Hiltrud Baier
Helle Tage, helle Nächte
Roman
FISCHER E-Books
Hiltrud Baier hat eine so authentische deutsch-schwedische Familiengeschichte geschrieben, wie es nur eine Frau kann, die selbst in Süddeutschland geboren und dann nach Lappland ausgewandert ist. An Nordschweden liebt Hiltrud Baier vor allem die spektakuläre Natur und, dass man stundenlang unterwegs sein kann, ohne eine Menschenseele zu treffen. Die Minustemperaturen im Winter und die lange Dunkelheit mag sie nicht so sehr. Aber sie hat ein gutes Alternativprogramm entwickelt: prasselndes Holzfeuer, samische Musik und viel heißen Tee. Die Autorin lebt mit ihrem Mann im schwedischen Lappland, in Jokkmokk, und hat zwei Töchter.
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Zwei ungleiche Frauen, eine alles für immer verändernde Entscheidungen und die große Weite der Natur.
Frühling. Die Kirschbäume blühen. Es könnte so idyllisch sein. Doch Anna Albinger, die in einer Kleinstadt am Fuß der Schwäbischen Alb lebt, wird schwer krank. Plötzlich wird sie von dem Gefühl eingeholt, dass es für manche Dinge irgendwann zu spät sein könnte. Denn es gibt diese große Lüge in ihrem Leben. Schweren Herzens schreibt sie einen langen Brief, den ihre Nichte Frederike für sie nach Lappland bringen soll.
Frederike, frisch geschieden und auf der Suche nach einem neuen Anfang, ist wenig begeistert. Nur widerwillig lässt sie die kranke Tante zurück und bricht in den menschenleeren Norden auf, sucht den Mann, an den Annas Brief adressiert ist. Doch Petter scheint verschwunden. Allein auf sich gestellt in der Bergwelt Lapplands merkt sie, dass man manchmal auch am falschen Ort sein kann und trotzdem das Richtige findet.
Erschienen bei FISCHER E-Books
© 2018 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main
Covergestaltung: THOBEN Designbüro LÜBBEKE NAUMANN
Coverabbildung: Nurofina/Fotolia
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Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-490415-3
Auch die Stille erzählt.
SAMISCHES SPRICHWORT
Dieser Tag passt zu meinem Vorhaben, dachte Anna, als sie die Balkontür öffnete. Es dämmerte. Sie trat auf die überdachte Terrasse und spürte den kühlen Wind, dann hörte sie leises Plätschern. Frühlingsregen, der auf die Blätter der verblühten Kirsch- und Apfelbäume tropfte. In der Ferne blökten Schafe am Albtrauf. Anna fror und versuchte, mit einer Hand den Ausschnitt ihrer Strickjacke zusammenzuhalten. Aber unerbittlich drang die Kühle durch die winzigen Maschen.
Langsam wurde es heller, und die Silhouette des Hohenneuffen wurde sichtbar. Majestätisch. Das war immer ihr erster Gedanke, wenn sie diese mächtige, jahrhundertealte Burg am Rand der Schwäbischen Alb vor sich sah. Majestätisch und vertraut. Sie lächelte und schloss die Augen.
Mehrere Male im Jahr waren die Eltern mit ihnen dort hinauf zur Burg gewandert. Wie lang ihr der Aufstieg damals vorgekommen war. Am Anfang ging es noch gemächlich durch die Obstwiesen, aber dann wurde es anstrengend. Der Weg durch den Wald wurde steil und schien ihr unendlich. Die dicken Eichen und die skurrilen, manchmal wie Figuren mit unzähligen Armen geformten Buchen waren hochgewachsen. Nicht einmal im Hochsommer hatten die Sonnenstrahlen den Waldboden gestreift, dunkel und schattig war es. Diese Wanderungen waren immer unheimlich und aufregend zugleich gewesen.
Zuerst waren Marie und sie immer dicht bei den Eltern geblieben, aber als die Burg sichtbar wurde, waren sie vorausgerannt. Erst oben, kurz vor der Burg, hatten die Eltern ihnen erlaubt, sich aus dem Blickfeld zu entfernen.
»Geht nicht so weit!«, hatte Papa ihnen noch nachgerufen. »Da vorne geht es steil nach unten!«
Aber sie waren bereits Richtung Eingangstor unterwegs gewesen, die Rufe des Vaters hatten sie nicht mehr gekümmert. Ihre weißen Sonntagskniestrümpfe waren von den Waden gerutscht, und sie hatten beim Rennen die Strickjacken aufgeknöpft.
»Komm, schnell!« Marie hatte ihr zugewinkt und war weitergerannt, mindestens einen Meter vor ihr.
Marie war immer schneller, obwohl Anna ein Jahr älter war als ihre Schwester. Und so war Marie immer als Erste an der hohen Steinmauer gewesen, die den Aufgang zur Burg umsäumte. Diese hohe Mauer, über die sie erst einige Jahre später und dann zunächst auf Zehenspitzen hatten schauen können, blickte hinunter nach Neuffen, in das kleine mittelalterliche Städtchen, in das sie bald zur Schule gehen würden.
»Anna, versteck dich!«, hatte Marie gerufen, obwohl das überflüssig war. Sie spielten immer Verstecken, wenn sie auf die Burg gingen, und immer war sie es gewesen, die sich hatte verstecken müssen, und Marie diejenige, die gesucht hatte.
Ihre Schwester war stehen geblieben und hatte sich umgedreht, damit sie nicht sah, wohin Anna lief. Aber Anna hatte sich meist an derselben Stelle versteckt, in einem der großen gemauerten Steinfenster, durch die man nach unten, Richtung Neuffen, schauen konnte. Dort hatte sie sich in eine Ecke gedrückt, die Augen geschlossen und die Hände vors Gesicht gehalten.
Und gleich darauf hatte sie es auch schon gehört: »Hab dich!« Marie hatte vor ihr gestanden und laut gelacht, und auch sie war in Lachen ausgebrochen, unendlich erleichtert, dass Marie sie gefunden hatte.
Anna rieb sich die Oberarme, als ob sie dadurch den Wind abhalten könnte, der unerbittlich durch die Lochmaschen ihrer Strickjacke blies. Ihre weißen Locken fielen ihr in die Augen. Sorgfältig schloss sie die Balkontür hinter sich und ging langsam in die Küche. Der Kaffee war schon durchgelaufen, doch der Geruch, den sie früher immer genossen hatte, stieg ihr heute unangenehm in die Nase. Sie hatte völlig vergessen, dass ihr Magen Kaffee nicht mehr vertrug. Aus reiner Gewohnheit hatte sie vorhin die Kaffeemaschine angestellt. Anna schüttelte den Kopf über sich selbst und wendete sich dem Wasserkocher zu. Pfefferminztee würde ihr sicher guttun. Vielleicht beruhigte sich dann ihr Magen.
Die Küchenuhr tickte, 7.15 Uhr. Draußen war es hell geworden, doch durch die dichten Regenwolken, die der Wind gen Albtrauf wehte, war dieser Morgen milchig grau. Im Radio hatten sie vorausgesagt, dass es heute den ganzen Tag trüb bleiben sollte. Ein guter Tag. Heute würde sie die Briefe schreiben und danach Frederike anrufen.
Obwohl die Sonne an diesem frühen Maivormittag von einem strahlend blauen Himmel schien, war es frisch auf dem Oberdeck der Nils Holgersson. Frederike überlegte, ob sie noch einmal runter in den Laderaum gehen und sich die Daunenjacke aus ihrem VW-Bus holen sollte. Immerhin würde die Überfahrt von Rostock nach Trelleborg mehr als sechs Stunden dauern. Sie ließ es jedoch bleiben.
Mit verschränkten Armen stellte sie sich in den Windschatten einer der weißen Schiffswände und sog die Luft tief ein. Sie meinte das Salz der Ostsee riechen zu können, das sich mit dem Dieselgestank des Schiffsmotors und den Ausdünstungen des riesigen Kohlekraftwerks Rostocks vermischte. Frederike schloss die Augen. Der Wind wirbelte ihre blondgelockten schulterlangen Haare, die bereits von einzelnen grauen Strähnen durchzogen waren, wild durcheinander. Sie suchte das Stirnband in ihrer Jackentasche, aber auch das hatte sie wohl unten im Bus vergessen. Die Kapuze war ihr keine große Hilfe, da sie der Wind binnen Sekunden von ihrem Kopf riss. Vergeblich versuchte sie, die wirbelnden Locken mit dem Unterarm aus dem Gesicht zu streichen.
Ein junger Mann mit deutlichem Bauchansatz unter der Jeansjacke mühte sich zwei Meter entfernt von ihr an der Reling mit einer Zigarette ab. Er drehte sich in den Windschatten, senkte den Kopf und versuchte sein Glück immer wieder. Frederike hörte das hektische Klicken des Feuerzeugs. Schließlich gab er auf und lief mit großen Schritten Richtung Eingangstür des Oberdecks. Lautstark knallte die Metalltür hinter ihm zu.
Eine grauhaarige Frau spazierte mit einem Welpen auf dem Schiffsdeck hin und her. Neugierig schob sich die Nase des kleinen Hundes, dessen weißes, flauschiges Fell in der Sonne glänzte, über den Boden. Jetzt hob er ein Bein. Frederike sah, wie die Frau peinlich berührt auf ihn einredete und ihn schnell weiterzerrte.
Frederike schaute sich um und zog einen der blauen Plastikstühle, die kreuz und quer auf dem Deck standen, an eine windgeschützte Stelle. Als sie sich setzte, verschwanden gerade die letzten Gebäude des Rostocker Hafens aus ihrem Blickfeld. Endlich sah sie offenes Meer.
Gestern hatte sie mehr als zehn Stunden gebraucht, um von Süddeutschland nach Rostock zu fahren. Sie hatte die Autobahn über Berlin gewählt, weil sie davon ausgegangen war, dass der Verkehr auf der Ostautobahn nicht so dicht sein würde wie der über Hamburg. Aber sie hatte sich geirrt. Nach zwei Stunden Stau kurz vor Berlin war sie genervt auf die Landstraße abgebogen. Den Campingplatz vor Rostock hatte sie erst gegen 20.00 Uhr abends erreicht. Von Autoschlangen, stickiger Abgasluft und gestressten Autofahrern hatte sie erst mal genug, daher genoss sie nun die Einsamkeit auf dem Oberdeck. Die meisten Passagiere hielten sich in den geheizten Räumen im Bauch des großen Schiffes auf, doch sie war froh über die frische Brise, die ihr um die Nase wehte.
Frederike atmete tief aus. Warum nur hatte sie sich auf Annas verrückten Wunsch eingelassen?
Vielleicht, weil ihre Tante so ruhig und entschlossen gewirkt hatte, als sie ihr vor ein paar Tagen den Brief in die Hand gedrückt und sie inständig darum gebeten hatte, ihn persönlich zu übergeben. Frederike schüttelte den Kopf. Wenn sie sich die Szene vergegenwärtigte, kam sie ihr so unwirklich vor.
»Wie? Warum sollte ich nach Lappland fahren?«, hatte sie Anna gefragt und den Brief verständnislos in der Hand gehalten. »Schick ihn doch mit der Post!«
Tante Anna jedoch hatte sie ernst angeschaut und gesagt: »Bitte. Es ist wichtig. Es müssen ein paar Dinge geregelt werden.«
»Welche Dinge denn?«
»Es geht um etwas Notarielles. Ich möchte, dass alles geklärt ist, bevor ich …«
Frederike hatte das nicht hören wollen und daher nach einem kurzen Zögern schnell genickt.
Später hatte Anna noch erwähnt, es solle um eine Überschreibung gehen. Es gäbe eine Hütte in Lappland, die der Familie ihrer Mutter gehören würde.
Wegen einer Hütte sollte sie nach Lappland! Allerdings hatte Anna sie noch nie um etwas gebeten, zumindest konnte sie sich nicht daran erinnern. Sicher, früher, als Kind, als sie bei Anna wohnte. Aber dabei war es nur um alltägliche Dinge gegangen, wie: »Trag den Müll nach unten. Räum dein Zimmer auf. Mach das Radio leiser.« Und später dann: »Um Mitternacht bist du zu Hause.« Da war es keine Bitte mehr, sondern eher ein Befehl gewesen. Aber eine richtige Bitte – nein, noch nie. Und jetzt, da Anna krank war und sich Metastasen in ihrem Körper ausgebreitet hatten … Frederike schluckte. Deshalb hatte sie ja gesagt. Ihr Stuhl kippelte, sie rückte ihn zurecht und versuchte, eine bequemere Position zu finden.
Sicher, diese Reise passte nicht in ihren Zeitplan. Aber wann passte eine solche Bitte überhaupt in einen Plan? Wer fuhr heutzutage schon 3000 Kilometer, um persönlich einen Brief zu überbringen? Bescheuert! Natürlich hatte Anna ihr auch angeboten, einen Flug zu zahlen, aber das hatte sie abgelehnt. Sie liebte langsamere Arten zu reisen, und sie liebte ihren roten VW-Bus.
Frederike seufzte. Gerade erst hatte sie angefangen, sich von all den Anstrengungen der letzten Monate zu erholen. Die endlosen, nervenaufreibenden Diskussionen mit Thomas um ihre Beziehung, schließlich die Trennung von ihm und das Auseinanderdividieren der Werbeagentur. Sie war am Ende gewesen, als sie letzten Herbst endlich das gemeinsame Haus aufgelöst, ihre Möbel eingelagert und sich von einem Teil der Summe, die ihr Thomas als Anteil ausbezahlte, einen Bus gekauft hatte und in den Süden gefahren war. Frankreich, Spanien, Portugal, Italien, von November bis April war sie weg gewesen. Sie hatte diesen Abstand zu Thomas und Deutschland gebraucht, hatte nichts mehr sehen, nichts mehr hören wollen. Nicht von Agnes, ihrer Freundin, die ihr ständig den Kopf wusch und sie missbilligend anschaute, weil sie, wie Agnes meinte, zu schnell aufgab und Thomas, einen so gutaussehenden, netten und intelligenten Mann einer anderen überließ. Dass dieser gutaussehende, nette und intelligente Mann, mit dem sie über zwanzig Jahre verheiratet gewesen war, sie jedoch seit zwei Jahren mit einer anderen betrog, das interessierte Agnes nicht. Und sie wollte auch nichts mehr von ihrem alten Freund Hans hören, der ihr vehement davon abriet, aus der Werbeagentur auszusteigen und Thomas das Feld alleine zu überlassen. Irgendwann hatte sie einfach genug gehabt von all den gutgemeinten Ratschlägen und war weggefahren. Und das war das Beste gewesen, was sie hatte tun können.
Frederike stand von ihrem Stuhl auf und rückte ihn ein paar Meter weiter nach rechts in die Sonne. Das tat gut. Sie legte die Füße auf einen zweiten Stuhl und machte es sich so bequem wie möglich. Die Sonnenstrahlen schienen ihr direkt ins Gesicht. Sie schloss die Augen.
Sicher, es war eine Flucht gewesen, aber warum nicht? Seit Jahren hatte sie nie länger als zwei Wochen am Stück Urlaub gemacht. Hier ein Projekt, da ein Projekt, das lukrativ war und das sie sich, wie Thomas immer meinte, nicht entgehen lassen konnten. Die Aufträge hatten den Takt vorgegeben. Dazwischen waren sie mal für eine Woche nach Ägypten geflogen, um die Pyramiden zu sehen, oder ein paar Tage nach New York, weil man den Trip mit einem Besuch bei einem Geschäftspartner verbinden konnte. Manchmal gab es auch Urlaube in China und Thailand, aber immer nur so kurz, dass es eher Stress, aber nie Erholung war. Die Länder, die sie gerne sehen wollte, zum Beispiel den Süden Europas, hatten sie nie besucht. Aix-en-Provence mit dem wunderschönen Flohmarkt und den Arkaden, unter denen sie im November stundenlang flaniert war. Barcelona, wo sie im Dezember noch gebadet und ihre spärlichen Spanischkenntnisse sechs Wochen lang aufgefrischt hatte. Lissabon im Januar, die wunderschöne Segelboottour bei Sonnenuntergang auf dem Tejo-Fluss.
Sie schüttelte den Kopf. Wahrscheinlich war sie selbst daran schuld gewesen, dass sie nie an den Orten gewesen waren, die sie gerne besucht hätte. Sie hatte ihre Wünsche gegenüber Thomas nicht vehement genug formuliert.
Die letzten Monate hatten sich daher wie die Erfüllung eines langgehegten Traums angefühlt.
Und schließlich die langsame Rückfahrt. Italien im April. Die Blütenpracht, die Wärme, die sie genoss. Irgendwann auf der Reise hatte sie der Anruf einer alten Freundin erreicht. Sie wolle ein Café eröffnen und brauche eine Mitfinanziererin. Beste Lage, in der Innenstadt Stuttgarts, nicht ganz billig, aber sehr lukrativ. Sie hatten abgemacht, dass Frederike sich das Lokal Anfang Mai anschauen würde. Sie wollte dieses Mal nichts überstürzen und in Ruhe überlegen, ob sie sich auf diese Idee einlassen sollte, doch dann war der Anruf ihrer Tante gekommen.
Frederike hatte es sich gerade auf der Terrasse eines netten Cafés in Ascona, am Lago Maggiore, bequem gemacht gehabt, als ihr Handy geklingelt und sie Annas Festnetznummer auf dem Display erkannt hatte. Da war ihr sofort klar gewesen, dass etwas passiert sein musste. Vor ihrer Abfahrt hatten sie nämlich ausgemacht, dass Frederike sich sporadisch bei Anna melden würde. Alle zwei, drei Wochen und das hatte sie auch gemacht. Und jetzt hatte Anna sie im Ausland angerufen und dann noch auf Frederikes Handy. Es musste also etwas wirklich Ernstes passiert sein.
»Anna?« Sie erinnerte sich, dass ihre eigene Stimme hoch geklungen hatte, viel höher als gewöhnlich.
»Ja, ich bin’s«, war es langsam und dunkel zurückgekommen.
»Ist etwas passiert?«
Einen Moment war es still in der Leitung gewesen. Dann hatte sie gehört: »Ich war beim Arzt.«
»Bist du krank?« Anna war bis auf ihre übliche Grippe im Winter und die Probleme mit ihrem empfindlichen Magen nie ernsthaft krank gewesen.
»Krebs«, hatte Anna gesagt, als ob es das Normalste von der Welt wäre. Sie hatte keinerlei Betonung in das Wort gelegt. Dumpf hatte es geklungen, fünf Buchstaben, ein kleines Wort, das die Welt auf den Kopf stellte.
»Warum Krebs?« Frederike hatte natürlich sofort begriffen, wie dumm ihre Frage klang.
»Ich habe Metastasen im Nacken.«
»Aber …«, sie hatte geschluckt und gemerkt, dass sie nicht wusste, was sie sagen sollte. »Wie …?«
»Ich bin letzte Woche aufgewacht und hatte Schmerzen im Nacken.«
Eine halbe Minute lang war Frederike unfähig gewesen, etwas anderes zu tun, als in ihrem Cappuccino zu rühren. Dann hatte sie den Löffel auf den Unterteller legen wollen, doch er war abgerutscht und mit einem kalten Klirren auf den Glastisch gefallen.
»Warum im Nacken?« Sie hatte überhaupt nichts verstanden.
»Mein Nacken war steif und tat furchtbar weh. Ich bin am nächsten Morgen zum Arzt, und der meinte, eventuell hätte ich etwas an den Bandscheiben.«
»Ja und?«
»Und vor ein paar Tagen haben Ärzte in der Universitätsklinik Tübingen Lungenkrebs festgestellt.«
»Und warum rufst du heute erst an?« Sofort nachdem die Frage ausgesprochen war, hatte sie bemerkt, wie unpassend das geklungen haben musste. Schnell hatte sie versucht, die Situation zu überspielen: »Und jetzt?«
»Jetzt hab ich dir Bescheid gesagt.«
Frederike hatte erneut einen Schluck Kaffee getrunken. Als sie die Tasse auf den Unterteller stellen wollte, war ihr bewusstgeworden, dass sie zitterte. Ihre Tante war doch immer gesund gewesen. Klar, früher hatte sie geraucht, mindestens eine Schachtel am Tag, aber das war doch schon viele Jahre her. Und nach ihrer Verrentung hatte sie von einem Tag auf den anderen damit aufgehört. Alkohol trank sie kaum, ab und an ein Glas Weißwein im Sommer, sie aß fast nur Gemüse, Fleisch in Maßen, wohnte in einer Gegend, in der es noch gute Luft und wenige Abgase gab. Überhaupt, Anna war erst 72 Jahre alt, das war doch kein Alter …
»Rike, bist du noch dran?«
Sie war zusammengeschreckt. Frederike konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann ihre Tante sie das letzte Mal Rike genannt hatte.
»Ja.«
»Ich dachte, ich sollte es dir sagen.«
Frederike hatte gemerkt, wie ihr Tränen in die Augen getreten waren. »Wann beginnen die Behandlungen?« Die Frage war ein verzweifelter Versuch gewesen, sich nichts anmerken zu lassen.
Zuerst war es still in der Leitung geblieben. Dann hatte Anna geantwortet. »Ich weiß nicht, ob ich mich behandeln lasse.«
»Wie, du weißt es nicht?« Ihre Stimme hatte unnatürlich schrill geklungen. »Natürlich musst du …«
»Ich muss gar nichts. Ich werde an dieser Krankheit sterben«, hatte ihre Tante sie unterbrochen, »früher oder später«, und Frederike war ratlos gewesen und hatte nicht gewusst, was sie darauf antworten sollte.
Die Sonne wärmte Frederikes Gesicht, und sie merkte, wie ihr Tränen in die Augen traten. Verstohlen strich sie sich über die Augen und setzte sich auf. Sie schaute auf das offene Meer. Die Wellen kräuselten sich, der Wind hatte nachgelassen.
Nach dem Gespräch war sie sofort nach Deutschland gefahren. Die schöne Gegend am Lago Maggiore hatte sie nicht mehr interessiert. Die Palmen, die sich in der lauen Frühlingsluft bogen, die kleinen Gässchen Asconas mit den netten Läden, die aufgeregt klingenden italienischen Stimmen mit dem Schweizer Akzent, die sie sonst so sehr genoss, sie waren ihr auf die Nerven gegangen. Anna, ihre Tante, die sie nach dem Tod ihrer Eltern aufgenommen und erzogen hatte, litt an Krebs.
Zwei Stunden verbrachte Frederike auf dem Oberdeck, dann schoben sich dicke Wolken über die grelle Maisonne. Ihr wurde kalt. In dem kleinen Café im dritten Stockwerk holte sie sich einen Pfefferminztee. Sie setzte sich auf einen der gepolsterten Sessel in der Ecke des stickigen Raumes, von wo aus sie direkt aufs Meer schauen konnte. Neben ihr saßen Familien mit Kleinkindern. In einem der Kinderwagen schrie ein Baby. Eine junge Frau mit dunklen langen Haaren versuchte das Kind zu beruhigen. Sanft redete sie auf es ein, aber es schrie unerbittlich weiter. Schließlich hob sie es aus dem Wagen und legte es sich über ihre Schulter. Das Geschrei verstummte, und große dunkle Augen schauten Frederike interessiert an. Das Baby zeigte zwei Zähnchen, und Frederike lächelte es an. Um sie herum tippten Männer in Anzügen und weißen Hemden in silberne Laptops. Jugendliche mit großen Rucksäcken saßen auf dem Boden und spielten mit ihren Handys. Es war laut. Das Röhren des dumpfen Schiffsmotors vermischte sich mit dem Stimmengemurmel und der leise dudelnden Restaurantmusik im Hintergrund zu einer undefinierbaren Geräuschkulisse. Frederike trank, doch der Geschmack des Tees erinnerte kaum an Minze. Sie drückte den Teebeutel aus und probierte noch einmal. Kein Vergleich zu Annas Pfefferminztee, aber zumindest wärmte das Getränk die Hände.
Anna hatte immer frische Pfefferminze gezogen, auf dem Balkon in der Zweizimmerwohnung im Stuttgarter Westen. Es war ein winziger Balkon gewesen, der Platz für höchstens zwei, drei Tomatenstauden und ein paar Kräuter bot. Im Winter hatte Anna die Minzpflanze, die, wie sie meinte, in einem richtigen Garten wie Unkraut wachsen würde, auf die breite Fensterbank in der Küche gestellt. Und wenn Frederike am Abend ausgekühlt vom Fahrradfahren und müde von der Schule nach Hause gekommen war, hatte Anna stets schon eine Kanne Tee gekocht gehabt. Damals hatte Frederike den Tee und Anna oft alleine am Abendbrottisch zurückgelassen und war in ihrem Zimmer verschwunden, wo sie laute Musik gehört hatte. Sie war ein Teenager gewesen, gemein und selbstsüchtig, wie alle. Wie viele Jahre war das jetzt her? Fünfunddreißig? Mindestens.
Frederike stellte die Tasse auf den kleinen Abstelltisch neben ihrem Sessel. Es war besser, etwas zu schlafen. Wenn das Schiff in Trelleborg anlegte, hatte sie sich vorgenommen, mindestens noch drei-, vierhundert Kilometer zu fahren. Zumindest bis Jönköping wollte sie es heute noch schaffen. Und danach nach Lappland. An die 3000 Kilometer waren es von Süddeutschland bis dort oben an den schwedischen Polarkreis. Was für ein Wahnsinn!
Sie öffnete den Reißverschluss ihrer schwarzen Lederhandtasche, griff in die Seitentasche und zog den Brief heraus, den ihre Tante ihr anvertraut hatte. Mit ihrer gestochen scharfen Handschrift stand die Adresse auf dem weißen Briefumschlag: Petter Svakko, Sirkasgatan 28, Jokkmokk. Jokkmokk, was für ein Name? Sie hatte gegoogelt. Diesen Ortsnamen gab es nur einmal auf der Welt. Es war ein samischer Name und bedeutete An der Biegung des Flusses.
»Wer ist dieser Petter?«, war Frederikes verwunderte Frage gewesen, als Anna ihr den Brief in die Hand gedrückt hatte.
»Ein Notar?«
»Nein.«
»Ein Verwandter?«
Anna schüttelte den Kopf. »Jemand, der mir sehr wichtig ist. Er wird alles regeln«, hatte sie ausweichend geantwortet und sich langsam in den weichen Sessel im Wohnzimmer gesetzt. Frederike war erschrocken gewesen. Nicht über die Aussage, Anna hatte nie viel über sich erzählt. Nein, sie war erschrocken über Annas langsame Bewegungen. Wie in Zeitlupe hatte sie sich in den Sessel gesetzt, der sonst nur als Dekoration im Wohnzimmer stand. Diese Krankheit hatte sie in wenigen Monaten alt und müde werden lassen.
Letzten Herbst hatte Frederike ihre Tante auf ihrem Weg in den Süden noch einmal besucht in ihrer kleinen Wohnung mit Blick auf den Hohenneuffen. Damals hatte sie gewirkt wie immer, gesund und schlank, drahtig. Ihre lockigen, kurzen weißen Haare hatten ihr schmales, etwas faltiges Gesicht umrahmt. Sie hatte am Küchentisch gesessen, das Ticken der roten Küchenuhr im Hintergrund, vor ihr eine Schüssel mit Walnüssen. »Selbstgesammelt«, hatte sie noch gesagt, »die Leute lassen heutzutage ja alles liegen«, und war den harten Nüssen mit dem Nussknacker zu Leibe gerückt, bevor sie sie mit ihren feingliedrigen Fingern ausgepult hatte. Sie war wie immer gewesen, vielleicht etwas bleicher als sonst, aber das war doch verständlich. Zwar hatte Frederike ihr das Drama mit Thomas nur in Ansätzen erzählt, jedoch gemerkt, wie sehr ihrer Tante die Trennung von ihr und Thomas zu Herzen ging und wie schwer es ihr fiel, ihren Entschluss wegzufahren zu akzeptieren. Und sie? Sie war so sehr mit ihren eigenen Sorgen und der Planung der Reise beschäftigt gewesen. Hatte sie übersehen, dass ihre Tante damals schon krank gewesen war? Die Metastasen konnten ja nicht von heute auf morgen entstanden sein.
Frederike drehte den Brief in den Händen. Er fühlte sich dick an. Anna war einer der wenigen Menschen in Frederikes Umfeld, die Briefe noch mit der Hand schrieben. Aber dieser hier musste wirklich lang sein.
Die letzten zwei Wochen bei Anna waren nervenaufreibend gewesen. Sie hatte den Bus auf dem Parkplatz vor dem Reihenaus abgestellt, in dem ihre Tante vor Jahren eine kleine Zweizimmerwohnung gekauft hatte, und dort campiert. Anna hatte zwar gewollt, dass sie in ihrer Wohnung übernachtete, sah aber ein, dass das kleine ausziehbare Sofa im Wohnzimmer viel weniger Platz bot. Außerdem waren weder sie noch ihre Tante diese Nähe gewohnt. Wenn Frederike Anna sonst sporadisch über das Wochenende besucht hatte, war sie immer bei einer Freundin in Stuttgart untergeschlüpft. Nein, sie hatte im Bus geschlafen und den Vorhang vorgezogen, damit die neugierigen Nachbarn nicht zu viel zum Reden hatten.
Der Ort Beuren, in dem ihre Tante wohnte, war ein kleines Nest mit nicht einmal 3500 Einwohnern. Hübsch, mit den mittelalterlichen Fachwerkhäusern in der Hauptstraße, dem stattlichen Rathaus, dem Brunnen in der Stadtmitte und den netten kleinen Läden. Es gab alles, was man brauchte: einen Bäcker, einen Metzger, einen Edeka- und einen Teeladen. Sogar einen Bioladen und eine Buchhandlung mit kleinem Café besaß der Ort. Aber für Frederike kam ein Städtchen wie Beuren dennoch nicht in Frage. Dort gab es ja nicht einmal ein Kino. Das Thermalbad war schön, ebenso wie das Freilichtmuseum am Rand der Stadt, aber würde sie jeden Tag in warmem Wasser baden oder sich uralte Häuser anschauen wollen? Ihr kam es so vor, als wäre in diesem Ort die Zeit stehengeblieben. Sonntags läutete die Kirchturmglocke zum Gottesdienst, Hühner gackerten im Hühnerstall, Schafe blökten am Albtrauf. Und wenn sie morgens zum Bäcker ging, fuhren Traktoren durch die engen Straßen. Modern war daran nur, dass die Traktoren mittlerweile auch von Frauen gefahren wurden.
Die ersten Tage bei Anna waren nicht einfach gewesen. Ständig hatte sie versucht, ihre Tante davon zu überzeugen, sich behandeln zu lassen. Eine Woche hatte es gedauert, bis Anna aus ihrer Starre erwacht, zum Arzt gegangen und alles geregelt hatte. Und jetzt endlich würde nächste Woche die erste chemotherapeutische Grundbehandlung beginnen. Anna hatte ihr versprochen, dass sie einer alten Freundin, die im Ort wohnte, Bescheid geben würde, wenn ihr die tägliche Arbeit über den Kopf wuchs, und jeden zweiten Tag wollten sie telefonieren. Und bald würde sie ja auch selbst wieder zurück sein. Sie wollte den Brief abgeben, sich die Hütte kurz anschauen, um die es Anna ging, und so schnell wie möglich zurückfahren.
Vor der Abreise hatte sie Essen vorgekocht, die Wohnung geputzt und diverse Dinge erledigt. Ständig hatte sie sich beschäftigen müssen. Was hätte sie auch sonst den ganzen Tag tun sollen? Sie und ihre Tante waren zusammen spazieren gegangen, zwischen unzähligen Obstbäumen, die bereits verblüht waren, und Anna hatte davon geredet, dass sie gerne noch einmal einen Sommer und einen Herbst erleben wolle. Frederike war ihr sofort über den Mund gefahren. Was denn das heißen solle! Sie solle doch erst mal ihre Behandlung beginnen, dann würde sicher alles gut werden. Frederike hatte davon geredet, mit Anna in den Urlaub zu fahren, wenn sie wieder ganz gesund sei. Sankt Petersburg, das wäre doch schon immer ihr Traum gewesen, oder? Sie hatte kurz überlegen müssen, ob es wirklich Sankt Petersburg und nicht Prag gewesen war? Anna hatte gelächelt, ihren Arm gedrückt und ihr gedankt, dass sie bereit war, die Fahrt nach Lappland auf sich zu nehmen.
Frederike steckte den Brief zurück in die Handtasche. In den letzten Jahren hatte sie Anna kaum gesehen. Höchstens zwei-, dreimal im Jahr. Köln war nicht gerade der nächste Ort, sondern drei bis vier Autostunden von Beuren entfernt, wenn es gut lief auf der Autobahn. Aber wann lief es schon gut? Thomas und Paula, ihre Tochter, waren auch nicht so sehr erpicht darauf gewesen, in Annas kleines Städtchen am Fuße der Schwäbischen Alb zu fahren.
»Was soll ich denn in dem Kaff?«, hatte Paula dann immer genölt.
»Anna besuchen. Hast du doch früher so gerne gemacht«, war ihre überflüssige Antwort gewesen.
Paula hatte gemurmelt: »Ich ruf sie morgen an«, und hatte den Kopfhörer wieder ins Ohr gesteckt. Damit war die Sache für sie erledigt gewesen.
Thomas hatte immer zu tun gehabt, auch am Wochenende, vor allem in den letzten beiden Jahren hatte er sowieso keine Zeit mehr für sie gehabt. Er war anderweitig beschäftigt gewesen. Und so war sie ab und zu alleine nach Süddeutschland gefahren. Frederike überlegte. Sollte sie Paula über den Zustand von Anna informieren? Aber was würde das bringen? Paula würde sich nur Sorgen machen. Nein, sie sollte ihr Jahr in Australien einfach nur genießen.
Gestern vor ihrer Abfahrt nach Lappland hatte Anna sie umarmt, und Frederike waren Tränen in die Augen gestiegen. Körperliche Berührungen waren nie die Stärke ihrer Tante gewesen. Doch gestern hatte Anna sie lange angeschaut und sich nochmals bei ihr bedankt. Und Frederike hatte die Situation überspielt, hatte viel zu viel geredet. »Wenn die Behandlung anschlägt, wirst du sicher bald wieder fit sein. Dann fahren wir zusammen …«, Anna hatte sie reden lassen und nur ab und an gelächelt.
Jetzt drückte Frederike sich in den weichen Sessel und schaute auf das offene Meer. Sie hörte Stimmengewirr, das Klappern von Plastiktabletts, Papier raschelte, der Duft von Pommes zog in ihre Nase. Ihr Magen grummelte. Vielleicht sollte sie etwas essen, aber sie war so unglaublich müde. Sie musste einfach ein wenig schlafen, sie wollte heute doch noch so weit fahren, bis zum Vätternsee. Dann würde sie noch zwei Tage brauchen, bis sie in Jokkmokk wäre und … Ihr fielen die Augen zu.
Anna ging es besser. Nachdem Frederike versprochen hatte, ihren Wunsch zu erfüllen und den Brief persönlich Petter zu überbringen, hatte sie es sofort gespürt. Das schwarze Loch, in das sie nach der Diagnose gefallen war, hatte sich gelichtet.
Heute fühlte sie sich richtig gut. Fast gesund. Sie hatte keine Schmerzen, nur die übliche Müdigkeit und das Kratzen im Hals, aber das hatte sie schon seit letztem Herbst. Mittlerweile war sie daran gewöhnt.
Gott sei Dank war Frederike endlich aufgebrochen. Es hatte lange gedauert, bis sie ihre Nichte davon hatte überzeugen können, dass ihr in der Zwischenzeit schon nichts passieren würde. Meine Güte, sie hatte so viele Jahre alleine gelebt. Frederike war neunzehn gewesen, als sie ausgezogen war, jetzt war sie 51. Anna zuckte die Achseln. Sie war es gewohnt, Probleme ohne die Hilfe anderer zu lösen.
Sie ging zum Fenster. Es war sonnig draußen und warm. Vorhin war sie auf die Burg gelaufen. Die Steigung war eine Herausforderung gewesen. Dreihundert Höhenmeter. Aber seit ihrem Rentenbeginn, seitdem sie von Stuttgart wieder in ihr Heimatstädtchen zurückgezogen war, hatte sie sicher zweimal die Woche eine kleine Wanderung auf die Burg gemacht.
Nur seit letztem Herbst hatte sie es nicht mehr so oft hinaufgeschafft. Eine Ahnung war in ihr herangewachsen. Frederike hatte kurz vor ihrer Abreise in den Süden gestanden, und sie selbst hatte gemerkt, dass irgendetwas anders gewesen war. Sie fühlte sich nicht mehr so fit wie früher, musste oft stehen bleiben, wenn sie auf die Burg wanderte. Zuerst dachte sie, sie sei erkältet, aber dann fiel ihr das Atmen immer schwerer, und sie hatte gewusst: Es musste etwas anderes sein. Und dann, kurz vor Weihnachten, dieser Schmerz im Nacken und die erste Diagnose: Bandscheibenvorfall. Als ein zweiter Arzt im Januar eine Metastase im Halswirbelbereich entdeckt und Lungenkrebs festgestellt hatte, war sie mehrere Wochen wie betäubt gewesen. Nur nach langer Überredung ließ sie sich auf die Chemotherapie ein und ertrug die Behandlungen, die sie so furchtbar mitnahmen. Sie übergab sich, schon immer hatte sie einen empfindlichen Magen gehabt, und fühlte sich so elend wie noch nie in ihrem Leben. Kurze Zeit später kam der Bescheid. Der Tumor in der Lunge war größer geworden. Da fasste sie den Entschluss, die Behandlungen abzubrechen.
Wohl oder übel log sie Frederike an. Noch eine Lüge. Aber auf die käme es jetzt auch nicht mehr an. Sie war zwar mit ihr nach Tübingen in die Universitätsklinik gefahren, aber sie hatte keinen Termin beim Arzt gehabt und hatte auch keine weitere Behandlung ausgemacht. Sie war krank, todkrank. Sie wusste, dass sie sterben würde, irgendwann. Natürlich hatte sie Angst, Angst vor dem Sterben, Angst vor dem Tod. Aber wichtig war ihr jetzt nur noch eines: Die Menschen, die sie am meisten liebte, sollten endlich die Wahrheit erfahren.
Anna ging in die Küche und schnitt eine Ingwerknolle klein, legte die Scheibchen in einen Topf und kochte sie mit viel Zucker. Sie liebte Ingwertee. Er war süß und gleichzeitig scharf, zudem machte er innerlich warm. Sie stellte die Teekanne auf den kleinen Glastisch im Wohnzimmer und setzte sich in den grauen Sessel. Alles war so anstrengend geworden. Sie musste sich ausruhen. Die Wanderung auf die Burg und zurück hatte sie ermüdet, aber sie hatte es geschafft. Anna lächelte und schaute auf die Obstbäume vor ihrem Fenster, deren Blätter in der Sonne glitzerten.
Eigentlich mochte Anna am liebsten den Herbst. Wenn Ende September die ersten Kastanien von den Bäumen fielen und sich die Blätter an den Eichen und Buchen röteten. Und die Kirschbäume, sie bekamen so eine schöne hellrote Färbung, die sie schon immer fasziniert hatte. Ein zartes helles Rot. Wie Blut. Als Kind hatte sie all die farbigen Blätter gesammelt, die spitzzackigen Eichenblätter, die ovalen Buchenblätter und die länglichen Kirschbaumblätter, und hatte sie in das einzige Buch ihrer Eltern gelegt, ein Bertelsmannlexikon von A–Z. Mit den Kirschblättern war sie immer besonders sorgsam umgegangen. Sie hatte sie zuallererst zwischen die Seiten gelegt, sorgfältig darauf bedacht, dass sie keine Falten bekamen. Anna hatte es deshalb nie gemocht, wenn sie in der Schule Blättermännchen kleben sollten. Sie wollte die wunderschönen farbigen Kunstwerke nicht zerstören. Aber die Lehrerin hatte sie ermahnt und mit einer Strafarbeit gedroht. Daheim hatte ihre Schwester Marie für sie dann aus deren eigenen getrockneten Blättern ein Blättermännchen geklebt. Das hatte sie am nächsten Tag in der Schule abgegeben, und die Lehrerin war zufrieden gewesen.
Anna trank einen Schluck Tee. Es war gut gewesen, dass sie die Briefe geschrieben und Frederike damit auf den Weg geschickt hatte. Egal, was jetzt geschehen würde. Die Zeit der Lügen war vorbei. Natürlich hatte sie sich tausendmal überlegt, wie Petter auf ihre Beichte reagieren und was Frederike tun würde, wenn sie den an sie gerichteten Brief, den sie zusätzlich in den Umschlag gesteckt hatte, zu Gesicht bekäme. Würde sie sie verachten? Würde sie nichts mehr mit ihr zu tun haben wollen? Anna wärmte ihre Wange an der Teetasse und schloss die Augen.
Diese farbigen Blätter. Warum nur kamen ihr gerade immer wieder Szenen aus ihrer Kindheit in den Sinn? Nach dem ersten Herbststurm war sie immer nach draußen gelaufen, Richtung Wald. Dort standen zwischen Apfel-, Birn- und Kirschbäumen die großen Walnussbäume, die nur in manchen Jahren Früchte trugen. Sie hatte die Walnüsse, die auf den Boden gefallen waren, aufgesammelt, aber es war schwierig gewesen, sie zu knacken. Mit dem Absatz ihrer Halbschuhe trat sie gegen die kleinen Nüsse, aber nur wenige Schalen gingen dabei kaputt. Und sie wollte die Nüsse doch gleich essen. Zu Hause musste sie sie schließlich immer mit Marie teilen, die nie mit auf die Wiese gelaufen war, um selbst zu sammeln. Dazu hatte sie keine Lust gehabt. Marie hatte immer nur die Hand ausgestreckt, wenn sie nach Hause gekommen war. »Wir sind Schwestern, Schwestern teilen alles«, sagte sie dann, lachte und zeigte ihre ebenmäßigen Zähne. Also hatte sie Marie immer zwei, drei Nüsse geschenkt.
Ein paar Jahre später hatte Anna einmal verstohlen einen Nussknacker mit auf die Wiese genommen. Sie hatte ihn aus der Küchenschublade genommen, als Mama im Bett gelegen hatte, was sie oft tat. In diesem Jahr war die Walnussernte groß gewesen, da ein gewaltiger Herbststurm an den Bäumen gerüttelt hatte. Sorgfältig hatte Anna die heruntergefallenen Nüsse gesammelt, sich auf die Holzbank gesetzt, die nahe am Waldrand stand, und jede einzelne Nuss zuerst geknackt, ausgepult und dann langsam genüsslich gegessen. Am Abend hatte Marie wieder die Hand ausgestreckt und ihre Nüsse verlangt, und Anna hatte sich gewundert, woher ihre Schwester wusste, dass sie Nüsse gegessen hatte. Aber Marie hatte gegrinst und auf ihre Finger gedeutet, die von den Schalen der Walnüsse braun geworden waren.
»Gut, aber nur im Tausch«, hatte sie zu Marie gesagt, »Nüsse gegen Zeichenblatt.« Und Marie hatte sich hingesetzt und ihr mit Tusche einen Sonnenaufgang am Strand gemalt, den die Zeichenlehrerin als Hausaufgabe aufgegeben hatte.
Marie hatte wunderschön malen können. Im Nu hatte sie eine Landschaft auf ein weißes Blatt gezaubert oder mit nur wenigen Strichen Gesichter festgehalten. Mama, mit ihren markanten hohen Wangenknochen, den schmalen Augen und schön geformten Lippen. Oder Papa mit seiner hohen Stirn und dem winzigen Ansatz von Geheimratsecken, den er schon in jungen Jahren gehabt hatte. Und wenn Marie sie beide zeichnete, die sich doch so ähnlich sahen, erfasste sie sofort den Unterschied zwischen ihnen. Alles war gleich, die Wangen, die Mundpartie, die Nase, nur die Augen nicht. Maries Augen wirkten lebendig und fröhlich, ihre eher ernst und verschlossen.
Anna hatte ihre Schwester für deren Begabung immer bewundert und ein bisschen auch beneidet. Sie selbst konnte weder zeichnen noch malen. Wenn sie versuchte, ein Fahrrad aufs Papier zu bringen, konnte man gerade zwei Räder und ein Lenkrad erahnen. Wenn Marie ein Fahrrad zeichnete, sah man ein komplettes, wohlgeformtes Rad mit Speichen, Griffen, einem Sattel und sogar dem Schloss zum Abschließen vor sich. Nein, Anna hatte sich immer für ihre hilflosen Zeichenversuche geschämt. Dagegen war sie gut im Aufsatz schreiben gewesen, und sie liebte die deutsche Sprache. Sie hatte sich sogar einmal zum Geburtstag ein Grammatikübungsbuch gewünscht, in das man hineinschreiben konnte, und Marie hatte sie ungläubig angestarrt. Es war ihr schleierhaft geblieben, wie Anna sich freiwillig und mit Begeisterung mit solch langweiligen Dingen beschäftigen konnte.
Anna stand auf und öffnete die Balkontür. Der Wind, der von der Schwäbischen Alb herunterblies, war warm. Dennoch fröstelte es sie. Weil sie krank war, weil ihr Körper von innen zerfressen wurde?
Sie schloss das Fenster, setzte sich wieder und legte die blaue Wolldecke über die Beine. Schade, dass es nicht Herbst war. Dann könnte sie den Duft der heruntergefallenen Zwetschgen riechen, deren Saft schon leicht gegoren war. Die Obstbauern würden in dieser Zeit auch die Äpfel und Birnen ernten, und Anfang Oktober wären die ersten Trauben reif. Wie schön war es doch, durch die Reben zu laufen und ab und an eine Beere zu naschen. Die weißen, süßen Silvanertrauben mochte sie am liebsten. Was sie auch mochte, waren Brennnesselfelder. Sie liebte es, durch das Gras zu laufen, wenn der Duft der Nesseln in ihre Nase stieg. Scharf und feurig und irgendwie nach Nuss riechend. Man musste nur aufpassen, dass die Nesseln nicht die Hände streiften.
Mama hatte es nie gern gesehen, wenn sie durch Brennnesseln gelaufen war. »Die kann man essen«, hatte sie dann immer zu ihr gesagt. »Raus da, aber schnell!« Sie hatte sie aus der Wiese gejagt und mit ihren dicken Arbeitshandschuhen die Nesseln ausgerupft und in ihren Weidenkorb gelegt. »Man trampelt nicht auf Essen herum«, hatte es mit ihrem schwedischen Dialekt über die Wiese geschallt. Das hatte lustig geklungen, auch wenn sie es nicht lustig gemeint hatte. Später waren die Blätter von Mama gekocht worden. »Das ist gesund«, hatte sie jedes Mal betont, wenn sie Marie und ihr das dunkelgrüne Gemüse auf den Teller schöpfte. Aber weder ihre Schwester noch sie hatten Brennnesselgemüse gemocht. Es war ein ewiges Herumgestochere in der Pampe auf dem Teller gewesen, die sich wie Lava auf dem ganzen Teller ausbreitete. Aber Mama hatte so lange gewartet, bis die Teller leer gewesen waren. Anna konnte nicht glauben, dass ihre Mutter das Gemüse jemals gemocht hatte, aber es war immerhin umsonst gewesen. Sie hatten wenig Geld gehabt nach dem Krieg. Aber vielleicht hatte Mama das Brennnesselgemüse auch deshalb gekocht, weil es sie an ihre eigene Kindheit erinnerte. Aus Obst hatte sie sich nie viel gemacht, das kannte sie nicht. Dort, wo sie geboren war, wuchs kein Obst. Dazu war es viel zu kalt. Aber Brennnesseln wuchsen sogar in Lappland.
Ein lautes, gleichförmiges Geknatter schlich sich in Frederikes Traum. Sie befand sich in einem Hotelzimmer mit hohen Decken und zu weichen Matratzen. Ein gutaussehender Mann lag über ihr, seine glatte, gebräunte Haut glänzte. Gerade eben beugte er sich über sie, da hämmerte etwas gegen die Wand, oder in ihrem Kopf. Irgendetwas machte furchtbaren Krach. Frederike wachte auf.
Sie zog die Decke über die Ohren, aber es half nichts. Das Knattern wurde immer lauter. Ein Rasenmäher? Frederike schlug die Augen auf, ihr Kopf schnellte nach oben. Doch da war die Metalldecke ihres Busses. Mit schmerzverzerrtem Gesicht rieb sie sich den Kopf. »Verdammt!« Das fing ja gut an.
Und ihr schöner Traum, er war weg. Den attraktiven jungen Mann hatte es jedoch gegeben. Er war Spanier gewesen, sprach sehr gut Deutsch. Sie hatte ihn in einer Bar in Barcelona kennengelernt, viel getrunken, viel gelacht, und er hatte sie in ein Hotelzimmer mitgenommen.
Agnes, ihre Freundin, hatte sie vor der Abfahrt in den Süden noch gewarnt. »Lass dich nicht auf fremde Männer ein. Urlaubsflirts gehen immer in die Hose.«
»Ja, Mama!« Sie hatte gelacht und ihre Freundin zur Verabschiedung in den Arm genommen.
Nein, sie hatte es nicht darauf angelegt, mit unbekannten Männern ins Bett zu gehen. Es hatte sich einfach ergeben, und es war schön gewesen. Ein sicher fünfzehn Jahre jüngerer, gut gebauter Mann mit gebräunter samtiger Haut. Und er hatte so gut küssen können. Frederike seufzte.
Der Lärm kam immer näher. Sie stand auf, öffnete die Schiebetür des Busses und schreckte zurück. Der penetrant laute und stinkende Rasenmäher fuhr geradewegs auf ihre kleine Parzelle zu, auf der sie gestern Abend ihren Bus abgestellt hatte.
»God morgon!« Ein freundlicher dunkelhäutiger Mann hob die Hand zum Gruß und fuhr mit seinem lauten Gefährt direkt auf ihre nackten Füße zu. Erschrocken trat sie einen Schritt zurück. Der Mann kam kurz vor ihr zum Stehen und deutete mit einer Hand auf den rechten Vorderreifen. Seine weißen Zähne blitzten.
»Hjul.«
»Bitte?«, schrie sie gegen den Lärm an.
»Hjulen gick sönder«, schrie er zurück.
Frederike schaute verwundert nach links. Nein, das durfte nicht wahr sein. Sie schnappte sich ihre Fleecejacke vom Vordersitz und schlüpfte in ihre roten Crocs. Schließlich stand sie vor der Bescherung. Das rechte Vorderrad hatte einen Platten. Wie hatte das denn passieren können? Sie konnte sich noch dunkel daran erinnern, dass sie gestern Abend an einer Tankstelle in Jönköping gehalten hatte. Ein paar Jugendliche waren damit beschäftigt gewesen, laut zu grölen und Bierflaschen gegeneinanderzuknallen. Vielleicht war dabei auch Glas zu Bruch gegangen. Gleich danach hatte sie hier auf dem Campingplatz gestoppt, ihren Bus abgestellt und sich todmüde hingelegt. Und ein Ersatzreifen? Natürlich hatte sie vergessen, ihn reparieren zu lassen, nachdem er ihr in Italien kaputtgegangen war. So ein Mist!
»Mann, und jetzt?« Ratlos betrachtete sie den platten Reifen. Ihre lockigen Haare standen ihr wirr vom Kopf.
»Hjälp, reception.« Der strahlend lächelnde Mann fuchtelte mit seiner Hand vor ihrem Gesicht herum und deutete Richtung Eingang des Campingplatzes. Dann ratterte er weiter über den Rasen, dessen Gras nur wenige Zentimeter hoch war.
»Danke«, rief sie ihm noch hinterher. Sie schnappte sich den Autoschlüssel, schloss den Bus ab und ging Richtung Toilette. Zuerst einmal musste sie pinkeln. Als sie die Spülung drückte, überlegte sie. Warum hatte sie den Mann eigentlich verstanden? »Hjulen gick sönder« – der Reifen ist kaputt.
Der Mechaniker hatte ihr noch beim Bezahlen die linksseitige Landstraße entlang des Vätternsees empfohlen. Das sei zwar keine Europastraße, aber sie sei viel schöner, weil sie immer wieder Aussicht auf den See böte. Und da sie heute ihr geplantes Ziel sowieso nicht mehr erreichen würde, war ihr die weniger befahrene Landstraße auch lieber.
Frederike fuhr durch Hjo, ein kleines Städtchen mit stattlichen Holzhäusern, deren Außenfassaden sie an Pippi-Langstrumpf-Filme erinnerten, dann kilometerweit entlang des Sees, an Tannenwäldern vorbei, in denen immer wieder weiße Buschwindröschen aufblitzten, bis schließlich nach eineinhalb Stunden rechts vor ihr ein Holzschild auftauchte. Klangahamns Fisk AB stand in großen Buchstaben darauf. Eine Fischfabrik? Vielleicht könnte sie dort etwas zu essen kaufen. Sie hatte Hunger, bis auf ein Müsli von heute Morgen war ihr Magen leer.
Frederike fuhr die schmale Stichstraße hinunter zum See und parkte neben einem kleinen Laden, aus dessen Kamin weiße Rauchwölkchen aufstiegen. Sie stieg aus und sog tief die Luft ein. Eine Fischräucherei. Der Verkaufsraum war klein, trotzdem bot er eine riesige Auswahl an Fischen. Regenbogenforellen lagen zwischen Saiblingen, Heringen, Aalen und Lachsen. Alles sah verlockend aus. Sie bestellte kaltgeräuchertes Lachsfilet in Zitronenpfeffer mit Fladenbrot und setzte sich draußen an einen der langen Holztische, die Sicht auf den See boten. In der Ferne bemerkte sie zwei Segelboote, die auf dem ruhigen Wasser dahinglitten.
Ein älteres Ehepaar am Nebentisch grüßte mit einem freundlichen hej. Zwischen den beiden saß ein Golden Retriever, der Herrchen und Frauchen abwechselnd mit großen Augen anschaute. Ein wenig später wurde sein geduldiges Warten belohnt, er bekam einen kleinen geräucherten Hering ab. Genüsslich leckte sich der Hund die Lefzen und legte sich schließlich zwischen die beiden alten Leute.
Frederike genoss den leckeren Fisch, reckte ihr Gesicht in die Sonne und seufzte leise. Zum ersten Mal seit Tagen fühlte sie sich etwas leichter. Die letzten Wochen bei Anna hatten sie mitgenommen. Die Stimmung in Beuren war gedrückt gewesen. Das war ja nun auch kein Wunder, Anna war krank, sehr krank. Aber heute Morgen, als sie ihre Tante angerufen hatte, war deren Stimme schon viel fester gewesen als die Tage davor. Anna hatte ihr erzählt, dass sie gestern auf dem Hohenneuffen gewesen sei, dass sie sich besser fühle und gleich zur Chemo fahren werde. Und Frederike selbst hatte berichtet, dass es mit dem Fahren gut vorangehe. Die Sache mit dem Platten ließ sie lieber unerwähnt, das hätte Anna sicher nur aufgeregt.
Nur als sie Anna noch mal auf Petter Svakko ansprach und sie bat, ihr endlich zu verraten, wer dieser Mann sei, war die Stimmung etwas gekippt.
»Er wird sich um alles kümmern«, hatte Anna ausweichend geantwortet.
»Und das heißt?«