


Sanpao, der Piratenkönig
Der verhexte Zauberer
Das verwundete Pferd
Schmutzige Tricks
Verrat durch einen Freund
Das Todesschiff
Totenschädel und Hufe
Das Biest ist da!
Erblindet
Der Giftstachel
Gekämpft wird ein andermal

Mit besonderem Dank an Allan Frewin Jones
Für Toby Saunders

Ich bin Sanpao, der Piratenkönig von Makai! Mein Schiff bringt mich an eure Küsten, um einen uralten Zauber zu erbeuten, der mächtiger ist als alles, was ihr kennt. Niemand wird es wagen, sich mir in den Weg zu stellen, auch Tom und seine Freunde nicht. Selbst Aduro wird euch dieses Mal nicht helfen können. Meine Piraten werden gnadenlos alles plündern und niederbrennen und meine Biester werden von keinem Helden aus Avantia zu schlagen sein.
Piraten, macht die Leinen los und hisst die Segel! Wir kommen, um zu erobern und zu zerstören!

Abraham ging langsam auf das schreckhafte Pferd zu. „Ganz ruhig, Blizzard“, wisperte er.
Das weiße Pferd beobachtete ihn nervös. Es riss die Augen auf und schnaubte kurzatmig. Abraham blieb stehen und lehnte sich auf seinen Stab. Seit seiner Kindheit arbeitete er im Grasland als Pferdeflüsterer. Doch diese prachtvolle Stute war der schwierigste Patient, der ihm bisher untergekommen war. Er konnte sehen, dass sie einen sehr starken Willen hatte.
„Deinen letzten Reiter hast du also abgeworfen“, murmelte Abraham. „Und jeden davor auch, wette ich. Und einen Zaun hast du niedergerissen, um zu entkommen.“
Die Stute bleckte die Zähne und stampfte mit den Hufen, als ob sie gleich durchgehen würde.
„Keine Angst, ich tue dir nichts“, sagte Abraham und ging wieder ein Stück vorwärts. Er war fast bei ihr und streckte die geöffnete Hand aus.
Die Stute senkte den Kopf und schnupperte an der Hand. Ihr Blick wurde sanfter. Abraham kam noch näher und strich ihr über den kräftigen Hals. Dann hob er die baumelnden Zügel auf.
„Das war doch nicht schlimm, oder?“, wisperte er. „Wir sind gleich wieder zurück im Dorf.“
Auf einmal fiel ein Schatten über sie und Abraham hörte ein schauderhaftes Knurren. Der Kopf der Stute ruckte hoch und ihre Augen blitzten panisch auf. Als sie auf die Hinterbeine stieg, traten ihre Hufe gefährlich nah an Abrahams Gesicht vorbei in die Luft. Er hatte Mühe, das Pferd festzuhalten. Die Zügel schnitten ihm in die Handflächen.
Dann drehte sich Abraham um und sein Blut gefror. Er starrte zu dem gigantischen Biest hoch, das auf ihn zusprang. Es war ein riesiger Tiger, allerdings war sein Fell schwarz mit blutroten Streifen. Er war mindestens dreimal so groß wie ein normaler Tiger.
Das Biest landete ein paar Schritte neben Abraham. Gebogene Krallen, so scharf wie Sensen, gruben sich in den Boden. Das Rückenfell des Biests stellte sich auf, die schwarzen Lefzen zogen sich zurück und eine Reihe dolchartiger Zähne wurde entblößt. Zäher Speichel tropfte von den Zahnspitzen. Wo er ins Gras fiel, zischte und qualmte es. Abraham versuchte zu begreifen, was er da sah, aber seine Augen waren wie gebannt auf den Rücken des Biests gerichtet. Ein dicker, schuppiger Skorpionschwanz ragte über dem Biest auf. Von dem Stachel troff grünes Gift.

Abraham stolperte rückwärts. Er wagte es nicht, den Blick von dem Biest abzuwenden, dessen muskulöser Körper sich langsam und kraftvoll vorwärtsbewegte. Abraham hörte Blizzard schnauben. War sie geblieben, um ihn zu beschützen?
Die Katzenaugen des riesigen Tigers durchbohrten Abraham. Er hörte den Atem des Biests, der laut wie ein Blasebalg durch dessen Hals strömte.
Das Tier brüllte und zeigte seine Zähne. Sein stinkender Atem schlug Abraham ins Gesicht. Plötzlich sprang das Biest los, flog hoch über sie und kam mit weit gespreizten Krallen und geiferndem Maul auf sie zu.
Mit einem Angstschrei wich Abraham zur Seite aus. Der Rand der riesigen Tatze traf seine Schulter und warf ihn zu Boden. Hilflos musste der Pferdeflüsterer mit ansehen, wie die Krallen des Biests sich in Blizzards Rücken gruben und ihre Haut aufschlitzten. Die Stute wieherte vor Schmerz und schleppte sich davon.
Abraham rappelte sich auf und schlug mit seinem Stab auf die Flanke des Biests ein. Der riesige Tiger drehte sich um, so geschmeidig wie eine Katze, und bevor Abraham etwas tun konnte, steckte der Stab zwischen den Zähnen des Biests.
Krack! Der Stab zersplitterte und die Augen des Biests hefteten sich auf Abraham. Das Tier riss gerade das Maul auf, um ihn in Stücke zu reißen, da erblickte Abraham Blizzard. Die Stute stand vom Biest abgewandt und schlug mit ihren kräftigen Hinterhufen nach ihm aus. Das Biest jaulte vor Schmerz und Wut und drehte sich mit erhobenem Giftstachel zu dem Pferd um.
„Lauf!“, schrie Abraham. „Lauf um dein Leben!“
Blizzard wieherte und galoppierte über die Grasebene davon. Mit einem Knurren raste der gigantische Tiger hinter ihr her, den Schwanz hoch erhoben.
Abraham holte keuchend Luft und beobachtete die beiden. Er zweifelte daran, dass Blizzard, obwohl sie sehr schnell war, dem Biest entkommen konnte.
Ein merkwürdiges flatterndes Geräusch ließ ihn nach oben sehen. Vor Staunen klappte ihm die Kinnlade herunter.
„Das kann nicht sein“, flüsterte Abraham.
Hoch aus dem Himmel kam mit geblähten Segeln und wehender Fahne ein fliegendes Schiff herabgesaust.

Zwei Tage waren vergangen, seit Tom und Elenna dem Piratenkönig Sanpao begegnet waren und das Seemonster besiegt hatten, das er auf sie gehetzt hatte. Es war ein schwerer Kampf gewesen, das Biest verschlagen und heimtückisch. Tom fürchtete, dass noch Schlimmeres auf sie wartete.
Sie ritten durch den nördlichen Teil des Waldes der Angst. Sie wollten auf die Grasebene, die nächste Station ihrer Mission. Die Luft unter den Bäumen war stickig. Aus dem schattigen Unterholz drangen unheimliche Geräusche.
„Ich wünschte, Silver wäre bei uns“, sagte Elenna.
Tom nickte ernst. Er wusste, wie sehr seiner Freundin ihr treuer Gefährte fehlte. „Wir haben beide jemanden verloren“, sagte er und dachte an seine Mutter, die ebenfalls in Tavania festsaß. „Die einzige Möglichkeit, sie zu befreien, ist, den Baum des Seins zu finden.“
„Das wird nicht einfach“, erwiderte Elenna, „ohne Aduros Hilfe.“
Sie hatte recht. Der gute Zauberer, der bei so vielen Missionen ihr Freund und Gehilfe gewesen war, stand unter der Knechtschaft Sanpaos. Und Toms tapferer Vater, Taladon, konnte ihnen nicht beistehen, weil er verwundet im Schloss von König Hugo lag.
Toms Hand wanderte zu seiner Hüfte. Noch etwas anderes hatte er verloren. Aduro hatte seinen Juwelengürtel gestohlen und ihn Sanpao gegeben. Der Piratenkönig konnte nun die Kräfte der magischen Juwelen nutzen.