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Das Buch

Schon Buddha wusste: Eine gute Geschichte erreicht Herz und Verstand der Zuhörer viel besser als so manche weitschweifende Lehrrede. In dieser Tradition steht auch Khenpo Sodargye, der buddhistische Erzählungen geschickt mit modernen, lebensnahen Themen verknüpft. Ob es um die Beziehung zu unseren Mitmenschen geht, um den Umgang mit eigenen Fehlern und Schwächen, um Gesundheit, Alter, Geldsorgen oder Stressbewältigung – einfühlsam und mit leichter Feder zeigt der tibetische Lama, wie wir trotz aller unvermeidlichen Schwierigkeiten glücklich und erfüllt leben können. Eine Fülle bereichernder Einsichten und ein großer Lesegenuss!

Der Autor

Khenpo Sodargye, geboren 1962 in Tibet, ist ein tibetischer Lama und buddhistischer Gelehrter. Seine Kindheit verbrachte er als Yak-Hirte in den Bergen Tibets. Nach dem Schulbesuch trat er in das Buddhistische Lehrinstitut Larung der Fünf klassischen Wissenschaften ein und wurde unter dem großen Jigme Phuntshog Rinpoche zum Mönch ordiniert. Heute gehört er zu den bedeutendsten Wissenschaftlern des Instituts und gilt als einer der bekanntesten buddhistischen Lehrmeister unserer Zeit. Khenpo Sodargye hält weltweit Vorträge, in denen er zeigt, wie die Lehre des Buddha mit der globalisierten Welt vereinbart und in den modernen Alltag integriert werden kann.

www.khenposodargye.org

Khenpo Sodargye

Das Glück findet dich dann, wenn du es nicht suchst

Buddhistische Weisheitsgeschichten und Inspirationen für die kleinen und großen Stürme des Alltags

Aus dem Englischen übersetzt

von Karin Weingart

Die Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel Tales for Transforming Adversity: A Buddhist Lama’s Advice for Life’s Ups and Downs bei Wisdom Publications, USA.

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Copyright © 2017 by Khenpo Sodargye

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2018 by Lotos Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Sabine Zürn

Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München

unter Verwendung eines Motivs von © hpkalyani/istock

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN 978-3-641-23361-7
V002

www.Integral-Lotos-Ansata.de

www.facebook.com/Integral.Lotos.Ansata

Inhalt

Vorwort

1 Wie können wir leben, ohne zu leiden?

Stärken und Schwächen

Das Elend folgt auf dem Fuß, wenn wir das Falsche anstreben

Optimismus und Pessimismus

Leiden und Glück sind reine Kopfsache

Eigenverantwortung

Tue Gutes und rede nicht darüber

Wer nicht leiden kann, hat das Nachsehen

Die Weisheit des Geduldigen

Bloß nicht eingleisig denken

Die Wut mit Weisheit zähmen

Das Leiden lindern mit dem Mantra von Avalokiteshvara

Fünf Wege, um das Leiden zu vertreiben

Mantras für Glück und Zufriedenheit

Mit Mantras das Leiden abwenden und Glück erlangen

2 Sein wie der Buddha

Geheimnisse für sich behalten

Sich in andere hineinversetzen

Einen Gefallen erwidern

Über Fehler schweigen

An andere denken

Kein Ohr für Schmeicheleien

Vom Umgang mit törichten Zeitgenossen

Die Folgen negativer Beeinflussung

Die Vorteile einer reinen Wahrnehmung

Mit Kritik arbeiten

Treue Freunde

Unwissenheit ist keine Schande

Das Vertuschen eines Fehlers ist schlimmer als der Fehler selbst

3 Sicher ist nur der Verlust

Die Vergänglichkeit ist gewiss

Sich von Wünschen verabschieden

Den Wandel akzeptieren

Drei Lebenseinstellungen

Je mehr wir uns an etwas klammern, desto leichter verlieren wir es

Alles geht vorbei

Das Glück pflegen

4 Vom Nutzen des Unglücks

Die Vorzüge des Scheiterns

Das Leiden von heute hat seine Wurzeln im Gestern

Geduldig sein

Geduld sollte man üben

Die Acht Winde der Welt

Karma verstehen

Tugend ist der beste Schutz

5 Meditation durch achtsames Sprechen

Negatives Sprechen

Versprechen halten

Worte können uns verfolgen

Geschickte Hilfsmittel

Wissen, wann man sprechen soll

Die Macht des freundlichen Sprechens

6 Eltern

Opfer bringen

Keine Zeit vergeuden

Geld kann Fürsorge nicht ersetzen

Betrachten wir unsere Eltern als Bodhisattvas

Sprechen wir sanft mit unseren Eltern

7 Glückseligkeit in Geburt, Alter, Krankheit und Tod

Bereiten wir uns schon früh auf den Tod vor

Die Praxis im höheren Lebensalter

Geburt, Alter, Krankheit und Tod gehören zum Zyklus des Seins

Verschieben wir die Praxis nicht auf die letzte Minute

8 Warum ist das Leben so schwer?

Die Schwierigkeiten mit der Vergänglichkeit

Geld löst Leiden aus

Die Schulung des Geistes ist eine Kunst

Leiden und Glück entstehen im Verstand

Zufriedensein ist nicht einfach

Wohlstand ist wie die dahintreibenden Wolken am Herbsthimmel

Wünsche werden nicht durch Geld erfüllt

Konkurrenzdenken

Vor Eifersucht brennen

Wohlstand und Moral

Wie das Scheitern gelingen kann

Die Zeit eines anderen zu verschwenden kommt einem Raub gleich

Die Dharma-Praxis braucht keine Superkräfte

Den Selbstlosen gehört das Glück

Wer auf Gegenleistungen verzichtet, wird reich beschenkt

Großzügigkeit macht reich

Nicht Geld zählt, sondern das Herz

Nachwort

Über den Autor

Vorwort

Wie oft wohl sind wir mit unserem Leben zufrieden? Früher sagte man: Würden wir es in zehn gleiche Teile zergliedern, wären wir höchstens in einem oder zwei davon glücklich. Auch der Buddha erinnert uns wiederholt daran, dass das Leben von Leiden durchzogen wird. Und selbst wenn wir das Leiden der Geburt, von Alter, Krankheit und Tod mal außen vor lassen – auch die anderen Erscheinungsformen des Leidens sind nicht zu vermeiden, etwa die Trennung von geliebten Menschen, Feindschaften oder, allgemeiner ausgedrückt, dass die Dinge nicht so laufen, wie wir es uns wünschen.

Nun könnte man natürlich sagen: »Es ist doch aber ganz offensichtlich, dass es im Leben auch viel Erfreuliches gibt. Warum also konzentriert sich der Buddha so auf das Leiden?« Dass sich der Buddhismus mit dem Leiden beschäftigt, stimmt natürlich. Das heißt aber nicht, dass er das Glück leugnen würde. Nur hat dieses Glück leider den Haken, dass es so zerbrechlich und flüchtig ist. Sicher, eine gewisse Tönung verleiht das Glück dem Leben schon, doch seine Hauptfarbe ist eine andere. Die einzige Sicherheit im Leben besteht darin, dass sich ständig alles verändert: Die Mächtigen können ins Gefängnis kommen, enge Freunde können zu Feinden werden, glückliche Familien können zerbrechen und selbst Menschen, die uralt werden, müssen irgendwann doch sterben.

Ja, auch optimale Lebensumstände unterliegen dem Wandel, und Veränderungen erzeugen nun einmal Leiden. Das ist gemeint, wenn wir sagen, dass das Leben voller Leiden ist. Wenn Sie allerdings darauf bestehen, dass das Leben eine einzige Vergnügungsfahrt sei, wenn Sie blind sind für die Realität und Leiden mit Glück verwechseln, werden Sie nie wirklich frei von Leiden. Der erste Schritt auf dem Weg zu wahrhaftigem, dauerhaftem Glück besteht darin, der Wahrheit ins Auge zu sehen und das Leiden zur Kenntnis zu nehmen. Auch der Buddha konnte ja erst zur Erleuchtung gelangen, nachdem er das Leiden des Alterns, des Krankseins und des Sterbens wahrgenommen hatte. Versuchen Sie deshalb gar nicht erst, dem Leiden zu entkommen, und haben Sie keine Angst davor.

Manche Leute sind nur auf Bequemlichkeit aus und nicht bereit, sich dem Leiden zu stellen, das ihnen bevorsteht. Was schlicht und ergreifend wirklichkeitsfremd ist. Das Leben besteht nun einmal auch aus Gewitterstürmen und holprigen Wegen. Und davon mal ganz abgesehen: Ohne Wind, Frost, Schnee und Regen würde im Frühling nichts blühen und gäbe es im Herbst kein Obst. Viele meinen auch, Altruismus – ein Bemühen um das Glück der anderen – bringe nichts. Dabei ist es genau umgekehrt: Etwas Lohnenderes gibt es kaum. Sie denken, das Akzeptieren der Vergänglichkeit würde sie ihrer Energie, ihrer Ziele berauben. Dabei übersehen sie aber völlig, dass gerade Wandel und Veränderungen das Leben so spannend machen. Doch sie verbringen ihre Zeit offenbar lieber mit Sorgen. Machen sich Gedanken um ihren Besitz und ihren guten Ruf. Was leider alles nicht dazu geeignet ist, ihnen einen friedlichen Tod zu garantieren, von einem glücklichen künftigen Leben ganz zu schweigen. Stattdessen müssen wir lernen, unseren Geist zu beherrschen. Denn egal, wie kompliziert die Situation ist, in der wir uns befinden, oder wie unerträglich sich uns das Dasein insgesamt präsentieren mag: Das beste Rezept für ein gutes Leben besteht darin, das zu praktizieren, was der Buddha einst lehrte.

Als ich dieses Buch schrieb, hatte ich als Leser im Wesentlichen die Menschen des Han-Volkes in China vor Augen, deren Leben und Leiden ich gut kannte und verstand. Doch zu meiner Überraschung wurde es nicht nur dort gut aufgenommen, sondern auch weit darüber hinaus. Denn wie sich herausstellte, fanden offenbar viele Menschen in den alten und modernen Geschichten aus dem Westen und aus Asien, die ich erzähle, Ansätze, um ihren Geist zu zähmen. Und mehr noch: Da gerade einfache Geschichten einen tiefen Eindruck hinterlassen können, erinnert man sich in schwierigen Zeiten an sie. Und so konnten die Leserinnen und Leser viele Botschaften aus diesem Buch in ihrem Alltag umsetzen.

Die Ängste und Fragen, um die es auf den folgenden Seiten geht, stellen weder chinesische noch tibetische, sondern allgemein menschliche Probleme dar, die sich uns allen stellen, egal, welche Hautfarbe oder Muttersprache wir haben oder wo wir zu Hause sind. Nun freue ich mich sehr, dass dank der Anstrengungen vieler Beteiligter jetzt endlich auch eine deutsche Version des Buches vorliegt. Möge auch sie in diesen turbulenten Zeiten einer großen Leserschaft zu Leichtigkeit und Glück verhelfen.

Khenpo Sodargye

Buddhistisches Lehrinstitut Larung, 2017

1. Wie können wir leben, ohne zu leiden?

Ein träges, gänzlich schmerzloses Leben ähnelt einem leeren Schiff, das schon beim ersten Sturm kentert

Stärken und Schwächen

Jeder hat seine Stärken und Schwächen. Selbst die Größten unter uns sind nicht vollkommen, und auch die weniger Begabten haben ihre Vorzüge. Die eigenen Unzulänglichkeiten mit der vermeintlichen Fehlerlosigkeit anderer vergleichen zu wollen bringt gar nichts. Denn bestimmt halten die anderen wiederum uns in bestimmter Hinsicht für überlegen. Im Kapitel über die »Herbstfluten« in Das wahre Buch vom südlichen Blütenland schreibt der daoistische Philosoph Zhuangzi:

»Der einbeinige Yak wünschte, er wäre ein Tausendfüßler, weil der Tausendfüßler laufen kann. Der Tausendfüßler wünschte, er wäre eine Schlange, weil die Schlange rasend schnell dahingleitet. Die Schlange wünschte, sie wäre der Wind, weil der Wind noch flinker ist als sie. Der Wind wünschte, er wäre so hurtig wie das Sehvermögen. Das Sehvermögen hingegen wünschte, es wäre der Geist, weil dessen Geschwindigkeit sogar die des Blitzes noch in den Schatten stellt.«

Dem Schrifttum des Buddhismus zufolge ist der Geist das Schnellste überhaupt. Das bedeutet: Im Vergleich mit anderen sollten wir den Mund nie zu voll nehmen, weil es immer jemanden gibt, der uns in irgendeiner Hinsicht übertrifft; allzu selbstkritisch sollten wir aber auch nicht sein, schließlich haben ja auch die Größten ihre Schwächen. Oder wie man so sagt: »Ein Fuß kann kurz, ein Zoll aber von beträchtlicher Länge sein.«

Die folgende Fabel veranschaulicht das. Es war einmal eine kleine Maus, die sich von ganzem Herzen wünschte, stark und tapfer zu sein. Als sie eines Tages in den Himmel schaute, überwältigt von dessen Weite, glaubte sie, das Stärkste überhaupt zu sehen, das es gab, und rief: »Himmel, du hast bestimmt vor gar nichts Angst. Ich aber bin so winzig, winzig klein. Könntest du mir bitte helfen, stark und tapfer zu werden?«

»Es gibt sehr wohl Dinge, vor denen ich Angst habe«, antwortete der Himmel. »Ich fürchte mich nämlich vor den dunklen Wolken. Denn wenn sie sich über mich legen, kann ich nichts mehr sehen.«

Woraus die Maus folgerte, dass die dunklen Wolken wohl noch stärker sein müssten als der Himmel. Und nachdem sie eine aufgetrieben hatte, sprach sie zu ihr: »Wolke, du kannst den Himmel bedecken und die Sonne verdrängen. Also gibt es nichts Stärkeres als dich auf der Welt. Du hast bestimmt vor gar nichts Angst. Ich aber bin so winzig, winzig klein. Könntest du mir bitte helfen, stark und tapfer zu werden?«

Die dunkle Wolke entgegnete: »Doch, auch ich habe Angst. Und zwar vor starkem Wind. Denn ich gebe mir immer große Mühe, den Himmel zu bedecken, doch wenn der Wind aufkommt, bläst er mich einfach davon.«

Also wandte sich die Maus an den Wind, um ihm dieselbe Frage zu stellen. Seine Antwort: »Ich habe Angst vor Wänden. Die kann ich nämlich nicht durchdringen. Also sind die Wände noch stärker als ich.«

Natürlich wandte sich die Maus umgehend an eine Wand und fragte: »Wand, da du dem Wind Einhalt gebieten kannst, bist du doch bestimmt das Stärkste, das es auf der Welt gibt?«

Die Antwort der Wand verblüffte die Maus. Sie lautete nämlich: »Ganz und gar nicht. Die größte Angst habe ich vor Mäusen. Denn die können Löcher in mich nagen, und wenn es zu viele werden, stürze ich womöglich ein.«

Voller Erstaunen wandte sich das Mäuschen ab. »Da bin ich nun auf der Suche nach dem Stärksten der Welt von einem zum anderen gerannt. Nur um schließlich herauszufinden, dass ich selbst es bin!«

Es ist ein Fehler, auf die Stärken der anderen zu starren und sich selbst für minderwertig zu halten. Denn unsere eigenen Begabungen und Fähigkeiten verkennen wir nur allzu oft.

Das Elend folgt auf dem Fuß, wenn wir das Falsche anstreben

Alles ist vergänglich. Nichts bleibt gleich, nicht einmal unser Körper, geschweige denn Wohlstand, gesellschaftlicher Status oder Beziehungen. Und wenn wir sterben, können wir nichts mitnehmen. Das Einzige, was uns im Leben wie im Tod bleibt, ist der Geist.

Vor langer Zeit hatte ein Kaufmann vier Ehefrauen. An seiner vierten Gattin hing er besonders und las ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Um das Herz seiner dritten Frau für sich zu gewinnen, hatte er sich sehr anstrengen müssen, also behielt er sie bei sich und fand immer ein nettes Wort für sie. Nummer zwei war seine Vertraute, mit der er sich täglich austauschte. Die erste Gattin war für ihn wie seine Dienstmagd; sie tat, was immer er von ihr verlangte, in seinem Herzen hatte sie jedoch keinen Platz.

Eines Tages bereitete sich der Kaufmann auf eine weite Reise vor und fragte jede seiner Ehefrauen, ob sie ihn begleiten wolle.

Die vierte lehnte rundweg ab.

Die dritte sagte: »Wenn selbst deine Lieblingsfrau nicht mitmöchte, warum sollte ich es dann wollen?«

»Ein Stückchen begleite ich dich, mehr aber nicht«, ließ sich die zweite vernehmen.

Nur die erste Ehefrau sagte: »Wohin auch immer und egal, wie weit: Ich freue mich, mit dir gehen zu können!«

Was das bedeutet? Die vierte und liebste Ehefrau steht für den Körper. Solange wir leben, betrachten wir ihn als das Wichtigste, das wir haben; doch geht es ans Sterben, verlässt er uns. Die dritte Gattin versinnbildlicht unseren Wohlstand. Wie hart wir ihn uns auch erarbeitet haben, zum Zeitpunkt des Todes können wir keinen Cent davon mitnehmen. Die zweite Frau symbolisiert unsere Freunde und Verwandten. Bestenfalls vergießen sie ein paar Tränen, wenn wir sterben, und sehen zu, dass wir bald unter die Erde kommen. Die erste Gattin steht für unseren Geist. Nichts ist uns näher, und doch neigen wir dazu, ihn zu vernachlässigen, weil wir unsere Energien lieber in Äußerlichkeiten investieren.

Deshalb sah sich ein Meister einst zu der folgenden Aussage veranlasst: »Wir haben so viele merkwürdige Ideen: Erst können wir es kaum erwarten, erwachsen zu werden, dann jammern wir unserer verlorenen Jugend nach. Wir schuften uns krank, um Geld zu verdienen, und geben dann alles aus, damit wir wieder gesund werden. Der Tod liegt, scheint’s, immer in weiter Ferne, doch ist der Zeitpunkt dann gekommen, war das Leben gefühlt viel zu kurz. Ständig plagen wir uns mit Zukunftsängsten herum und vergessen darüber das Glück des gegenwärtigen Augenblicks.«

Sobald wir begreifen, dass sich alles verändert – etwas entsteht unter bestimmten Voraussetzungen und vergeht, sobald diese wegfallen –, wird uns alles, was wir momentan haben und sind, überaus herrlich erscheinen. Dann sind wir nicht länger um jeden Preis auf Ruhm und irdische Erfolge aus und verzweifeln nicht, wenn wir vom Pech verfolgt werden. Kurz gesagt: Wenn wir uns an den Wandel gewöhnen und ihn akzeptieren, hören wir damit auf, andere für unsere Probleme verantwortlich zu machen, und können anfangen, uns zu entspannen und unseren Geist zu öffnen.

Optimismus und Pessimismus

Kürzlich rief mich einer meiner Laienschüler an und sagte: »Khenpo, da ich mich in letzter Zeit ziemlich lustlos und niedergeschlagen fühle, überlege ich, ob mir nicht vielleicht ein Tapetenwechsel guttun würde.« Das erinnerte mich an die folgende Geschichte.

Ein Mann hatte zwei Söhne, die er Optimist und Pessimist nannte. Obwohl die beiden im selben Umfeld aufwuchsen, waren sie völlig unterschiedliche Persönlichkeiten. Während Optimist immer glücklich war, auch wenn er sich mit Problemen herumschlagen musste, fühlte sich Pessimist selbst dann noch wie am Boden zerstört, wenn für ihn alles glattlief.

Irgendwann bereute es der Vater, seinen Söhnen so lächerliche Namen gegeben zu haben, und beschloss, einen gewissen Ausgleich zwischen den beiden zu schaffen, indem er Optimist einen Misthaufen schenkte und Pessimist einen Haufen Schmuck und Spielzeug. Nach einiger Zeit kehrte der Mann zurück, um zu schauen, wie sich die Dinge entwickelt hatten. Zu seiner Überraschung fand Optimist Gefallen daran, seinen Misthaufen zu erkunden. »Du hast doch gesagt, dass ich hierbleiben soll«, meinte er zum Vater, »also müsste hier eigentlich irgendwo ein Schatz versteckt sein!« Pessimist dagegen hockte traurig inmitten des Schmucks und hatte die Hälfte seines Spielzeugs bereits kaputtgemacht. Als der Vater das sah, wurde ihm klar, dass die Veränderung der Lebensumstände nicht ausreicht, um die Lebenseinstellung zu verbessern.

Alle Erfahrungen, die wir machen, stellen Projektionen unseres Geistes dar. So können je nach individueller Befindlichkeit Welten zwischen den Wahrnehmungen des einen und denen eines anderen liegen. Deshalb sagt man ja auch, dass sich der Pessimist angesichts eines Rosenbusches über die Dornen beschwert, während der Optimist seine Freude an den Blüten hat. Wir können es also zwar mit einem Tapetenwechsel versuchen, viel wichtiger aber wäre es, unsere innere Haltung zu verändern.

Denn es hängt nicht in erster Linie von Äußerlichkeiten ab, ob wir ein glückliches oder ein unglückliches Leben führen. Der amerikanische Essayist Ralph Waldo Emerson schrieb einmal: »Ob das Leben eines Menschen schön ist, liegt an nichts anderem als ihm selbst.« Vieles wird für Sie nicht so laufen, wie Sie es geplant haben. Doch richtig schlimm wird es erst, wenn Sie Ihre Probleme nicht direkt angehen, sondern sie anderen zur Last legen und Ihr Glück von einer Veränderung der äußeren Verhältnisse abhängig machen. Egal in welcher Situation Sie sich befinden und wie frustriert Sie auch sein mögen – statt die Umstände dafür verantwortlich zu machen, sollten Sie lieber Ihren Geist zähmen. Denn das funktioniert besser als alles andere.

Leiden und Glück sind reine Kopfsache

Neulich habe ich mich mit einem sehr guten Freund unterhalten. Es war ein schönes Gespräch, in dem wir über alles Mögliche plauderten, vom Dharma bis hin zum Alltagsleben. Ehe wir es uns versahen, war es Mittag, und man servierte uns Nudeln. Sofort lief mir das Wasser im Mund zusammen, und schon der erste Bissen war einfach köstlich. Nie zuvor war mir so klar gewesen, wie schmackhaft ein Essen im Beisein eines guten Freundes sein kann. Wirklich unglaublich – die Macht des Geistes.