Jozua Douglas
Die große Schaschlik-Verschwörung oder
Wie wir die Welt mit einer Banane retteten
Aus dem Niederländischen von Eva Schweikart
Mit Bildern von Jörg Mühle
FISCHER E-Books
Jozua Douglas (Jahrgang 1977) war einige Jahre als Geheimagent für die Niederlande in Costa Banana tätig. Weil ihm mit einer Drohne ein dummer Fehler unterlief, wurde er enttarnt und musste Hals über Kopf fliehen. Derzeit fristet er ein ödes Dasein als Kinderbuchautor. Er hat bereits eine ganze Anzahl Bücher geschrieben, die zum Teil in andere Sprachen übersetzt wurden. In Costa Banana sind seine Bücher allerdings verboten.
Jörg Mühle, geboren 1973 in Frankfurt a.M., studierte Gestaltung in Offenbach und in Paris. Er arbeitet als Illustrator und Autor von Kinderbüchern in der Frankfurter Ateliergemeinschaft »labor«.
Weitere Informationen zum Kinder- und Jugendbuchprogramm der S. Fischer Verlage finden sich auf www.fischerverlage.de
Ein Präsident mit Größenwahnsinn, ein skrupelloser General und sieben Spionagefliegen
Pablo Fernando, der einfältige Präsident von Costa Banana, ist so mit seiner Frisur und seinem Aussehen beschäftigt, dass er gar nicht merkt, welche finsteren Pläne sein machthungriger General Schaschlik schmiedet. Zum Glück hat er clevere Kinder: Rosa und Fico kommen dem Übeltäter schnell auf die Spur. Aber wie sollen sie das Schlimmste verhindern, wenn ihnen ihr Vater, der Präsident, kein Wort glaubt und nichts auf seinen General kommen lässt?!
Ein spannendes Detektivabenteuer, das sich über die Mächtigen lustig macht und in dem zwei Kinder den Erwachsenen zeigen, wo es langgeht.
Mit Bildern von Jörg Mühle
Die Übersetzung dieses Buches wurde von der niederländischen Stiftung für Literatur gefördert.
Erschienen bei FISCHER E-Books
Die niederländische Originalausgabe erschien 2015 unter dem Titel ›De Gruwelijke Generaal‹ bei Uitgeverij De Fontein, Utrecht, Niederlande
© 2015 Jozua Douglas
First published by Uitgeverij De Fontein, The Netherlands, 2015
Für die deutschsprachige Ausgabe:
© 2018 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main
Covergestaltung: Norbert Blommel, MT-Vreden, unter Verwendung einer Illustration von Jörg Mühle
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-7336-5090-2
Für Wiert und Heather
Ich mag keinen Brokkoli.
Ich mochte ihn schon nicht, als ich
ein Kind war und meine Mutter mich zwang,
ihn zu essen. Und jetzt bin ich
Präsident der Vereinigten Staaten und
werde nie wieder Brokkoli essen.«
George H.W. Bush, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika von 1989 bis 1993
Pablo Fernando war der Präsident von Costa Banana, einem tropischen Land in Zentralamerika. Dort hatte er allein das Sagen. Alles, was er wollte, geschah. So verrückt es auch sein mochte.
Manche Leute nannten Pablo Fernando einen Diktator. Damit war er überhaupt nicht einverstanden. Er nannte sich lieber Präsident.
Als Präsident hatte er sich schon eine ganze Reihe unsinniger Gesetze ausgedacht, an die jeder sich halten musste. Ein paar Beispiele:
Alle Kinder von Costa Banana mussten Pablo heißen. Weil das der schönste Name der Welt sei, so der Präsident.
Der Präsident musste mit »Großer Genialer Führer« angesprochen werden. Oder mit »Großer Starker Mann«. Eigentlich war ihm die Titulierung egal, Hauptsache das Wort »groß« kam darin vor.
Freitags musste jeder Bananensuppe essen. Das Rezept dafür hatte er selbst erfunden. Es war die leckerste Suppe der Welt, fand er.
Das Auto des Präsidenten hatte immer Vorfahrt. Wenn es auf eine Ampel zufuhr, sprang diese automatisch auf Grün.
Alle mussten seine Posts auf Facebook liken.
Hier siehst du Präsident Fernando. Er fand sich selbst sehr imposant, war aber ein eher mickriges Männchen.
Auch mit seiner riesigen Pilotenbrille und in seiner mit Orden behängten Uniform sah er irgendwie putzig aus.
Doch das sagte man besser nicht zu ihm.
Wenn er einen fragte:
»Wie steht mir meine Jacke?«
dann war es keine gute Idee zu sagen:
»Sie sehen sehr putzig darin aus, Großer Genialer Führer.«
Nein, man sagte besser:
»Sie sehen unglaublich beeindruckend darin aus. Die Jacke bringt Ihre Größe und Stärke zur Geltung und betont Ihre Intelligenz.«
Präsident Fernando wollte immer beeindruckend aussehen, selbst wenn er sich beim Eisschlecken fotografieren ließ.
Und er tat alles, um groß und stark zu wirken.
In seinen Pass hatte er eintragen lassen, er sei zwei Meter fünfzig groß (dabei war er ungewöhnlich klein).
Er ließ sich mit einem riesengroßen Fisch fotografieren (den nicht er, sondern jemand anderes gefangen hatte).
In Costa Banana war er seit Jahren Boxweltmeister (aber nur, weil jeder ihn gewinnen lassen musste).
Das von ihm selbst verfasste Lied »Ich bin der Größte, der Allerallergrößte« führte seit Jahren die Charts an (jeder musste es täglich anhören und laut mitsingen).
Von seinem neuesten Buch Der Große Geniale Führer waren über zehn Millionen Exemplare verkauft worden (logisch, denn jeder musste es lesen und gut finden).
In dem Buch standen völlig abgedrehte Sachen, die dem Präsidenten zufolge alle hundertprozentig stimmten.
Als er geboren wurde, begann ein Seeungeheuer zu singen, ein doppelter Regenbogen erschien, und überall erblühten die Blumen.
Im Alter von einem Jahr schrieb er sein erstes Buch, und im Alter von zwei Jahren schloss er sein Zahnarztstudium ab.
Er war der Erfinder des Schachspiels, der Fernbedienung und des Hamburgers.
Er hatte einmal einen Toten zum Leben erweckt.
Und sein Großvater, der erste Präsident von Costa Banana, schlüpfte aus einem Drachenei.
Nachdem das Buch herausgekommen war, erschienen in allen Zeitungen lobende Besprechungen:
Geniales Meisterwerk eines brillanten Schriftstellers
Eine mitreißende Geschichte über einen großartigen Mann
Unglaublich, und doch wahr
Präsident Fernando kann nicht schreiben. Seine Geschichte hat weder Hand noch Fuß. Ein fürchterlich schlechtes Buch.
Aber wie du oben siehst, gab es auch Leute, denen das Buch nicht gefiel. Die wurden natürlich bestraft.
Wer sich nicht an die Gesetze hielt oder etwas Abfälliges über den Präsidenten sagte, wurde für den Rest seines Lebens auf eine unbewohnte Insel verbannt.
Von grausamen Strafen hielt Präsident Fernando nichts.
Viele Diktatoren lassen ungehorsamen Untertanen einfach den Kopf abschlagen. Das traute Präsident Fernando sich nicht. Denn es könnte ja irgendwann zu einem Volksaufstand kommen, bei dem man es ihm mit gleicher Münze heimzahlte. An so etwas durfte er gar nicht denken; schlaflose Nächte wären die Folge.
Darum ließ er niemanden zur Strafe ein Butterbrot mit Schmeißfliegen darauf essen.
Oder in einem Pool voller Pferdepisse schwimmen.
Oder mit Vogelspinnen in einen Sarg einsperren.
Und schon gar nicht ließ er Köpfe abschlagen.
Nein, Präsident Fernando verbannte einfach jeden, der anderer Meinung war als er, auf eine unbewohnte Insel im Stillen Ozean.
Auf Nimmerwiedersehen!
Wie die meisten Diktatoren war Präsident Fernando steinreich. Das ganze Land gehörte ihm: die Städte, die Wälder und sämtliche Fabriken. Sein Reichtum war einfach unermesslich. Er wohnte mit seiner Familie in einem riesigen Palast. Der hatte vier Stockwerke und 189 Schlafzimmer (jeweils mit Bad, versteht sich), und auf dem enorm großen Grundstück gab es einen Tennisplatz, eine Bowlingbahn, ein Schwimmbad mit Wildwasserrutsche, einen kompletten Vergnügungspark, einen Reitstall mit 65 Pferden, eine Autorennbahn und ein Kino.
Die Fußböden waren mit dicken roten Teppichen bedeckt. An den Wänden hingen große Gemälde in goldenen Rahmen und an den Decken gigantische Kristallkronleuchter.
Alles Mögliche im Palast war aus purem Gold: das Essbesteck, die Teller, die Tassen und die Teekannen. Die Wasserhähne, die Türklinken, die Scharniere, die Badewannen, die Waschbecken und die Toilettenschüsseln – alles aus Gold.
Präsident Fernando war so versessen auf Gold, dass er sogar seine Pizza mit hauchdünnen Scheibchen Blattgold belegen ließ.
Verheiratet war er mit Florabella.
Hier siehst du sie.
Pablo Fernando war so rasend verliebt in seine Frau, dass er sie hätte auffressen können (was durchaus möglich gewesen wäre, schließlich war er der Präsident, aber es wäre doch schade darum gewesen).
Stattdessen dachte er sich die verrücktesten Kosenamen für sie aus.
Wenn du dich schon darüber wunderst, dass manche Männer ihre Frauen »Täubchen«, »Schatzi« oder »Herzblatt« nennen, dann musst du erst einmal Präsident Fernando hören.
Er nannte seine Frau »Uckipucki«, »Pudelchen«, »Scheißerchen« oder »Hühnerfürzchen«.
Aber so viele Kosenamen er sich auch ausdachte, Florabella glaubte ihm nicht. Weil sie sich selbst potthässlich fand.
Sie habe Blumenkohlohren und Lauchstängelbeine, behauptete sie, dazu einen Kartoffelkopf, eine Erdbeernase und Orangenhaut.
Wenn sie jemandem, der sie noch nie gesehen hatte, am Telefon ihr Aussehen beschrieb, musste derjenige denken, er hätte es mit einer absonderlichen Obst-Gemüse-Figur zu tun.
Sah man sie dann in Wirklichkeit, traute man seinen Augen nicht: Florabella war nämlich die schönste Frau von Costa Banana. Vielleicht sogar von der ganzen Welt.
Der Präsident bedauerte es, dass seine bildschöne Frau sich so hässlich fand. Auch aus diesem Grund dachte er sich dauernd neue Kosenamen für sie aus.
Ihre Gespräche verliefen etwa so:
»Du bist das niedlichste Kaninchenpüpschen, das ich je gesehen habe.«
»Ja ja, das sagst du zu allen deinen Freundinnen.«
»Aber mein Bananenschneckchen, du bist doch die Einzige für mich!«
»Wenn ich das nur glauben könnte.«
»Du bist mein Pudelpüppchen, meine Schnuckelmaus, mein Hupsipupsi!«
»Hör bloß auf! Bestimmt hast du so viele Freundinnen, wie es Kosenamen gibt.«
Das Präsidentenpaar hatte zwei Kinder: Rosa und Fico.
Rosa und Fico waren die einzigen Kinder von Costa Banana, die nicht Pablo hießen.
Der Präsident hätte sie gern beide so genannt (und es war ja auch gesetzlich vorgeschrieben). Aber Florabella widersetzte sich. Sie wollte nicht, dass ihre Kinder den gleichen Namen hatten wie alle anderen Kinder im Land. Und weil der Präsident seinem »Schnurzelfurzelchen« nichts abschlagen konnte, bekam sie ihren Willen.
Fico war der künftige Präsident; er würde später einmal seinem Vater nachfolgen.
Rosa fand das ungerecht. Denn erstens war sie zwei Jahre älter als Fico. Und zweitens wesentlich klüger (ihrer Ansicht nach jedenfalls).
Aber Rosa als Nachfolgerin kam für Präsident Fernando nicht in Frage. Ein Präsident muss ein ganzer Mann sein, fand er: groß und stark und beeindruckend.
Ein guter Präsident ist ein ganzer Mann.
Frauen, so dachte Pablo Fernando, konnten keine guten Gesetze machen.
Sie konnten keine brillanten Reden halten.
Sie konnten nicht beeindruckend dreinschauen.
Sie gewannen nie beim Armdrücken.
Sie waren schlecht im Rechnen.
Sie verstanden nichts von Spionage.
Sie verstanden nichts von Raumfahrt.
Und wenn man sie losschickte, einen Panzer zu kaufen, kamen sie garantiert mit einem rosafarbenen an.
Kurzum: Frauen waren völlig ungeeignet, ein Land zu regieren.
Frauen waren zum Küssen da und zu weiter nichts.
Rosa hielt das für Blödsinn. Ihrer Ansicht nach waren Frauen die besseren Präsidenten. Und sie wusste schon genau, was sie tun würde, sollte sie je Präsidentin werden.
Rosas Gesetze
Komplimentegesetz
Jeder macht jedem jeden Tag ein Kompliment. Egal, wofür – Hauptsache, man sagt etwas Nettes.
Laternenpfahlgesetz
Alle Laternenpfähle werden mit Kissen gepolstert. Mit wunderbar weichen Kissen, damit sich keiner mehr stößt, wenn er beim Whatsappen dagegenläuft.
Musikgesetz
Auf der Straße muss immer fröhliche Musik erklingen, damit jeder Lust bekommt, mitzusingen und zu tanzen.
Kriegsgesetz
Wenn Krieg ausbricht, werfen wir keine Bomben ab, sondern Kisten voller Xboxen. Dann fangen die Soldaten an zu spielen und vergessen das Kämpfen.
Wahlgesetz
Die Einwohner des Landes wählen ihren Präsidenten selbst und dürfen Gesetze vorschlagen.
Leider hatte Präsident Fernando ganz andere Pläne: Er wollte seinen Sohn als Nachfolger, und der sollte sich dann Gesetze ausdenken.
Auch Fico hatte sich schon Gedanken über seine Gesetze gemacht.
Er würde veranlassen, dass nur noch Autoscooter auf den Straßen fahren durften.
Er würde die Züge abschaffen und stattdessen Achterbahnen bauen lassen.
Schulen würde er verbieten. Kinder in die Schule schicken würde als Kindesmisshandlung gelten und wäre somit strafbar.
»Kann ich bitte die Cornflakes haben?«, fragte der Präsident. Er saß mit seiner Tochter Rosa und seiner Frau Florabella im Speisesaal beim Frühstück.
»Moment noch.« Rosa hatte die Packung in den Händen und las, was auf der Rückseite stand.
»Was ist so interessant an der Cornflakespackung?«, wollte ihr Vater wissen.
»Da stehen Rätsel drauf und Witze und nützliche Tipps.«
Der Präsident knurrte. »Gib schon her. Schließlich habe ich nicht den ganzen Tag Zeit.«
Rosa gehorchte.
Präsident Fernando schüttete Cornflakes in seine Schale und betrachtete dann die Rückseite der Packung. Dort war ein grinsender Affe abgebildet.
»Warum bin ich da nicht drauf?«, fragte er.
»Ich weiß gar nicht, was du hast: Du bist doch drauf.« Rosa zeigte auf den Affen.
Der Präsident warf ihr einen bösen Blick zu.
»Das ist für Kinder, Schatz«, sagte seine Frau. »Du willst doch nicht im Ernst auf der Cornflakespackung abgebildet sein?«
»Dann sehen die Kinder täglich, wer ihr Präsident ist und wer in diesem Land das Sagen hat, Pudelchen«, meinte der Präsident. »Das kann man gar nicht früh genug lernen.«
Vielleicht hatte er Angst, die Leute könnten vergessen, wer er sei, obwohl sein Porträt wirklich überall zu sehen war. Auf Briefmarken, Münzen, Geldscheinen. Auf gerahmten Fotos in den Häusern der Untertanen. Auf Fahnen. Auf Schals. Auf T-Shirts. Und auf großen Plakaten im ganzen Land. Überall prangte sein Gesicht.
Und nun sollte es auch noch auf die Cornflakespackungen.
Florabella nippte an ihrem Glas Milch. Ganz vorsichtig, damit ihr Lippenstift nicht verschmierte. »Am besten, du lässt dich auch auf den Knackwürsten abbilden«, sagte sie. »Und auf den Schokoküssen und auf der Schmierseife.«
»Ein guter Gedanke, Zuckerpüppchen!«, rief der Präsident entzückt. »Jetzt aber erst einmal die Cornflakes.«
Er winkte seinen Adjutanten Paco herbei. Paco war als persönlicher Assistent ständig in seiner Nähe.
Er hatte einen dünnen Schnurrbart, trug stets weiße Handschuhe, und seine Uniform sah immer tadellos aus.
»Ich muss ein Gesetz auf den Weg bringen. Holen Sie meinen Laptop«, sagte Präsident Fernando.
Paco machte sofort, was ihm gesagt wurde.
Kaum hatte der Präsident den Laptop aufgeklappt, begann er auch schon zu tippen.
Wenn er ein Gesetz machen wollte, beauftragte er seine Minister per E-Mail, es zu erlassen. Und der Präsident hatte fast täglich neue Gesetzesideen.
Zum Beispiel das Frisurengesetz:
Frisurengesetz
Niemand hat so schönes Haar wie der Präsident. Seine Frisur ist brillant und genial. Von nun an haben alle Männer die Haare so zu tragen wie der Präsident. Alle anderen Frisuren (lange Haare, wilde Locken, Glatzen usw.) sind verboten.
Wochenlang mussten die Friseure von Costa Banana Überstunden machen.
Dann aber änderte Präsident Fernando das Gesetz. Weil nun alle Männer, selbst die größten Trottel, aussahen wie er. Es kam sogar vor, dass die Leute ihn nicht mehr erkannten. Und das ging natürlich nicht, hatte er doch im ganzen Land Plakate mit seinem Porträt aufhängen lassen.
Also machte er ein neues Frisurengesetz.
Neues Frisurengesetz
Es ist verboten, die gleiche Frisur zu tragen wie der Präsident.
Ein andermal hatte der Präsident beschlossen, dass der Monat April nach ihm benannt werden sollte.
Er hatte im April Geburtstag, und es schien ihm eine feine Sache, einen eigenen Monat zu haben. So wie Kaiser Augustus und Julius Caesar.
Darum hieß der April fortan Fernando.
Im Kalender sah das so aus:
Januar
Februar
März
Fernando
Mai
Juni
und so weiter.
Daraus ergaben sich die komischsten Gespräche:
»He, dein Schnürsenkel ist offen!«
»Was?«
»Haha, erster Fernando!«
Und die Bauernregel »April, April macht, was er will« musste abgeändert werden in »Fernando, Fernando macht, was er will«.
Der Präsident änderte auch andere Wörter ab.
Beispielsweise das Wort »Brot«. Brot war nach seiner Meinung das wichtigste Nahrungsmittel. Und wer war die wichtigste Person auf Erden? Genau: seine Gemahlin Florabella!
Darum ordnete er an, dass Brot in Zukunft nicht mehr Brot, sondern Florabella zu heißen habe.
Bereits nach einer Woche bereute er es.
Denn die Leute sagten Sätze wie:
»Ich hätte gern ein halbes Florabella, geschnitten.«
»Nimm dir doch noch ein Florabellachen.«
»Willst du Stinkekäse auf dein Florabella?«
»Pfui Teufel, unser Florabella ist angeschimmelt.«
Also schaffte er das Gesetz wieder ab.
Seine Minister waren Kummer gewöhnt. Sie widersprachen nie, selbst wenn er die verrücktesten Gesetze haben wollte. Sonst wären sie ohne Pardon auf eine unbewohnte Insel verbannt worden.
»So, ab morgen ist mein Porträt auf allen Cornflakespackungen«, sagte der Präsident zufrieden und klappte den Laptop zu. Er gab Milch und Zucker zu seinen Cornflakes. Dann nahm er einen Löffel voll, hielt ihn an den Mund, griff mit der anderen Hand nach seinem Smartphone und machte ein Selfie.
»Das stelle ich auf Facebook«, sagte er.
»Keiner will wissen, was du isst«, sagte Rosa.
»Du täuschst dich. Erst gestern hatte ich zehn Millionen Likes, und zwar für ein Foto, auf dem ich Cornflakes esse.«
»Das machen die Leute nur, weil sie müssen«, sagte Rosa. »Niemand likt zum Vergnügen solche blöden Fotos von dir.« Sie seufzte. Ach, dieser Mann war vielleicht nervig.
»Man muss die Leute regelmäßig daran erinnern, was gut für sie ist«, sagte Präsident Fernando.
»Ach, das soll gut für sie sein?«, rief Rosa. »Jeden Tag sehen, wie der Präsident Cornflakes in sich reinschaufelt?«
»Ich inspiriere die Leute, Rosa. Wenn ich morgens Cornflakes esse, tun sie das auch, und Cornflakes sind bekanntlich gesund.«
Er schob einen Löffel Cornflakes in den Mund und kaute genüsslich.
»Wo steckt eigentlich Fico?«, fragte Rosa.
»Keine Ahnung«, nuschelte ihr Vater mit vollem Mund. »Bestimmt kommt er gleich.«
»Warum muss Fico nie pünktlich am Frühstückstisch sein?«
»Weil er später Präsident wird. Und Präsidenten entscheiden selber, wann sie zu Tisch gehen.«
»Das ist ungerecht, weil …« Rosa wurde von lautem Maschinengewehrfeuer unterbrochen.
Ratatatata.
Die Tür des Speisesaals ging auf. Erst flog eine kleine Drohne herein: ein Minihubschrauber mit einem Spielzeugmaschinengewehr an der Unterseite. Und hintendrein kam Fico mit der Fernbedienung in den Händen.
»Fico!«, schrie Florabella.
»Ach, lass den Jungen doch«, sagte der Präsident.
Ficos Drohne, die nun durch den Speisesaal kurvte, war mit einer Kamera, einem Mikrophon und einem Lautsprecher ausgestattet, aus dem das Geknatter kam. Auf dem Display der Fernbedienung konnte Fico ihren Flug verfolgen und durch den Lautsprecher auch selbst etwas sagen.
»Ich habe mir gerade ein super Gesetz ausgedacht«, sagte Fico.
»Sehr gut, mein Sohn«, lobte Präsident Fernando. »Bestimmt hattest du eine brillante Idee.«
Fico ließ die Drohne um den Kronleuchter kreisen. »Brokkoli muss verboten werden«, sagte er. »Brokkoli schmeckt voll eklig.«
Der Präsident dachte kurz nach.
»Du hast völlig recht«, sagte er dann. »Brokkoli schmeckt scheußlich. Das Zeug muss verboten werden.« Er klappte seinen Laptop wieder auf und begann zu tippen.
»So ein Quatsch!«, rief Rosa. »Es gibt jede Menge Leute, die gern Brokkoli essen. Sollen die das jetzt nicht mehr dürfen, oder was?«
»Kein Mensch mag Brokkoli«, sagte ihr Vater. »Das essen die Leute nur, weil sie sich einbilden, es wäre gesund. Brokkoli schmeckt scheußlich und muss in der Tat verboten werden.«
»Wenn ich Präsidentin wäre, würde ich mir bessere Gesetze ausdenken.«
»Mädchen können sich keine Gesetze ausdenken. Und schon gar nicht Präsident werden«, sagte Fico. »Weil sie nämlich dumm sind.«
»Gar nicht wahr!«, schrie Rosa.
Der Präsident blickte von seinem Laptop auf. »Fico hat recht: Nur Jungen können gute Präsidenten werden.«
»Und warum, bitte?«, fragte Rosa.
»Weil sie wagemutig sind«, sagte ihr Vater. »Und tapfer und beeindruckend. Was man von Mädchen nicht behaupten kann.«