Per Anhalter von Boa Vista an der brasilianisch-venezolanischen Grenze nach Porto Alegre im Süden Brasiliens – der Brasilianer und Sprachspieler Zé do Rock hat sich auf eine ungewöhnliche Reise begeben, um den Besonderheiten, Klischees und Eigenheiten seiner brasilianischen Heimat nachzuspüren.
Er interviewt Fahrer, die ihn mitnehmen, redet mit Menschen, denen er auf seiner Reise begegnet, und spricht mit ihnen über »ire träume und wie weit sie sie realisieren konnten, ire siege und niederlagen in ihrem materialen, emotionalen und sexualen leben«. Er erzählt vom Norden, dem Amazonas-Gebiet, dem Wilden Westen Brasiliens, »von indianern, goldgräbern, farmern aus dem süden mit namen wie Schmidt und Mayer, groszgrundbesitzern und multis, über den armen nordosten, den hochindustrialisierten südosten und den süden mit seinen fachwerkhäusern«.
Aus den Begegnungen schafft er »ein caleidoscópio brasilianischer biografias« mit zahlreichen Eindrücken und überraschenden Informationen über die Geschichte des Landes und über die brasilianische Gesellschaft.
Natürlich ist das Buch in Normaldeutsch à la Zé do Rock und in einer »verportugiesierten versão im progressivo modo« verfasst. Kein Problem also, in Zé do Rocks Sprachwelten einzutauchen und seinem Witz, Humor und anarchischen Blick zu folgen. Ein unverzichtbares Standardwerk: »das grosze brasilicum«.
Zé do Rock is vor verdammt langer zeit in Brasilien geboren, hat nix studiert aber 34375 tage geleebt, 3357 litter alkohol gesoffen, 940 stunden flöte und 648 stunden fussbal gespilt, 200 000 kilometer in 1457 autos, flugzeugen, schiffen, zügen, oxenkarren und traktoren geträmpt, 111 länder und 16 gefängnisse besucht, sich 8 mal verlibt, 5 bücha geshriben, ein film gedreet, eine kunstsprache erfunden, ein vereinfachtes deutsh kreirt und er lebt noch heut, meist zwishen Stuttgart und München.
Zé do Rock
per anhalter durch die brasilianische galaxis
Edition diá
prólogo
territorio de Chavez
wie Paris, aber nich ganz
der gato Picasso
história do Brasil
der geburtsort Jesu
die hunda und die boa
der onibus und die cavalaria
Hitler is brasileiro
mapapapamapapapapapo
libe is kein einfaches ding
der kleine orangenverkäufer
Robin Hood
mit dem didgeridoo wie in India
der opa der oper macht
der wilde westen
ik heff a padaria
populaçao
Copacabana und regen one ende
a brasileira
der rosa moloch
das leiden der mittel-classe brasileira
der polenstat
fussball
Schroeder und Pomerode
a lingua
ein gaúcho in der pampa
im ausland is auch schön
danke! valeu!
Impressum
A schweizer in Nepal erzählte mir mal von einem erlebnis in Brasilien: er wollte a zug nach Porto Alegre am folgenden tag um 12:30 uhr nehmen, er kaufte dás ticket, am näxten tag ging er um 12 uhr zum bahnhof und sah wie der zug gerade wegfuhr. Er ging zu a bahnangestellten und protestierte entsetzt, wieso fährt der zug a halbe stunde früher weg als im fahrplan angegeben wird? Keine bange, sagte der bahnbeamte, der zug, der gerade weggefahren is, is der zug, der gestern um 12:30 uhr hätte losfahren sollen.
Ja, die geschichte bestätigt das klischee. Nur, die brasilianische bahn hat praktisch aufgehört zu existieren, und normalerweise fährt má mit dem bus. Dabei sind die brasilianischen busse viel konfortabler als die Deutsche Bahn und pünktlich wie a schweizer uhr, falls die schweizer uhren noch pünktlich sind. Während die Deutsche Bahn … Einmal hab ich a kleinstatistika gemacht und die pünktlichkeit von 10 zügen gemessen, die ich genommen hab: 2 waren pünktlich, 7 waren unpünktlich und einer is gar nich erschienen. Das klischee der inkompetenz der brasilianer entspricht so der wahrheit wie dás klischee des perfektionismus der deutschen – oder ihrer humorlosigkeit. Immerhin haben sie sogar a museum, das a humoristen gewidmet is, dás Valentin Musäum am Isartor in München. Das müssen die brasilianer den deutschen erstmal nachmachen!
Dieses buch beschreibt meine tramp-reise durch Brasilien, von der venezolana grenze im norden bis zur uruguaya grenze im süden. Das concept is, die fahrer, die mich mitnehmen, und sonstige interessante leute zu interviewen, die mir über den weg laufen, und so a caleidoscop brasilianischer lebensläufe zu zeichnen.
Meine bücher haben immer a linguistisches element, und in diesem fall is es die brasilianisierung: ich schreibe wörter, die im deutschen und im portugiesishen ähnlich sind, auf portugiesish. Dann sind dá noch die falshen freunde, das heisst, ich schreibe wörter, die im portugiesishen ähnlich aussehen, aber a ganz andere bedeutung haben, auf portugiesish. So schreib ich »má« für »man«, »vida« für »wieder«, obwohl »má« für »schlechte« und »vida« für »leben« stet.
Vom brasilianisaden deutsch wandert der text zum wunschdeutsch forte, was etwas leichter is als die brasilianisade version. Wunschdeutsch forte is wunschdeutsch mit der romanisch- beeinflussten a-i-o-u-lösung, wo das A am ende für feminin steht, das I für neutral (bei lebewesen), das O für masculin und das U für sächlich (wirklich für leblose sachen, so vil wir wissen). Also a »hunda« is a hündin, a »hundi« das tir und »hundo« a masculiner hund. Da a par artikel für das ganze systema fehlen, gebrauch ich lokal das simplifizierte systema da kaudadeutsh, wo’s nur noh die determinierten artikel »die/el« und die undeterminierten artikel »a/en« giv, die zweiden opcionen nur, wenn danach a vocal commt. Kaudadeutsh is en internacionaliset un multiculti deutsh, dat brasilis betta capie cann. Dann wandert der text zum normalen wunschdeutsch, er wird also etwas »lesbarer«: ich hab 20.000 zuschauer in showlesungen über orthografie-änderungen abstimmen lassen und so a basisdemokratisches deutsch kreiert. Danach wird der text fast wie schwerdeutsch, bevor er wider in die brasilianisierung eintaucht und alles wida von vorne losgeht. Das ganze passiert fliszend, in wellen, und von wellen versteen die brasilianer was, so eine lange küste mit so vielen stränden gibts ja nur in disem land.
Dá ausländer brasilenische namen meistens falsh prononciaren, schreib ich die prononcierung gleich nach jedem eigennamen. Da ich kein IPA-alfabet auf meiner tastatur há, wie má sie in diktionaren sieht, verwend ich SAMPA. Dieser code is ähnlich wie dás IPA-alfabet, mit der diferença, dás man ihn mit a normalen computer-tastatur schreiben kann. In diesem fall is es wichtig zu wissen, was andas is als dás, was man erwartet oder was má nich kennt:
/@/ schwa, vogal de indiferença, wi dás E en »vogel« oder »machen«. Im portugiesishen is es meistens betont
/e/ geschlossenes E wi en »beet«
/E/ offenes E wi en »fell«
/N/ das »ng« wi es im süddeutschen prononciad wird, also »ring« ohne G (oder K) am ende
/o/ geschlossenes O wi en »logo«
/O/ offenes O wi en »kopf«
/s/ scharfes S wi en »essen«
/S/ sch
/v/ wi en »villa«
/z/ wi S en »rose«
/Z/ wi J en »journalist«, wenn schön francesish prononciad, also weiches »sch«
/’/ der apostrof wird vor der betonten silaba gestellt, es sei denn, die erste silaba is betont
Ich hoffe, dás der leser was neues erfährt über dieses fascinirende land, dás er sich vergnügt und es bis zum ende des buches schafft, ohne dás ihm dabei schwindelig wird. Für den wahrheitsgehalt der geschichten kann ich nich garantiren, die entreviwten waren brasileiner.
Aus diversen gründen war die platzirung de fotos leida nich möglich. Die leser aba, die sich dafür interessaren, können die site www.zedorock.net/fotos.html besuchen. Es wär für mich ein trost, wenn nich nur die NSA die fotos anschaut.
Der billigste flug nach Caracas und zurück aus Südbrasilien geht über Atlanta oder Houston, da bin ich aber über 50 stunden unterwegs. Also zahl ich doch etwas mehr und fliege mit Lufthansa direkt hin. Meine angst vorm fliegen is etwas abgeflaut, ich bin nach a traumatischen flug durch a stürmische nacht mit einer in Europa wegen sicherheitsmängeln verbotenen aerlinea de Guinea Ecuatorial nach Cameroun abgehärtet. Und bei Lufthansa is sie inzwischen so wenig, dás ich sogar a bisschen schlafen kann. Ich belächel meistens den sicherheitsfimmel der deutschen, beim fliegen bin ich aba heilfroh, dás ich mit dieser aerlinea unterwegs bin. Ganz abgesehen vom guten service. Hallo, Lufthansa, ihr kennt ja die nummer von meinem conta.
Am airport von Caracas verlass ich die sicherheitszone und werd diskret von einem airport-angestellten gefragt, ob ich a dreimal besseren kurs für mein geld will – ich wusste gar nich, dass es noch irgendwo schwarzmarkt auf der welt gibt. Auf der autobahn-fahrt nach Caracas rammt der bus, in dem ich mich befinde, a motorrad, und die autobahn bleibt a halbe stunde gesperrt. Venezuela war schon reich, jetz is es eer so-lala. Man kann nirgends rauchen, alkohol is an vilen stellen verboten – das war die erste amtshandlung von Chavez, als er an die macht kam. Genützt hat es ihm nich viel.
Ich nehm a buss zur grenze, werd sieben mal controlat, 3 mal mit gepäckdurchsuchung. 24 stunden später erreich ich Santa Elena an der grenze. Manche venezolaner haben a gute meinung von den brasilianern, manche weniger. Beim frühstück in a bar sitz ich neben a fünfziger, fang a conversacion mit ihm an, nach ein oder zwei minuten merk ich a kleinigkeit en seiner sprache, die ihn als brasilianer verrät – brasilianer lernen alles, nur nich a clares A vor M oder N zu pronunciaren, dás is dán dunkel und nasalisat wie dás francés »en« im wort »rien«. Er is seit 25 jahren hier, und ich frag ihn, ob die venezolaner die brasilianer mögen. Er meint, die venezolaner mögen niemanden, erst recht nich andere latinamericaner. Gute erfarungen hab ich in meinen vergangenen reisen durch dieces land nich gemacht, und ich wurde schon verhaftet, weil imigración und policei andere vorstellungen haben von dem, was richtig is, und dem, was nichtig is. Das beste im land is die Gran Sabana, a region mit eigenartigen bergen und dem höchsten wasserfall der welt. Dás is für mich eines der echten weltwunder.
Apropos fünfziger, ich gebrauch wörter wie fünfziger, zwanziger, dreissiger nich nur für monedas, sondan auch für personas, je nachdem wie alt sie sin. Im deutschen kann man »mittfünfziger«, »endfünfziger« gebrauchen, aba kein »anfangfünfziger« un auch kein fünfziger, in so a fall. Das behindert einen, also tu ich es trotzdem. Das heisst, bei der sentenza »Der fünfziger sprach mich an« sollte der leser wissen, dás es sich um a persona handelt un nich um a geldschein. Die halbstarken heissen dann zener un die kleinen heissen nuller, man darf aber auch »kind« zu ihnen sagen.
En dicem land muss man eh gut aufpassen: a freundin, die vil holz vor der hütte hat, erzählte, dás ihre locale freunde si immer »die teutonin« nannten, »la tetona«. Ich fragte, wi genau sagten si, »teutona« oder »tetona«? »Tetona.« Ich musste si aufklären, dás »teutona« die teutonin is, während »tetona« für a groszen busen steht.
An der grenze werd ich gefilzt, man findet kein gold, keine drogas, un weil der soldad nich zufrieden is mit der dünnen ausbeute, muss ich noch hose un unterhose ausziehen. Dabei is Venezuela jetz vollmitglied des Mercosur (bras. Mercosul), sozusagen die EU de Südamerica, dá sollte freier waren- un persona-verkehr herrschen.
Die brasileina seite há keine controlen, man is in null komma nix drin. Ja, und nu geht es los, ich muss trampen und leute entreviwen. Ich lauf auf da landstrada en da bewölkten schwüle, keiner hält, und als nach stunden endlich jemand hält, is es die venezolana Carmen. Die brasileiner sollten sich schämen.
Ich such a hotel en Boa Vista, da capital des bundes-stades Roraima, und comme zum Hotel Colonial, scheinbar dás billigste en da stadt – nich einmal 30 euro. Ich müsste erstmal im internet prüfen, ob mich keiner von Couchsurfing eingeladen hat, dem internacionalen netz für gegenseitige besuche. Ich bitte, mal curz ins internet zu gehen, bevor ich dás zimmer nehm. Die wirtin is categorisch en der antwort: nein. So muss ich a lan-house, ein internet-café, suchen, und dá keiner sich gemeldet hat, ein anderes, teureres hotel finden, was dann stunden dauert. A mau geschäft für mich und für die wirtin vom Colonial, aba wenn se so blöd is. Dás is die famosa flexibilidade brasileina.
Im hotel schau ich mich im spiegel an, meine gesichtsröte von der sonne, die nich geschienen hat, is nich zu überbieten. Verglichen mit mir is ein inglender auf Mallorca zartrosa. A richtiger tourist im eigenen land. Und wenigstens hab ich a gutes brasileinishes frühstück, mit säften aus frutas amazôniscas, z. b. cupuaçu und acerola (a wahre bomba de vitamina C), diversas quiches, omelete, pao de queijo (a brötchen aus keseteig) und müsli.
Boa Vista, die capital des bundesstades Roraima, wurde en den 40er jahren geplant und gebaut, nach dem vorbild de Paris, aba ganz wi Paris sieht die stadt nich aus, auch wenn se viele breite alleen há. Se war noch vor wenigen jahrzehnten a dorf, jetz is se so grosz wi Karlsruhe.
Viele indio-gesichter hier – wenn ich sie en São Paulo (/s@uN paul(u)/ oder /s@m p@ul(u)/) gesehen hätte, würd ich denken, die leute sind aus Paraguay oder Bolivia. Ach so ja, en manchen ländern Südamericas is dás wort »indio« auch nich mehr politisch correct, má sagt »original«. Also sieht má hier viele originalgesichter.
Comisc, ich bin em meinem land, aber ich kann dás alles hier nich richtig meine heimat nennen. Es is Brasilien, und die leute sprechen portugiesis, aber erstens wohn ich schon so lange nich mehr im land, und bis zu meiner heimatstadt braucht man eine woche mit dem bus. Es is schon a bisschen a andré welt hier, ein anderes Brasilien.
Ich mach mich auf den weg nach Manaus. Dás trampen gestaltet sich wida difícil, keiner hält. Es is auch wochenende, und em den meisten autos sitzen ganze famílias drin. Als ich nich mehr glaube, dás ich wegkomm, hält ein LKW. Der fahrer erzählt mir seine geschichte, wenn auch etwas ungern: mein erster brasileiner entreviw-partner is a schweigsamer typ, dás geht gut los.
Heissen tut er Eugbergh de Oliveira. Er is a dreissiger, há weisse gesichtszüge, is aba ziemlich dunkel. Geboren wurde er im hinterland vom stado Maranhão (/mar@’ñ@uN/), der früher der zweitärmste stad war und nu der ärmste. Sein grossvater hatte 37 kinder von 3 diversas frauen und dann noch a par von einigen affären. Er hatte a grundstück, wo manjok und reis angebaut wurde, also hungerte keiner, ansonsten war alles ziemlich karg und mühsam: fleisch gab es nie und má musste 10 kilômetros laufen, um wasser zu holen.
Von da verwandschaft kann er nur von einem onkel berichten, der sich mit a deutlich jüngeren frau verbandelte. Den packte irgendwann die neugier und er wollte wissen, wer die eltern der frau waren – se wusste es auch nich so exact. Durch fiel fragen und combinar kamen se zum schluss, dás se seine tochter war. Er wollte sich von ihr separar, se meinte aba, nu sind se schon so lange zusammen, was solls, und so blieben se zusammen.
Als Eugbergh 8 jahre alt war, zog die ganze família zum stado Mato Grosso. Mit 10 fing er an zu arbeiten, er verkaufte speiseeis auf der strada. Se waren jedenfalls nich mer so arm, se hatten a richtiges haus und immer fleisch zum essen. Irgendwann gab es em da região kein gold mehr und se zogen nach Ariquemes, em Rondônia.
Im alta von 16 jahren fing er a lehre als schreiner an, und alle seine brüder machten mit, dás war bei ihnen immer so wi bei den lemmingen. Irgendwann später is a bruder LKW-fahrer geworden, und alle brüder sind ihm gefolgt – a ser zusammenhaltende família. Musste auch so sein, se sind alle evangelicale.
Momentan sondaren sein papai und er die möglichkeiten, mit da ganzen família nach Roraima zu übersiedeln, und fahren hier LKW. Der grosze vorteil de Roraima is die sicherheit: dá passiert kaum was, während em Ariquemes alle par tage jemand ermordet wird.
Amazonas is der gröszte stado des landes, zweianhalb mal so grosz wi die Ucrânia, dás zweitgröszte land Europas, aba doch etwas kleiner als dás gröszte land, Russia.
Eugbergh hatte gesagt, er verdient um die 3.000 real, was nach dem jetzigen curs 1.100 euro entspricht. Wenn man zur oberen mittelschicht in São Paulo gehört, is das vileicht sogar weniger wert als in Deutschland. Wenn man aber zur unteren mittelschicht in a städtchen in Rondônia gehört, kann das auch 50 % mer bedeuten, also 1.600 oder 1.700 euro. So a gehalt is nich fiel im vergleich zu Alemanha, aba fiel in den meisten ländern da welt – em vielen ländern verdient má nich einmal 20 euro im monat.
Em Manaus come ich um 5 uhr em da früh an. Ich warte bis es hell is, fahr zu a hostel, will aba vorher meine e-mails checar, die wirtin complimenta mich freundlich aba decidida raus. Alles is sonst noch zu, ich setz mich em a strada-café und rede mit a typo über die isolação da stadt. A zwei-milioes-stadt, die nur a strada-verbindung mit dem ausland hat, aba keine mit dem eigenen land. Es gab a asfaltada strada nach Porto Velho, von wo aus má den resto do Brasil erreichen kann, doch se verschwand unter dem wasser und wurde vom jungel verschlungen. Angeblich vil má die strada wegen ecológicos bedenken nich renovar, es is aber offensichtlich so, dás die reeder, die die fähren de Manaus nach Porto Velho betreiben, auch an den hebeln da política sitzen und es immer schaffen, die renovação zu stoppen. Diese strada kreuzt auf halber strecke die Transamazônica, die berühmteste halbfertige strada da welt. Die militares voltem em den 70er jahren Brasil mit dem Pacífico verbinden und diese strada do Recife (/re’sif(i)/) im nordeste bis zur peruana grenze bauen, und Peru solte den resto machen. Peru war aba nich wirklich interessado, má traut den brasileiros nich so richtig, se zeigen schon ohnehin immer vida tendências imperialistas. Und so hört die strada im dorf Lábrea auf, mitten im nix. Die strecke im nordeste is längst asfaltada, die im norden nich, und em da regenzeit is dás schlammmeer teilweise unpassirbar. Die regierung há nu mit der asfaltirung angefangen, dás wird aba noch etwas dauern, vor allem is die resistência von den eco-bewegungen grosz – asfaltirung bringt civilisação, umweltzerstörung und dás ende das culturas indígenas.
Jemand empfiehlt mir, em den parque nebenan zu gehen, da gibts freies internet. Und tatsächlich há mir a Cris Marks zugesagt, ich kann vorbeicomem. Se gibt adresse und número de telefone, leider geht mein handy mit dem brasileiro chip immer noch nich, em da telefonzelle brauch ich a cartao telefônico, die ich nich hab. Da vorne kommt ein ônibus, der zum viertel Petrópolis fährt, wo se wohnt, und ich steig kurzentschlossen ein.
Petrópolis is untere classe média. Ich gurke 10 minutos rum, bis ich die adresse finde, komm an fast ein dutzia kirchen vorbei, alle evangelicas. Oft stehen se nebeneinander, manchmal nur durch 2 oder 3 häuser getrennt. Jede mit einem anderen nome: dá sind die groszen americanas vi die adventistas em diversas versões, die Assembléia de Deus (Gottesversammlung) em diversas versões, die groszen brasileiras vi die Universelle Kirche vom Reich Gottes, die Weltkirche der Macht Gottes, dá sind auch die Kirche vom Wort des Lebens, Kirche von Gott im Christus, Kirche von Gott im Brasil, Kirche Gott ist Liebe, die Verbleibende Dualistische Kirche der Erstgeborenen, Kirche des Viereckigen Evangeliums, Deuteropentecostalismus, Evangelische Pfingstkirche Die Letzte Trompete, Bewegung des Überlegenen Lebens, Wiederbelebung der Azusa- Strasse, die Wahre Jesus-Kirche, Schneeball-Kirche, um nur à par wenige zu nennen. Der fantasia sind keine grenzen gesetzt. Für arbeitslose predigis is dás land a paraíso. Die zal da confissões geht vermutlich em die hunderte. Es gibt sogar católicas kirchen, die auf evangelical machen, haleluja und praise the lord singen, um die verluste da católica kirche zu stoppen. Má sieht sogar manchmal schilder vi »Garagen an kirchen zu vermieten«. Die garages sind nich als garages für die kirchen gedacht, sondern als kirche selbst. Nich jeder kirchengründer há gleich dás geld für a catredal.
Diese sectas verbieten vor allem zwei actividades, rauchen und trinken, so vi die EU. Manche sind consequenter und verbieten auch café, fleisch, etc. So weit geht die EU nich, kommt aba vielleicht noch. Richtig consequente zu sein und softdrinks (dás sind fábricas de gift em miniatura), milch (verursacht krebs), açúcar (diabete und krebs), salz (hoher blutdruck), pfeffer (zerstörung da darmflora), fleisch (herz), eier (herz, allgemeine vergiftungen wegen arsênio, schwefel und salmonelas), automobile (krebs und überfahrgefahr), flugzeuge (krebs und bei abstürzen gefahr für unbeteiligte passivflieger), stühle (darmkrebs), BH’s (brustkrebs) etc zu verbieten, tut dann doch keine secta. Der vorteil is, dás se als gläubige keine bancos überfallen und leut ermorden, oder wenigstens nich so oft. Übrigens, die ganz grosze unter den evangelicais kirchen is die Igreja Universal do Reino de Deus, Universelle Kirche vom Reich Gottes, von Bispo (Bischof) Macedo. Se há TVsender em Brasil und em einigen anderen ländern, miliões anhänger em América Latina, USA und África. Má sagt, Gott is der weg, Bispo Macedo is die maut.
Nu wurde ein evangelical pastor zum vorsitzenden da Menschenrechtscomission im Congresso gewählt. Er findet, gays sind degenerados und negros stammen von am sohn Noahs ab, der von diesem verflucht wurde. Danach versuchte er die wogen zu glätten, indem er sagte, nich alles em Africa is so schlimm, weil dá ao weissis leben. Dás vá kein meisterwerk da wogenglättung.
Das haus ha keine klingel, ich klatsche mit den händen, keiner macht auf. Ich komm a halbe stunde später, vida nix, ich nehm mit dem letzten geld ein ônibus em die stadt. Im ônibus fängt a dicker negro (oder sagen wir mal a gewichts- und farbmäszig herausgeforderter mensch) an zu predigen, dann vil er CDs verkaufen. Em da stadt find ich a pensão. Da treff ich a croata althippi, der viele jahre em Brasil lebt und viel zu erzählen ha, er kennt Brasil offenbar fiel besser als ich, er is einverstanden, ein interviw zu geben, nur nich gleich, und später sen wir uns nich mehr. Cris ruft an und entschuldigt sich tausendmal, se va weg und die anderen im haus haben nix gehört.
Am näxten morgen is Cris zuhause. Se is a schöne, zarte studante de biologia. A braungebräunte weisse, vär aba vermutlich blass ohne die brasileira sonne. Das haus is a república, das heisst a res publica, eine gemeinsame sache, a WG. Alle 4 bewohner des hauses studam im internacionalmente famos INPA, Instituto Nacional de Pesquisas (Forschungen) Amazônicas. Vor curto hatten die dort a kleinen scandalo, es wurde im areal des instituts a discreta plantação de cannabis entdeckt. Dás war sicher nich im sinne des erfinders.
Cris hat alemaes, italianos, portugueses und vielleicht auch indios vorfahren. Der papai va handelsreisender und verkaufte pijamas, die mamae va krankenschwesta. Cris is em Ijuí em Rio Grande do Sul geboren. Rio Grande do Sul is der südlichste stado, da wohnen die gaúchos (/gaúshus/) und die haben a par ähnlichkeiten mit Bayern und Texas, vor allem die »mirsan- mir«-mentalidäde. Se haben auch schon a langen unabhängigkeitskrieg geführt, und vor einiger zeit gab es sogar a Pampa-Partei, die die unabhängigkeit des südens volte. Se haben ebenfalls ein etwas behäbigen dialecto, vi die bavaros. Andas als die bavaros gehen se gern em die weite welt hinaus, das heisst em andré teile do Brasil, weil bei ihnen kein platz mehr is, und da gründen se CTGs, Centro de Tradições Gaúchas, vou se fleisch em rauhen mengen essen, mate-tee trinken und dänças folclóricas vorführen – die könnten übrigens irgendwo em Hungria oder Rumänia sein.
Cris’ eltern waren adventistas, also tranken se z. b. kein café. Em ihrer kindheit hatte se fiel freiheit, se stellte mit den jungs vieles an und wurde oft für a jungen gehalten. Mit 19 sprach se mit ihrer schwester zum ersten mal über religião, und gab zu, se versucht zu glauben, zweifelt aber oft und hat immer a schlechtes gewissen. Die schwesta erzählte: nachdem se erfahren hatte, das es kein weihnachtsmann gibt, fragte se sich, ob das mit Gott nich dasselbe is. Naja, richtig dasselbe is das nich, den weihnachtsmann sieht man ab und zu em da fuszgängerzone, Gott sieht ma nie. Und sou va Cris bald frei von da last des adventista-daseins und wurde zur ateista.
Se trampte im umland und dann durch Brasil, zog dann nach Santa Maria, a stadt die vor curto wegen dem brand em a discotek em die internacionais schlagzeilen gerit. Manchmal trampte se ao mit amigos. Einmal va se em Rio mit eim amigo unten am strand und zündeten sich a cigarro special an. Directamente über se am gehsteig rauchten aber ao nó zwei, und se wurden von der polícia aufgegriffen. Die polícia vermutete, das die zwei unten ao mit ihnen waren und kamen runter. Cris und ir freund hatten açúcar und te, den açúcar versteckten se hinter a stein, den tee begruben se, die policiais sahen es noch und gruben ihn vida aus. Alle wurden zum revier gebracht, der policial drohte lang mit vielem ärger und anzeige, se voltem oder konnten ihn nich schmieren. Irgendwann gab er auf und schickte se weg, ein anderer policial brachte se vida zum strand und meinte, die beide waren richtig dof – die polícia kommt ja immer um 8 abends, se hätten em aller ru um 7 oder um 6 vás rauchen können, wieso mussten se ausgerechnet um 8 rauchen, vou die policiais ihre runden drehen? Der policial lisz se raus, und se mussten rapido hinrennen, die flut kam grad – noch a par minutes und die wellen hätten das wertvolle päckchen mit dem açúcar mitgenommen.
Vor 2 jahren zog Cris nach Manaus, vou se im INPA studiert. Wohnen tut se mit Camila aus Santa Maria, Danielle aus Barcelona und Joaquin aus Zaragoza. Dazu kommen öfters gastis via Couchsurfing, grad is a colombiano pärchen angekommen, die musik und acrobatica machen.
Drei katzen wohnen ao noch im haus: Mucura, Tonight und Picasso. Mucura heisst em português amazoniano »stinktir«. Vie man auf die idee kommt, a katze »stinktier« zu nennen, vais ich ao nich. Se erzählt jedenfalls, das se ein einziges mal verfolgt wurde, und zwar von a stinktir. Den grund widerum, warum Picasso sou heisst, vais ich: se sah sich mit einer amiga a film im TV mit Johnny Depp an, em dem diser a festa schmeisst und die risensculptur eines fallus presenta. A wort im português brasileiro für »schwanz« is »pica«, und a groszen schwanz kann man auch a »picasso« nennen. Se fanden es lustig und nannten sou die katze, die grade vorbeikam.
Cris und Camila trinken schwarzen café ohne açúcar. Sou vas machen nur alemaes und südbrasilianer. Wärend Cris a leichten corpo und a leichte sele ha, ha Camila etwas mer fleisch und is geerdeter. Se hat indio und alemao blut, unter andrem. Der papai is doctor, den ha se erst kennengelernt, als se 23 jahre alt va. Se va a betriebsunfall: der papai va 17, die mamae 21, se waren nur curto zusammen. Se is em Santa Maria geboren und aufgewaxen. Als se 8 va, bekam se a stifvater. Damals va die mamae 29, der stifvater 15. Claro va das nich der grosse hit bei da familie, aba mit der zeit gewönte ma sich dran. Die widerstände värem fil gröszer, wenn er 29 vär und se 15. Ausserdem is der bua ja mit der zeit gröszer geworden.
Die familie gehört zu den »espíritas«, a zimlich eigenartigen religiao. Angeblich is es a mix de religiao, filosofie und wissenschaft, mir scheint es a mix de cristianismo und buddhismo. Ma glaubt an Gott, an Jesus, andrerseits glaubt ma nich an himmel und hölle, sondam vie die buddhistis an reincarnaciões, die ma durchmacht, um die perfecciao zu erreichen. Und vie bei den buddhistis felt das messianiche das religiões cristã und islamice, ma schickt keine missionis im die weite welt, um die neue heilslere zu verkünden und die welt zu beglücken. Man is aoch tolerant gegenüber andren religiões bzw filosofies. Und ma spricht über a medium mit den totis. Espíritas sen sich als cristaos, die católicos und protestantes sen das nich so – die católica kirche verbot sogar den besuch von espírita- versammlungen. Gegründet wurde die religiao mitte des 19. jarhunderts vom francês Allan Kardec, im France leben nur 17.000 anhänger, im Brasil quasi 4 miliões. A propósito, die espíritas haben proporcionalmente die meisten hochschulabschlüsse. Klingt vie a vernünftige religiao, das ha Camila trotzdem nich davon abgehalten, religionsfrei zu werden. Sie hatte aba keine financiere gründe, im gegensatz zu einer andren brasileira, die in Alemanha lebte und die ich mal nach der religiao gefragt hab. Die erzälte, »Früher war ich catolica, né, aba dann bin ich nach Alemanha gekommen, und hir muss ma dafür ZALEN! Und so bin ich momentan religionslos.«
Das interviu solte weiter gehen, aba das kraut, das Cris mir da angeboten hat, vá ziemlich stark. Mindestens 25 studos universitários, da Harvard inclusive, haben die efectividade der planta contra krebs bewiesen, weshalb die indústria farmacêutica und somit auch die gesundheitsbehörden se mit aller macht bekämpfen – die anerkennung würd a verlust von hunderten milliarden dollar pro jahr für die indústria farmacêutica bedeuten – leider is das kraut nix für die concentração, und statt Camila auszufragen, hab ich se und die anderen mitbewohner vollgelabert. Später laden uns noch die studante Raissa do stado Minas Gerais im sudosten und der langhaarige comic-zeichner Adriano de São Paulo zu sich ein – ma springt über die mauer, is dann em a fremden garten, klettert a hohe leiter über a andere mauer, und schon is ma bei ihnen. Ma bekommt schon vida die krebs-profilaxe, und se fragen mich, vas man überWilhelm Reich em Europa denkt. Ich kann nur sagen, ma spricht nich fiel über Reich em Europa, ausser vielleicht em manchen academiscos kreisen. Ma spricht über steuer, arbeit, vi ma sich gerade fühlt, ver em der bundesliga gewonnen hat, aba sicher nich über Reich.
Falls du nich weisst, ver Wilhelm Reich va, und weder laptop noch smartphone im da nähe sind: der mann war einer da pioniris da psicologie, und sein werk hatte fil mit sex und politica zu tun. Da würd ich aoch mitmachen, wobei ich mich nich so stark auf die politica concentrire würde.
Manaus is freihandelszone, weshalb sich hir fil indústrie angesidelt ha, vor allem electrônich. Der norte, also Amazônia, is von den 5 groszen regiões brasileiras die zweitärmste, nach dem nordeste. Die infrastructur is aber im norte am schwächsten – die região is quasi sou grosz vie die gesamte EU und ha weniger einwonis als Nederland. Dafür gibt es und gab es im norte nie hungersnöte – get practicamente gar nich, hir wäxt ja alles, fischen kann man überall und vie haben sie aoch genug. Die meisten einwonis sind mesticis, aber im gegensatz zu andren regiões, vou die meisten mesticis von weissis und negris abstammen, sind die mesticis hir caboclos, also a mix aus weissi und indio. Vile entflon dem kargen leben im sertao nordestino, dem armen hinterland im nordosten, und es is gut möglich, das heutzutag im norte mer leut aus dem nordeste leben als leuti vom norte selbst. Dann comem noch leut aus dem süden, die von iren firmas hergeschickt werden und hängen bleiben, oder siedler, die Müller oder Meyer heissen.
Das wetter is immer heiss und feucht, wobei die beste zeit der winter is, der eigentlich im sommer stattfindet, zwischen dezembro und märço. Es is die regenzeit, und die is etwas frischer weil die ganze zeit a gigante wolkenklumpen über die regiao hängt. Vormittags is meistens trocken, am frühen nachmittag get es zimlich regularmente los mit a platzregen, den resto des tages tröpfelt es, niselt es, regnet es oder schüttet es kübelweis. So is das wetter oft lästig, trotzdem angeneem.
Ich far zum hafen, lass mein coffer im meine cabine im bot, ge noch a par chosen im centro besorgen. Brasil is für mich a zimlich ärgerliches land geworden, ich werd nu im den läden dauernd gesiezt. Im Brasil is generalmente das »arbeits-pronome«, also das alltägliche pronome das »você« (/vo’se/ oder einfach /se/), vas man als »du« übersetzen könnte. Das wort für »Sie« is »O Senhor« (/u sjor/ wenn man es langsam sagt, sonst einfach /sjo/), und es ha nix mit distancia zu tun, es wird nur für deutlich ältere leut oder chefis als zeichen de respecto gebraucht, es heisst ja aoch »der herr«. Da die leuti nich denken können, das ich a chefo bin, is es wegen meinem alta. Das ich alt bin, vais ich, aba muss ma das mit jedem pronome kundtun, kann ma mich nich sprachlich vie die andren behandeln? Das pronome wird nur einseitig gebraucht, das heisst, der ältere (oder chefi) siezt nich zurück. Dazu kommt, das ich südbrasilianisches alemao gelernt oder zumindest mitgekriegt hab. Ich bin zwar de lituana, russa und alemã abstammung (die alemaes sind aus Lodz), im Südbrasil is aba nur die alemã cultur übriggebliben, sozusagen die leitcultur … und das simplificad und ser durchmischte alemao brasileiro kennt nur das »du«. Wenn du a südbrasilianer, der »deutsch« kann, fragst, »Wo kommen Sie her?«, fragt er zurück, von welchen leuti du sprichst. »Ver, sie?« Nu ja, wenn abzuseen is, das ich die leut öfter sen verde, sag ich inen so vas vie: »Bitte, ich vais, ich bin steinalt, ich bin trotzdem kein herr.« Da lachen sie und siezen mich nich mer. Manchi ham da andre anreden, vie »querido« (liber), »jovem« (junger mann) oder »amigo«. Ich vais, das das aoch nich grade stimmt, trotzdem find ich es fil freundlicher.
Manaus war ende des 19. jarhunderts mit dem monopólio des kautschuk angeblich die reichste stadt da welt. In da zeit wurde die ópera gebaut, die wichtigste seenswürdigkeit. Die englesis aba stalen samen do Amazonas, pflantaram das zeug in Malaysia, und aus vas mit dem monopólio und dem reichtum de Manaus. Die stadt zerfil, und erst presidente Juscelino Kubitschek declarou 1957 die stadt zur freihandelszone, und so blüte Manaus wider auf – wenigstens die geschäfte.