Roger Willemsen

Musik!

Über ein Lebensgefühl

Herausgegeben von Insa Wilke

FISCHER E-Books

Inhalt

Über Roger Willemsen

Roger Willemsen, geboren 1955 in Bonn, gestorben 2016 in Wentorf bei Hamburg, war nicht nur Autor, Moderator und eine der führenden intellektuellen Stimmen Deutschlands, sondern auch ein leidenschaftlicher Musikhörer und Kenner. Mit »Willemsens Musikszene« hatte er zwei Jahre lang im ZDF seine eigene Musiksendung, mit »Willemsen legt auf« machte er im NDR eine 15-minütige Radiosendung, die es auf 279 Folgen brachte und zu der 26 große Publikumsabende gehörten. Er gestaltete eine Weltmusik-Reihe mit den Berliner Philharmonikern, ein Barock-Programm mit dem Geiger Daniel Hope, ein Klassik-Programm mit der NDR-Radiophilharmonie. Für die »Zeit« schrieb er eine eigene Musikkolumne, für arte und ZDF machte er einen Film über den Jazzpianisten Michel Petrucciani und zahlreiche weitere Musikerporträts.

Über Roger Willemsens umfangreiches Werk gibt Auskunft der Band ›Der leidenschaftliche Zeitgenosse‹, herausgegeben von Insa Wilke.

 

 

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Über dieses Buch

Keine andere Kunst nahm Roger Willemsen so persönlich wie die Musik: Sie war von früh an Komplizin, als es darum ging, das Leben zu verdichten. Willemsens Liebeserklärungen an den Jazz, seine Verbeugungen vor den klassischen Komponisten, seine scharfe Verteidigung der künstlerischen Existenz, vor allem aber sein tiefes Verständnis für die Musiker und ihre Themen sind legendär. Seine einzigartigen Texte »über Musik« sind weit mehr als das: Sie sind Ausdruck eines Lebens »entlang jener Linie, an der man Dinge macht, die aus Freude bestehen oder aus Aufregung, aber nie aus Gleichgültigkeit.« Roger Willemsens Hommage an die Musik und ihre Heldinnen und Helden gibt einem das Gefühl, am Leben zu sein.

Impressum

Erschienen bei FISCHER E-Books

 

© 2018 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main

 

Covergestaltung: KOSMOS, Büro für visuelle Kommunikation

 

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Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.

ISBN 978-3-10-490885-4

Wo vom Wesen die Rede ist, so lehrt die Philosophie, ist vom Ursprung die Rede. Wenn von den stillen Momenten eines Lebens also gesagt wird, etwas Wesentliches trete in ihnen zutage, so ist auch gemeint, etwas Ursprüngliches zeige sich. Dies aber bezeichnet nicht die conditio humana allein – wir kommen aus der Stille und gehen wieder in sie ein –, es bezeichnet die Bedingungen jeder künstlerischen Hervorbringung: Die leere Leinwand schweigt, das weiße Blatt tut es, Ruhe tritt ein, bevor der erste Ton gespielt wird, und der letzte liefert sich ihr wieder aus.

Stille ist der Zustand, in dem Musik geboren wird. Was immer sie sagt, ist sie doch auch komponiertes Schweigen und zieht sich selbst auf immer neue und originelle Weise ins Unhörbare zurück, ja, der Musik kann es sogar gelingen, die Stille zu vertiefen durch ihr Sprechen. In keinem Werk aus den frühen Jahren der klassischen Musik ist das so fassbar wie in dem von Johann Sebastian BachBach, Johann Sebastian, dessen Sonaten und Partiten für Solo-Violine geradezu als Ergründungen einer Stille erfahrbar sind, die beides kennt: die Strenge der Architektur, die Zartheit der Schwärmerei. Musik berührt hier ihre Voraussetzungen, ihren Ursprung im Schweigen und ihre Neigung, in dieses heimzukehren.

Auch im sozialen Leben aber ereignet sich Stille nicht nur, sie besetzt eigene Funktionen: In der »Schweigeminute«, der stillen Trauer, der Denkpause, in der Betrachtung des Firmaments, in den Schweigeräumen der Kirchen, Krypten, Tempel, im Schweigegelübde der Kartäuser, der Eremiten, der tibetanischen Schweigemönche, in der »stillen Zeit« zwischen Weihnachten und Silvester.

Es gibt, wo Bescheidenheit oder selbst Demut einsetzen, ein Klein-Werden, das dem Leise-Werden entspricht und oft der Pietät, dem Glauben, der Selbstversenkung vorbehalten ist. Auch wohnt den stillen Augenblicken des alltäglichen Lebens oft eine eigene Magie inne, so der Stille vor dem Kuss, der Stille des Einvernehmens in einem Blick, der Stille des Gebets, der Stille im Umkreis des Sterbens und schließlich jener Stille, die im Auge des Orkans, im Zentrum der Katastrophe herrscht, wenn sich die Zeit dehnt und alle Abläufe zugleich verlangsamt und geräuschlos erscheinen. Manchmal ist deshalb auch die abgesenkte Stimme, die flüsternde sogar, besser geeignet, einen inneren Vorgang zu spiegeln, als die Sprechstimme, und manchmal ist gerade die Musik geeignet, geräuschlose Zustände zu verdichten.

Die Präsenz von künstlichen Sounds aber muss nicht nur auf Sehbehinderte und Blinde immer wieder als ein Angriff auf die Orientierung wirken und das individuelle Erleben beschädigen oder sogar vereiteln. Sie provoziert andererseits eine bewusstere Wahrnehmung von Stille, die es gegen die akustische Zerstreuung zu bewahren gilt, auch weil Selbstreflexion ohne solche Stille kaum denkbar ist. Diese Erfahrung erweist sich als unerlässlich für den Bau der Persönlichkeit, die Herausbildung von Individualität.

Es liegt in der Wahrnehmung der Stille zugleich oft etwas Nachzeitiges: Jetzt wird sie erlebt, später wird sie bewusst und erst im Rückblick hörbar. Es gibt viele Felder, auf denen sie sich unmerklich einstellt und ausdehnt: Da sind die leisen Prozesse, in denen sich ein Leben ändert, Prozesse der Ermüdung, des Nachlassens und Ausbleichens; da sind die Zeitdehnungen inmitten einer Katastrophe, in der der äußere Lärm ohrenbetäubend erscheinen kann, innen aber streckt sich ein atemloser Zustand, der sich ausdehnt als ein Vakuum, bevor es zum Aufprall,

»Wer Klang wirklich in seinen ganzen Dimensionen aufnehmen will, muss Stille erfahren haben«, sagte Yehudi MenuhinMenuhin, Yehudi, »Stille als wirkliche Substanz, nicht als Abwesenheit eines Geräuschs. Diese echte Stille ist Klarheit, aber nie Farblosigkeit, ist Rhythmus, ist Fundament allen Denkens, darauf wächst alles Schöpferische von Wert. Alles, was lebt und dauert, entsteht aus dem Schweigen. Wer diese Stille in sich trägt, kann den lauten Anforderungen von außen gelassen begegnen.«

So betrachtet, führt die Stille in eine Reglosigkeit der Bewegung, in ein Schweigen alles Sprechenden, in die beredte Pause zwischen den Mitteilungen, in den Transitraum von Zuständen abseits von Aktionen: Man öffnet eine Schublade zur Hälfte, nimmt aber nichts heraus. Man schlägt einen Nagel in die Wand und lässt das Bild trotzdem am Boden stehen. Man will die Hand zum Abschiedwinken heben, da bleibt sie, halbhoch, in der Luft. Die fragmentarischen Werke und Gesten, sie verweisen auf ein Moment der Nachzeitigkeit, der Teilung in zwei Zeiten, in Gegenwart und Vergegenwärtigung, in Existenz und Bild: Man wird aufgestanden sein, aber noch sitzt man und produziert den Impuls der kommenden Handlung. Man verzögert sich und ist in diesem Augenblick bei sich, festgehalten von einem Zustand vor der Tat,

Solche Dramen der Stille vernehmlich zu finden bezeichnet ihren musikalischen Aspekt. Die Rede verstummt, der Arm hebt sich, der Bogen schwebt über den Saiten, der Atem wird unhörbar: Gleich öffnet sich der Klangraum zur Erzählung, und sie wird in jedem Zögern, Aussetzen, Verweilen die Stille neuerlich zitieren, der sie sich zuletzt wieder ausliefert, ehe andere Geräusche, Klänge und Mitteilungen übernehmen.

An die Musik

»Musik höre ich wehrlos, deshalb stört sie mich in öffentlichen Räumen auch oft. Sie absorbiert mich. Ich kann neben ihr kaum einen Gedanken fassen. Für kaum etwas bin ich so dankbar wie für die Entdeckung neuer, unbekannter, sprechender Musik.«

ROGER WILLEMSEN, 2015

Ich höre ihn noch, wie er sich aus dem Unterdorf hocharbeitet, der Spielmannszug zur Kirmeszeit. Zuerst pochte nur das Lang-Lang-Kurz-Kurz-Kurz der Bauchtrommel, dann mischte sich das Schrillen der Piccoloflöten ein, der Schellenbaum, dann die Blechbläser, anschwellend. Vor jedem Haus blieb dieser Zug stehen, dann erschnorrte sich der Tambourmeister ein Tablett voller Schnapsgläser und führte die Hausfrau zum Tanz auf die Straße, während der Fahnenschwenker schwenkte und die längst besoffenen Bläser bliesen und niemand den Rhythmus halten konnte. Meine Mutter wurde in den Armen des Kapellmeisters von einer Straßenseite zur anderen gewalzt, und mein Bruder und ich standen hinter der Hecke und pissten uns in die Hose vor Lachen. Später sagte unser Musiklehrer immer: »Muzzick ist, wenn der Zoch kütt.« Muzzick, mit Betonung auf der ersten Silbe, also ist, wenn die Marching Band kommt.

Diese Musik war unzerstörbar, denn sie war die erste, so fröhlich wie banal und in der Drum-and-Bass-Line kaum anspruchsloser als ein Großteil des Mainstream-Rocks der Sechziger. Später las ich, dass Gustav MahlerMahler, Gustav sich auf den Jahrmärkten gerne zwischen die Musikquellen stellte und sich dem Verfließen der Stimmen auslieferte. Als ich es

Zeitgleich überschwemmte eine andere, neuartig unscheinbare Musik den öffentlichen Raum, die dudelnde, berieselnde, dem Happy Sound verpflichtete Instrumentalmusik, die John LennonLennon, John abfällig »Muzak« taufte. Der Begriff von der »akustischen Umweltverschmutzung« wurde geboren, und es war gut zu wissen, was für ein Scheißdreck »Musik« heißen kann, eine auf synthetische Belanglosigkeit kalkulierte Klangmasse, die nichts hinterlässt als Vergessen.

Darf man das sagen? Wohl nicht. Denn die Musik ist ja eines der Rückzugsgebiete der Moral, das heißt, wer die falsche hört, ist für die einzig Wahren schon im Handumdrehen selbst vom Teufel. Andererseits gibt es nun einmal Allergien, manchmal schon allein gegen einen Sound oder eine fortgesetzte rhythmisch-harmonische Unterforderung, die aus der Musik Tapete macht. In die versenkt man sich schließlich auch nicht.

Die wahren Paradiese der Musik, fand ich, liegen außerhalb von »Muzzick« und »Muzak«, aber dem Soundtrack der Kindheit und der Pubertät ist man noch weitgehend wehrlos ausgeliefert, der Kindheit, weil andere die Musik auflegen, der Pubertät, weil sich die Musik glücklicherweise mit Erfahrungen mischt, die das musikalische Urteil außer Kraft setzen.

Ein anderer Weg in die Musik des Jazz aber führte über Domenico ScarlattiScarlatti, Domenico. Dieser, ein barocker neapolitanischer Glücksspieler im spanisch-portugiesischen Exil, ließ immer wieder die Volksmusik seiner Heimat durch die Trillerketten klingen, und er brachte den Spaniern, als diese nach Italien und seiner Oper schielten, den Flamenco zurück, die missachtete Volksmusik der Zigeuner im eigenen Land. Er komponiert Fingerfertigkeiten von hoher Oberflächen-Brillanz, aber darunter tönte es wie die Musik des Heimwehs. Seine musikalischen Rituale sind die der Spieluhr, des Glockenspiels, mit Arpeggien, die sich in den immer selben Scharnieren drehen und trotzdem, im Melancholischen wie im Heiteren oder Bizarren, frei sein wollen. Dieser Drang in ein Klima der Freiheit, der Selbstbefreiung und Emanzipation vom autoritären Bann besitzt in jeder Musik etwas Hypnotisches und ist, was der Jazz auch ist: Musik im Zustand der Hervorbringung, Musik, in der sich die Produktivität selbst Bahn bricht.

Ein weiteres Einfallstor in mein Leben fand der Jazz durch das Radio. Von dort klangen Swing und Gospel wie aus weiter Ferne herangespülte Stimmungsbilder von Festen, aus Ballsälen und Gottesdiensten, es war Musik aus dem Sehnsuchtsraum, und der Melancholie der Kindheit

Als sie sich mir eröffnete, da hatte ich schon längst begriffen, dass der Jazz »falsche« Musik war, dass er nicht nur erlaubte, sondern forderte, was Thelonious MonkMonk, Thelonious zu einem Drummer in den Sechzigern gesagt hatte: »Du weißt, wie man richtig spielt. Jetzt spiel falsch und mach das richtig.« Und hatte nicht Miles DavisDavis, Miles von seinen Musikern verlangt, sie sollten öffentlich proben, vergessen, was sie beherrschten? Und wie hatte Wynton Marsalis’Marsalis, Wynton Lehrer ausgerufen, als der junge Trompeter aus der großen Familie erstmals in der Jugendband gespielt hatte, und zwar so, dass dieser fand, »etwas Schieferes und Unzusammenhängenderes hatte ich nie gehört«? Dieser Danny BarkerBarker, Danny hatte gerufen: »Meine Herren, das ist Jazz!«

Man kann sagen, Jazz sei die klassische Musik des 20. Jahrhunderts. Man kann sagen, er sei Ausdruck der Emanzipation von Diskriminierung und politischer Unterdrückung. Man kann auch sagen, er enthalte die schönsten Formen existentieller Freiheit, er sei Klima, Atem,

Die Vitalität des Jazz bestimmt alles, was er sagt und will. Seine Formen und Stile sind beschreibbar, sie sind in Kategorien zu bringen, man kann fragen, was Bebop formal ist und wie eigentlich die triolische Spielweise der Achtelnoten funktioniert. Aber noch eigentlicher fließt etwas nicht Rubrizierbares, fließt Magma durch diese Musik hindurch, jener inspirative Strom, der im Herzen des Jazz pumpt, der seinen Puls, seine Improvisationen treibt, wie zur Feier der produktiven Energie, ihrer Selbstgerechtigkeit und Souveränität.

Ausgestattet mit dem Privileg, einige der mir liebsten, vielsagendsten Titel aus der Welt des Jazz versammeln zu dürfen (sofern die Lizenz dafür vergeben würde), bin ich keinem Kriterium gefolgt als dem der persönlichen Vorliebe. Das Lyrische zieht mich besonders an, die Durcharbeitung von einfachen Melodien, die Ergründung des Stimmungshaften, die immer wieder neuartige Zusammensetzung gemischter Gefühle, die den Eindruck hinterlässt: Manchmal kann die Musik, was Robert MusilMusil, Robert der Literatur zuschrieb, den »inneren Menschen erfinden«.

Wie wäre es, wenn man die Musik namens Jazz einmal nicht nach Zeiten, Chronologien, Stilen, Instrumentengruppen, Regionen betrachtete, sondern nach ihrem Ausdrucksverhalten, also nach den Gefühlen, die in ihr frei werden und die die Musik auf ihre eigene Weise organisiert? Dann würde man also nicht fragen, was Bebop ist, und nicht, wie die triolische Spielweise der Achtelnoten funktioniert, man würde die Geheimsprache der Musikwissenschaft nicht sprechen und das Jägerlatein der Eingeweihten auch nicht, sondern man könnte fragen, wie Liebeskummer klingt, wie man Heimweh komponiert oder Abschiedsschmerz.

Solchen Fragen versuche ich nachzugehen. Auf der Suche nach dem Lyrischen, dem Gesanglichen im Jazz, dem, was man thematisch identifizieren kann, muss ich mich zum guten Teil an die Titel der Stücke halten oder an die Hintergründe zur Entstehung einzelner Kompositionen. Auch lässt sich manches erzählen, was mit den Aufnahmen oder den Beteiligten zu tun hat, am wichtigsten aber soll der Ausdruck sein. Mal sehen, ob man ihn beschreiben kann, ohne der Musik zu nahe zu treten.

Wir beginnen und nähern uns schon einem regelrecht paranormalen Phänomen, dem lange

Die Musik versichert uns sogar glaubwürdig, dass die männliche Liebe alles sein kann, schwülstig, fürsorglich und selber hilfsbedürftig, und alle diese Seiten werden Sie gleich kennenlernen.

Aus der Tiefe der Zeit, genau gesagt vom 19. September des Jahres 1955 aus, dringt die schöne Gewissheit herüber zu uns, dass auch Männer jenes Beben kennen, das in neuerer Zeit Frauen ganz für sich in Anspruch nehmen wollen, das Beben im Augenblick vor dem Ausbruch der Liebe. Es ist ein kostbarer Moment, und es lohnt sich, ihn ganz separat zu betrachten, jener Moment, in dem man glaubt, es gäbe noch ein Zurück in die Indifferenz, der Moment der größten Angst davor, die Liebe könne keine Liebe sein, oder sie könne nicht beantwortet werden oder in sich selbst zusammenfallen.

An diesem 19. September 1955 trat ein ziemlich unbekannter Sänger namens Don SenaySenay, Don ans Mikrophon und beschwor exakt diesen Augenblick. Die Ironie der Geschichte will, dass wir die Aufnahme heute vielleicht nur aus einem Grund noch haben, weil man glaubte, am Bass stehe niemand Geringeres als der später berühmte Charles MingusMingus, Charles, aber erstens hört man den Bass kaum, zweitens ist er nicht wichtig, und drittens ist keineswegs

Don SenaySenay, Don ist da viel romantischer. In einem durch den Orchesterklang und das schmelzende Timbre seiner Stimme fast überbordenden Schmachtfetzen begibt er sich auf die Gratwanderung, die den Kitsch vom Rührenden trennt. Doch da ist kein Grat, beides gehört zusammen, der Schwulst des Gefühls und die Sehnsucht, die echt darin ist: »On the Edge of Love«.

Charles MingusMingus, Charles: The Edge of Love (The Complete Debut Recordings Nr. 9), 2.48

36 Jahre nach dieser Aufnahme geht wieder ein junger Mann ins Studio, um seine Liebe in ein Mikrophon zu singen. Auch er hat ein Orchester hinter sich, auch er hat Schmelz, nur »On the Edge of Love« ist er nicht mehr, sondern mittendrin, Feuer und Flamme, verloren ganz und gar. Und wie anders klingt jetzt alles!

Harry ConnickConnick, Harry Jr. heißt er, die Platte, die er da gerade aufnimmt und die er »Blue Light« nennt, wird ihn berühmt machen. Man wird immer wieder schreiben, er habe die Stimme des jungen Frank SinatraSinatra, Francis Albert »Frank«. Er wird in den Jahren, die kommen, viele Platten machen, zu viele wahrscheinlich, er wird in einem weniger als mäßigen Film an der Seite von Sandra BullockBullock, Sandra spielen und an einem

Was Harry ConnickConnick, Harry hier macht, ist in jeder Hinsicht erstaunlich. Er nutzt sein Orchester beherrscht, mit seltener Disziplin, greift Instrumentengruppen heraus, variiert die Kombinationen, meidet Streicher-Tutti und kombiniert die warme, geradezu altmodisch klingende Stimme auf das Delikateste mit Klarinetten, Saxophonen, Bläsergruppen, denen er einen räumlichen Hall gibt, der geeignet ist, die Stimme im Raum zu isolieren. So legt er eine Einsamkeit über jede Stimme in diesem Raum, und vor allem moduliert die eigene Stimme in einer Geschmeidigkeit, die dennoch ohne Glätte ist und bei aller Eleganz den Eindruck unbehauener Emotionalität nie verliert. Es ist schon erstaunlich, wie diese Stimme vor den Worten zögert, wie sie, groß wie sie ist, förmlich klein wird vor der Erregung zu sagen, wie tief, wie groß, wie warm das Gefühl ist.

Dieser erstaunliche Titel heißt einfach »Jill«, und eines Tages sah ich ein Foto von Harry ConnickConnick, Harry mit einer Frau. Die Bildlegende verriet, dass dies seine Ehefrau Jill sei, ein ehemaliges Victoria-Secret-Model et cetera. Aber das ist

Harry ConnickConnick, Harry: Jill (Blue Light, Red Light (Someone’s There), 6.13

Harry ConnickConnick, Harry ist ein Beau, seine Frau ein Model. Die nächste, eine große Stimme, gehört Andy BeyBey, Andy. Physiognomisch: kleiner, schwarzer Amerikaner mit Glatze und kreisrundem Gesicht; biographisch: 1939 geborenes Wunderkind, das mit Sarah VaughanVaughan, Sarah und Dinah WashingtonWashington, Dinah (eigentl. Ruth Lee Jones) schon vor seinem achtzehnten Lebensjahr auf der Bühne stand und mit seinen beiden Schwestern in den späten Fünfzigern und frühen Sechzigern tourte; jazzgeschichtlich: Assistenzmusiker bei Horace SilverSilver, Horace, McCoy TynerTyner, Alfred McCoy, Sonny RollinsRollins, Sonny, Charles MingusMingus, Charles; rezeptionsgeschichtlich: ein lange Übersehener, spät Wahrgenommener, nach Jahren als Gesangslehrer in Österreich ein »Geheimtipp«; auch: die Stimme, die Menschen geliebt haben wie Aretha FranklinFranklin, Aretha, Marlon BrandoBrando, Marlon, Bud PowellPowell, Earl »Bud«, Marlene DietrichDietrich, Marlene; aber eigentlich: Plötzlich ist diese Stimme im Raum, eine Stimme, die selbst ein Raum ist, und man hört zum ersten Mal, dass eine Kehle einen solchen Raum bauen kann. Wie kann es sein, dass der bloße Wohlklang einer Stimme eine solche Befriedung auslösen kann? Was ist es, dass man noch vor jeder Melodie sich ganz in diesem Ton zusammenzieht, der da entsteht, einem Ton, der so tief gründet, der eine solche Wärme spendet, eine solche in sich stehende Ruhe beschreibt? Wundern Sie sich nicht: Alle schwärmen für diese Stimme in Metaphern. Für die einen ist sie wie das Eintreten in einen stillen Waldsee.

»Ballads Blues and BeyBey, Andy ist des unvergleichlichen Sängers erstes Album nach 22 Jahren. Und was für ein reiches, gleichwohl bescheidenes Album, auf dem sich Andy BeyBey, Andy nur auf dem Klavier begleitet, in jenem »quiet style«, wie er ihn nannte, ein in sich versunkener Musiker, der da vor sich hin flüstert und swingt, der vier Oktaven singen, vom Falsett in die unteren Baritonlagen wechseln kann und doch klingt wie einer, den man nach Mitternacht in einem Club an der Ecke selbstvergessen vor sich hin spielen hört, wo er den Gershwin-KlassikerGershwin, George »Someone to Watch Over Me« mit der Sinnlichkeit einer intimen Offenbarung vorträgt.

Niemand, der diese Stimme gehört hat, wird den Genuss ihres Timbres je vergessen. Denn dieses Organ ist stark genug, eine einzige Note zu ergründen, ihr eine Zärtlichkeit mitzugeben, als würde sie von der Kehle nur beschmust entlassen, und noch Standards erhalten so eine Bedeutung, die sie nie hatten, befreien Gefühle, die sie nicht kannten, und sprechen, wo sie früher stumm waren. So gibt er uns den Gershwin-KlassikerGershwin, George fast dekonstruiert, tief versunken und zugleich tief aufrichtig, fraglos: Hier singt und spielt einer wahrhaftig auf der Suche nach »Someone to Watch Over Me«.

Andy BeyBey, Andy: Someone to Watch Over Me (Ballads, Blues and Bey)Bey, Andy, 6.19

Im Versuch, die Musik des Jazz einmal nicht nach Instrumenten, Stilen, Strömungen zu betrachten, sondern nach dem Zusammenhang der Gefühle zu fragen, nach der Art, wie gewisse Themen mit einem gewissen Ausdruck bearbeitet werden, wenden wir uns den liebenden Frauen zu.

Die männliche Kultur bevorzugt die Frau als Schmachtende, als Sehnende, als eine, die immer mehr Seele will, als sie bekommen kann. Doch diese männliche Kultur unterschätzt bisweilen die Nüchternheit, auch den Pragmatismus der Frauen, die das Inständige kennen, den Zweifel im Angesicht der Untreue, die Blindheit der Liebe so gut wie ihre Lügen. Von all dem singen die Frauen hier, sie singen davon mit heißer, mit warmer, mit müder Leidenschaft, und natürlich muss man beginnen mit jener Einen, Wahren und Schönen, die musikalisch jede Stimmung erlebt und erlitten und biographisch jeden Schmerz erfahren hat, der ihre Stimme sättigte und zuletzt zerstörte: Billie HolidayHoliday, Billie, Lady Day genannt, bleibt als Sängerin ein zeitloser Fixstern, auch wenn sie selbst ernsthaft bezweifelte, überhaupt singen zu können. Ihre Stimme hat alle Farben, ihre Modulation ist unergründlich, sie kann im Stehen swingen, und sie kann einen Ton aufschwärmen lassen wie einen Sperlingsschwarm. Ist sie heiter, dann

Billie HolidayHoliday, Billie ist oft liebeskrank gewesen, und sie hat einmal gesagt, eigentlich sei Orson WellesWelles, Orson der warmherzigste ihrer Liebhaber und Freunde gewesen. Als sie an jenem Augusttag des Jahres 1945 die Studio-Session mit »What Is This Thing Called Love«, Cole PortersPorter, Cole Klassiker aus dem Jahr 1929, beschloss, war die Stimmung leicht und gelöst, und auch wenn hier eigentlich eine Frau mit gebrochenem Herzen die Frage nach dem Wesen der Liebe stellt, so wird diese Frage von Billie HolidayHoliday, Billie nicht resigniert gestellt, nicht fatalistisch, sondern noch mit jenem spielerischen Übermut, der alles von der nächsten Antwort erwartet und von der nächsten und der nächsten.

Und doch, wie fast immer bei Billie HolidayHoliday, Billie, scheint da eine Tragik durch die Leichtigkeit, die sie in gewisser Weise mit Marilyn Monroe teilt und die einen immer ahnen lässt, wie die Tragik erst sein muss, wenn die Leichtigkeit geht.

Es war ein bemerkenswerter Tag, an dem Billie HolidayHoliday, Billie den folgenden Titel einspielte. Es war der 14. August 1945. Eine Stunde und fünfzehn Minuten nach Ende der Produktion trat Präsident Truman vor die Presse und verkündete die bedingungslose Kapitulation der Japaner. Der Weltkrieg war zu Ende, und Billie HolidayHoliday, Billie hatte eben die Platte aufgezeichnet, die Sarah VaughanVaughan, Sarah später als die ihr liebste der Kollegin bezeichnen sollte. Nehmen wir ihre Version der Grundfrage aller Liebenden auf.

Natürlich: Auch der nächste Song, ein Gershwin-KlassikerGershwin, George, ist von Billie HolidayHoliday, Billie bleibend und unvergesslich interpretiert worden, aber wir geben ihn heute in die Obhut einer anderen Frau und gehen mit unserer Aufnahme sogar noch einmal fast zwei Jahrzehnte zurück. Wenn man bedenkt, dass es Jazz-Plattenaufnahmen erst ab etwa 1919 gibt, dann hat eine Aufnahme aus dem Jahr 1928 fast etwas Steinzeitliches, und so darf sie auch klingen. Vor knapp achtzig Jahren haben die Gefühle in der Unterhaltungsmusik einfach weniger cool geklungen als ein paar Jahrzehnte später. Zunächst aber klären wir die Frage: Wer war die Frau, die da 1928 ans Mikrophon trat, um sich »The Man I Love« aus der Seele zu schreien?

Mit der Liebe ging es gleich los. Als Sophie TuckerTucker, Sophie am 13. Januar 1887 – das Datum ist unsicher – an der russisch-polnischen Grenze geboren wurde, befand sich ihre Mutter gerade auf der Reise nach Amerika, wohin ihr Vater geflohen war, um dem russischen Militärdienst zu entkommen. Die Eltern eröffneten ein Restaurant in Connecticut, wo Tochter Sophie die Gäste mit ihrem Gesang unterhielt. Der Erfolg und die Leidenschaft für den Unterhaltungsgesang brachten die junge Frau – keine Jazz-Interpretin im engeren Sinn, aber eine musikalische Sängerin – nach New York, wo sie nach einigen Jahren in Varietétheatern ihre eigene kleine Band gründete, mit der sie schließlich selbst in Europa tourte.

Der Stil der Sophie TuckerTucker, Sophie lag in einer Melange aus

Nie aber klang er so wenig raffiniert, so roh, so inständig wie bei dieser letzten der »red-hot mamas«, wie man sie auch nannte, und wenn sich dabei – im Rückblick – etwas Komisches in den Vortrag mischt, dann liegt das wahrscheinlich nur daran, dass wir Hörer von heute falsche Freunde sind und den Liebesschwüren von Sophie TuckerTucker, Sophie so ironisch begegnen wie manchen von Werthers Briefen. Eigentlich aber ist der Ausdruck dieses Liebesbekenntnisses gerade in seiner Schlichtheit und Direktheit hinreißend und deshalb eines der archaischen Beispiele aus der Frühzeit der industriellen Produktion von Liebe auf Tonträgern. Hören Sie mitten im historischen Rauschen eine liebende Sophie TuckerTucker, Sophie mit »The Man I Love«.

Sophie TuckerTucker, Sophie: The Man I Love (Living Era), 2.58

Nein, so klar, so expressiv, so hinreißend direkt sind Gefühle nicht immer, denn eigentlich sind Gefühle in Wirklichkeit immer: gemischte Gefühle. Deshalb lassen sie sich ja musikalisch so gut ausdrücken. Es sei denn, man verarbeitet sie zur Schnulze oder zu einem der anspruchsloseren Popsongs, die auch nur von einem Gefühl handeln,

Wie gut, dass es Musik gibt, die das Gefühl gerade in diesem Zustand auffängt. Die ein Jahr nach Sophie TuckersTucker, Sophie Aufnahme geborene Sängerin Chris ConnorConnor, Chris (eigentl. Mary Loutsenhizer) hat ihre hörbar »weiße« Stimme auf ebenso virtuose wie elegante Weise in den Dienst zweideutiger Gefühle gestellt.

In Kansas 1929 geboren, stieß sie 1952 zu Stan KentonKenton, Stanley Newcomb »Stan«, ehe sie zur selbständigen Bandleaderin wurde, die zeitweilig große Erfolge feierte. In den Sechzigern und Siebzigern war sie fast vergessen, ehe sie in den Achtzigern zurückkehrte und ihren Rang als intelligente Interpretin von schwierigem Material bestätigte. Eine Ausnahmefigur ist die Sängerin geblieben, deren unverwechselbare Stimme eine kühle Innigkeit verbreitet, eine warme Distanz oder was der Widersprüche mehr sind.

»Be my all, be my nothing« ist ein gutes Beispiel für ihre wahrhaft meisterliche Art, das Widerstreitende zu binden und in einem Ausdruck zusammenzufassen. Beherrscht wirkt die Sängerin und doch verloren, und es gelingt ihr, in dieser sehr suggestiven Melodie ihren Ton genau in der Schwebe zu halten zwischen dem Innigen und dem Bitteren. Das Orchester bleibt diszipliniert im Hintergrund, sie schreitet vorweg, in einer Form von Selbstgewissheit, die ihrer Stimme alle Freiheit lässt zwischen dem Coolen des Tons und der Wärme, der Haltung.

Zugleich enthält dieser kleine Titel den Beweis, dass Leidenschaft grenzenlos wirken kann, gerade wo sie eine

Das Thema wird im Dialog mit der Gitarre eingeführt, doch auch wenn eine kleine, klassisch anmutende und vom Englischhorn getragene Instrumentengruppe hinzukommt: Dominierend bleibt die einsame, sich selbst überlassene, geradezu nächtliche Stimme ohne Gegenüber. Und so, als müsste sich das Thema in der Instrumentierung wiederfinden, singt hier zweistimmige Innerlichkeit: Mal paart sich die Stimme mit dem Englischhorn, mal mit dem Klavier. Nein, leicht, kokett, überdreht ist die Liebe hier nicht. Vielmehr denkt man unwillkürlich an den Titel eines Theaterstücks von Alfred de MussetMusset, Alfred de: »Man spielt nicht mit der Liebe«.

Und was für Widersprüche in diesem Gefühl. All or nothing? Von wegen. Alles liegt dazwischen: Friend, Lover, Darling, »be my hands, be my eyes« … Die Alternative tut nur hart und entscheidungsstark, in Wirklichkeit ist alles unklar, und so versunken ist diese Stimme in ihr Nachdenken, dass sie mal vor, mal hinter dem Bass herzulaufen scheint. Hören Sie nur: Was für ein kluger Gebrauch der Tempo-Verschleppung, die besonders drastisch erscheint, wo die Herzschlag-Pausen liegen. Ein Ernst wird da frei in dem Schweigen, in dem das Gefühl Luft holt und sich gleich wieder auf jener Stimmung niederlässt, die das innige Stück geradezu unwandelbar vorträgt.

Chris ConnorConnor, Chris (eigentl. Mary Loutsenhizer): Be My All (Chris Craft), 4.24

Als im Jahr 1993 Cassandra WilsonsWilson, Cassandra Album »Blue Light ’till Dawn« erschien und abrupt zu einem der großen Erfolge des jüngeren Jazz avancierte, da wurde die 1955 in Mississippi geborene Sängerin wie eine Erneuerin behandelt und gleich mehrmals hintereinander zur »Stimme des Jahres« gekürt.

Diese Stimme mit dem warmen Timbre, ihr freier Umgang mit den Grenzen zwischen Pop Tunes und Jazz – eigentlich nichts, das man nicht auch bei Billie HolidayHoliday, Billie oder Miles DavisDavis, Miles hätte finden können –, ihre unkonventionellen Arrangements und vor allem die meditative Ausstrahlung ihres ebenso verhaltenen wie sinnlichen Organs, wirkten äußerst suggestiv. Ihr selbst war der kommerzielle Erfolg weniger wichtig als der künstlerische, eine Nische hatte sich für sie geöffnet, und da sie diese erste Platte eigentlich nie abgeschlossen hatte, setzte sie das Programm fort.

Jede Stimmung sieht die Liebe anders, jede Stimmung sieht sie richtig. Kann man sie nicht mit demselben Recht das einzig Wirkliche nennen wie die große Illusion? Wenn die Liebe über den großen Bogen des Horizonts zieht, dann ist sie hier in ihrem Sonnenuntergang. Das Licht, das sie spendet, ist nur noch fahl, von ihrem Ende weiß sie schon.

Diese Phase der Liebe kennt keinen Zorn mehr, keine offene Wut, sie ist auf ruhigere Weise expressiv, und genau dort ist Cassandra WilsonWilson, Cassandra. Etwas Fatalistisches ist in ihrer Stimme, sie kapituliert vor der Blindheit der Liebe, und sie findet die musikalische Form dafür, eine Monotonie, ein Abgleiten aus der Wärme in die Qual. Denn Liebe ist hier fast kalt und mechanisch, sie ist ein Unglück, und deshalb spricht man sie nur wahrhaftig aus im Lamento,

Cassandra WilsonWilson, Cassandra: Love is Blindness (New Moon Daughter), 4.53

Eigentlich ist es nicht die schlechteste Begrüßung zu sagen: Friede sei mit Ihnen, und das hoffentlich über die nächsten Momente hinaus, in denen ich versuchen will, Ihnen nahezubringen, wie im Jazz der Frieden komponiert wurde. Lange hat es in dieser Musik meisterliche Instrumentalisten und Komponisten gegeben, die brillante, funkelnde Linien spielten, eine atemberaubende Instrumentenbeherrschung besaßen und deren Technik die Hörer schlicht überwältigte. Charlie ParkerParker, Charlie konnte so spielen oder auf dem Klavier Bud PowellPowell, Earl »Bud«. Gewiss spielten auch sie ergreifende Balladen, aber erst Miles DavisDavis, Miles hat einen Stil kultiviert, der gerade aus der Reduktion, der Pause, dem Timing musikalische Substanz gewann, und in seinem Gefolge tauchten allmählich Musiker auf, die spielten, als laute die Schlüsselfrage: Wer spielt die wenigsten Noten? Doch wortkarg kann man selbst mit vielen Noten spielen und geschwätzig auch mit ganz wenigen.

Mit Miles DavisDavis, Miles verbindet Bill EvansEvans, William John »Bill« nicht zuletzt der Sinn für die Melodie und jenes Timing, das gerade in ruhigen Stücken seine ganze Magie entfaltet. Darüber hinaus aber ist Bill EvansEvans, William John »Bill« der Lyriker schlechthin, und wenn er ein Stück »Peace Piece« nennt, dann kann man sicher sein: Bill EvansEvans, William John »Bill« spielt den Frieden.

Man muss allein einmal hören, was Bill EvansEvans, William John »Bill« hier mit seinem Klang, mit seinem Anschlag macht: Mal klingt er groß, schwer und voluminös, mal spitz und schneidend, mal ist er gläsern flirrend. Eine andere große Produktion von Bill EvansEvans, William John »Bill« trägt den Titel »Conversations with myself«. Auch dies ist ein Selbstgespräch, in dem er sich befragt und antwortet, in dem er abirrt und zu sich zurückkehrt, in dem er weiß und zweifelt und ahnt und tastet und am Ende doch alles im Prozess liegt, nicht in der Ankunft.

EvansEvans, William John »Bill«