Es war einmal vor langer Zeit
in einer weit, weit entfernten Galaxis …
Der Krieg kehrt in die Galaxis zurück. Die Erste Ordnung schickt sich an, ihre schreckliche Macht gegen die nichtsahnende Neue Republik einzusetzen, und allein der Widerstand stellt sich ihr entgegen. Nur noch wenige Orte sind sicher – mit Ausnahme von Cantonica.
Aus dem endlosen Sand dieser Welt erhebt sich Canto Bight, eine Stadt des Überflusses und des Exzesses, eine luxuriöse Zuflucht für die Reichen und Skrupellosen, wo Träume Realität werden und die Aussicht auf einen Krieg nur als Gelegenheit für weiteren Profit betrachtet wird.
Während die Dunkelheit weiter um sich greift, suchen die Besucher hier ihr Glück, bezirzt von dem Glanz und dem Nervenkitzel der Glücksspieloase. Das Schicksal der Galaxis kümmert kaum jemanden im schillernden Glanz der Casino-Stadt. Denn was immer geschieht, Canto Bight wird weiter strahlen …
DIE REGELN DES SPIELS
von Saladin Ahmed
1
Als die Traum von Cantonica aus dem Hyperraum zurückfiel, nieste Kedpin Shoklop lautstark und pustete durch seine Nasenschlitze. Anschließend lächelte er entschuldigend, blinzelte mit seinem einen großen Auge und hoffte, dass sein Sitznachbar die beschwichtigende Geste verstehen würde.
Besagter Sitznachbar – ein teuer gekleideter, breitschultriger Vertreter einer hauer- und hörnerbewehrten Spezies, die Kedpin nicht kannte – brummte abfällig. Zum Glück hatte Kedpin jede Menge Erfahrung im Umgang mit mürrischen Zeitgenossen. Wie sagte er doch immer seinen Kollegen: Der Schlüssel ist eine positive Einstellung.
»Also, Canto Bight, hm?«, sagte er, an seinen Nebenmann gewandt, wobei er seiner Stimme einen freundschaftlichen Ton gab. »Der Spielplatz der glamourösesten Wesen der Galaxis! Kartenspiele um Vermögen, Fathier-Rennen um Millionen-Wetten! Der größte künstliche Ozean, den es überhaupt gibt! Und das beste Essen außerhalb von Coruscant. Ich kann nicht glauben, dass ich diese Reise gewonnen habe!« Die Chancen waren verschwindend gering gewesen, aber Kedpin war zu VaporTechs bestem Verkäufer des Jahres gekürt worden, und zur Belohnung hatte man ihm zwei Standardwochen Urlaub auf Canto Bight spendiert, alles auf Kosten der Firma! Alle waren fassungslos gewesen! Kedpin hatte es selbst kaum fassen können, als der Admin-Droide seinen Namen laut vorlas; und das, obwohl er sich diesen Moment im Lauf der Jahrzehnte im Geiste eine Million Mal ausgemalt hatte. Er hatte gewonnen. Lange Zeit hatte er an dem Wettbewerb gezweifelt; hatte er sich gefragt, ob da wirklich alles mit rechten Dingen zuging. Aber er hatte sich weiter an die Regeln gehalten und sein Bestes getan, so, wie man es ihm beigebracht hatte. So, wie er es seit hundert Jahren schon tat.
Und jetzt war er unterwegs, um seine Belohnung in Anspruch zu nehmen. Allein die Reise war luxuriöser gewesen als alles, was Kedpin bislang erlebt hatte. Was für Snacks es hier gab! Aber das war nichts verglichen mit dem, was ihn noch erwartete. Er würde endlich das legendäre Canto Bight besuchen, sich in Zords Spa und Badehaus eine Null-G-Massage gönnen, und – sein größter Traum überhaupt – persönlich bei einem Fathier-Rennen dabei sein!
»Ich kann es nicht fassen, dass ich wirklich hier bin!«, sagte er. Sein Sitznachbar ignorierte ihn und wandte sich unhöflich ab, um aus dem Fenster zu starren. Aber für Kedpin war das hier sein erster Urlaub seit hundert Jahren, und er würde sich das von niemandem vergällen lassen.
Der Kapitän der Traum von Cantonica verkündete, dass sie den Orbit über Cantonica erreicht hatten. Kedpins Nebenmann hatte vor Beginn der Reise barsch den Fensterplatz für sich beansprucht, aber wenn er den Hals reckte und krümmte, hatte Kedpin trotzdem einen ganz passablen Blick nach draußen. Und was er sah, ließ alle drei seiner Herzen höherschlagen.
Rosafarbene, blaue und grüne Nebelschaden schimmerten vor dem pechschwarzen Hintergrund des Alls, das sich in alle Richtungen erstreckte, gesprenkelt von kleinen, schillernden Sternen. Davor – so nahe, dass Kedpin das Gefühl hatte, er müsste nur die Hand ausstrecken, um sie zu berühren – hingen Cantonicas glühende Monde in der Dunkelheit. Er hatte seinen Planeten schon ein paarmal verlassen, um sich mit Kunden von VaporTech zu treffen oder an Konferenzen teilzunehmen, aber die Firma hatte ihm stets einen Platz an Bord überfüllter, fensterloser Transporter gebucht. So wie jetzt hatte er das All noch nie gesehen. Es war unbeschreiblich schön.
Cantonica selbst war eine Kugel von dumpfem Gelbbraun, mit sandfarbenen Wolken hier und da. Als sie mit dem Sinkflug begannen, formten die Lichter einer gewaltigen Stadt – Canto Bight, wie Kedpin schlagartig klar wurde! – eine leuchtende Oase auf der Planetenoberfläche. Dominiert wurde der Anblick aber von einem gewaltigen, türkisfarbenen Fleck, dessen Ränder unnatürlich gerade waren: das Meer von Cantonica.
Die Fenster dunkelten sich ab, und Kedpin folgte der Lautsprecherdurchsage, die alle Passagiere anhielt, sich während des Landeanflugs auf ihren Sesseln zurückzulehnen. Wenige Minuten später, nach einem kurzen Kampf mit dem Gepäckfach, indem sein Schwebekoffer verstaut war, stellte sich Kedpin in der Schlange vor der cantonicanischen Einreisekontrolle an. Man rief ihn zu einem Schalter, wo ein uniformierter männlicher Mensch mit getrimmtem Bart und irritiertem Gesichtsausdruck saß.
»Guten Morgen und willkommen auf Cantonica«, sagte er, aber es klang nicht, als würde er es wirklich so meinen. Anschließend nahm er Kedpins Datenblock. »Name?«
»Kedpin Shoklop.« Begegne einem Stirnrunzeln mit einem Lächeln, wiederholte Kedpin im Stillen. Er lächelte dem ungehalten dreinblickenden Menschen zu und ließ seine Stimme extra freundlich klingen, als er hinzufügte: »Aber sagen Sie ruhig Ked! Alle meine Freunde nennen mich so!«
»Nein«, erwiderte der Mann in der Uniform. »Spezies?«
»Wermal.«
»Heimatwelt?«
»Werma-Minor.«
»Sind Sie beruflich oder im Urlaub hier?«
»Ich habe diese Reise gewonnen, verstehen Sie. Ich bin VaporTechs Evaporatorverkäufer des Jahres!«
Zum ersten Mal überhaupt blickte der Mensch nun von seinem Terminal auf. Kedpin wünschte sich, er hätte es nicht getan. »Ja, so sehen Sie aus.« Der Mann starrte ihn an, als wäre er ein Insekt, das es zu zerquetschen galt! »Haben Sie vor, während Ihres Aufenthaltes die Ansichten politischer, parapolitischer, militärischer oder paramilitärischer Vereinigungen zu verbreiten?«, fragte er schließlich.
Kedpin blinzelte mit seinem Auge. Er verstand die Frage nicht.
»Er möchte wissen, ob du Propaganda für die Erste Ordnung oder den Widerstand betreiben willst«, raunzte jemand in der Schlange hinter ihm.
»Ha! Ha!«, lachte Kedpin. »Ich, ein Spion?« In seiner Heimatwelt gab es keine Kämpfe – noch nicht. Aber von den anderen VaporTech-Verkäufern hatte er unglaubliche Geschichten über den Krieg gehört. Es klang einfach nur schrecklich, und Kedpin wollte nichts damit zu tun haben. »Nein, natürlich nicht!«
Der Mann betrachtete seinen Datenblock. »Sie arbeiten also für VaporTech, hm?«
»Jawohl, Sir! Ich verkaufe seit hundertzwei Jahren Evaporatoren! Stechen Sie mir eine Nadel in den Daumen, und ich blute VaporTech-gefiltertes Wasser!« Er lachte noch einmal. »Das ist natürlich nur ein Scherz.«
»M-hm«, machte der Offizier. »Sie haben keinen Sponsoren-Chip.«
»Keinen was?«
Der Mann fuhr sich mit der Hand durch den dichten Bart und seufzte. Aus einem Grund, den Kedpin nicht verstand, wirkte er jetzt noch ungehaltener als zuvor. »Kommen Sie mit, Sir.«
Man führte Kedpin von dem Schalter zu einer weiteren Warteschlange. Die Wesen, die hier anstanden, sahen nicht aus wie Touristen. Sie wirkten anders – unheilvoller, in Kedpins Auge wie die Art Wesen, die Ärger machten. Er wusste nicht, was er in dieser Schlange verloren haben sollte, aber er war sicher, dass es einen guten Grund gab. Canto Bight hatte Klasse. Hier gab es Regeln.
Vor ihm stand ein hochgewachsenes, dürres silberhäutiges Geschöpf mit harten knochigen Dornen am ganzen Körper. Es sah aus wie eine wütende Frau, die ganz aus Messern bestand. Als der Offizier davonging, begann die Kreatur, mit ihren »Messern« zu rasseln, und Kedpin sog erschrocken den Atem ein.
Sympathien wecken ist der schnellste Weg zum Abschluss, war eine weitere von Kedpins favorisierten Verkäufermaximen. »Hallo! Hatten alle einen angenehmen Flug? Sind Sie auch Touristen?«, sagte er, zu niemandem im Speziellen, und er erhielt auch von niemand im Speziellen eine Antwort.
»Stich gefällt nicht, wie du riechst«, stieß die Messerfrau plötzlich mit schriller Stimme hervor. »Vielleicht sollte Stich den Geruch aus dir rausschneiden.« Ein weiteres Mal ließ sie ihre Klingendornen rasseln. Diese Unruhestifterin will mir nur Angst machen, dachte Kedpin. Die Behörden würden nie zulassen, dass sie mir etwas tut. Es gibt schließlich Regeln!
Genau in diesem Moment erschien ein weiterer Mensch in einer anderen Uniform – eine alte Frau mit einem kybernetischen Arm. Sie nahm Kedpins Datenkarte und steckte sie in ein Lesegerät, das daraufhin ein unangenehmes, piepsendes Geräusch ausstieß. »Ah, Karabast«, murmelte sie, woraufhin sie dem bärtigen Mann auf der anderen Seite der großen Halle zurief: »He, Ohlos! Warum hast du nicht gesagt, dass dieser Kerl ein Firmenvisum hat? Ist dir aufgefallen, dass er keinen Sponsor-Chip hat?«
»Natürlich weiß ich, dass er keinen Chip hat, Lorala!«, rief der Mann zurück. Er kam langsam wieder herüber. »Darum steht er jetzt auch in der Polizeischlange und nicht in meiner Schlange! Er ist dein Problem.«
Die alte Frau betrachtete kopfschüttelnd Kedpins Datenblock. »Wenn wir einen offiziellen Eintrag anlegen, werden wir beide den Rest des Tages Datenkram ausfüllen«, sagte sie zu dem bärtigen Mann. Nachdem sie sich kurz umgeblickt hatte, senkte sie die Stimme. »Warum lassen wir ihn nicht einfach gehen, Ohlos? Er ist offensichtlich nur ein weiterer trotteliger Tourist. Und ich möchte heute noch nach Hause.«
Trottelig? Kedpin blinzelte mehrmals mit seinem Auge. Hatte er gerade richtig gehört? Diese Frau war eine rechtmäßig ernannte Vertreterin eines der kultiviertesten Planeten in der gesamten Galaxis, aber sie hatte keinerlei Ähnlichkeit mit den lächelnden Beamten, die Kedpin in den Holovids gesehen hatte. Ich bin sicher, sie ist einfach nur müde, sagte er sich. Menschen können sehr unleidig sein, wenn sie müde sind.
Der Mann mit dem Bart zog die Schultern hoch. »Ich hab mit der Sache nichts mehr zu tun. Falls Sie dich erwischen, wie du Einträge unter den Teppich kehrst, verarbeiten sie dich zu Bantha-Futter, nicht mich.« Er wandte sich um und ging murrend davon.
Die alte Frau reichte Kedpin seinen Datenblock und deutete auf den opulenten Ausgang der Halle. »Also gut, Sir. Sie können jetzt Ihr Gepäck holen und gehen. Machen Sie keinen Ärger, dann kriegen Sie auch keinen. Genießen Sie Ihren Aufenthalt, aber vergessen Sie nicht: Der Sicherheitsdienst von Canto Bight sieht alles.«
Kurz darauf stand Kedpin vor dem riesigen Hauptgebäude des Raumhafens von Canto Bight, und sein Koffer schwebte neben ihm. Ein paar Augenblicke lang konnte er nur um sich starren. Die mit viel Liebe zum Detail gestutzten Grünflächen, die singenden Brunnen und die beruhigenden Duftwolken in der Luft … alles war so viel intensiver als in den Holovids! Aber hauptsächlich war es die Menge, die ihn starren ließ. Er sah mindestens ein Dutzend verschiedener Spezies, und vielen davon war er noch nie in seinem Leben begegnet. Sie alle sahen tadellos aus in ihrer luxuriösen Kleidung; keinem von ihnen war anzusehen, dass sie gerade durch die halbe Galaxis gereist waren. Stattdessen schienen ihre Gewänder in Sachen Anmut und Eleganz miteinander zu wetteifern. Kedpin fühlte sich unbeholfen und fehl am Platze, während er so zwischen ihnen stand.
Er zog seinen Schwebekoffer einen von Bäumen gesäumten Fußweg entlang, immer den Informationsschildern nach. Der breite Pfad führte unter einem gewaltigen Bogen aus rotem Stein hindurch, der im vormittäglichen Sonnenschein glänzte. Kedpin erinnerte sich daran, dieses Monument in den Holovids gesehen zu haben. Der Große Bogen war ein Überbleibsel der Alten Stadt, restauriert und gepflegt, um Besuchern einen Eindruck von der Geschichte Canto Bights zu vermitteln. Als Kedpin darunter hindurchging, trat plötzlich ein Wesen mit einem Datenblock und einer Art unentzifferbarer Dienstmarke an ihn heran. »Gepäckausweis, Sir?« Das blaue, tentakelbewehrte Geschöpf – Mitglied einer weiteren Spezies, die Kedpin noch nie gesehen hatte – war offensichtlich eine Art Beamter. Aber es hatte ein freundliches Gesicht; genau die Art potenzieller Kunde, die man sich nach einer Reihe ruppiger Absagen wünschte.
»Gepäckausweis?«, echote Kedpin.
Das Wesen scannte ihn mit seinem Datenblock, dann musterte es sein Gesicht, und seine blauen Tentakelfinger zuckten. »Kedpin Shoklop?«, fragte es mit angenehmer Stimme.
»Meine Freunde nennen mich Ked!«, erklärte Kedpin mit einem breiten Lächeln.
»Nun, ich bin hier der diensthabende Transferbeamte, Ked.« Das Geschöpf hielt kurz seine Dienstmarke hoch, aber Kedpin konnte nicht entziffern, was daraufstand. »Wo ist Ihr Gepäckausweis, mein Freund?«
»Gepäckausweis?«, wiederholte er erneut. Niemand hatte je etwas von einem Gepäckausweis gesagt. Und er hatte auch nicht gesehen, dass irgendein anderer Besucher einen Gepäckausweis bekam. Die Leute, die ringsum unter dem Bogen hindurchschritten, schienen jedenfalls keinen zu haben.
Die acht gelben Augen des Transferbeamten weiteten sich eines nach dem anderen. »Sie meinen, niemand hat Ihnen einen Gepäckausweis verkauft?«, fragte er empört.
»Brauche ich denn einen?«, erkundigte sich Kedpin.
Jetzt trat Bedauern in die acht Augen des Transferbeamten. »Ja, Ked. Bei Ihrem ersten Besuch dürfen Sie ohne entsprechenden Ausweis kein Gepäck vom Raumhafengelände in die eigentliche Stadt bringen. Die Standardgebühr beträgt einhundert Credits oder den Gegenwert in anderen akzeptierten Währungen.«
»A-aber man sagte mir, die Firma würde alle Kosten tragen!« Er pustete durch seine Nasenschlitze. Die Luft hier reizte seine Atemhöhlen.
Der Transferbeamte rang seine blauen Tentakel. »Da muss es wohl ein Missverständnis gegeben haben, Ked. Sie müssen beim zuständigen Beamten ein Formular ausfüllen. Allerdings müssten wir Ihre Sachen am Raumhafen behalten, bis die Sache geklärt ist.«
»Aber … aber ich brauche meine Sachen!«, beharrte Kedpin. Wermals wie er brauchten Feuchtigkeit. Wie sollte er diesen Urlaub ohne seine Sammlung persönlicher Evaporatoren, Luftbefeuchter und Feuchtigkeitscremes genießen? Ganz zu schweigen von seinen Augentüchern!
Der Transferbeamte blickte sich um. »Nun, Ked, das scheint ja wirklich nur ein dummes Versehen zu sein, für das Sie nichts können. Wie wäre es, wenn ich den Papierkram für Sie erledige? Zahlen Sie mir einfach die Gebühr, dann können Sie Ihr Gepäck mitnehmen und müssen morgen nicht noch mal wiederkommen.«
Zeige, dass du es dem Kunden einfach machen willst, und er wird tiefer in die Tasche greifen. Das war eine von Kedpins Verkaufsweisheiten, und dieser Beamte schien nach demselben Prinzip zu handeln: Er verdiente sich sicher ein ansehnliches Zubrot, indem er eine überteuerte »Gebühr« von Touristen verlangte. Aber so schienen die Dinge hier nun mal zu laufen.
Obwohl die Gebühr das Budget überstieg, das Kedpin sich für diesen Tag gesetzt hatte, sah er keine andere Möglichkeit. Es gab schließlich Regeln. Und sein Gepäck würde im Hotel sein, wenn er dort ankam!
Ein paar Minuten später hatte er seine Sachen mithilfe seines neuen Freundes, des Transferbeamten, in einen Frachtgleiter geladen, welcher das Gepäck zum Canto Casinohotel bringen würde. Und Kedpin selbst saß in einer glänzenden Speederlimousine und freute sich darauf, den Urlaub seiner Träume beginnen zu können.
2
Anglang Lehet stand an der nordwestlichen Ecke der Piazza Canto Bight. Er überragte die meisten anderen Wesen ringsum, und er genoss die abendliche Sonne von Cantonica auf der ledrigen Haut seines lang gezogenen Schädels. Im Gegensatz zu den fellbedeckten oder gefiederten Wesen der Galaxis brauchten Caskadags wie Anglang Hitze. Er arbeitete schon seit mehr als hundertzwei Jahren für das Syndikat, und während dieser langen und oft grimmigen Zeit hatte er gelernt, sich anzupassen. Von Berufs wegen – mit anderen Worten, um zu stehlen oder zu morden – hatte er schon Welten besucht, auf denen es kaum Sonnenlicht gab, oder eisbedeckte Monde, wo klirrende Kälte herrschte. Aber geboren war Anglang auf einem Wüstenplaneten, und wo immer er hinging, machte ihn nichts glücklicher, als die Hitze einer Wüstensonne auf seiner Haut zu spüren.
Abgesehen von dem herrlich warmen Licht hatten die geldgierigen Geschäftsleute aber nicht mehr viel von dieser Wüste übrig gelassen. Im Lauf der Jahrzehnte war Cantonica verzerrt und verfremdet worden. Einst war es eine ruhige, staubige Welt, übersät von uralten, halb im Sand vergrabenen Städten; eine Welt der Sand-Mynocks und Schmugglerverstecke; eine Wüste, in der verzweifelte Siedler zwischen den Ruinen einer lange vergessenen Zivilisation ihr Dasein fristeten. Das alte Cantonica war ein Ort gewesen, an dem gewisse Leute untertauchen oder in Ruhe ein Geschäft abwickeln konnten – ein Ort, an dem nur die Harten und die Cleveren überlebten. Jetzt aber war der Planet die Heimat von Canto Bight, der glamourösesten Casino-Stadt der Galaxis. Verschwiegene Schmugglerbars hatten luxuriösen Stimdunst-Salons weichen müssen, und lächerlich teure Jachten trugen die wichtigsten und reichsten Wesen des Universums über einen Ozean, der aus dem Nichts erschienen war. Cantonica hatte sich in das edelsteinbesticke Kissen verwandelt, unter dem die Wohlhabenden sich vor ihren Problemen versteckten, während ihr Reichtum wuchs und wuchs und wuchs. Ein Spielplatz für verzogene Wesen, deren Verbrechen größer waren als selbst die des Syndikats. Also … war das Syndikat in andere Welten umgezogen.
Nicht dass irgendetwas davon Anglang noch anging. Er arbeitete nicht mehr für das Syndikat. Neuen Mitgliedern wurde zwar eingebläut, wenn du einmal drin bist, dann gehörst du dein ganzes Leben dazu, aber es war wie mit allem, was das Syndikat anging: eine Frage von Geld und Einfluss und fortgeschrittenem Alter. Es gab Regeln, und Anglang hatte sie befolgt. Nach hundertzwei Jahren hatte er den richtigen Leuten die richtigen Dienste erwiesen und sich seine Freiheit erkauft. Es war eine ungeschriebene, heilige Übereinkunft. Anglang würde sich aus den Angelegenheiten seiner ehemaligen Arbeitgeber heraushalten, und sie würden ihn nicht umbringen. Alles, was ihm jetzt noch fehlte, war ein Coup, um irgendwo weit entfernt ohne Geldsorgen leben zu können – zumindest eine Weile lang. Er wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis ein offener Krieg zwischen der Ersten Ordnung und dem Widerstand ausbrach, auch wenn die meisten das noch nicht wahrhaben wollten. Anglang hatte noch einige gute Jahre vor sich, und er war entschlossen, sie möglichst weit von Guerillakämpfern und Sturmtruppen und ihren Blastern entfernt zu verbringen. Aber dafür brauchte er Geld. Und das bedeutete, er brauchte Arbeit.
Auf Cantonica hatte er diese Arbeit gefunden. Ein altmodischer Fall von »Schicke ihnen eine Nachricht, die sie auch verstehen«, im Auftrag der einstmals berüchtigten Altstadtgang von Canto Bight. Die Bande war schon vor dem Syndikat hier gewesen, und sie war auch jetzt noch hier, nachdem das Syndikat weitergezogen war, aber sie beschränkte sich inzwischen auf Bagatellverbrechen abseits der schillernden Lichter der Casinos. Vor Kurzem hatten sie ein Mitglied an den für seine Brutalität berüchtigten Officer Brawg vom Canto-Bight-Sicherheitsdienst verloren. Brawg, ein bekanntermaßen korruptes und sadistisches Monster, führte die nächtlichen Verhöre des CBSD durch. Anglang hatte es schon auf vielen Planeten mit Ordnungshütern zu tun gehabt, und in seinen Augen schnitt der CBSD besser ab als die meisten Polizeidienste. Er war nicht voller Rohlinge, die nur Knochen brechen wollten; stattdessen konzentrierten sich die Offiziere darauf, dass die Besucher in Frieden ihr Geld ausgeben konnten. Kooperative Sicherheitsarbeit, so nannte man das. Tödliche Gewalt war auf Cantonica verpönt, stattdessen wurden die Sicherheitsleute darin ausgebildet, höflich zu sein. Natürlich gab es trotzdem noch ein paar Schädeleintreter der alten Schule beim CBSD, aber der Großteil der Arbeit bestand heutzutage daraus, streitlustige Betrunkene von der Promenade zu eskortieren und sie in eine Ausnüchterungszelle zu stecken, ehe man sie am nächsten Morgen wieder entließ, damit sie weiter Geld ausgeben konnten.
Zumindest war das die Behandlung, die man wohlbetuchten Besuchern angedeihen ließ. Mit den Betrügern und Dieben der Stadt sprang der Sicherheitsdienst ganz anders um. Und niemand wurde härter rangenommen als die Altstadtgang, wie sie Anglang erklärt hatte. Officer Brawg gehörte dabei zu den Schlimmsten. Er war zweieinhalb Meter groß, fellbedeckt, und seine Spezialität bestand darin, den Straßenkriminellen von Canto Bight, die man nie sah und von denen man nur selten hörte, das Leben zur Hölle zu machen. Ein Foltermeister, Erpresser und Unterdrücker. Die Unterwelt von Canto Bight hasste ihn so sehr, dass sie ihn tot sehen wollte, und seine Kollegen beim CBSD hassten ihn genug, dass sie sich kein Bein ausreißen würden, um seinen Mord aufzuklären. Was Anglang anging, er kannte Brawg nicht, aber er kannte diese Art von Ordnungshüter nur zu gut; mehr als einmal hatten ihm solche Kerle die Knochen gebrochen. Im Lauf der Jahrzehnte hatte er Dutzende Wesen getötet, aber er genoss es nur selten. In ein paar Fällen hatte er sogar ein schlechtes Gewissen gehabt. Letztlich war das aber alles unwichtig. Bei einem Auftrag ging es nicht um Gefühle. Es war Arbeit, mehr nicht. Nur in Fällen wie diesen gestattete er sich, eine Ausnahme zu machen und es zu genießen, wenn er brutale Ordnungshüter wie diesen Brawg auslöschte.
Das Sonnlicht fiel auf die alderaanischen Chinarbäume entlang der Piazza, und sie setzten ihren unverwechselbaren, feurig würzigen Geruch frei. Anglang hatte schon einmal den Duft der sonnenempfindlichen Chinarbäume eingeatmet, vor vielleicht fünfzig Jahren, als er noch ein junger Schurke gewesen war, der unter den schrecklich unbestechlichen Bürgern von Alderaan die Interessen des Syndikats durchsetzte. Die Bäume vor ihm stammten natürlich aus einer privaten, unbeschreiblich wertvollen Saatsammlung und waren exklusiv für Canto Bight gezüchtet worden. Die letzten, grünen Überbleibsel einer toten Welt, die nun genutzt wurden, um Leben in eine tote Wüste zu bringen. Natürlich sollte diese Geste inspirierend wirken, aber aus irgendeinem Grund missfiel sie Anglang. Alles hatte seinen Platz, und der Platz dieser Bäume war nicht hier. Außerdem hatte alles seinen Preis, wie Anglang wusste. Er musste an seinen alten Freund Stinky Qal denken, den korrupten Bauunternehmer, der vor einigen Jahren ertrunken war. Wie viele Wesen sind wohl noch gestorben, um diesen künstlichen Ozean zu erschaffen?
Die Passanten machten einen respektvollen Bogen um ihn, während sie vorbeigingen. Anglang war größer als die meisten anderen Spezies hier, und er wusste, dass er in seinem schwarzen Mantel eine imposante Erscheinung abgab. Er beachtete die Touristen und die reichen Idioten nicht weiter, die zu ihm hochspähten und dann hastig wieder den Blick senkten, als sie das gefährliche Funkeln in seinen Augen sahen. Seine Konzentration galt einzig und allein dem Job.
Die Altstadtgang hatte konkrete Vorstellungen. Es sollte nicht einfach nur ein Attentat sein, und das spiegelte sich auch in der Bezahlung wider. Die Sache musste im Gebäude des Sicherheitsdienstes passieren, in dem isolierten Zellentrakt, weit weg vom Rest des Reviers, wo Brawg mit den Einheimischen – und Besuchern, die die Grenzen des in Canto Bight Akzeptablen überschritten – anstellen konnte, was immer er wollte. Außerdem musste es heute passieren. Anglang wusste nicht, warum, aber sie bezahlten extra dafür. Und es musste eine Explosion sein. Auffällig und hässlich, gleichzeitig aber klein genug, dass neben Brawg keine anderen Offiziere zu Schaden kamen.
Anglang hatte sich für einen essbaren, ferngezündeten Nanodetonator einschließlich Audiomonitor entschieden. So was war teuer und nur schwer aufzutreiben, aber für diesen Job gab es nichts Besseres. Um effektiv zu sein, musste der Detonator aber jemandem implantiert werden, der das Hauptquartier des CBSD betreten und an Brawg herangelangen konnte, ohne dass man einen internen Level-2-Scan an ihm durchführte. Das bedeutete: jemand ohne Vorstrafen und ohne Verbindungen zur Unterwelt von Canto Bight.
Anglang brauchte ein leichtes Opfer. Einen Neuankömmling in Canto Bight – einen Trottel, der sich in eine lebende Bombe verwandeln und dann für die Nacht ins Gefängnis sperren ließ. Jemanden, der so naiv und unschuldig war, dass Brawg ihm keine zu große Beachtung schenken würde. Und glücklicherweise hatten seine Kontakte genau die richtige Person für ihn ausfindig gemacht.
Anglang hatte einen Namen und eine Beschreibung: ein kleiner, rosafarbener, einäugiger Wermal namens Kedpin Shoklop war in einer goldenen Speederlimousine in seine Richtung unterwegs. Ein Einfaltspinsel von einem anderen Planeten, der bei irgendeinem lächerlichen Wettbewerb einen Urlaub in Canto Bight gewonnen hatte. Es klang perfekt. Jetzt musste Anglang ihn nur noch finden.
Elegante Wesen aus einem Dutzend verschiedener Systeme bevölkerten die Straßen im Stadtzentrum von Canto Bight. Reiche Jünglinge, aufgeblasene Politiker, Berufszocker und gefeierte Künstler. Die meisten gehörten zu Spezies, mit denen Anglang schon zu tun gehabt hatte; einige gehörten zu Spezies, von denen er bereits welche ermordet hatte.
Und da, endlich: Eine goldene Speederlimousine – die protzige Art, die die Tourismusgilden benutzten, damit ahnungslose Besucher sich wichtig vorkamen – kam zehn Meter von ihm entfernt zum Stehen. Erwartungsvoll beobachtete Anglang, wie sich die Tür des Fahrzeugs mit einem Zischen öffnete. Ein rosahäutiges, weiches, kleines Geschöpf mit einem einzelnen großen Auge – gegenwärtig erfüllt von Staunen und Bewunderung – stieg aus und ließ prompt das Geld fallen, das es dem Fahrer als Trinkgeld geben wollte. Kedpin Shoklop. Anglang konnte sich nicht erinnern, je ein so perfektes Opfer gesehen zu haben.
Das würde ein Kinderspiel werden.
3
»Sir, es tut mir leid, aber ich muss Sie hier absetzen. Fahrer brauchen eine Sondergenehmigung, um das Casinoviertel zu betreten, und ich fürchte, meine ist abgelaufen. Aber von hier aus ist es nur ein paar Blocks entfernt.« Kedpins Fahrer blickte drein, als hätte er schreckliche Angst, seinen Passagier zu enttäuschen. Er war ein echter, lebender Humanoide, kein Droide, was Kedpin noch immer erstaunte – und ihn sich ziemlich wichtig fühlen ließ.
»Kein Problem!«, sagte er, entschlossen, sich die Laune nicht verderben zu lassen. »Zu Fuß sehe ich ohnehin mehr von der Stadt!« Er stieg aus der goldglänzenden Speederlimousine und nahm ein paar der Credits, die er erhalten hatte, als er am Raumhafen seine VaporTech-Gutscheinkarte eingelöst hatte. Nach der Begegnung mit dem Transferbeamten war nicht mehr viel davon übrig. Die kleinen Metallplättchen rutschten aus seinen Fingern, und er hob sie rasch auf und reichte sie dem Fahrer.
Kedpins Gedanken wanderten zu seinem Gepäck. Während der Fahrt in die Innenstadt hatte er Zeit gehabt, in Ruhe nachzudenken, und inzwischen war er nicht mehr sicher, ob es so etwas wie einen Gepäckausweis überhaupt gab. Denn so gründlich er auch suchte, er konnte keine Bestätigung des hilfreichen Beamten auf seinem Datenblock finden. Tatsächlich deutete nichts darauf hin, dass sein Gepäck überhaupt existierte! Er konnte nur hoffen, dass es da sein würde, wenn er das Canto Casinohotel erreichte.
Die Limousine schwebte davon, und Kedpin blickte sich um. Humanoide diverser Formen und Größen schlenderten über einen Platz, der mit perlmuttartig glänzenden Steinen gepflastert war. An seinen Rändern standen die alderaanischen Chinarbäume, die er so oft in den Holovids gesehen hatte, und in seiner Mitte befand sich ein gewaltiger, marmorner Brunnen, dessen Wasser eine beruhigende Musik erzeugte, während es über mehrere Stufen floss. Kedpins Laune verbesserte sich sofort. »Die Piazza Canto Bight! Und ich mittendrin!«, entfuhr es ihm. Ein bulliges Wesen in weißer Kleidung zog im Vorbeigehen ungehalten die Augenbraue hoch, aber Kedpin störte sich nicht daran. Sein Urlaub hatte offiziell begonnen. Jetzt musste er nur noch das Canto Casinohotel finden.
Da sich die Wegbeschreibung auf seinem Datenblock nach kurzer Inaugenscheinnahme als völlig unbrauchbar erwies, sah er sich nach jemandem um, den er um Hilfe bitten könnte. Seine Wahl fiel auf eine extrem hochgewachsene Gestalt mit lang gezogenem, nach hinten geschwungenem Kopf und einem strengen schwarzen Mantel, und er wollte gerade hinübergehen, als ein silbern glänzender Protokolldroide neben ihn rollte und ihn mit mütterlicher, vornehmer Stimme fragte:
»Verzeihen Sie die Störung, mein Herr, aber haben Sie vielleicht Schwierigkeiten, sich in unsrer wundervollen Stadt zurechtzufinden?« Die leuchtenden Augen der Einheit flackerten im Rhythmus ihrer Worte.
»Oh! Ja, ich komme mir tatsächlich ein wenig verloren vor«, erwiderte Kedpin, froh über die Hilfe. »Ich will zum Canto Casinohotel.«
»Ah, eine ausgezeichnete Wahl, Sir«, säuselte der Droide. »Spektakuläre Unterbringung und beispielhafter Service. Ich zeige Ihnen gerne den Weg. Aber zunächst würde ich gerne wissen: Wurden Sie angemessen in Canto Bight willkommen geheißen?«
Kedpin wusste nicht, wie er darauf antworten sollte. »Ich …«
»Was ich meine, Sir, ist, wurden Sie im Geiste des Luxus und des Vergnügens begrüßt, die unsere Stadt auszeichnen?«
»Ich … bin nicht sicher?«, erwiderte Kedpin ehrlich, während er verlegen mit seinem großen Auge blinzelte.
Der Droide stieß ein leises, pfeifendes Geräusch aus und ließ seinerseits die Leuchtaugen flackern. »Oh, Sie wüssten es, falls Sie in den Genuss gekommen wären. Möchten Sie denn in den Genuss kommen?«
Kedpin blinzelte erneut. Jetzt war er vollkommen verwirrt. »Ich bin nicht sicher, was …«
»Sir«, fragte der Droide, und ein vorwurfsvoller Unterton klang in seiner Stimme mit. »Möchten Sie nach Hause zurückkehren, ohne mehr als nur die Oberfläche von Canto Bight gesehen zu haben? Oder wollen Sie alles sehen, was wir hier zu bieten haben?«
»Ich möchte natürlich alles sehen!«, sagte Kedpin enthusiastisch. »Ich möchte ein echtes Fathier-Rennen sehen! Aus nächstes Nähe!«
»Sir, es gibt etwas noch viel Aufregenderes als Fathier-Rennen. Etwas für wahre Genießer. Falls Sie sich meinen fähigen Händen anvertrauen wollen?«
Auch diesmal war Kedpin nicht sicher, wie er reagieren sollte. Aber er wollte nicht unhöflich sein. Ein Ja öffnet mehr Türen als ein Nein, zitierte er in Gedanken. »Ähm … in Ordnung.«
»Dann folgen Sie mir, Sir«, forderte der Droide ihn auf, und genau das tat Kedpin, fünfzig Meter weit, bis sie eine üppig verzierte Ladenfront aus rosa schimmerndem Metall erreicht hatten. Als die Türen aufglitten, wehte ihm ein Schwall parfümgeschwängerter Luft entgegen. Der Duft reizte seine Nasenschlitze, und er musste laut niesen.
»Hier entlang«, sagte der Droide freudig.
Das Innere des Gebäudes war dunkler – so dunkel, dass sich Kedpins Pupille spürbar weitete. Sie waren allein in dem großen Eingangsraum, der nur von trüben Halblampen erhellt wurde und mit seltsamen Skulpturen angefüllt war. Kedpin war kein Kunstkenner, aber sie sahen teuer aus. Der Droide rollte weiter, einen langen Korridor hinab, wobei seine kleinen Rollen auf dem dicken, violetten Teppich kaum ein Geräusch verursachten. Sie gelangten zu einer goldenen Holztür, von oben bis unten mit Schnitzereien diverser Wesen dekoriert, die sich küssten oder berührten.
»Hinter dieser Tür, Sir, liegen einzigartige Freuden, wie man sie in der ganzen Galaxis nur einmal findet. Ich bin sicher, dass Sie wagemutig genug sind, diese Erfahrung zu kosten. Möchten Sie eintreten?«
Während der anderthalb Jahrhunderte seines Lebens hatte man Kedpin nicht ein Mal wagemutig genannt. Es gefiel ihm. Außerdem wollte er den Droiden nicht verärgern; er brauchte ihn schließlich noch, um zu seinem Hotel zu gelangen. »Äh, ja?«, stieß er hervor.
Die Einheit klopfte dreimal an die goldene Tür, und sie schwang aufreizend langsam nach innen. Der Droide bedeutete ihm einzutreten, dann zog er sich zurück, und die Tür schloss sich hinter ihm. Dieser Raum war heller als der Eingangsbereich, aber er war vollkommen leer, mit Ausnahme eines großen Beckens, das mit Schlamm gefüllt zu sein schien. Gegenüber der Tür, durch die Kedpin eingetreten war, befand sich eine weitere Doppeltür, diese ohne Verzierungen und vier Meter hoch. Kedpin war noch immer dabei, sich umzublicken, als sie sich öffnete.
Ein riesiges Wesen mit Felshaut stampfte herein. Es sah aus wie ein drei Meter großer Felsen mit Armen und Beinen – und mit Make-up und Schleifen und einem unpassend winzigen Kleid, das es aussehen ließ wie ein Kinderspielzeug. Die Kreatur machte einen großen, donnernden Schritt auf Kedpin zu, packte ihn bei den Schultern und hob ihn mit riesigen, harten Händen vom Boden hoch.
»Was für ein hübscher Junge! Aber so ungezogen!«, dröhnte das Geschöpf in Kedpins Gesicht. Seine Stimme klang wie ein Erdrutsch. Eine dritte Felshand wuchs aus seiner Brust und begann sachte, Kedpins Kopf zu tätscheln. Hundert befremdliche Emotionen brandeten gleichzeitig auf ihn ein.
»Hübsch! Aber ungezogen!«, wiederholte das Wesen, dann unterbrach es sein nicht unangenehmes Tätscheln, und hob Kedpin stattdessen über seinen Felskopf zur Decke hoch. »Böser, böser Junge!«, dröhnte es … und schleuderte den Wermal in das Schlammbecken hinab.
»Autsch!«, schrie Kedpin. Der Schlamm war warm und roch nach Blumen. Einen Moment lang saß er wie benommen da, während das Felswesen sich zurückzog und der silberne Droide zurückkehrte.
»Das hat wehgetan«, beschwerte Kedpin sich, anschließend stieg er aus dem Becken. Jeder Tropfen des Schlamms – der aber kein normaler Schlamm war, wie Kedpin nun feststellte, sondern irgendeine anorganische Substanz – rann an seiner Kleidung hinab und tropfte zurück in das Becken. Als er vor den Droiden trat, war er wieder vollkommen sauber. »Ich glaube, es gibt hier ein Missverständnis. Könntest du mich bitte einfach zum Canto Casinohotel bringen?«
Die Leuchtaugen des Droiden zwinkerten freudig. »Natürlich, Sir! Es wäre mir ein Vergnügen. Ich hoffe, Sie haben sich amüsiert. Sie sind jetzt einer der wenigen Glücklichen in der Galaxis, die die einzigartigen Liebkosungen von Herzlieb erfahren haben. Ich nehme an, es war ein stimulierendes Erlebnis?«
Kedpin blinzelte mehrmals. Wie sollte er darauf antworten? »Es war definitiv ein Erlebnis«, sagte er letztlich. Das war eine Verkäuferweisheit, die er schon vor langer Zeit gelernt hatte: Es ließen sich mehr Evaporatoren verkaufen, wenn man so tat, als würde einem gefallen, was dem Kunden gefiel.
Der Droide gab eine Art Schnurren von sich. »Schön. Dann wäre da nur noch der Preis für Herzliebs exquisite Dienste.« Anstatt Kedpin einfach nur eine Datenkarte zu geben, förderte der Droide eine kleine Holzplakette zutage, in die man mit einem Laser eine Zahl und ein verschnörkeltes, kalligrafisches Muster hineingebrannt hatte.
Kedpin verstand nicht recht. Verlangte man Geld von ihm? Dafür, dass dieses Wesen ihn in ein Becken voll Schlamm geworfen hatte? Der Preis überstieg das, was er in einem Monat verdiente. Die Credits von dem VaporTech-Gutschein waren beinahe erschöpft, und auch von seinem eigenen Ersparten war nicht mehr viel übrig. Aber Regeln waren nun mal Regeln, auch wenn er nicht wirklich gewollt hatte, dass das Felswesen ihn … nun, was immer es eben mit ihm getan hatte. Obwohl es ihm beinahe körperliche Schmerzen bereitete, reichte Kedpin dem Droiden den Großteil seiner verbliebenen Metallchips.
Die Einheit gab ihm zum Dank eine blaue Blume, ein Bonbon und eine Wegbeschreibung zum Canto Casinohotel, das offenbar nur zwei Blocks entfernt lag. Kedpin trat wieder auf die Straße hinaus, wo sich seine Pupille sofort zusammenzog. Die Sonne hier war viel heller als in seiner Heimatwelt.
Die staubige Luft ließ ihn niesen, und während er seine Nasenschlitze durchpustete, nahm er sich fest vor, ab jetzt in dieser wundersamen Stadt größere Vorsicht walten zu lassen. Als er fertig war, ging er in Richtung des Hotels los, nach wie vor entschlossen, hier den Urlaub seines Lebens zu verbringen.
4
Anglang saß an einem der Tische vor dem Café Raduli und nippte an dem blauen Honigtee, den nicht wenige den besten in der gesamten Galaxis nannten, während er darauf wartete, dass Kedpin Shoklop wieder aus dem rosa schimmernden Eingang von V-333s Seidensalon auftauchte. Blauer Honigtee war eines von Anglangs wenigen Lastern, und er genoss die pikante Süße, wohl wissend, dass er keine Zeit haben würde, die Tasse auszutrinken. Er hatte beobachtet, wie der weichliche Trottel aus seiner Speederlimousine gestolpert war – um sein Gepäck hatte man ihn offensichtlich schon geprellt – und dann durch die Stadtmitte geirrt war, bis V-333 ihn entdeckt und in seine Vergnügungshöhle für reiche Perverslinge gelockt hatte. Der Idiot hatte vermutlich keine Ahnung gehabt, dass er gleich die Hälfte seines Urlaubsbudgets für dreißig Sekunden »Sinnesfreuden« ausgeben würde.
Ein ahnungsloser Einfaltspinsel, wie die meisten, die Cantonica dieser Tage besuchten, mit dem Unterschied, dass die meisten der anderen Narren in Canto Bight reich genug waren, um ihre Torheit unter teuren Kleidern zu verbergen. Anglang seufzte. Caskadags hatten eine ungewöhnlich lange Lebensspanne, was bedeutete, dass ihnen Veränderungen oft nicht so schnell auffielen wie dem Rest. Aber selbst er hatte erkannte, dass Cantonica vor die Hunde gegangen war. Er würde die perfekte, herrliche Hitze vermissen, die gerade seine Brust wärmte, aber gleichzeitig konnte er es kaum erwarten, all die Trottel hinter sich zu lassen, die seit der Gründung dieser Stadt den Planeten überrannt hatten.
Aber zunächst hatte er einen Auftrag zu erledigen. Der Detonator musste dem Opfer implantiert werden, oder anders ausgedrückt: Kedpin musste ihn schlucken. Ein präparierter Drink war dafür wohl die einfachste Methode. Anschließend musste er dafür sorgen, dass sein Opfer zur Ausnüchterung ins Hauptquartier des Canto-Bight-SD gebracht wurde, und zwar zu Beginn der Nachtschicht. Das bedeutete, der einäugige Idiot musste für das richtige Verbrechen festgenommen werden. Brawg würde zu diesem Zeitpunkt allein im Zellentrakt sein und die »Ermittlungen« durchführen, die seine Kollegen so geflissentlich ignorierten. Und da der Sprengradius des Nanodetonators winzig war, musste Kedpin in Brawgs unmittelbarer Nähe sein, wenn das Ding in die Luft ging.
Wenn er ehrlich mit sich war – und Anglang Lehet versuchte, immer ehrlich mit sich zu sein –, dann hatte er bei diesem Job ein mieses Gefühl. Es ging nicht um das Ziel; Officer Brawg war augenscheinlich die Art zähneausschlagender Abschaum, die den Tod verdiente. Es ging auch nicht um den Plan; der war perfekt und kreativ – die Art Plan, bei deren Ausarbeitung Anglangs Puls höherschlug. Die einzige Herausforderung war logistischer Natur, und dank des verschluckten Detonators sollte es in der Hinsicht keine Probleme geben. Aber nachdem Anglang diesen dummen, von allem und jedem überraschten Trottel eine Weile beobachtet hatte, war der Gedanke, ihn in tausend Fetzen zu sprengen … Nun, es fühlte sich ein wenig falsch an. Kedpin Shoklop, dessen riesiges, naives Auge stets weit offen stand, war ein Dummkopf, keine Frage, aber er hatte ihm nichts getan. Und davon ganz abgesehen: Anglang hatte jahrelang hochrangige Ziele für das Syndikat beseitigt. Er war ein Profi, und der Gedanke, dass er seine Karriere damit beenden würde, einen so planlosen Zivilisten als Bombe zu benutzen … Na ja, ideal war das nicht.
Trotzdem, es war der beste Plan. Sprich, der Plan, bei dem Anglangs Chancen, zu überleben und bezahlt zu werden, am größten waren. Und es ging nur um diesen einen Kerl. Diesen einen Narren. Es war nicht, als wären bei Anglangs Attentaten noch nie glücklose Zuschauer in die Schusslinie geraten. Ein Job war ein Job, Geld war Geld. So war es in diesem Gewerbe eben. Und falls er es richtig anstellte, könnte das hier der letzte Job sein, den er in absehbarer Zeit annehmen musste. Anglang nippte erneut an seinem Tee.
Ein Türloch öffnete sich an der Fassade des Seidensalons, und er riss sich von seinen Gedanken los. Shoklop. Das kleine, rosafarbene Männlein trat auf die Straße hinaus und stöhnte laut genug unter dem plötzlichen Ansturm des grellen Sonnenlichts, dass man es selbst in dem Café noch hören konnte. Anglang stellte seinen Tee ab und erhob sich, langsam und unauffällig.
Sein Opfer war wieder in Bewegung.
5
Es war Mittag, und Kedpin Shoklop stand mit geweitetem Auge vor einem wundervollen Ensemble korallen- und sandfarbener Gebäude, besetzt mit glänzendem schwarzem Glas und schimmernden weißen Kacheln. Auf Hochglanz polierte Landgleiter und Speederbikes von Marken, die Kedpin bislang nur in Holovids gesehen hatte, standen vor dem Komplex aufgereiht, und unter den unglaublich gut gekleideten Wesen am Haupteingang erkannte er mehrere berühmte Gesichter. Da war Krin Kallibin, der gefeierte Fathier-Jockey! Und dort …
»Du liebe Güte! Ist das … ist das Orisha Okum!? Sie ist die berühmteste Kartenspielerin in der gesamten Galaxis!« Aufgeregt zupfte Kedpin am Ärmel eines Passanten, aber der schnaubte nur wütend und ging weiter.
»Das Canto Casinohotel! Ich hab’s geschafft!«, rief Kedpin, ohne das Stirnrunzeln der festlich gekleideten Wesen in der Nähe zu beachten. Manchmal muss man sein eigener Startbeschleuniger sein, zitierte er im Geist eine weitere Weisheit aus dem Verkäuferhandbuch.
Mehrere Gärten waren über das Hotelgelände verteilt, und dort wuchsen nicht nur alderaanische Chinarbäume, sondern auch wunderschöne, farbenfrohe Pflanzen, die Kedpins Datenkarte als dagobanische Leuchtmoosbüsche und kashyyykische Farnorchideen identifizierte. Die Kombination ihrer Düfte war gleichzeitig subtil und überwältigend. Kedpins Nasenschlitze zuckten, aber auf eine angenehme Weise, und er musste nicht niesen. Nichts in den Holovids hätte ihn auf das hier vorbereiten können.
Er ging auf den Haupteingang zu, wobei er weiter über die Vielzahl der versammelten Spezies staunte. Riesige Kreaturen mit lang gezogenen Gesichtern, winzige Wesen in Schwebestühlen, hünenhafte Geschöpfe auf Stelzenbeinen. Und dann war da noch ein kleines Männchen – noch kleiner als er selbst – mit grünem Gesicht und Schuppen, das auf Kedpin zukam, kaum dass er die palastartigen Doppeltüren passiert hatte.
»Willkommen im Canto Casinohotel, mein Herr. Mein Name ist Altovan, und ich lebe, um zu dienen. Was kann ich tun, Sir, um Ihren Aufenthalt hier zu einem unvergesslichen Erlebnis zu machen?«
Nie in seinem Leben hatte ein anderes Wesen Kedpin mit solcher Hochachtung angesprochen. Droiden, vielleicht, aber das war auch schon alles. Einen Moment stand er sprachlos da.
»Ich … oh! Ich bin Kedpin Shoklop, und ich habe einen zweiwöchigen Urlaub in Canto Bight gewonnen. Ich bin der VaporTech-Evaporatorverkäufer des Jahres!«
Die Schuppen im Gesicht des kleinen Männchens schimmerten, und er strahlte vor Freude über Kedpins Leistung. »Das ist wundervoll, Sir! Meinen herzlichen Glückwunsch zu diesem Erfolg und willkommen in Canto Bight. Bitte, geben Sie mir nur einen Moment, damit ich Ihre Reservierung überprüfen kann, Master … Shoklop, richtig?«
»Genau … aber Sie müssen mich nicht Master nennen.«
Die grüngesichtige Kreatur lächelte, als hätte Kedpin gerade einen Witz erzählt, dann verbeugte sie sich und führte ihn zu einem Computerterminal. Ihre schuppigen Finger tanzten über die Tasten, und nach einer kurzen Pause sagte sie: »Ihr Zimmer ist bereit, Sir. Offenbar wurde die Heldensuite für Sie reserviert! Eine ausgezeichnete Wahl. Falls Sie mir bitte mitteilen würden, wo Ihr Gepäck steht, lasse ich es mit Freuden auf Ihr Zimmer hochschicken.«
Kedpins Freude ebbte ab. »Mein Gepäck!« Er hatte den Zwischenfall unter dem großen Bogen beinahe vergessen. »Ich habe es jemandem gegeben, der meinte, er würde es zum Hotel bringen lassen. Aber … nun, ich glaube, er hat vielleicht gelogen. Mein … Koffer ist nicht angekommen, oder? Auf meinen Namen? Kedpin Shoklop?«
Der kleine Humanoid breitete entschuldigend die Arme aus. »Ich fürchte, nein, Sir.«
Kedpin stöhnte. Was sollte er jetzt tun? »Ich kann nicht glauben, dass ich einem Fremden mein Gepäck anvertraut habe. Ich bin ein Trottel!«
Das Männchen machte ein beschwichtigendes Geräusch. »Nein, Sir. Sie sind vertrauensvoll. Das ist nichts Falsches, Sir. Die Galaxis könnte mehr gutherzige, vertrauensvolle Wesen brauchen.«
Kedpins Atem stockte. Die opulente Lobby war angefüllt mit Gästen und Casinobesuchern von über einem Dutzend verschiedener Spezies. Manche kamen, manche gingen, und dennoch hatte Kedpin das Gefühl, als wäre er allein mit dem kleinen grünen Männchen. Er lächelte. Außer seiner Mutter hatte niemand je etwas so Nettes zu ihm gesagt. »Danke. Aber ich brauche trotzdem meine Evaporatoren. Und meine Luftbefeuchter. Und meine …« Die Anspannung kehrte zurück.
Das kleine Wesen unterbrach ihn höflich. »Was diesen Punkt angeht, können wir vielleicht helfen, Sir. Wir wissen natürlich, dass nichts mit der Ausstattung vergleichbar ist, die einem selbst gehört, aber wir können Ihnen einige persönliche Evaporatoren und Feuchtigkeitscremes auf Ihr Zimmer bringen.«
Es fühlte sich an wie die erste wirklich gute Nachricht, die Kedpin seit seiner Ankunft in Canto Bight gehört hatte. »Das … ist möglich?«
»Natürlich, Sir!«, erklärte das kleine Wesen, wobei es sich die Hände rieb. »Wir würden unseren – ich hoffe, Sie verzeihen mir die Eitelkeit – unseren einmaligen Ruf wohl kaum verdienen, wenn wir uns nicht auch um die kleinen Details kümmern könnten.«
nie