Die Religionen der Menschheit
Herausgegeben von
Christel Matthias Schröder
Fortgeführt und herausgegeben von
Peter Antes
Manfred Hutter
Jörg Rüpke
Bettina Schmidt
Geschichte des globalen Christentums
Teil 3: 20. Jahrhundert
Verlag W. Kohlhammer
Übersetzungen: Gerlinde Baumann, Christine Brocks, Christina Jacobs, Maren Müller, Gabriele Stein
1. Auflage 2018
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17- 021933-5
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17- 031506-8
epub: ISBN 978-3-17- 031507-5
mobi: ISBN 978-3-17- 031508-2
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Der vorliegende Band präsentiert erstmals im deutschen Sprachraum eine umfassende, interkonfessionelle und -disziplinäre Geschichte des globalen Christentums im 20. Jahrhundert. Ausgewiesene (Kirchen-)HistorikerInnen und ReligionswissenschaftlerInnen zeichnen die Entwicklungen in diesem Jahrhundert der Weltkriege bis in die Postmoderne nach. Neben den geographisch gegliederten Beiträgen werden auch überregionale, thematische Fragestellungen wie Ökumenismus und christlicher Antisemitismus kompetent und verständlich vorgestellt.
Jens Holger Schjørring ist Prof. em. für Kirchengeschichte an der Universität Aarhus. Dr. Norman Hjelm ist luth. Pastor und Senior Theological Editor, Wynnewood, PA. Dr. Kevin Ward ist Senior Lecturer in African Religious Studies an der University of Leeds.
Vorwort
Einleitung – Das Christentum im 20. Jahrhundert
1. Der Erste Weltkrieg und die vorangegangenen regionalen Konflikte in aller Welt
2. Die christlichen Kirchen in den modernen Gesellschaften
3. Edinburgh 1910. Die Frühphase der ökumenischen Bewegung
4. Neuartige Erweckungsbewegungen
5. Die Zeit zwischen den Weltkriegen
6. Der Zweite Weltkrieg
7. Eine neue Ära nach 1945
8. Das Zweite Vatikanische Konzil
9. Eine neue globale Ordnung nach 1989/1990
Literatur
Das Christentum im Ersten Weltkrieg
1. Das erste Kriegsjahr
2. Ökumenische Vermittlungsbemühungen
3. Die mittlere Phase des Krieges
4. Kriegsabschluss – Waffenstillstand – Friedensverträge
5. Ausblick
Literatur
Das Christentum in Europa und Nordamerika zwischen den Weltkriegen 1918–1939
1. 1918 – Nach dem Ersten Weltkrieg
2. Die Kirchen und ihre Strukturen
3. Die neuen Dilemmata der christlichen Politik
4. Christlicher Glaube im neuen Zeitalter
5. Die Landschaften des Christentums in Europa und Nordamerika 1939
Literatur
Die Kirchen im Zweiten Weltkrieg
1. Vorgeschichte und Verlauf
2. Deutschland
3. Krieg und Christentum in Europa
4. Außereuropäische Perspektiven
5. Fazit
Literatur
Das Christentum in Europa und Nordamerika zur Zeit des Kalten Kriegs
1. Christliche Rechtfertigung 1945
2. „Save Europe Now!“ 1945–1949
3. Die Vision und die Teilung Europas
4. Das Atomzeitalter
5. Das Papsttum und der Kalte Krieg 1945–1958
6. Verfolgung und Annäherung im Ostblock
7. Wiederaufbau und Ökumene: Der Ökumenische Rat der Kirchen, 1946–1961
8. Der Kalte Krieg und die christliche Freiheit im Westen
9. Die neuen theologischen Grenzen
10. Die neuen kreativen Welten
11. Der neue Papst Johannes XXIII. und sein revolutionäres Konzil
12. Christen und das gesellschaftliche Leben
13. Schlussüberlegungen
Literatur
Christentum, Menschenrechte und sozialethische Neuorientierungen
1. Kirchliche Ablehnung der Menschenrechte
2. Christliche Skepsis gegenüber der Gleichheit des Menschen
3. Die Entstehung der Allgemeinen Menschenrechtserklärung von 1948
4. Menschenrechte als neue ökumenische Leitlinie nach 1948
5. Menschenrechte als Zentrum des Helsinki-Prozesses in den 1970er Jahren
6. Neue sozialethische Perspektiven: Menschenrechte als soziale Gerechtigkeit
7. Richtungswechsel in der ökumenischen Sozialethik
8. Das Jahr 1989/90 als globale Zäsur
Literatur
Die ökumenische Bewegung und die Entstehung eines Weltchristentums im 20. Jahrhundert
1. 1910–1928: Vorläufer und Anstöße
2. 1928–1948: Die Kirche und die Kirchen
3. 1948–1968: Die Kirche in der Welt
4. 1968–1983: Geteilte Kirche und Welt
5. 1983–1998: „Ökumenischer Winter“ oder Weltchristentum?
Literatur
Das Zweite Vatikanische Konzil: Wie das erste globale Konzil den Katholizismus transformierte
1. Der Architekt des Konzils: Johannes XXIII.
2. „Morgenröte“ über der Kirche: Die erste Sitzungsperiode des Konzils
3. Eine zweite Konzilssitzungsperiode und ein neuer Papst
4. Auf dem Weg zu weiteren Fortschritten: Die dritte Sitzungsperiode
5. Eilig zu Konsens und Abschluss: Die letzte Sitzungsperiode des Konzils
6. Die Transformation des Dienstes der Kirche in der Welt
7. Das Konzil gelangt zu einem Abschluss – oder nicht?
8. Hermeneutik und Rezeption – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Konzils: Eine Einschätzung
Literatur
Antisemitismus, Holocaust und Neuorientierung
1. Von der religiösen Judenfeindschaft zum rassisch begründeten Antisemitismus
2. Ausbildung und Folgen des „modernen“ Antisemitismus
3. Latenter Antisemitismus während des Ersten Weltkriegs und in der Zwischenkriegszeit
4. Antisemitismus im Zeichen der Shoah
5. Antisemitismus nach 1945 und Umdenken im Bereich der Kirchen
Literatur
Das Christentum im Kontext anderer Weltreligionen: Interreligiöse Dynamiken und Entwicklungen im 20. Jahrhundert
1. Verdichtung des internationalen Austauschs und unterschiedliche Zugänge zu anderen Religionen: Zwischen Chicago 1893 und Edinburgh 1910
2. Der Erste Weltkrieg als tiefgreifender Einschnitt
3. Neue Konstellationen im interreligiösen Dialog
4. Dialogansätze und Dialogprogramme nach dem Zweiten Weltkrieg
5. Zwischen Lateinamerika und Südafrika, zwischen Christentum und Islam: Der Beitrag der Befreiungstheologie
6. Ansätze eines gemeinsamen Vorgehens gegen Radikalisierung und Verfolgung
Schlussbemerkung
Literatur
Christentümer im Asien des 20. Jahrhunderts (1910‒2010)
1. Asiatische Christentümer
2. Die Weltmissionskonferenz (Edinburgh, 1910) und ihr Einfluss auf die reformatorisch geprägten Christentümer in Asien
3. Das II. Vaticanum und der asiatische Katholizismus
4. Die orthodoxen Kirchen in Asien, 1910‒2010
5. Gemeinsame Herausforderungen und Chancen
Literatur
Afrikanisches Christentum im 20. Jahrhundert – Teil 1
1. Einleitung: Die Kühnheit des Glaubens
2. Das 20. Jahrhundert: ein neuer Morgen
3. Das 20. Jahrhundert: ein pfingstliches Zeitalter
4. Begegnung mit einem nachwestlichen Christentum
5. Eine komplexe Beziehung: Christen und Muslime im 20. Jahrhundert
6. Religiöse Bewegungen im 20. Jahrhundert
7. Glaube als Vertraut-Werden: die Macht der Übersetzung der Botschaft
8. Das 20. Jahrhundert: grenzüberschreitendes Christentum
9. Schluss: Den Geist nicht ersticken
Literatur
Afrikanisches Christentum im 20. Jahrhundert – Teil 2
1. Einleitung
2. Der Erste Weltkrieg und der Höhepunkt des Kolonialismus in Afrika
3. Missionschristentum und afrikanische Kultur
4. Erneuerungsbewegungen in den Missionskirchen
5. Nationalismus und Unabhängigkeit
6. Widerstand und Martyrium im unabhängigen Afrika
7. Apartheid und Christentum
8. Die afrikanische christliche Stimme gegen Apartheid
9. Black Consciousness
10. Das Christentum und das Ende der Apartheid
11. Die orthodoxe Tradition im afrikanischen Christentum des 20. Jahrhunderts
12. Schluss
Literatur
Das Christentum in Lateinamerika und der Karibik im 20. Jahrhundert
1. Gesellschaftliche und kirchliche Situation um 1900
2. Wandel des sozialen und politischen Bewusstseins der katholischen Kirche
3. Ausweitung der protestantischen Präsenz
4. Entwicklung der (kontinental-)kirchlichen Strukturen
5. Das Zweite Vaticanum und seine Rezeption in Lateinamerika
6. Die Befreiungstheologie – eine theologische Reflexion lateinamerikanischer Realitäten
7. Christentum und revolutionäre Bewegungen
8. Kirche(n) und Diktaturen
9. Wachstum und Konsolidierung des Protestantismus
10. Der Katholizismus an der Schwelle zum neuen Jahrtausend
11. Abschließende Überlegungen: Das Christentum Lateinamerikas im 20. Jahrhundert
Literatur
Die Geschichte des Christentums im Nahen Osten zwischen 1917 und 2017
1. Der Erste Weltkrieg
2. Die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen (1925–1939)
3. Der Zweite Weltkrieg und der Palästinakrieg
4. Der Krieg von 1967 und seine Folgen
5. Der Jom-Kippur-Krieg von 1973 und seine Folgen
6. Die Nachwehen des „Arabischen Frühlings“
Literatur
Das Jahrhundert des Christentums? Eine Geschichte des Christentums in Nordamerika im 20. Jahrhundert
1. Die „christliche Kultur“ und das Unbehagen daran
2. Ein New Deal für das nordamerikanische Christentum
3. In der Wüste?
Literatur
Das Christentum in Europa nach 1945
1. Einleitung
2. Die Entwicklungsphasen
3. Gemeinsame Faktoren
4. Regionale Unterschiede
5. Abschließende Bemerkungen
Literatur
Australien, Neuseeland und Ozeanien
1. Die Ursprünge des Christentums in der Pazifikregion
2. Australien und Neuseeland
3. Das Christentum der Siedler
4. Die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs
5. Veränderungen nach dem Zweiten Weltkrieg
6. Die Beziehungen zwischen den Kirchen
7. Einheimische Kirchen und Kirchenleitungen
8. Pfingstkirchen und charismatische Bewegungen
9. Die Herausforderungen von Säkularismus und Irreligiosität
10. Schlussbemerkungen
Literatur
Das Christentum in Russland und im östlichen Europa
1. Der Gegenstand
2. Abriss der Profangeschichte
3. Die Russische Orthodoxe Kirche
4. Andere christliche Kirchen
5. Übergreifende Themen
6. Abschließende Überlegungen
Literatur
Zusammenfassung und Ausblick
1. Überblick 1917–1989
2. Katastrophen im 20. Jahrhundert
3. Die Verschiebung des Gleichgewichts von Nord nach Süd
4. Christentum und Bildung
5. Modernistisch versus liberal
6. Erweckung
7. Schlussbemerkungen
Kurzbiographien der beteiligten Personen in alphabetischer Reihenfolge
Ortsregister
Personenregister
Abbildungsverzeichnis
Die drei Bände zur globalen Geschichte des Christentums seit der Reformation im 16. Jahrhundert bis in das 20. Jahrhundert gehen auf die Notwendigkeit einer Weiterführung der viel beachteten, Reihe „Die Religionen der Menschheit“ zurück. Herangehensweise und Inhalt der Bände das Ergebnis intensiver Studien und fruchtbaren gegenseitigen Austauschs der unterschiedlichen Perspektiven der an diesem Projekt Beteiligten.
Jens Holger Schjørring, emeritierter Kirchenhistoriker der Universität Aarhus/Dänemark, wurde von den Herausgebern der Reihe „Religionen der Menschheit“ angefragt, dieses Projekt zu leiten. Schjørring seinerseits bat den amerikanischen theologischen Lektor Norman Hjelm, mit ihm zu Werke zu gehen. Für diesen dritten und abschließenden Band der Serie verstärkte Kevin Ward, emeritierter Associate Professor and Senior Lecturer in African Religious Studies an der Universität Leeds die Gruppe der Herausgeber. Die drei Wissenschaftler hatten bereits lange erfolgreich zusammengearbeitet und haben diese gemeinsame Tätigkeit nun fortgesetzt.
Von Beginn an war deutlich, dass die drei Bände inhaltlich global ausgerichtet und der Kreis der Beteiligten international und interkonfessionell zusammengesetzt sein würde. Mehr als dreißig Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Afrika, Amerika, Europa, Lateinamerika, dem Nahen Osten sowie Neuseeland konnten für das Projekt gewonnen werden. Die Verfasser haben eng kooperiert, damit sich ihre Beiträge inhaltlich aufeinander beziehen. Dabei hat jeder von ihnen zu Beginn einen Ausblick formuliert, der dann im Gespräch und in gegenseitiger Beratung überprüft und überarbeitet wurde, ohne dass Inhalt und Stil der Beiträge eine individuelle Prägung vermissen lassen würden.
Während des Entstehungsprozesses gab es zwei größere Treffen der Verfasser: eines im September 2011 im Tagungszentrum der Universität Aarhus in Sandbjerg und ein weiteres im Mai 2015 an der Universität Göttingen. Autorentreffen in kleinerem Rahmen wurden 2012 in Göttingen und 2013 im englischen Chichester abgehalten. Diese Treffen wurden durch großzügige Zuschüsse der Universität Aarhus, des Kohlhammer-Verlags, der Universität Göttingen sowie des George Bell Instituts in Chichester ermöglicht. Das letzte und größte dieser Treffen fand 2015 unter der Leitung des Kirchenhistorikers Thomas Kaufmann an der Universität Göttingen statt; die Mittel hierfür wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie der Theologischen Fakultät der Universität Göttingen bereitgestellt.
Angesichts des globalen Charakters dieses Projekts werden die Bände nun sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache veröffentlicht. Neben der vorliegenden deutschsprachigen Ausgabe zeichnet der internationale Wissenschaftsverlag Brill für die englische Ausgabe verantwortlich. Unser Dank gilt Jürgen Schneider, Sebastian Weigert, Julia Zubcic und Daniel Wünsch vom Kohlhammer-Verlag sowie Mirjam Elbers, Ingrid Heijkers-Velt, Tessel Jonquière und Wilma de Weert von Brill. Katharina Kunter (Bd. 1) und Anke Silomon (Bd. 2 und 3) haben die redaktionelle Betreuung übernommen. Gerlinde Baumann, Christine Brocks, Christina Jacobs, Priska Komaroni, Maren Müller, Norbert Reck und Gabriele Stein haben einzelne Beiträge für Kohlhammer aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt; David Orton hat für Brill Übersetzung vom Deutschen ins Englische angefertigt. Sie haben die mühevolle Aufgabe des Übersetzens kompetent und mit viel Sprachgefühl gemeistert.
Neben den bereits genannten Institutionen und Personen möchten die Herausgeber und Verlage auch drei dänischen Stiftungen für ihre großzügige Unterstützung dieses Projekts danken: der Velux-Stiftung in Kopenhagen, der Forschungsstiftung der Universität Aarhus sowie dem G.E.C. Gads Fond in Kopenhagen.
Die drei Bände befassen sich in umfassender Weise mit der globalen Geschichte des Christentums, auch wenn dieses Vorhaben nicht im Sinne der traditionellen „Kirchengeschichte“ zu verstehen ist. Natürlich widmen sich historische Betrachtungen auch den Kirchen. Doch die Prägungen, die das Christentum im Leben der Menschen hinterlassen hat, lassen sich nicht auf institutionelle oder dogmatische Einflüsse reduzieren. Vielmehr geht es hier um „Kultur“ im weitesten Sinne. Im Fokus stehen die zahlreichen Wechselwirkungen, die zwischen dem Christentum und der jeweiligen Gesellschaft mit ihren politischen und sozialen Ordnungen, der Ökonomie, der Philosophie, der Kunst sowie den vielfältigen Bemühungen bestehen, welche die Kulturen, Nationen und menschlichen Gemeinschaften ausmachen. Wie war das Christentum in die größeren Strukturen des menschlichen Lebens verwoben? Diese Frage nach der „Kultur“ in ihren vielgestaltigen Aspekten hat es nahegelegt, eine interdisziplinäre Arbeitsweise unter Einbeziehung von Erkenntnissen aus Theologie, Kirchengeschichte, Religionswissenschaften, Soziologie und Kulturwissenschaften zu entwickeln.
Darüber hinaus geht es in den vorliegenden Bänden um die globale Entwicklung des Christentums im Laufe der vergangenen 400 bis 500 Jahre. Zuvor war das Christentum – abgesehen von einigen „Außenposten“ und zum Teil sehr alten christlichen Gemeinschaften in anderen Regionen der Welt, etwa in Folge der ostsyrischen Mission entlang der Seidenstraße, in Äthiopien, oder Indien – überwiegend auf Europa inklusive Russland beschränkt. Nun aber erreichte der Wirkungsbereich des Christentums vor allem durch die Mission an der Seite der wirtschaftlichen Kräfte sowie durch Eroberungs- und Migrationsbewegungen ein Stadium, in dem sein demographischer Schwerpunkt jetzt zu Beginn des 21. Jahrhunderts nicht mehr auf der Nordhalbkugel, sondern dezidiert auf der Südhalbkugel liegt. Während der letzten 500 Jahre, der Zeitspanne, die die vorliegenden drei Bände behandeln, entwickelte sich das Christentum im Zuge der europäischen Expansion sowie aufgrund wissenschaftlicher und ökonomischer Errungenschaften zu einer globalen Religion und wurde sich selbst dieser Tatsache immer mehr bewusst. In einem Zeitraum von ungefähr 400 Jahren ging die Dynamik weitgehend von Europa in Richtung der südlichen Hemisphäre – Amerika, Asien, Afrika. Sein Zentrum verschiebt sich allerdings etwa seit dem Ersten Weltkrieg vom Norden und Westen in den Süden und Osten. Deutliche Anzeichen von Stagnation und Niedergang der Kirchen, die die Expansionsbewegungen des Christentums ausgelöst haben, sind vor allem in Europa erkennbar. Die Kirchen des globalen Südens hingegen sind geprägt durch beeindruckendes Wachstum und große Lebendigkeit.
Diese Globalisierung des Christentums wird in den vorliegenden Bänden mit einem ökumenischen Ausblick verbunden. Dieser viel benutzte Begriff bedeutet seinem Ursprung nach „die ganze bewohnte Welt betreffend“. Das Christentum hat seit seinen Anfängen den Anspruch vertreten „ökumenisch“ zu sein – nicht nur im geographischen Sinn, sondern als ein Glaube, der in allen menschlichen Vollzügen zum Ausdruck kommt. Die Autorinnen und Autoren dieser drei Bände entstammen einer Vielzahl christlicher Konfessionen und Kontexte. Darüber hinaus spiegelt sich in der Unterschiedlichkeit der Beiträge auf vielfache Weise die Pluralität des Christentums in allen Lebensumständen der Menschheit wieder. Durch diesen ökumenischen Ansatz stehen die Beiträge hinsichtlich historischer Entwicklungen, thematischer Besonderheiten innerhalb der einzelnen Kontexte und geographischer Besonderheiten miteinander in engem Zusammenhang und beziehen sich aufeinander.
Wenn man sich der Herausforderung stellt, den Werdegang der Christenheit in den letzten 500 Jahren zu beschreiben, treten einige einschneidende Wendepunkte der Geschichte in besonderer Weise hervor. Im ersten Band sind es die Ereignisse und Entwicklungen, im Kontext der Reformation: die Entstehung und Ausbreitung des Protestantismus in Europa und darüber hinaus, Katholische Reform und Gegenreformation; ebenso die Eroberung Konstantinopels 1453 und der daraus abgeleitete Anspruch des Moskauer Patriarchats, „das neue Byzanz“ zu sein – all das waren epochale Wenden in der Weltgeschichte und in der Geschichte des globalen Christentums.
Der zweite Band macht die Französische Revolution 1789 mit dem Ende des Ancien Régime als Fanal des Zusammenbruchs der bestehenden Ordnung in Europa aus. Russland hat die Ideale der westlichen Aufklärung letztlich nicht übernommen und auch die nicht-westliche Hemisphäre wurde von den Zielen der Französischen Revolution kaum beeinflusst. Die Kirchen im globalen Osten und Süden – zumeist hervorgegangen aus den Missionsbewegungen des 19. Jahrhunderts – begannen Ihre Wege aus der Abhängigkeit.
Der vorliegende dritte Band zeichnet nach, wie mit dem Ersten Weltkrieg der totalen Zusammenbruch der Zivilisation in Europa einherging und in welchem Ausmaß er, auch und gerade die Christentümer – genauso wie die übrigen zivilen Institutionen – in den kriegsführenden Ländern kompromittiert hat. Die Europäische Zivilisation – die „Alte Welt“– hat dramatisch an Glaubwürdigkeit und Einfluss verloren, ein Prozess, der durch die Schrecken des Zweiten Weltkriegs noch verschärft wurde. Eine nochmalige Intensivierung erfuhr diese Entwicklung während er 1960er-Jahre – die Welt befand sich im Kalten Krieg, neue Orientierungspunkte lagen im globalen Süden und auch die Kirchen orientierten sich vielfach neu. Während die Welt von Machtkämpfen, Unruhen und Konflikten aller Art bestimmt wurde, die eine neue politische Landschaft hervorbrachten, setzte sich das Christentum mit den neuen politischen und ökonomischen Wirklichkeiten auseinander. Ein einschlägiges Exempel für diesen Prozess ist das Zweite Vatikanische Konzil 1962–1965.
Die ersten Beiträge des vorliegenden Bandes beschäftigen sich mit den großen Wendepunkten des Jahrhunderts und besonders mit Ihren Auswirkungen auf das Christentum: der Erste Weltkrieg und sein Nachspiel in der Zwischenkriegszeit, der Totalitarismus, der Zweite Weltkrieg und der sich anschließenden Kalte Krieg, die Polarisierung der Welt in Ost und West, Nord und Süd. Die Beiträge in der Mitte des Bandes behandeln die großen Themen, die das Christentum und die Kirchen im 20. Jahrhundert bewegten und bewegen: Menschenrechte und neue Formen der sozialen Gerechtigkeit, der Ökumenismus nach der Weltmissionskonferenz in Edinburgh 1910 und das Zweite Vaticanum, die Katastrophe des Holocaust und das Aufdecken antisemitischen Gedankenguts innerhalb der Kirchen, neue Verständigungen im jüdisch-christlichen Verhältnis und neue Denkmuster in der Beziehung des Christentums mit anderen Weltreligionen. Der Dritte Teil ist eine regionale Darstellung der Entwicklung des Christentums in Asien, Afrika, Lateinamerika und der Karibik, dem Nahen Osten, Nordamerika, Europa, dem Pazifischen Raum, sowie in Russland und Osteuropa.
Bei einer großen Anzahl von Beitragenden bleibt nicht aus, dass gerade bei kontroversen und aktuellen Themen, wie z. B. den politischen und religiösen Konflikten im Nahen Osten, der Wiege der christlichen Religion, unterschiedliche Einschätzungen zur Sprache kommen. Die verschiedenen Positionen, persönlichen Überzeugungen aber auch divergente Forschungstraditionen beleuchten in ihrer eigenen Weise sowohl das Wesen der jeweiligen Konflikte, als auch die bisher erfolglose Suche nach einer tragfähigen Lösung.
Mit großer akademischer Integrität und im kollegialen Bestreben, zu einem besseren Verständnis der jeweils Anderen und der globalen Verständigung beizutragen haben alle Autorinnen und Autoren ihre Beiträge verfasst. Ihnen sei dafür herzlich gedankt.
Jens Holger Schjørring
Aarhus, Dänemark
Norman A. Hjelm
Wynnewood, Pennsylvania, USA
Kevin Ward
Leeds, England
Januar 2018