf eine spezifische Aminosäure, die dem wachsenden Proteinmolekül hinzugefügt werden soll, während gesonderte Codes den Anfang und das Ende eines Proteinstrangs markieren.
Im Jahr 1958 formulierte Francis Crick das sogenannte zentrale Dogma der Molekularbiologie, ein einfaches, aber wichtiges Prinzip, das die Richtung des Informationsflusses in biologischen Systemen beschreibt. Es besagt im Wesentlichen, dass der genetische Code der DNA auf einen RNA-Strang repliziert wird und seine Informationen anschließend zur Produktion der entsprechenden Proteinmoleküle verwendet werden. In Einzelfällen sei es möglich, dass Proteine auch direkt von der DNA ausgehend synthetisiert werden oder dass RNA-Moleküle sich selbst replizieren oder gar als Basis für die Erschaffung eines neuen DNA-Moleküls dienen. In keinem Fall würden Informationen jedoch aus Proteinen »heraus« übermittelt.
Wie kommt es also, dass ein Organismus am Ende von jedem Elternteil nur einen Satz Gene erbt? Die Antwort liegt in den Geschlechtszellen (den Sperma- und Eizellen), die auf einer speziellen Form der Zellteilung beruhen. Dieser als »Meiose« bekannte Prozess bringt Zellen mit einem einzigen (haploiden) Chromosomensatz hervor, dessen Gene sich aus den ursprünglich in den Zellen des jeweiligen elterlichen Körpers vorhandenen Genen (des diploiden Satzes) zusammensetzen, die bei der Meiose aber wild durchmischt und neu verteilt wurden. Der in den Geschlechtszellen vorgefundene Genmix kommt rein zufällig zustande und ist unabhängig davon, ob ein bestimmtes Allel als dominant gilt oder nicht. So können etwa rezessive Gene der Großeltern in der dritten Generation plötzlich und unerwartet hervortreten, obwohl sie sich bei keinem der Elternteile geäußert hatten.
Die DNA liefert den Mechanismus, mit dem der ganze Evolutionsprozess funktionieren kann. Aus der zufälligen Vermischung der elterlichen Gene können Individuen hervorgehen, die sich mehr oder minder für ihre Umwelt eignen und bei denen es mehr oder minder wahrscheinlich ist, dass sie ihre Gene an die Folgegeneration weitergeben. Zudem ist das Kopierverfahren für die DNA nicht perfekt, sodass es immer wieder zu kleineren Fehlern und Veränderungen kommen kann (die dann womöglich von den Fehlerkorrekturverfahren im Inneren der Zelle übersehen werden). Meist handelt es sich um harmlose Veränderungen, die nicht im Phänotyp nachweisbar sind, doch manchmal führen sie auch zur Entstehung neuer Merkmale, die entweder die Überlebenschancen des Individuums hemmen oder seine Fortpflanzungschancen erhöhen können.
Die Komplexität des DNA-Moleküls zu erklären zählt zu den größten Problemen der Evolutionsbiologie. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich selbst ein kleines Stück der Doppelhelix zufällig formiert haben könnte, ist verschwindend gering. Daher müssen es verschiedene Arten von Selektionsdruck irgendwie geschafft haben, unzählige Generationen von Molekülen zu erzeugen, die sich in ihrer Gestalt der DNA immer weiter annäherten. Der hierfür gängigste Lösungsansatz, die »RNA-Welt-Hypothese«, stützt sich darauf, dass einsträngige RNA-Moleküle über geringere Fähigkeiten zur Informationsspeicherung verfügen. Studien legen nahe, dass die sogenannte chemische Energetik die RNA-Bausteine nach deren Bildung einerseits stabil gehalten haben dürfte, es ihnen andererseits aber nur erlaubte, mit ganz bestimmten chemischen Substanzen ganz spezifische Bindungen einzugehen. Folglich könnten die ersten Lebensformen RNA-Ketten mit konkurrierenden chemischen Ausstattungen gewesen sein. Sie hätten sich entweder dadurch repliziert, dass sie konkurrierende Stränge ausschlachteten, oder indem sie mit ihnen »kooperierten« – so lange, bis die ersten vollständigen DNA-Stränge auf der Bildfläche erschienen.
»Der große Beitrag Rosalind Franklins zu dieser ganzen Strukturgeschichte bestand aus Fotos von DNA, die sie mithilfe der sogenannten Kristallstrukturanalyse aufgenommen hatte. Im Prinzip durchleuchtet man ein Material mit Röntgenstrahlen, sodass diese beim Durchqueren der Lücken zwischen den Molekülen gebeugt oder in alle Richtungen verteilt werden. Am Ende erhielten Watson und Crick, auch wenn es nicht wirklich ihr eigenes Verschulden war, ohne Franklins Zustimmung Teile ihrer Arbeit, die ihnen dabei halfen, die Doppelhelix-Struktur zu ermitteln.«
»Aus moralischer Sicht kann man darüber streiten, wie jene Information weitergegeben wurde. Die wahre Schande ist aber, dass Franklin in dem Artikel über die Entdeckung der DNA-Struktur nicht einmal namentlich erwähnt wird, weil ihre Arbeit zum damaligen Zeitpunkt formal noch nicht veröffentlicht war. Zudem verpasste sie die Chance auf einen Nobelpreis, weil sie 1958 starb und dieser nicht posthum vergeben wird. Dennoch hat sie sich für Frauen in der Wissenschaft zu einer derartigen Ikone entwickelt, dass man aus heutiger Sicht sagen könnte, dass sie sogar berühmter ist als Crick und Watson.«
RICHTIG – Genetiker lieben die gemeine Fruchtfliege, weil sie nur vier Chromosomen besitzt, innerhalb von zehn Tagen schlüpft und deshalb perfekt dazu geeignet ist, die Verbreitung genetischer Veränderungen zu beobachten.
FALSCH – Tatsächlich findet die Trennung und zufällige Vermischung der Gene bei der Herstellung der Sperma- und Eizellen statt.
FALSCH – Die Sprossen der DNA bestehen aus chemischen Basen, die von einem Phosphat-Rückgrat gehalten werden. Aminosäuren kommen bei der Proteinherstellung zum Einsatz.
RICHTIG – So können die vier Buchstaben der DNA insgesamt 64 Drei-Buchstaben-Codone bilden, werden jedoch lediglich zur Bestimmung von 20 Aminosäuren genutzt. Von diesen kann jede auf zwei oder mehrere Arten kodiert werden, was für Redundanz sorgt.
FALSCH – Kleine Mengen an DNA sind immer auch außerhalb des Zellkerns zu finden, in den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zelle.
Der aus vier Buchstaben zusammengesetzte genetische Code der DNA kann eine schier unendliche Vielfalt hervorbringen, sobald er im Inneren von lebenden Organismen in Proteine umgewandelt wird.
»Kann es etwas Überzeugenderes für die Erforschung der Menschheit geben, als unsere eigene Gebrauchsanweisung zu lesen?«
– Francis S. Collins –
Das menschliche Genom ist die Gesamtsumme aller genetischen Informationen, die einen typischen Menschen ausmachen – eine Folge von mehr als drei Milliarden auf den DNA-Strängen aneinandergereihten Nukleinsäuren, aus denen sich (unter anderem) die verschiedenen Chromosomen des Menschen zusammensetzen. Allein das Zusammentragen dieser Informationen bedeutete eine enorme technologische Herausforderung, während die weitaus gewaltigere darin besteht zu verstehen, was das alles überhaupt zu bedeuten hat. Wir fangen gerade erst an, unsere genetische Veranlagung zu begreifen.
Das Genom ist ein Buch mit rund drei Milliarden Buchstaben - stellen Sie sich doch einmal vor, was möglich wäre, wenn wir seine gesamte Bedeutung kennen würden …
Die Gene von Mensch und Schimpanse sind zu 98 Prozent gleich, doch innerhalb unserer eigenen Art sind wir zu 99,5 Prozent identisch.
RICHTIG / FALSCH