Was steckt man einem Kind in die Schultüte, das nicht kauen, greifen oder sehen kann? Lottas erstes Gummibärchen wäre auch ihr letztes. Selbst etwas so Kleines könnte zu viel sein, denn Lotta schluckt alles einfach runter. Als ihr großer Bruder Ben vor drei Jahren in die Schule kam, war er der einzige Erstklässler, der von seinen Eltern ständig ermahnt wurde, seiner kleinen Schwester ja nichts von seinen Süßigkeiten abzugeben.
In Bens Schultüte waren damals auch Stifte, ein Spitzer und eine Armbanduhr. Alles nichts für Lotta. Und so stehe ich an diesem Mittwochmorgen in der Küche und starre in eine weiße Plastikschüssel. Darin dreht sich eine kleine Metallschale um sich selbst und beginnt, rotgelb zu glühen.
Die Terrassentür habe ich geöffnet, um kühle Luft reinzulassen, draußen zwitschern die Vögel. Ihr Gesang hallt wie in einem riesigen Innenhof. Die Reihe von kleinen Häusern, von denen wir eines bewohnen, steht einer geschlossenen Front von Mietshäusern gegenüber, getrennt durch Gärten und riesige alte Bäume, die einen glauben machen können, man wäre im Grünen. Von ferne höre ich das Brummen der erwachenden Stadt.
Es ist viel zu früh. Jahrelang habe ich darauf gewartet, dass die Kinder länger schlafen – jetzt, wo sie es endlich tun, kann ich es nicht mehr. Doch es gibt Schlimmeres. Jahrelang hat Harry darauf gewartet, dass die Kinder länger schlafen, jetzt, wo sie es tun, steht seine Frau unerklärlich früh auf und lässt die Treppenstufen knarren. Ich blicke zur Tür zum Flur, sie ist geschlossen, hoffentlich war ich leise genug. Wenigstens habe ich heute eine gute Ausrede.
Unter meinen Füßen sind die Holzdielen angenehm kühl. Mit dem rechten großen Zeh kratze ich an einem Mückenstich an meinem linken Knöchel, ich sollte aufhören, sonst blute ich noch aufs Parkett, aber ich kratze weiter, auf einem Bein balancierend, starre in die Plastikschüssel und warte. Heute sollen es 34 Grad werden.
»Was ist das?«
Ich zucke zusammen. Ben steht auf einmal hinter mir, im Schlafanzug, die Ohren noch rot vom Schlaf, seine blonden Haare stehen hinten am Kopf zu Berge, als wollten sie von alleine wieder zurück in sein Bett im ersten Stock.
»Nicht reinfassen, Ben, das ist heiß!«
Ich nehme einen langen hölzernen Schaschlikspieß und halte ihn in die Schale, in der nun weiße Fäden wirbeln.
»Was machst du da?«
»Zuckerwatte.«
Bens Jubel hallt durch die morgendliche Stille.
»Psst! Nicht Lotta verraten.«
Lottas Behinderungen haben eine Menge Geräte ins Haus gebracht, von denen ich als Schwangere nie gedacht hätte, dass wir sie mal brauchen würden. Einen Kinder-Rollstuhl, einen Stehtrainer, der im Grunde ein großes Brett ist, auf dem man sein Kind fixiert und es dann gerade hinstellt – es erinnert mich immer an die Drehscheiben, auf die Messerwerfer im Zirkus ihre Opfer schnallen –, Lagerungselemente, die Lottas Knie auseinanderhalten, während sie schläft, um ihre Hüfte zu schonen. Orthesen, so ähnlich wie die Schienen von Forrest Gump, nur mit pink-grün-lila Herzen darauf, die Lottas abgeknickte Füße gerade rücken sollen. Viele Dinge, die ich mir früher noch nicht mal hätte vorstellen können. Und nun eine Zuckerwattemaschine, bestellt im Internet. Denn Zuckerwatte kann auch genießen, wer nicht kauen kann, sie schmilzt im Mund.
»Das ist unser Geheimnis, Ben, ja?«
Ben grinst verschwörerisch. »Wenn ich was abhaben darf?«
»Vor dem Frühstück?« Ich drehe den Schaschlikspieß und die weißen Fäden wickeln sich auf.
Ben tanzt von einem Bein aufs andere. »Ich teste nur für Lotta. Nicht, dass der Zucker schlecht geworden ist.«
In Lottas große pinke Schultüte packe ich neben der Zuckerwatte, die ich in durchsichtige Folie hülle, noch Haarspangen, Glöckchen, eine Hörspiel auf CD und Wachsmalkreiden, die in dicken Knubbeln enden, sodass man sie auch in einer Faust halten kann. Ab sechs Monate steht auf der Packung, Lotta ist sechs Jahre alt. Am Ende hat sie dasselbe in der Schultüte wie alle Kinder: zu viel.
Als ich die blaue Schleife um das weiße Krepp-Papier binde, frage ich mich, ob Lotta die Tüte lang genug alleine halten kann, um ein Foto von ihr damit zu machen. Neulich hat eine Mutter auf Facebook ein Bild von etwas gezeigt, das ich jetzt auch gerne hätte: einen Schultütenhalter aus Metall, befestigt am Rollstuhl ihres Kindes. Ihr Mann hat ihn selbst zusammengeschweißt. Mein Mann Harry ist Redakteur beim Fernsehen und kann ein Püree machen, so fluffig, dass selbst Lotta sich nicht daran verschluckt, und die Spülmaschine, auf die – laut ihm – einzig richtige Art einräumen. Schweißen, Dübeln oder Sägen gehören nicht zu Harrys Talenten und leider sind wir uns in dem Punkt zu ähnlich.
»Na, du Schulkind!«, ruft Ben mit dem Mund voller Zuckerwatte die Treppe hoch. »Bist du schon wach?«
Ein quiekendes Lachen aus dem ersten Stock antwortet ihm.
»Freust du dich etwa auf die Schule? Das wird sich ändern, glaub mir!«
Ben ist neun Jahre alt und kommt morgen in die vierte Klasse. Bald geht er mir bis zur Schulter, er ist so viel gewachsen in letzter Zeit, dass seine Arme und Beine wirken, als hätte jemand zu stark daran gezogen. Ständig stößt er irgendwo an, er ist wie ein junger Welpe, der noch nicht weiß, wie groß und stark er ist, und der aus Versehen das Wohnzimmer verwüstet, ohne dass ihm jemand lange böse sein kann.
»Wisst ihr schon, auf welches Gymnasium er geht?«, hat meine Freundin Melanie mich schon vor einem Jahr gefragt, als Ben und ihr Sohn Luca noch nicht mal in der dritten Klasse waren.
»Habt ihr schon eine Empfehlung der Lehrerin, dass Luca aufs Gymnasium soll?«, habe ich geantwortet. »Ich dachte, diese Gespräche gibt es erst im Herbst der vierten Klasse und die Infoveranstaltungen sind danach.«
»Das entscheidet doch nicht die Lehrerin, ich gehe jetzt schon zu allen Tagen der offenen Tür. Ich tendiere zum Katholischen.«
Was ist eine gute Schule? Und wie entscheidet man das für ein Kind wie Lotta? »Sie ist so richtig behindert«, hat Ben sie mal jemandem vorgestellt. »Nicht nur ein bisschen.« Es klang fast stolz. »Schwer mehrfachbehindert« ist ein anderer Ausdruck dafür, falls man nicht »so richtig behindert« sagen möchte. 7,5 Millionen Menschen in Deutschland sind schwerbehindert, das heißt fast jeder Zehnte, doch nur etwa zwei Prozent davon sind Kinder. Das Leben mit ihnen erscheint vielen Menschen unvorstellbar. »Das könnte ich nicht«, sagen mir manchmal Leute, und bevor ich Lotta bekam, hätte ich wahrscheinlich dasselbe gesagt.
Lotta ist blind, was aber nicht heißt, dass sie im Dunkeln lebt. Sie sieht wie andere bei undurchdringlichem Nebel, nur harte Kontraste dringen durch, Schwarz-Weiß, Glitzerndes, Neon. Sie ist körperlich so stark eingeschränkt, dass sie im Rollstuhl sitzt und wir ihn schieben müssen. Sie kann nicht kauen, daher stecke ich alles in den Mixer: Pizza, Käsebrote, Geburtstagskuchen. Nur Pommes schmecken püriert nicht, genauso wenig wie Salat. Lotta kann nicht sprechen, frei sitzen, sich an der Nase kratzen oder ihren Kopf über lange Zeit selbst halten. Sie kann sehr gut hören und riechen. Welche Schule ist die richtige für so ein Kind?
In unserer Küche hängt an einer Kreidetafel noch die Einladung von Lottas Kindergartenfreundin Nelly zu ihrem sechsten Geburtstag, daneben ein Zettel mit einem kleinen Herz, den Lottas Freund Jakob ihr in den Rucksack gesteckt hat. Die beiden kommen ebenfalls heute in die Schule.
Seit 2009, dem Jahr, in dem Lotta geboren wurde, gilt in Deutschland die UN-Behindertenrechtkonvention. Seitdem soll hierzulande ein »integratives Bildungssystem auf allen Ebenen« gewährleistet werden, sodass »Menschen mit Behinderung nicht aufgrund von einer Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden«. Die 2006 beschlossene Konvention konkretisiert die universellen Menschenrechte, wie sie 1948 von den Vereinten Nationen beschlossen wurden, für Menschen mit Behinderung und folgt dem Leitbild der inklusiven Gesellschaft: Nicht der Einzelne soll sich integrieren, die Gesellschaft als Ganzes soll ihn inkludieren, nicht der Einzelne muss sich ändern, sondern die Gesellschaft. 158 von 193 Mitgliedern der UN haben dieses Übereinkommen unterzeichnet, nur die UN-Kinderrechtskonvention haben mehr Staaten unterzeichnet. Alle vier Jahre müssen sie über die Umsetzung des Vertrags berichten, beim letzten Mal, 2015, wurde Deutschland gerügt, weil es in fast allen Bereichen zu wenige Fortschritte gab. Im März 2019 muss Deutschland zum nächsten Mal einen Bericht einreichen.
Schule ist nur eines der vielen Themen der Behindertenrechtskonvention, nicht nur dort sollen Menschen mit Behinderung teilhaben können: auch auf dem Arbeitsmarkt oder im Internet, politisch, gesellschaftlich oder kulturell. Und doch bestimmt der Aspekt Schule die Debatte. Wie hierzulande schulische Inklusion konkret umgesetzt wird, ist weitgehend den Ländern überlassen. Inklusion in Hamburg ist nicht gleich Inklusion in Bayern, auch von Stadt zu Stadt oder Landkreis zu Landkreis können sich die konkreten Umsetzungen stark unterscheiden. Bundesweit geht etwa ein Drittel der Kinder mit Förderbedarf gemeinsam mit Kindern ohne Behinderung zur Schule, in Bremen sind es laut der Kultusministerkonferenz über 77 Prozent, in Hessen etwa 23 Prozent. In Nordrhein-Westfalen, wo wir leben, hat jedes Kind mit Förderbedarf seit dem Schuljahr 2014/15 einen Rechtsanspruch auf einen Platz an einer inklusiven Schule.
In Lottas Zimmer ziehe ich das weiße Rollo hoch. Der kleinen Discokugel am Fenster gebe ich einen Schubs, sie beginnt sich zu drehen, helle Lichtpunkte tanzen im Zimmer herum, über die weißen Wände, die Fingertupfen-Bilder in ihren bunten Rahmen, über Lotta in ihrem Bett, über ihre langen blonden Haare, ihren geblümten Schlafanzug, ihre Wangen mit den tiefen Grübchen. Sie liegt auf der rechten Seite und drückt grinsend ihre Nase ins Kissen.
»Guten Morgen, meine Süße!«
Ich trete an ihr Pflegebett, das so hoch eingestellt ist, dass ich mich nicht weit bücken muss, und küsse sie in den Nacken, der verschwitzt ist. Sie riecht nach Kinderschlaf und roten Ohren, Wärme und Geborgenheit. Ich gebe ihr noch einen kleinen Kuss unter ihr Ohr und sie schnauft glücklich.
»Bist du bereit für deinen großen Tag?«, flüstere ich.
»Ähh«, sagt sie und ihre Grübchen werden noch tiefer. Ich schlage die Decke zurück und vergrabe mein Gesicht an ihrem Hals. Ich nehme ihren linken Arm und lege ihn um mich, sodass sie meinen Kopf umschlingt. Sie drückt fest zu und pustet ihren Atem gegen meine Stirn.
»Hallo, hallo, hallo!«, wirbelt Ben ins Zimmer. »Du wirst staunen Lotta! Es gibt …«
»Pssssst!«, mache ich, vergraben unter Lottas Arm.
»… schon wieder schönes Wetter!«
»Hast du meine dünnen Strümpfe gesehen?«, ruft Harry im Stockwerk über uns. Ich schlüpfe aus Lottas fester Umarmung und richte mich auf.
»Welche?«, brülle ich zurück.
»Die blauen!«
»Ich will sie«, fordert Ben und schiebt mich beiseite.
»Du musst sie …« Aber ich sehe schon an ihren Grübchen, dass sie will, was Ben vorhat. Er schiebt seine flache Hand zwischen Lottas Wange und das Kopfkissen und hebt schnell und gekonnt ihren Kopf an. Ich befreie Lottas Beine aus dem Lagerungsblock, der ihre Hüfte schont, indem er ihre Beine so auseinanderhält, als sei sie ein Cowboy, den man vom Pferd gehoben hat.
»Gewaschen!«, schreie ich Richtung oberes Stockwerk.
Ben richtet Lotta auf und zieht an ihr, bis sie mit baumelnden Beinen auf der Bettkante sitzt, ihr Oberkörper fällt nach vorne gegen seinen. Er umarmt sie.
»Na, hallo, du Schulkind!«
Sie dreht ihren Kopf und vergräbt ihr Gesicht in der Kuhle seines Halses.
»Im Waschkeller?«, ruft Harry von oben,
»Auf dem Stuhl in Bens Zimmer!«
Lotta dreht ihren Kopf hin und her und reibt ihre Nase an Bens Nacken.
»Oh, krieg ich ein Küsschen?«, fragt Ben und lacht. »Das ist aber nett von dir.«
Ein paar polternde Schritte auf der Treppe, dann ein Schrei und ein zersplitterndes Geräusch.
»War das mein AT-AT?«, schreit Ben.
»Warum ist hier Lego direkt hinter …«
»Papa, war das mein AT-AT?«
Ben lässt Lotta schwungvoll zurück aufs Bett plumpsen und rennt aus dem Zimmer. Lotta liegt völlig schief und lässt ein Glucksen hören.
»Sei nicht so schadenfroh«, flüstere ich. »Oder lachst du, weil du gerne so runterplumpst?«
Wir hören Ben schimpfen. Lotta grinst, ich nehme sie hoch, lehne ihren Oberkörper an meinen, sodass sie wieder sitzen kann. Seufzend vergrabe ich meine Nase wieder in ihren Haaren und schließe die Augen. Ich werde gleich mein schickstes Kleid anziehen, das nur mit hohen Hacken gut aussieht. Ich sollte meine kurzen Haare in eine weniger verstrubbelte Form föhnen; seit zwei Tagen wasche ich mir die Haare mit Duschgel, weil keiner Zeit hatte, neues Shampoo zu kaufen. Ich muss noch Frühstück machen und ich sollte wohl rübergehen und herausfinden, ob es Bens AT-AT war, der Panzer aus dem »Star Wars«-Universum, der aussieht wie ein Elefant, verkleidet als Kriegsmaschine. Gleich werde ich Lotta ihr hübschestes Sommerkleid anziehen, ihre Haare hochstecken und unzählige Fotos machen. Wir werden sie feiern und hochleben lassen. Doch für einen Moment stehe ich nur hier, atme den Duft von Lottas Haaren ein, spüre ihren Körper an meinem und versuche, die Zeit anzuhalten. Bleib noch ein bisschen mein Baby, Lotta.
»Was meinst du, Schulkind, sollen wir noch im Bett bleiben?«
»Äh.«
»Du willst in die Schule, nicht wahr?«
Ich weiß, du bist bereit für die Welt, Lotta. Ich weiß nur nicht, ob die Welt auch bereit ist für dich.
Hinter uns liegt mehr als ein Jahr der Suche. Ich habe in Klassenzimmern gesessen, von katholischen, städtischen, inklusiven, Privat- und Förderschulen, habe abendfüllende Infoveranstaltungen besucht und mich in die bürokratischen Details der Inklusion vertieft, habe mit Lehrern, Eltern und Schülern diskutiert. Wer ein Kind mit Behinderung hat, hat die Wahl, zumindest auf dem Papier. »Ich mag deine Tochter«, hat mir meine Freundin Merle gesagt, sie unterrichtet an einer Grundschule, die seit Kurzem inklusiv arbeitet. »Und dennoch hätte ich Angst, wenn sie bei mir im Klassenzimmer säße. Um ihr und allen anderen gerecht zu werden, kriege ich einfach nicht genug Unterstützung.«
Sie steht mit dieser Kritik nicht alleine da. In einer bundesweiten Forsa-Studie des Verbands Bildung und Erziehung von 2017 sollten die Lehrer bewerten, wie gut der gemeinsame Unterricht gelingt. Sie erteilen insgesamt die Schulnote Vier minus. Zwei Drittel der Lehrer, die wie Merle inklusiv arbeiten, geben an, dass sie alleine den gemeinsamen Unterricht stemmen müssen. Mehr als ein Drittel der Lehrer wurde ihren Angaben zufolge noch nicht einmal mit einem längeren Gespräch darauf vorbereitet. Missbrauchen wir den Umbau unseres Schulsystems zum Sparen? Wie sehen erfolgreiche inklusive Schulen aus? Wie ist das in den USA, wo in den 1970er-Jahren der Begriff Inklusion geprägt wurde? Oder in Italien, wo es eine der höchsten Inklusionsquoten gibt – angeblich 99 Prozent? Ich denke an unseren Urlaub: an die Kinder, die auf Lotta auf Italienisch einplapperten, ohne einmal zu zögern, die lächelnden Mütter am Strand, den Kellner, der Lotta ungefragt einen Schmatzer auf die Backe gab. Ist das eine inklusivere Gesellschaft als Deutschland? Sie fühlte sich zumindest so an.
Über Lottas Bett hängt eine Fotocollage mit ihren Kindergartenfreunden. Auf fast allen Bildern ist Nelly zu sehen.
»Weißt du was?«, hat sie vor Kurzem beim Abholen zu mir gesagt. »Die Lotta ist behindert.«
Ich zögerte. »Ich weiß.«
»Ist doch komisch, oder?«
»Findest du?«
»Ja, die ist so auf die Welt gekommen, dass sie einen Rollstuhl braucht. Und ich so, dass ich laufen kann. Komisch.«
»Tja, so ist das Leben.«
»Kommt Lotta zu meinem Geburtstag?«
Nelly und Lotta kennen sich seit vier Jahren. So lange schon spielen, singen, schmusen sie miteinander, doch erst jetzt bemerkt Nelly die Schublade, in die viele Menschen Lotta gleich auf den ersten Blick stecken. Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit das an Schulen so gut funktioniert wie in Lottas Kita? Was brauchen Lehrer wie Merle, um so erfolgreich inklusiv zu arbeiten wie Lottas Erzieher? Oder liegt das einfach daran, dass Nelly noch fast ein Baby war, als sie Lotta kennenlernte?
Harry kommt herein und beugt sich zu Lotta hinunter. Er summt eine Tonleiter und Lotta kreischt vor Freude auf.
»Und? War’s der AT-AT?«, frage ich.
Er summt weiter. Ich schließe die Augen, auf einmal ist es wieder 2009 und Lotta noch ein kleines rotes Bündel, das schreit und schreit und schreit, verzweifelt, untröstlich, stundenlang, nächtelang. So lange, bis ihr Papa Tonleitern summt, ihr großer Papa, der einen Kopf größer ist als ich, der seine wenigen dunklen Haare kurz geschoren trägt und nach gebügelten Hemden riecht und frisch rasierten Wangen. Er nimmt das kleine Bündel hoch in seine Arme, sie ist kürzer als sein Unterarm, ihr Kopf liegt in seiner Hand. Er wiegt sie und summt, Lotta öffnet die Augen und schweigt.
»Weißt du noch?«
Harry lächelt und ich lehne mich an ihn. Seit damals sind seine kurzen Haare grauer geworden, doch sein Summen ist dasselbe.
»Warum steht Lego direkt hinter …?«
»Psssst!«, sage ich. »Jetzt nicht.«
Gemeinsam umarmen wir Lotta, sie ist so groß, dass wir sie beide gleichzeitig halten können.
»Früher«, sage ich leise, »hätte ich nie gedacht, dass einmal der Tag kommt, an dem sie eingeschult wird. Ich hätte gedacht, sie würde vorher …« Ich schaue zu Lotta und spreche es nicht aus: sterben.
»Ich auch«, sagt er. »Und jetzt bist du ein Schulkind, Lotta!«
»Und was für eins!«
Sie lacht.
»Wer hätte gedacht, dass wir mal auf dieser Schule enden, oder?«
»Stimmt«, sagt er. »Das war ein wildes Jahr.«
Von der Frage, was eine gute Schule ist, waren wir sehr schnell bei der Frage angelangt: Welche Schule kriegen wir überhaupt – und wie? Kurz denke ich an Melanie und ihren Schlachtplan fürs katholische Gymnasium für Luca.
»Über die Hälfte wird abgelehnt. Also alle Hauptfächer auf eins, der katholische Chor – und zwei Hobbys: Klavier und Tennis.«
»Mochte Luca nicht Hockey?«
»Der Tennistrainer ist gleichzeitig Sportlehrer am Katholischen.«
»Und die Jungs, die er kennt, haben größere Chancen?« »Na ja«, sagt sie und hüstelt. »Nicht die Jungs, die er kennt. Du verstehst schon.«
Wie weit gehen wir für unsere Kinder? Manche Eltern ziehen um, damit ihr Kind näher an der Wunschschule wohnt und so bessere Chancen hat – oder sie melden es einfach nur um, falls die Oma zufällig näher dran wohnt. Meine Freundin Silke hat ihrem neugeborenen Baby seinen heiß geliebten Plastikschnulli weggenommen und durch einen Öko-Kautschukschnuller ersetzt, der aussieht wie ein großer brauner Badewannenstöpsel: »Ihr großer Bruder soll doch auf die Waldorfschule und wie sieht das denn sonst aus, wenn wir uns vorstellen gehen.« Dem Förderverein beitreten, am Info-Abend ganz vorne sitzen und danach Dankesmails schreiben sind noch die harmlosesten Spielarten dieses Kampfes. Natürlich muss das alles nicht helfen. Das Gerede über den Tennislehrer ist nur leeres Gewäsch, der Schnulli des Geschwisterkindes entscheidet wahrscheinlich nicht, wer einen Platz an der Waldorfschule kriegt – doch sicher ist sicher.
Die Knappheit der Plätze ist vor allem ein Problem der Städte, in Berlin beispielsweise haben 2017 rund 300 Eltern geklagt, weil ihr Kind keinen Platz an der Wunschgrundschule erhalten hat. Aber auch meine Facebook-Freundinnen, die auf dem Land leben, schreiben im Frühling glücklich: »Platz an der Wunschschule gekriegt!!!!«, dahinter Emojis von Champagner-Flaschen, darunter unzählige Kommentare von anderen zwischen Glückwunsch und Neid.
Nicht nur Waldorf- oder Privatschulen, auch begehrte städtische Grundschulen, Gymnasien, Gesamtschulen, Realschulen, die als gut gelten, Kitas haben so einen großen Andrang, dass sie losen – »Und wir wissen ja alle, was losen heißt«, sagt Melanie und zieht mit dem Zeigefinger die Haut unter ihrem rechten Auge runter. In der Zeitung lese ich, Schulrektoren könnten »Gesichtskontrolle« betreiben und sich die Eltern aussuchen. »Ich weiß, dass die Sache mit dem Schnulli seltsam wirkt«, sagt Silke. »Aber das macht die Angst mit einem.«
Die Angst, nicht die richtige Schule oder keine Kita für das Kind zu kriegen. Wer bin ich, darüber die Nase zu rümpfen? Auch ich habe im vergangenen Jahr Dinge für Lotta getan, auf die ich nicht stolz bin. Scham steigt in mir auf, schnell dränge ich den Gedanken daran beiseite. Ich werde es wohl wieder tun, Ben soll nächstes Jahr auf die weiterführende Schule und die Suche wird von vorne losgehen. Jeder will für sein Kind nur das Beste – und die Nische, in die es am besten passt. Unser Schulsystem unterstützt das: gleich mit gleich, Gymnasium oder Realschule. Doch wie lässt sich das mit Inklusion vereinbaren?
»Meinst du, das ist die richtige Schule für Lotta?«
Harry zuckt mit den Schultern. »Wenn nicht, dann wechseln wir.«
Ben kommt wieder herein. »Kann ich noch …?«
»Psssst!«, mache ich.
»… Frühstück?«
»Wie geht’s dem AT-AT?«
»Der war es nicht.«
Er schiebt uns beide weg und lässt Lotta in seine Arme sinken. Er schlingt seine Arme um sie und hebt sie vom Bett. Flach hängt sie vor ihm mit baumelnden Beinen, ihre Füße reichen bis zu seinen Knien, ihre Arme liegen über seinen Schultern, ihre Köpfe aneinander.
»Weißt du, wo meine blauen Socken …?«
»Ich habe keine Ahnung.«
Lotta eng umschlingend macht Ben ein paar kleine Schritte Richtung Flur.
»Stopp, wo willst du hin?«
»Los«, sagt er, »einer muss dieses Kind ja mal in die Schule bringen.«
Lotta grinst in seinen Nacken.
Von der Neugier der anderen und dem Wunsch dazuzugehören
Ein Jahr vorher.
»Ist die ansteckend?«
Das kleine Mädchen zeigt auf Lotta. Wir sind auf dem Weg zu den Schaukeln, Ben schwingt schon auf einer bis ganz nach oben. Lotta und ich wollen zu der Reifenschaukel, in der man auch liegen kann. Gerade ist sie besetzt, zwei Babys werden sanft von ihrem Vater hin- und hergeschwungen. Ich lächele das Mädchen an.
»Wie heißt du?«
»Penelope.«
»Hi, Penelope, das ist Lotta. Hör mal, Lotta, da will sich jemand mit dir unterhalten.«
»Ist die ansteckend?«
Das kleine Mädchen legt den Kopf schief. Wie alt mag sie sein? Vier, vielleicht fünf. Ich seufze.
»Nein, Lotta ist nicht ansteckend. Behinderungen sind so wenig ansteckend wie deine roten Haare oder deine Sommersprossen.«
Das Mädchen nickt befriedigt und geht rüber zur Rutsche. Ich schiebe Lotta quer über den Spielplatz bis zur Reifenschaukel. Der Vater davor lächelt mir zu.
»Möchte sie mit rein?«
»Wir warten lieber«, sage ich. »Sie will richtig wild, dafür sind die zwei noch zu klein.«
Lotta liebt es, so weit nach oben zu schaukeln, dass Umstehende fürchten, sie könnte rausfallen. Es muss im Bauch hüpfen, wie Ben einmal gesagt hat, erst dann kreischt sie vor Freude, dass es über den Spielplatz hallt.
»Darf ich fragen, was Ihre Tochter hat?«, fragt der Vater und gibt der Schaukel noch einen Schubs.
»Die wäre beinahe gestorben«, ruft Ben von seiner Schaukel neben uns herunter. »Dann haben die Ärzte ihr Leben gerettet und jetzt ist sie behindert. Soll ich springen?«
Der Vater sucht nach dem richtigen Gesichtsausdruck, um auf diese Erklärung zu reagieren. Sollte ich noch mehr sagen?
»Du musst gucken, Mama!«
»Ich gucke ja.«
Ben springt und landet mit beiden Füßen im Sand.
Es ist nicht genetisch und es war nicht mein Alter. Ich war 32 Jahre alt, als ich Lotta zur Welt brachte, Harry war 43. Es war nicht der Rohmilchkäse, den ich nicht aß, nicht das Koffein, das ich mied, es waren nicht das Sushi oder das Carpaccio, das ich verschmähte. Ich machte alles richtig. Es waren nicht die Vorsorgeuntersuchungen, die ich absolvierte, ohne zu wissen, warum. Es fühlte sich so gut an, zu hören, dass alles in Ordnung ist. Ich ließ das Risiko fürs Down-Syndrom ausrechnen und war froh, als es unter dem Durchschnitt für mein Alter lag. Warum? Was wäre gewesen, wenn? Harry und ich haben das nie ausdiskutiert, wir haben das Thema noch nicht mal angeschnitten, als würde es Unglück bringen.
Es ist Zufall, dass Lotta noch lebt. Hätte meine Frauenärztin damals bei einer Routineuntersuchung im neunten Monat nicht ein komisches Gefühl gehabt und den Doppler angeschaltet – die Einstellung des Ultraschallgeräts, das die Blutströme anzeigt –, hätte sie nie entdeckt, was sie so formulierte: »Da ist sehr viel Blut im Gehirn. Sie fahren jetzt in die Uniklinik.« Sie war die Erste von vielen Menschen, die Lottas Leben gerettet haben.
Vena Galeni Malformation, eine Laune der Natur. Auch ein Zufall. Eine Ader in Lottas Kopf hatte sich während der Schwangerschaft nicht richtig ausgebildet. Das sauerstoffreiche Blut floss von einer Ader direkt in eine Vene, es nahm eine Abkürzung – am Gehirn vorbei. Da das Gehirn ein autoregulatives Organ ist, reagierte es auf den Blutmangel mit der Anforderung nach noch mehr Blut. Lottas Herz pumpte schneller, mehr Blut schoss am Gehirn vorbei, die Ader weitete sich, Lottas Gehirn forderte vergeblich Nachschub, ihr Herz pumpte schneller, schneller und schneller. Hätte man Lottas Fehlbildung nicht schon vor ihrer Geburt erkannt, wäre sie wahrscheinlich kurze Zeit danach gestorben.
1:25000. So viel soll das Risiko für Vena Galeni betragen, schätzen Experten, gar nicht so unwahrscheinlich, wie ich heute weiß. Einer ist immer die Eins in 1:25000. Manche dieser Kinder sterben, bevor man weiß, woran, andere fallen erst auf, wenn sie nach dem Krabbeln nicht laufen lernen, sondern plötzlich Rückschritte machen. Nicht immer sind die Fehlbildungen so stark ausgeprägt wie bei Lotta.
»Wenn Sie jetzt sagen, dass Sie sonst vom Dach springen, finden Sie vielleicht noch einen …«, sagt ein Arzt und meint eine Spätabtreibung. Eine Kaliumchlorid-Spritze ins Herz meines Babys, das in meinem Bauch strampelt, wenn es die Stimme seines Bruders hört. »Das können wir nicht«, sage ich zu Harry, »oder?«
Wir erzählen Ben, dass das Baby krank ist, er pustet auf meinen Bauch und fragt: »Wieder heile?«
In Paris, London oder Duisburg-Wedau lassen sich Fehlbildungen wie Lottas operieren. Wir gehen nach Duisburg, die Klinik liegt nicht weit vom Stadion, Professor Brassel und Doktor Feldkamp sind die Ärzte, an die wir uns klammern. Versprechen können sie uns nichts, doch wir halten uns an den Geschichten fest, die sie erzählen. Von ehemaligen Patienten, die heute Basketball spielen, von Kindern, die überlebt haben. Alles wird gut. Bestimmt.
Als Lotta zur Welt kommt, ist ihr Gesicht ein kleiner Mond, die Augen zugeschwollen. Im OP nebenan warten schon die Ärzte, um sie direkt nach der Geburt zu operieren. Doch Lotta macht sich gut. Sie bekommt einen Aufschub, 24 Stunden, in denen wir sie taufen, im Licht einer Kerze auf der Kinder-Intensivstation. Lotta öffnet zum ersten Mal ihre Augen und ist wunderschön. »Ich habe die Kerze gesehen und gedacht, da stirbt schon wieder eins«, wird uns die Krankenschwester später sagen. »Nein«, werde ich sagen. »Mein Kind stirbt nicht.« Nach nur einem Tag müssen wir uns von ihr verabschieden, um sie in den OP zu schicken.
Professor Brassel führt winzige Katheder in Lottas Hüften ein, langsam schleust er sie durch ihre Adern, bis hinauf in ihren Kopf, zu der Fehlbildung. Vorsichtig setzt er Coil um Coil ein, kleine Platinspiralen, die sich an die Wand der geweiteten Ader setzen und sie verkleinern. Sieben Mal wird Lotta in den ersten drei Jahren operiert werden, über zehn Stunden liegt sie in Vollnarkose, während wir Eltern in die Stadt fahren. Wir kaufen ihr ein Kleid, jedes Mal ein neues, und glauben, dass es Glück bringt.
Nur zehn Tage nach Lottas Geburt dürfen wir das Krankenhaus verlassen. Die Einstichstellen an ihrem Hals, an ihren Handgelenken und ihren kleinen Füßen verheilen, ihre blaulila Blutergüsse verblassen. Sie trinkt an meiner Brust, sie gähnt, sie strampelt – sie ist perfekt. Ich küsse ihren kleinen kahlen Kopf und glaube an ein Wunder. Zu ihrem ersten Weihnachten kriegt Lotta einen Plüschlöwen, weil sie so stark wie ein Löwe ist – und einen weißen Kinderholzstuhl, wie Ben einen hat. Er kommt erst mal in den Keller, »bis zum Sommer«, erklären wir Ben. »Dann kann sie sitzen.«
Lotta wird nie darauf Platz nehmen.
Als unsere Kinderärztin bei der routinemäßigen Vorsorgeuntersuchung Lotta nackt kopfüber hängen lässt, stockt sie und wird still. »Sie entwickelt sich nicht ganz so, wie wir das möchten«, sagt sie später. »Verdacht auf cerebrale Bewegungsstörung« steht in ihrem Bericht, mit dem sie uns zum Neurologen schickt. Als ich das im Internet nachschlage, steht da »körperliche Behinderung«.
»Wenn Sie Glück haben, ist es halbseitig«, sagt der Neurologe. Er verdreht sein Knie, seinen Arm und die Hand nach innen, lässt den Kopf zur Seite fallen und humpelt auf uns zu. »So.«
So könnte Lotta aussehen, wenn sie älter wird? »Sie ist doch so hübsch«, sage ich später zu Harry. Als wäre Schönheit ein Schutz.
Im ersten Jahr filme ich, wie Lotta strampelt, Großaufnahmen als Belege für den Neurologen, dass er sich irrt. »Mit zwei Jahren wissen wir mehr«, sagt er. Wir beginnen mit Physiotherapie.
Lottas Blick wandert ständig umher, »sie ist so neugierig«, sagen wir. »Blind«, sagt der Augenarzt, »eine Folge der pränatalen Hirnschädigung.« Wir beginnen mit Sehfrühförderung, kaufen schwarz-weiße Stofftiere, um mit den starken Kontrasten ihre Sehreste hervorzukitzeln.
»Vorhersagen sind einfach nicht möglich«, sagt uns Dr. Feldkamp, unser Kinderarzt in der Duisburger Klinik. Fördern und warten. Fördern und warten. Warten und nicht zweifeln, nicht nachdenken, nicht im Internet nachlesen, nicht weinen, nicht fragen: »Was wäre, wenn?«, nicht schreien: »Warum wir?«. Auch nicht hoffen, denn hoffen ist das Schlimmste. Hoffen heißt, ein kleines Mädchen vor mir zu sehen, das läuft und lacht und »Mama« ruft. Hoffen schmerzt mehr als verzweifeln. Fördern und warten.
Jeden Abend um 17 Uhr sitzen Lotta und ich in der Badewanne, ich lasse ihren Körper durchs Wasser gleiten und schaue in ihre Augen, die nach oben starren. Blind.
»Alle meine Entchen schwimmen auf dem See, schwimmen auf dem See …«
Plötzlich zieht Lotta ihre Mundwinkel nach oben.
»Oh, Lotta, du kannst ja lächeln!«
Sie lächelt, ich weine.
An diesem Abend bleiben wir beide in der Badewanne, bis wir beide ganz schrumpelig sind. Sechs Monate ist Lotta bei ihrem ersten bewussten Lächeln alt, Ben war damals sechs Wochen. Kann cerebrale Bewegungsstörung auch bedeuten, dass ein Kind nie lächelt? Ich habe mich nie getraut, einen Arzt das zu fragen.
»Lotta lächelt!«, ruft Ben vom Sitzsack aus, wo er in einem Bilderbuch blättert, Lotta an seine Seite gedrückt, und wir Eltern rennen herbei.
»Die schönsten Lächeln kriege immer ich«, sagt Ben, »für mich macht sie die dicksten Grübchen.«
»Klar«, sagen wir. »Du bist ihr Liebling.«
Lotta öffnet ihre Hand, Lotta hält den Kopf gerade, Lotta lächelt. Meilensteine. »Du machst das so toll!«, lobe ich sie und küsse ihre offene Hand, ihren geraden Kopf und schaue in ihre Augen, die sie staunend aufreißt über das, was sie kann. Die Fortschritte mögen winzig sein, doch unsere Freude ist riesig.
Wir fallen aus der Zeit. Die Kinder auf der Pampers-Packung entwickeln sich schneller als Lotta, die Windelpakete, die ihr dem Gewicht nach passen, haben längst vornedrauf ein Bild von einem strahlenden Kind, das frei und selbstständig sitzt. Ein paar Monate später ist da auf der Abbildung eins, das krabbelt, noch später steht eins und winkt. Doch wir sehen nicht hin. Wir nehmen die Windeln gleich zu Anfang raus und schmeißen die Packung weg. Ich schaue nicht mehr in Kinderwagen, ich gehe anderen Müttern aus dem Weg und wechsele heimlich die Straßenseite, bevor uns jemand entdeckt. Solange wir Lotta nicht mit anderen vergleichen, so lange entwickelt sie sich fantastisch.
Eines Tages verdreht Lotta ihre Augen. Ihre Atmung rasselt, Schaum bildet sich vor ihrem Mund. Zum ersten Mal in unserem Leben rufen wir den Notarzt und rasen mit Blaulicht ins Krankenhaus. Erst die Vollnarkose bricht den Krampf. »Epilepsie«, sagt der Arzt. »Das ist nicht ungewöhnlich bei Hirnschädigungen.« Wir beginnen, ihr täglich Medikamente zu geben. Das eine macht sie matt und dumpf, das andere reizt ihr Zahnfleisch. »Potenziell lebensbedrohlich«, nennen die Ärzte die schlimmsten der Anfälle, die immer wiederkommen können. »Aber lassen Sie Ihr Leben nicht davon bestimmen.«
»Du musst das annehmen«, sagt mir meine Freundin Clara, die gleich um die Ecke wohnt. »Das ist wie eine Welle. Wenn du dagegen ankämpfst, schmeißt sie dich um. Du musst drunter durch.«
Es ist viel, das wir annehmen müssen in diesen ersten Jahren. An manchen Tagen klappt es besser als an anderen.
Irgendwann sagen wir das »B-Wort«. Lotta ist süß, blond, viel zu dünn, ein Dickkopf, der alle um den Finger wickelt, ein Wirbelwind, der zwar nicht laufen kann, aber trotzdem auf meinen Knien reiten will und vor Freude so laut und unvermittelt juchzt, dass die Menschen um uns herum zusammenzucken. Lotta ist ebenfalls behindert. Wir nehmen uns Ben zum Vorbild, für den behindert nur ein Wort ist wie klein oder hübsch. Er macht keine Pause davor, er senkt nicht die Stimme. Hübsch, klein, behindert.
Wird sie jemals sitzen und ein Glas umschmeißen können? Wird sie ihr Leben genießen, auch wenn sie vielleicht nie richtig sehen oder laufen kann?
»Deinen Job als freie Journalistin kannst du jetzt vergessen«, sagt eine Kollegin. Der Plan war, dass ich erst mal kürzertrete, bis die Kinder in der Kita sind. Habe ich mich, als ich mich für Lotta entschied, auch gegen mein altes Leben entschieden? Gegen Reisen, Interviews, Arbeit, die sich mit Kindern vereinbaren lässt, und für Windelnwechseln und Füttern, jahrzehntelang?
Als Lotta zwei Jahre alt ist, wissen wir mehr. Es ist nicht halbseitig geworden, wie der Neurologe damals gesagt hat, sondern beidseitig. Als uns das jemand sagt, ist es keine Überraschung mehr. Es ist nicht so wichtig, wie wir am Anfang dachten, nicht für uns. Wir sind verliebt. Lotta ist perfekt, mit oder ohne schwere Mehrfachbehinderung. Welche Diagnosen sie hat, sagt nichts darüber aus, wer sie ist, sie muss nicht anders sein, um unsere Tochter zu sein. Einer ist immer die Eins in 1:25000. Wer schwanger wird, spielt Lotto – und wir haben gewonnen.
Darf ich fragen, was Ihre Tochter hat? Hätte ich all das dem Vater neben mir auf dem Spielplatz erzählen wollen, hätte er seine Babys so lange auf der Schaukel anschubsen müssen, bis ihnen schlecht geworden wäre. Und so lächele ich nur zurück und frage: »Na, ihr zwei, wie lange schaukelt ihr denn noch?«
Fragen wie seine höre ich oft. »Was hat sie denn?« ist ein Klassiker. Auch beliebt in der Variante: »Wieso sitzt Ihre Tochter denn im Rollstuhl?«
Ein Mann in der Schlange hinter uns an der Supermarktkasse fragt: »Wie heißt denn das, was Ihre Tochter hat?«
»Infantile spastische Cerebralparese der Stufe fünf, blind, Schluckstörung, keine Lautsprache. Und Epilepsie aufgrund einer angeborenen Vena Galeni Malformation, die mittlerweile nach sieben Embolisationen glücklicherweise verschlossen ist«, antworte ich.
»Konnte man da nichts mehr machen?«
»32,95 Euro«, sagt die Kassiererin und wir können gehen.
Ich weiß, warum die Menschen fragen. Wenn sie wissen, wie es passiert ist, wissen sie, ob es ihnen auch passieren könnte. »Wusste man das vorher?« »War der Arzt schuld?« Die Menschen wollen eine Erklärung, sie wünschen sich die Gewissheit, dass sie selbst in Sicherheit sind. Dass ihre Kinder nicht wie Lotta werden. Oder dass man »notfalls noch was hätte machen können«, was ja nichts anderes heißt als Spätabtreibung.
»Mich hat das noch nie jemand gefragt«, sagt Harry abends, als ich ihm davon erzähle.
»Du bist ja auch seltener mit ihr alleine unterwegs«, sage ich.
Aber vielleicht liegt es auch an mir. Wenn ich alleine unterwegs bin, fragen mich Leute nach dem Weg oder reden mit mir über das Wetter, als hätte ich »Sprich mich an« auf die Stirn tätowiert. Wenn ich mit Lotta unterwegs bin, fragen sie eben nicht, ob die Post wohl noch aufhat, sondern nach Lottas Behinderung. »Du musst nicht allen Menschen ins Gesicht schauen«, hat meine Mutter einmal gesagt, als ich in die Pubertät kam. »Die könnten das falsch verstehen.« Vor der Frage nach der Diagnose nehmen die meisten erst mal Blickkontakt mit mir auf, oft tauschen wir ein Lächeln oder einen Satz über das Wetter aus, bevor Fremde mich nach den körperlichen Details meiner Tochter fragen. Es ist wahrscheinlich meine Schuld. Ich sollte einfach nicht zurücklächeln.
Als Ben etwa vier Jahre alt war, hat er gesagt: »Ich weiß, warum die Leute Lotta so viel angucken.« Er schien Fremde gerne darüber aufzuklären, was genau mit Lotta los ist, er hatte Mitleid mit ihnen. »Die haben keine Lotta und sind bestimmt neidisch.«
Mich nervt es manchmal. Warum? Weil die Erinnerungen an Lottas Diagnose zu schmerzhaft sind? Nein, das ist es nicht. Dass Lotta blind und körperbehindert ist, dass sie nicht kauen oder sprechen kann so wie Ben, das sind Tatsachen, die ich so wenig hinterfrage wie die Tatsache, dass Ben keinen dunklen Lockenkopf hat.
Im Zoo auf der Bank vor den Giraffen starren die Kinder uns an, als wären wir diejenigen, für die ihre Eltern Eintritt gezahlt haben. Im Einkaufszentrum, an der Fußgängerampel, während wir auf Grün warten. »Darf ich fragen …?«
»Dann sag eben Nein, Sie dürfen nicht fragen«, sagt Harry.
»Aber … die Leute meinen es doch nur nett. Vielleicht interessiert es sie einfach.«
»Na und?«
Unhöflichkeit kostet Kraft. Es ist leichter, schnell etwas zu sagen. »Was hat sie denn?« »Uns. Sie hat uns«, habe ich mir mal vorgenommen zu sagen, doch ich habe es nie ausgesprochen.
»Gute Laune«, habe ich einmal gesagt. »Jede Menge Spaß hat sie.«
Am liebsten gebe ich die Frage weiter: »Darf ich das erzählen, Lotta?« Es gibt Menschen, die reden mit ihrem Hund, aber wenn sie vor einem Rollstuhl stehen, reden sie nur mit dem, der schiebt, und nie mit dem, der drinsitzt. Manchmal grinst sie, wenn ich sie frage. Aufmerksamkeit ist toll, egal, ob man sie für eine schöne Mütze oder für eine Behinderung bekommt.
Mit der Zeit haben wir Standardantworten entwickelt, je nachdem, wer fragt. Für Ärzte haben wir ein Kurzreferat voller medizinischer Fachbegriffe, die mir längst flüssig von der Zunge rollen. Für Erwachsene haben wir einen kurzen, der keine medizinische Vorbildung erfordert, bei Kindern staffeln wir es nach dem Alter und beantworten immer nur die Frage, die auch gestellt wird – so wie man das machen soll, wenn man Kinder über Sex aufklärt.
Bei einem unserer letzten Spielplatzbesuche stürmte ein kleiner Junge auf uns zu, höchstens eineinhalb Jahre alt, im Gesicht einen Ausdruck höchster Glückseligkeit.
»Bagger!«
»Kein Bagger«, erklärte ich, als er schon die Reifen anfasste und versuchte, sie zu drehen, »das ist ein Rollstuhl.«
Lotta wendete dem Jungen interessiert den Kopf zu.
»Carlo!«, rief seine Mutter und eilte zu uns, ein entschuldigendes Lächeln im Gesicht. »Lass das, bitte!«
»Ist schon okay«, sagte ich. »Schau, Carlo, wenn du die gelben Knöpfe runterschiebst, ist die Bremse an – und wenn du sie wieder hochschiebst …«
Grinsend schob er die Bremsen wieder runter.
»Haben?«
»Das ist nichts für dich, Carlo«, sagte seine Mutter.
»Haben!«, schrie Carlo, schmiss die Arme hoch und warf sich mit dramatischer Geste vor uns in den Matsch.
Egal, wen wir aufklären, wir versuchen immer, schnell von der Diagnose zu den schönen Seiten zu kommen: »Aber sie hat viel Freude am Leben. Und so eine Hübsche ist sie, nicht wahr?«
So ein Klischee. Als müsste sich ein behindertes Kind sein Brot erst verdienen, indem es möglichst ein Sonnenschein ist, eine Bereicherung, welche die Belastung austariert. Als hätte ein stinkiges, hässliches behindertes Kind kein Recht auf Leben. »Du darfst ruhig mal schlecht gelaunt sein«, flüstere ich Lotta zu, nachdem ich wieder mal einem Fremden erzählt habe, wie oft sie lacht. »Ich hab dich immer lieb, egal, was du machst.«
Lotta ist erklärungsbedürftig, anscheinend. Vielleicht ist es das. Für uns ist Lotta normal, unser Leben ist eigentlich nichts, was sich zu beschreiben lohnt. Wir haben ein normales Leben mit verregneten Nachmittagen voller »Conny«-Hörspiele in Endlosschleife und sonnigen Stunden auf dem Spielplatz, mit Ausflügen in die Eisdiele und Abenden, an denen ich mich frage, warum ich eigentlich als Einzige müde bin. Ben hasst Sonnencreme, Lotta mag keinen Joghurt. Beide Kinder lieben Spaghetti bolognese. Sicher, Lotta bekommt ihre püriert, weil sie nicht kauen kann, sie geht zur Physio statt zum Ballett – doch sonst? Dass unsere Normalität etwas anders ist als die anderer Menschen, bemerke ich meist erst, wenn ich darüber nachdenke: Worin unterscheidet sich unser Leben von dem Leben, das wir führen würden, wenn Lotta keine Behinderung hätte?
Ich könnte ihr eine Brezel in die Hand drücken, wenn sie Hunger hat, statt sie mit dem Löffel zu füttern, manchmal stundenlang. Es wäre mir egal, ob die U-Bahn-Station einen Aufzug hat, und wir hätten keinen persönlichen Parkplatz direkt vor der Tür. Hätte Lotta keine Behinderung, würden wir an Silvester nicht darauf anstoßen, dass es wieder ein Jahr ohne Notarzt war. Wir würden nicht die Wochen ohne epileptische Anfälle zählen. Auf Facebook würde ich mich nicht über die schönsten Kinderpflegebetten austauschen, wir hätten keine Aktenordner voller Korrespondenz mit der Krankenkasse und keine Anwältin, die Lottas Anspruch auf eine Integrationshelferin durchgesetzt hat.
Einen Anspruch auf eine Begleitung haben alle Kinder, die so schwer eingeschränkt sind wie Lotta. Die zwei Erzieher in ihrer Kita-Gruppe können nicht gleichzeitig 14 nicht behinderte Kinder ab einem Jahr betreuen und ein schwer mehrfachbehindertes Kind fördern. Doch wer bezahlt die Begleitung? Je nach Behinderung sind verschiedene Ämter zuständig, doch Lotta hat gleich mehrere. Ein Amt verwies uns ans nächste, wir reichten Antrag nach Antrag ein. Elf Monate lang rannten wir im Kreis. Erst als wir mit Klage drohten, wurde Lottas Begleitung bewilligt. Hinter den Kulissen stritten sich die Ämter weiter, wer welchen Anteil übernimmt. Lottas Kita-Begleitung zahlt schließlich zum größten Teil das Sozialamt.
Viele Kinder haben so wie Lotta nicht nur eine einzige Behinderung, körperliche mischen sich mit emotionalen oder geistigen Behinderungen, Wahrnehmungsstörungen und Entwicklungsverzögerungen. Warum gibt es kein Amt für Inklusion, das für alle zuständig ist, ausgestattet mit den Mitteln, die es braucht? So wie es jetzt ist, ist es ein Dschungel von Behörden und Vorschriften, in dem man leicht verloren gehen kann. Nicht Lottas Behinderungen rauben mir am meisten Kraft, sondern Kämpfe wie der um ihre Integrationshelferin. Wie viele Eltern geben auf, bevor sie einen Anspruch durchgesetzt haben? Wenn es für mich schon anstrengend ist, mit den Ämtern zu kämpfen, wie geht es dann Alleinerziehenden, die keinen haben, der mal eben die Kinder übernimmt? Wie geht es Müttern, deren Muttersprache nicht zufällig Deutsch ist, die nicht Journalistinnen sind und die kein Geld übrig haben, um eine Anwältin zu engagieren, wenn sie an ihre Grenzen stoßen?
Wir haben Glück.
Wenn die Krankenkasse ein Hilfsmittel nicht vollständig bewilligt, können wir selbst etwas zuzahlen. Harry hat eine Festanstellung als Redakteur, Lotta kriegt von Opa und Oma an Weihnachten auch mal einen Zuschuss zum neuen Rolli, es geht uns gut. Ich schreibe Artikel, Bücher, ich kann auf einem Podium sitzen und über Inklusion diskutieren, während Lotta zu Hause versorgt wird. Verglichen mit anderen müssen wir auf wenig verzichten, wir sind kein typischer Fall. Das Armutsrisiko steigt, wenn man ein Kind mit Behinderung bekommt. Genau wie das Scheidungsrisiko und das Risiko für Geschwisterkinder, an Depressionen zu leiden. Die Wahrscheinlichkeit steht gegen uns.
Meine Freundin Nina, die ihren Sohn Leon zur selben Zeit im selben Krankenhaus zur Welt brachte, sieht müde aus, als wir uns abends endlich einmal treffen. Fünfmal haben wir unsere Verabredung verschoben, »jetzt aber« lautete ihre letzte SMS an mich. Durch Ninas hennarote Locken zieht sich oben ein dunkler Ansatz, unter ihren Augen Ringe. Ihr Sohn hat das Down-Syndrom, sein angeborener Herzfehler ist längst behoben. Sie bestellt Gin Tonic.
»Wenn Leon noch mal seine Schuhe verweigert, schmeiße ich sie weg und lasse ihn ab sofort barfuß gehen. Sollte es nicht leichter werden, wenn die Kinder älter werden? Ich finde, es wird schwerer. Ich möchte nicht tauschen, aber …«
Nina schüttelt den Kopf, an ihren Unterarmen hat sie blaue Flecken. Leon hat Schwierigkeiten, seine Kraft zu kontrollieren, und packt oft zu hart zu.
»Und dann sagen immer alle: Oh, diese Down-Syndrom-Kinder sind ja solche Sonnenscheine. Leon ist ja auch einer – solange es nach seiner Nase geht.«
»Dich fragt bestimmt keiner: Was hat er denn, oder?«
»Nee, dafür ist Trisomie 21 zu leicht zu erkennen. Der kann ja Regisseur werden, hat neulich jemand gesagt. Da kann man ja heute so viel machen! Du hast es gut: Dir wirft wenigstens keiner vor, dass du Lotta zu wenig förderst, wenn sie nicht Schauspielerin wird. Oder wenn sie keine Schuhe trägt.«
»Wir sind neulich einem kleinen Jungen begegnet, höchstens drei Jahre, der hat gefragt, warum Lotta das hat, und auf den Rolli gezeigt.«
»Was hast du gesagt?«
»Ist so auf die Welt gekommen. Ich dachte, das reicht, der war ja noch klein. Der Junge hat völlig fassungslos auf den Rolli gestarrt und gesagt: So ist die auf die Welt gekommen?«
Lachend stoßen wir an.
Fast jeder zehnte Mensch in Deutschland ist schwerbehindert und doch haben wir anscheinend keine gemeinsame Normalität. Solange sich Menschen entschuldigen, wenn ich ihnen versehentlich mit Lottas Rollstuhl in die Haken fahre, so lange haben wir keine inklusive Gesellschaft. Der Vater mit seinen Babys in der Schaukel und ich – wir hatten so viel gemeinsam: Wir sind Eltern, wir standen in der Sonne, wir würden beide an diesem Tag noch viele Male eine Schaukel anschubsen und dabei »Hui« sagen. Sobald er sagte: »Darf ich fragen …«, war es mit der Gemeinsamkeit vorbei. Lotta ist nicht wie seine Kinder, ich bin nicht wie er. »Was hat sie denn?« heißt unausgesprochen auch immer: »Das ist nicht normal« und »Ihr gehört nicht dazu«.
»Das ist das wichtigste Argument für Inklusion von Anfang an, vom Kindergarten bis ins Büro«, sage ich Harry später, als ich von meiner Verabredung mit Nina zurück bin.
»Dass du dann keine Fragen mehr beantworten musst?«
»Dass es normal wird, anders zu sein. Lotta wird immer nur auf diese Eigenschaft reduziert: behindert. Sie ist doch so viel mehr als nur das.«
»Dann müsstest du dich über Fragen aber freuen«, sagt Harry. »Solange die Leute fragen, so lange kannst du ihnen helfen, Lotta zu verstehen.«
»Ich