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© 2018 cbj Kinder- und Jugendbuchverlag

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Alle Rechte vorbehalten

Umschlagillustration und -konzeption: Katrin Engelking

Umschlagfertigstellung: Kathrin Schüler

CK • Herstellung: UK

Reproduktion: Reproline mediateam, München

ISBN 978-3-641-15005-1
V002

www.cbj-verlag.de

Zwei Freunde kommen nach Hause

Am späten Nachmittag begleiten Rosa und ihr Esel Einhorn Irmela nach Hause. Nachdem Bäcker Zopf sie mit ­frischen Marzipanwecken und altem Knödelbrot verpflegt hat, reitet Rosa auf Einhorn durch den Wald zurück zum Grillenwinkel. In Esel Einhorns Mähne flattern rosa Geschenkbänder. Damit haben die Mädchen ihren ­neuen Freund geschmückt.

Rosa trägt ihr grünes Zweitlieblings-T-Shirt mit dem Rotkehlchen darauf. Wie ein Rotkehlchen trällert sie auch das Lied, das sie sich ausgedacht hat:

Rosa, Rüschen, Rauscheroben find ich richtig toll!

Meine Eltern klagen, fragen, was der Quatsch nur soll?

Sie wollen, dass ich mach, was nur ein cooles Mädchen tut …

doch rennen, raufen, rempeln kann ich ganz genauso gut!

Ich habe einen Esel und der Esel hat ein Horn,

als wundersames Einhorn ist das edle Tier gebor’n.

Wenn du’s nicht glaubst, dann schau doch einfach mal

genauer hin.

Das rät dir eine wilde Rosa Räuberprinzessin!

Esel Einhorn trötet den Refrain dazu und fällt in einen gemüt­lichen Trab. Rosa wird durchgeschüttelt wie Blubberbrause. Gleich schäumt sie über vor lauter Glück!

Schon von Weitem hört Rosa Gehämmer. Als sie und Esel Einhorn auf den Hof einreiten, sieht Rosa auch, woher das Hämmergeräusch kommt. Mama und Papa klettern auf dem Dach herum. Papa deckt die Ziegel ab, Mama nagelt an den freien Flächen Müllbeutel auf die Sparren. Sie haben sich aneinander mit ihren Kletterseilen gesichert.

Mit einem Hops springt Rosa von Einhorns Rücken. »Seltsam. Mama und Papa wollten von ihrem Kirmesverdienst eigentlich einen Dachdecker kommen lassen. Aber jetzt reparieren sie das Dach selbst«, sagt sie zu Esel Einhorn. »Ich verstehe wirklich nicht, wieso die beiden so viel Spaß an solchen Basteleien ­haben. Dafür gibt es doch Handwerker!«

Esel Einhorn blinzelt Rosa zu. Tja, manche sind eben I-Anders. Du bist halt eine Prinzessin, I-Auch wenn du noch kein passendes Kleid hast. Vielleicht hat man dich I-A in der Wiege vertauscht?

Rosa schirmt mit der Hand die Augen gegen die rotgoldene Sonne ab, um ihre Eltern besser zu sehen. Da entdeckt Papa sie: »Unser Räubermädchen mit ihrem Esel Einhorn ist zurück!«, ruft er. »Alles in Ordnung bei euch?«

Rosa winkt Mama und Papa fröhlich zu und streckt den Daumen nach oben.

Oh I-A. Bei Rosa ist alles in Ordnung!

Rosa hat noch etwas zu erledigen

Rosa dreht und wendet sich vor dem Spiegel im Flur. Das Kleid passt wie angegossen. Es ist noch schöner als das Kleid, das sie sich für ihren Geburtstag vorgestellt hat. Jetzt findet Rosa es überhaupt nicht mehr schlimm, wenn sie von ihren Eltern einen Werkzeugkasten geschenkt bekommt. Den kann sie sicher auch gut brauchen. Nur weil sie wie eine wunderschöne Prinzessin aussieht, heißt das ja noch lange nicht, dass sie nicht mit Hammer und Zange umgehen kann. Aber heute hält sie in der Hand einen Strauß aus neun feinen Seidenblumen. Mama hat sogar noch Stängel aus Schaschlikstäben und grünem Krepppapier daran befestigt. Hinter Rosa streckt Esel Einhorn seinen Kopf ins Bild. Er scharrt ungeduldig mit den Hufen. Auch Rosa will nicht den ganzen Tag ihr Spiegelbild bewundern. Es gibt Wichtigeres zu erledigen.

Diesmal gibt sie ihren Eltern jedoch zuerst Bescheid, was sie vorhat. Die beiden sind sehr einverstanden.

»Wehe, ihr lasst euch in Sonnenbühl wieder von irgendwem adoptieren!«, ruft Mama Rosa und Einhorn nach.

»Ohne unsere Räuberprinzessin wäre im Grillenwinkel doch nix los!«, fügt Papa hinzu.

Rosa lacht und winkt ihnen mit dem Seidenblumenstrauß. »Und ohne euch wäre es mir auch viel zu langweilig! Wir brauchen richtige Rangeleltern, stimmt’s, Esel Einhorn?«

»I-A!«

Dieses Ja verstehen alle auf Anhieb.

Unterwegs dichtet Rosa eine neue Strophe für ihr Lied:

Rosa, Rüschen, Rauscheroben find ich richtig toll!

Meine Eltern klagen, fragen, was der Quatsch nur soll?

Sie möchten, dass ich mach, was nur ein cooles Mädchen tut …

doch rennen, raufen, rempeln kann ich ganz genauso gut!

Zum Esel Einhorn hab ich nun ein wunderschönes Kleid

statt T-Shirt, Jeans und Turnschuh’n. Hey, das war auch

höchste Zeit!

Wenn du mich für ’ne Zicke hältst, schau mal genauer hin:

In diesem Rüschenkleid steckt eine Räuberprinzessin!

In Sonnenbühl marschieren die beiden Freunde zuerst zur Villa Wursthorn. Rosa fühlt sich ein bisschen erleichtert, dass die Haushälterin Inge die Tür öffnet. Die Frau Bürgermeister ist nämlich gleich frühmorgens nach Undingen ins Kaufhaus gefahren. Rosa überreicht der Inge die erste Rose mit der Bitte, sie an Frau Wursthorn weiterzugeben. Aber wirklich an Frau Wursthorn, nicht an diese seltsame gnädige Frau. Mit schönen Grüßen von Rosa Rangel!

Frau Daune schaut etwas erschreckt, als Rosa kurz darauf im Wäscheladen auftaucht. Dabei wartet Esel Einhorn diesmal sogar freiwillig vor der Tür. Aber Herr Daune nimmt Rosa die beiden Rosen gerne ab. »Mit diesen Blumen wird unser Schaufenster noch schöner, schau«, sagt er erfreut und drapiert die Rosen in die Hände der Schaufensterpuppe.

Ganz artig gehen Rosa und Einhorn dann nebeneinander auf dem Gehweg zur Eisdiele.

»Schön zu Fuß, ganz nach den Verkehrsregeln. Tüchtig, ihr beiden!«, lobt sie Polizist Wachauer. Noch mehr freut er sich über die Seidenrose, die er sich sofort an die Uniform heftet.

In ihrem Buchladen nimmt Frau Abele gerade am Telefon eine Bestellung entgegen. Als Rosa ihre Rose neben die dampfende Kaffeetasse legt, strahlt sie über das ganze Gesicht und wirft Rosa eine Kusshand zu.

Bei Magengraus steht neben der Komposttonne noch der nackige Blumentopf, in dem einmal Stiefmütterchen gewachsen sind. Bevor sie eine Begegnung mit Esel Einhorn hatten. Rosa steckt die vier Rosen in die Erde und stellt den Topf dann vor die Haustür. Es sieht aus, als wären sie dort über Nacht erblüht!

Die neunte Rose schenkt Rosa dem Opa Ohnedach. Einfach so. Weil er zufällig vor Zopfs Zuckerbäckerei steht. »Brot für den Bauch und Schönheit für die Seele. Meinen allerherzlichsten Dank, Prinzessin Rangel!« Er deutet eine Verbeugung an und grinst so breit, dass man alle Zahnlücken sieht. Dann tritt Rosa in die Bäckerei, um ihre Freundin Irmela abzuholen. Das nächste Abenteuer kann beginnen!

Rosa bekommt eine Krone

Der erste Gewinn in meinem langen Leben.« Opa Ohnedach ist gerührt. »Tja. Gut Ding will Weile haben.« Verstohlen wischt er sich mit dem Jackenärmel eine Träne aus dem Augenwinkel. »Esst ihr mit? Ihr seid alle eingeladen!«

Rosa, Irmela und Bäcker Zopf lassen sich nicht lange bitten. Gemeinsam decken sie das runde Tischchen vor der Bäckerei. In der warmen Morgensonne machen sie es sich gemütlich. Bäcker Zopf spendiert jeweils eine große Tasse Kaffee für Opa Ohnedach und sich und für die Mädchen gibt es Kakao mit Sahne. Das ist ein Fest­essen! Esel Einhorn bekommt natürlich auch ein Stück Zopf. Allerdings kratzt Opa Ohnedach zuerst die Zuckerkruste herunter. »Nicht, dass du mal so schlechte Zähne bekommst wie ich.«

Als sie fertig geschmaust haben, zieht Opa Ohnedach zufrieden davon. Unter dem Arm trägt er den Rest von seinem großen Hefezopf, der ihn noch lange satt machen wird.

Bäcker Zopf klatscht sich auf die Oberschenkel. »An die Arbeit, Seppi!«, sagt er zu sich selbst. »So, wie es aussieht, brauchen wir wieder eine Menge Teig und einen schönen Preis für das Gewinnspiel morgen.« Er pickt die kleine Bäckerfigur aus den Bröseln auf der Tischdecke und schiebt sie sich in die Schürzentasche. »Aber zuerst möchte ich unserer Retterin Rosa noch ein kleines Dankeschön geben.«

Neugierig folgen Rosa und Irmela ihm in die Backstube. Hat Bäcker Zopf ihr etwa etwas gebacken? Nein, er hat sich für Rosa eine andere Überraschung ausgedacht!

»Die hat dir doch so gut gefallen?«, fragt er und deutet auf die Papp-Krone von Backzack. »Ich hab sie für dich ein bisschen verschönert. Du kannst ja schließlich nicht mit Backzack-Werbung auf dem Kopf herumlaufen.« Er hebt das Krönchen aus dem Regal. Rosa traut sich gar nicht, sie anzufassen. Sie ist unbeschreiblich wunderbar!

Bäcker Zopf hat die dottergelbe Pappe mit goldener Farbe übermalt und verziert. Anstelle der Backzack-Aufschrift glitzern nun bunte Liebesperlen auf den Zacken! Rosa flüstert ehrfurchtsvoll: »Ist die nicht zu schön für mich?«

»Spinnst du schon wieder?« Irmela nimmt die Krone und drückt sie Rosa auf die Haare.

»Diese Krone hast du dir mehr als verdient, Rosa Rangel!«, ruft Bäcker Zopf. »Du hast schließlich die Zuckerbäckerei Zopf gerettet!« Er hebt Rosa hoch und wirbelt sie durch die Backstube, dass ihre rosa Schleppe das Mehl aus der Teigschüssel weht.

Esel Einhorn schiebt seinen Kopf von außen durchs Fenster und schreit: »I-A, I-A!«

»Ja, du auch!«, lobt ihn Irmela. Bäcker Zopf stellt Rosa vorsichtig auf dem Boden ab. »Jetzt werde ich für morgen fleißig backen, und ihr genießt die letzten Ferientage und denkt euch neuen Quatsch aus, über den ich lachen kann!«

Zuerst denken sich Rosa und Irmela und Esel Einhorn aber eine neue Strophe für Rosas Lied aus:

Rosa, Rüschen, Rauscheroben find ich richtig toll!

Meine Eltern klagen, fragen, was der Quatsch nur soll?

Sie wollen, dass ich tu, was nur ein cooles Mädchen tut …

doch rennen, raufen, rempeln kann ich ganz genauso gut!

Esel Einhorn, Kleid und Krönchen machen mich komplett.

Ich bin klein, fein, wild und rosa. Ich bin richtig nett.

Wenn du noch denkst, das kann nicht sein, guck nur genauer hin:

Mit all den schönen Dingen lebt die Räuberprinzessin!

Und dann kümmern sie sich gleich um neuen Quatsch!

Annette Roeder

Illustrationen von Katrin Engelking

Wirbelsturm im Grillenwinkel

Rosa tobt wie ein Wirbelsturm. Sie schleudert die getupfte Bluse, einen Strickpulli, zwei Unterhemden und sieben Unterhosen aus dem Kleiderschrank. Der Hosenrock und das Kleid mit den Delfinen flattern hinterher. Eine Ringelsocke zischt zur Zimmerdecke und bleibt in der Ballonlampe hängen.

Aber das T-Shirt, das Rosa sucht, ist nicht im Schrank. Also kriecht sie unter das Bett. Hier liegen viele Schachteln mit Spielen, die lang vermisste blaue Wachsmalkreide und jede Menge Staub. Zurückgerobbt und auf das Bett hinauf. Im Spalt zwischen Matratze und Wand drängt sich Großfamilie Bär. Doch keiner der Bärenpopos sitzt auf Rosas T-Shirt. Rosa wirft einen letzten Blick auf das Durcheinander in ihrem Kinderzimmer. Das T-Shirt ist nicht da. Sie läuft hinüber ins Bad. Der Wäschekorb ist leer.

Hat Mama etwa …? Ausgerechnet heute? Ausgerechnet an dem Tag, an dem Rosa sich besonders hübsch anziehen möchte, weil die Kirmes beginnt?

»Wehe!«, murmelt Rosa und saust die Treppe hinunter und den langen Gang entlang bis in die Waschküche. Sie stolpert über die Schachtel mit dem Waschpulver. Der Duft von einem Strauß Frühlingsblumen weht in ihre Nase. Die steckt Rosa jetzt allerdings lieber in die Wäscheberge. Wie ein Maulwurf wühlt sie sich durch den krähenschwarzen Stapel. Hosen und Pullis von allen drei Brüdern: Robin, Rocco und Rochus. Dahinter türmt sich die weiße Wäsche, die aus Papas Laborkitteln für die Grillenzucht besteht. Ein einzelner schwarzer Strumpf hat sich allerdings hierherverirrt. Der ist so riesig, dass er nur von Rochus sein kann. So stinkt er auch. Rosa weiß, dass Mama schwarze Socken in der weißen Wäsche nicht leiden kann, weil die Wäsche dann grau wird. Sie greift den Socken mit spitzen Fingern und schnipst ihn zu seinen schwarzen Brüdern hinüber.

Nachdenklich mustert Rosa die Wäschehaufen.

Fehlt hier nicht noch einer? Genau, der normalerweise größte Wäscheberg in der Waschküche, der blaue Jeansberg, er ist nicht da! Dafür läuft die Waschmaschine.

Rosa hockt sich vor das Bullauge und versucht zu erkennen, was sich hier im Kreis dreht. Blau, Schaum. Schaum, Blau. Blau, Schaum. Rosa wird schon ganz schwindelig. Aber da … zwischen Blau und Schaum: ein dunkelrosa Stoffzipfelchen! Das muss ihr T-Shirt sein.

»Mama!«, plärrt Rosa. »Komm schnell!«

Doch Mama hört sie nicht. Wahrscheinlich melkt sie Kuh Melanie, oder sie kocht Kakao fürs Frühstück, oder sie versetzt den Weidezaun von Sau Sieglinde und ihren Ferkeln. Oder, oder. Im Grillenwinkel gibt es viele Möglichkeiten, anderswo zu sein.

Rosa muss ihr T-Shirt also selbst aus der Maschine holen. Sie reißt an der runden Klappe. Die geht nicht auf. Also drückt Rosa auf allen Knöpfen herum, bis keines der Lämpchen mehr leuchtet. Die Tür lässt sich trotzdem nicht entriegeln. Auf der Maschine entdeckt Rosa schließlich einen Schraubenzieher. Bestimmt ist er dafür gedacht, die Waschmaschine zu öffnen. Im Grillenwinkel funktionieren viele Sachen nicht richtig. So wie das Fenster, das man mit Paketband zukleben muss, oder das Dach, unter dessen Löchern Eimer hängen. Rosa stochert mit der Spitze des Schraubenziehers in die Gummidichtung. Gleichzeitig zerrt sie mit der anderen Hand am Griff. Da geht mit einem Ruck die Klappe auf. Ein Schwall schaumige Brühe schwappt Rosa entgegen, fließt über ihre Arme und Beine und macht sich auf dem Boden breit. Als nur noch ein Bächlein aus der Waschmaschine herausrinnt, greift sie in die Öffnung und hält gleich darauf ein patschnasses Knäuel in den Händen: ihr T-Shirt! Hell funkeln die Edelsteine auf dem Stoff. Rosa muss gar nicht den ganzen Satz sehen, um zu wissen, was da steht: Born to be a princess!

Das ist Englisch. Obwohl Rosa in der ersten Klasse noch nicht Englisch lernt, weiß sie, was die Worte bedeuten. Ihre Patentante Roswita hat sie übersetzt, als sie Rosa das T-Shirt zum vierten Geburtstag geschenkt hat.

»Zur Prinzessin geboren«, flüstert Rosa und streicht mit den Fingerspitzen über die Diamanten. Sie wäre auch so gern eine geborene Prinzessin. Wie Cinderella!

Sie drückt vorsichtig das Wasser aus dem Stoff und zieht ihn glatt, um das wunderschöne Bild von Prinzessin Cinderella unter der Schrift zu bewundern. Doch dann schreit sie auf. Der rosa Stoff ist mit hässlichen grauen Flecken überzogen. Und Cinderella hat lauter blaue Punkte im Gesicht!

Rosa ist (fast) untröstlich

Vielleicht sind es ja Wunschpunkte!« Mama versucht Rosa zu trösten und umarmt sie fest. Robin hat Rosa in der Waschküche entdeckt, aus dem Schaum gezogen und in die Stube geschleppt. Jetzt sitzt die jammernde Rosa auf Mamas Schoß. Alle sind ganz betroffen. Wenn Rosa so heult, muss etwas richtig Schlimmes passiert sein. Sogar Herr August hat seinen riesigen Wolfshundeschädel auf Rosas Oberschenkel gelegt und jault mit.

»Wunschpunkte? Cinderella ist doch kein Sams!« Rosa zieht beleidigt auf ihren eigenen Stuhl um. »Mach sofort die blöden Punkte weg, Mama! Ich will mein T-Shirt zur Kirmes anziehen.«

Mama schaut auf ihre Uhr und dann auf das tropfende T-Shirt, das über dem Kachelofen hängt. »Dazu ist jetzt keine Zeit mehr. Und wenn ich die Flecken entfärbe, verschwindet vermutlich auch die rosa Farbe.« Sie wirkt nicht so, als fände sie den Gedanken schlimm. Aber Rosa findet ihn sehr schlimm. Sie heult wieder auf.

»Tut mir wirklich leid, es ist meine Schuld«, sagt Papa und tät­schelt Rosas Haare. »Dein T-Shirt war total verdreckt. Da hab ich es zu den Jeans gesteckt. Ich wusste nicht, dass die so abfärben.«

Mama will Papa verteidigen: »Das Problem ist, dass wir sonst keine rosa Wäsche haben, mit der wir es zusammen waschen könnten«, erklärt sie.

»Genau! Das ist sogar ein ganz großes Problem!« Rosa schnieft. »Jetzt gibt es bei uns außer Sieglinde und ihren Ferkeln und der Ballonlampe gar nichts mehr in Rosa! Und die Lampe musste ich sogar von meinem Taschengeld bezahlen, weil Mama keine rosa Lampe kaufen wollte, sondern eine blaue.«

»Ich dachte, deine Rosa-Phase geht bestimmt schnell vorbei«, rechtfertigt sich Mama.

Rochus bekräftigt: »So ist das eben, wenn man drei ältere Brüder hat. Du kannst nicht erwarten, dass wir alle rosa Röckchen tragen, damit du sie mal erben kannst, wenn wir rausgewachsen sind.«

»Vielleicht könnten wir für Rosa mal eine Ausnahme machen und wenigstens Hosen in Rosa kaufen?«, bietet Robin an.

»Hast du noch alle Tassen in der Tiefkühltruhe?« Rocco schüttelt sich bei dem Gedanken. »Pink und Rosa ziehen Zicken an, die nichts in der Birne haben.«

Wenn Rosa so was Blödes hört, wird sie sauer. »Gar nicht wahr! DU hast nichts in der Birne als Matsch! Eine Farbe zeigt doch nicht, WIE jemand ist.«

Papa will die Diskussion offensichtlich gerne beenden und schlägt vor: »Du kannst dir ja zum Geburtstag ein neues T-Shirt wünschen.«

Das bringt Rosa auf eine Idee. »Da wünsche ich mir lieber gleich ein richtiges Prinzessinnenkleid!« Zur Sicherheit fügt sie hinzu: »Natürlich auch rosa und mit Glitzer, aber ohne Delfine.«

Mama rauft sich die Locken. »Woher hat das Kind nur diesen Hang zu dem ganzen rosa Rüschelkram? Ich habe doch Lullufee, Barbie, Polly Dingsbums und wie diese Modehexen alle heißen, nie in unser Haus gelassen.«

»Wenn du kein Rosa magst, hättest du mich eben nicht Rosa nennen dürfen!« trumpft Rosa auf und stopft sich ein Stück Hörnchen in den Mund.

»Dein Name ist doch bloß eine Kurzform von Roswita«, wider­spricht Rochus, der Gescheitmeier. »Der hat überhaupt nichts mit der Farbe Rosa zu tun.«

»Ist doch ganz egal«, erklärt Rosa schmatzend, »ich mag Rosa ganz einfach. Das ist angeboren.«

»Angeboren?« Mama sieht an ihrem grün-weiß geringelten Hemd und den Jeans zu ihren weißen Turnschuhen hinunter. »Unmöglich!«