Alexander von Humboldt
Das große Lesebuch
Herausgegeben von Oliver Lubrich
FISCHER E-Books
Alexander von Humboldt (1769–1859), deutscher Naturforscher und Reiseschriftsteller, erlangte durch seine Expeditionen nach Amerika und Asien Weltruhm. Mit seinen Schriften ›Ansichten der Natur‹ (1808) und ›Kosmos‹ (1845–1862) erreichte er ein großes Publikum. Humboldts Wissenschaftsverständnis war prägend für die moderne Universität.
Oliver Lubrich ist Juniorprofessor für Rhetorik an der Freien Universität Berlin und unterrichtet dort Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft. Seine Forschungsfelder reichen von Shakespeare bis zu Berichten ausländischer Schriftsteller aus dem Dritten Reich. Er ist u.a. Mitherausgeber von Humboldts ›Ansichten der Kordilleren‹ und ›Kosmos‹ (2004) sowie des ›Großen Lesebuchs‹ in der Reihe Fischer Klassik (2009).
Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de
Der große Naturforscher und Reiseschriftsteller Alexander von Humboldt erlebt seit einigen Jahren eine erstaunliche Renaissance. Wissenschaftlich und literarisch zugleich, lassen uns seine Schriften staunen über den Reichtum der Natur, und sie wecken die Sehnsucht nach einem Verständnis fremder Kulturen. Dieses attraktive Lesebuch, herausgegeben von dem Humboldt-Kenner Oliver Lubrich, bietet eine repräsentative Auswahl aus dem Gesamtwerk, mit ausnahmslos ungekürzten Texten im originalen Wortlaut.
Erschienen bei FISCHER E-Books
© 2018 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main
Covergestaltung: bilekjaeger, Stuttgart
Coverabbildung: Friedrich Georg Weitsch, »Alexander von Humboldt«,1809/Bridgeman Art Library,
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-490850-2
Cacizotechnos. Plin. XXXIV. 19. n. 92.
Alaun. – Schwefelsäure, den Alten bekannt.
Aufmerksame Leser werden diese Versuche nicht mit der Ableitung durch Zink, welche Herr Pfaff so lehrreich beschreibt, verwechseln. S. Ueber thierische Electricität, Leipzig 1795. S. 17.
Friedrich Heinrich Alexander von Humboldt, Kgl. Oberbergrath, und zum Mitglied der hiesigen Akademie der Wissenschaften erwählt während er sich auf der andern Halbkugel der Erde befand, ist den 14. Septemb. 1769 zu Berlin geboren.
Lord Hervey, Graf von Bristol, Bischof von Londonderry, allgemein wegen seiner Reisen in Europa bekannt. Er war auch in Berlin. Man rechnet seine jährlichen Einkünfte zu 60000 Pf. Sterling.
Etioler. s’étioler: verb.; étiolement: subst. Eigentlich eine Krankheit der Pflanzen, welche zu dick gestanden, oder an geschlossnen Oertern gezogen werden: wodurch sie höher aufschießen, und lange dünne Stängel, oder Blätter, von glänzend weißer Farbe bekommen. In Spanien wird also durch Kunst diese fehlerhafte Beschaffenheit hervorgebracht.
Der Flecken Murviedro im Königreich Valenzia steht auf der Stelle des alten berühmten Saguntum; am Fuß eines Berges, und an einem Flusse, welche beide gleichfalls Murviedro heißen. Auf dem Berggipfel, und in der Gegend umher, sind viele Ueberbleibsel ehmaliger großer Gebäude.
Das Datum versteht sich immer nur vom Anfang der Tagebuch-ähnlichen Briefe; die Fortsetzungen sind nicht jedesmal neu datirt.
Graziosa ist eine der Asorischen, Portugal zustehenden, Inseln; Teneriffa eine der Kanarischen, welche an Spanien gehören. Der letztern sind sieben; Madeira (welches Andere, minder richtig, dazu rechnen), und einige kleine unbewohnte Inseln, nicht mitgezählt.
Der Ruheplatz (die Stazion) der Engländer. Diese Nazion, wie ihre Entdeckungen beweisen, reiset so häufig, daß in vielen Gegenden der Welt Oerter nach ihr benannt werden.
Die Guanchos waren die ursprünglichen Bewohner und Herren der Insel, die man bei deren Besitznehmung fand. Itzt sind sie beinahe ganz ausgerottet.
Man schreibt auch Komana. So findet sich auch Orinoko, statt Oronoko; Guajana statt Guiana; und andre Abweichungen der Namen mehr.
Bekannt wegen des Kakaohandels.
Dies Holz wächst nicht in Sina, wie der Name vermuthen läßt, sondern auf Guajana in Amerika.
Ein Sternbild, unter dem Zentauren.
Strabo lib. 17, pag. Causab. 808.
Mém. de l’Acad. de Berlin, année 1746, pag. 435.
New Views of the Origin of the Nations of America, 1798, by Benjamin Smith Barton, p. XCIX.
Tableau géologique des régions équinoxiales de l’Amérique méridionale, 1800.
Zoega de Obel. p. 577.
Fra Paolino da S. Bartolomeo System. Brachman. p. 137.
Tac. Agric. cap. II.
Doch neuerlichst angegriffen in Winteri Dissert. de Origine linguae Suecanae, part. 2, p. 37.
Frhr. v.H. hatte die Güte, mir die Zeichnung zweier seltener Fischarten, und besonders der von den südamerikanischen Vulkanen ausgeworfenen Pimeloden mitzutheilen.
D.H.
Das geogr. Institut hat von einem in diesem Fache rühmlich bekannten Gelehrten eine Uebersetzung dieses Werks veranstalten lassen, deren Erscheinung durch die Hoffnung die dem Engländer Skinner nicht zugänglichen Bände des Mercurio peruano zu erhalten und durch sie seine Nachrichten zu ergänzen, verzögert ward.
D.H.
Man vergl. Annalen, XVI, 423. d.H.
In der Rechnung, worauf dieser Satz sich bezieht, hat man den Winter als ganz aus den Monaten December und den beiden folgenden bestehend angenommen, den Sommer von 1sten Juny bis den letzten August.
1) Culex cyanopennis abdomine fusco, piloso, annulis sex albis; alis caeruleis, tarsis albo annulatis.
Thorax fusco-ater, pilosus. Abdomen supra fusco-caerulescens, hirtum, annulis sex albis. Alae caeruleae, splendore semi-metallico, viridenti-venosae, saepe pulverulentae, margine externo ciliato. Pedes fusci, tibiis hirtis, tarsis nigrioribus, annulis quatuor niveis. Antennae maris pectinatae.
Habitat locis paludosis ad ripam Magdalenae fluminis, prope Teneriffe; Mompox, Chilloa, Tamalameque caet. (Regno Novogranadensi.)
2) Culex lineatus, violaceo-fuscescens; thorace fusco, utrinque linea longitudinali, maculisque inferis argenteis; alis virescentibus; abdomine annulis sex argenteis; pedibus atro-fuscis; posticorum tibiis apicibusque albis.Habitat ad confluentem Tamalamequen in ripa Magdalenae fluminis. (Regno Novogranadensi.)
3) Culex ferox supra caeruleo aureoque varius, annulis quinque albis inferis,alis virescentibus; pedibus nigricanti-caeruleis, metallico splendentibus; posticis longissimis, basi apiceque niveis.
Omnium maximus differt 1 a C. haemorrhodali Fab. cui pedes quoque caerulei, thorace superne caeruleo et auro maculato; 2 a C. cyanopenni corpore superne caeruleo, pedibus haud annulatis, haud fuscis. An, Nhatin Marcgr. p. 257?
Habitat ad ripam inundatam fluminis Guayaquilensis, prope San Borondon. (Regno Quitensi.)
4) Culex chloropterus, viridis, annulis quinque albis; alis virescentibus, pedibus fuscis ad basim subtus albis.
Habitat cum praecedente.
5) Culex maculatus viridi-fuscescens, annulis octo albis, alis virescentibus, maculis tribus anticis, atrocaeruleis, auro immixtis; pedibus fuscis, basi alba.
Habitat cum C. feroce et C. chloroptero in ripa fluminis Rio de Guayaquil propter las Bodegas de Babaoyo.
Man muß sich wundern, bei Insekten, die sich doch von Pflanzensäften nähren, diesen Blutdurst anzutreffen. »Wovon sollten diese Thiere leben, wenn wir nicht hier durchreisten?« pflegen die Creolen zu sagen; da es in jenen Gegenden nur bepanzerte Krokodile und langhaarige Affen giebt.
S. auch Poggendorffs Ann.d. Physik, B. XXXIV. S. 193–220.
Also 2890 Meter; Boussingault fand 2870 Meter und nach der Erdwärme die mittlere Temperatur der Hochebene von Tapia 16 °, 4 C.
Alle Temperaturen sind in diesem Aufsatz nach Graden des hunderttheiligen Thermometers ausgedrückt
Der Sandfloh, la Chique der französichen Colonisten von Westindien, ein Insect, das sich unter die Haut des Menschen eingräbt, und, da der Eiersack des befruchteten Weibchens beträchtlich anschwillt, Entzündung erregt.
Mechanik der menschlichen Gehwerkzeuge. 1836. § 64. S. 147–160. Neuere, von den Gebrüdern Weber zu Berlin angestellte Versuche haben den Satz: dass das Bein in der Beckenpfanne von dem Druck der atmosphärischen Luft getragen wird, vollkommen bestätigt.
Humboldt, Recueil d’observations astronomiques, d’opérations trigonometriques etc. T.I. p. LXXII.
Schiller im Briefwechsel mit Göthe Theil 3. S. 327.
Vergl. die Gesammelten Werke Bd. I. S. 267–269 (Recension von Wolf’s zweiter Ausgabe der Odyssee); Bd II. S. 304 (über den rhythmischen Periodenbau bei Gelegenheit der Uebersetzung Pindarischer Oden); Bd. III. S. 19–33 und S. 97 (über das Versmaaß in der Uebersetzung des Agamemnon, des Aeschylos und des Chors der Eumeniden); Bd. V. S. 8 und 91–93 (Briefe an Wolf).
Dr. Ghillany: Die Erdgloben von Martin Behaim und Johann Schöner. Ein Programm. Nürnberg bei Schrag.
Das Bild des grossen Christoph mit dem Jesuskinde bedeckt diesen Theil und unterbricht so scheinbar die Configuration des Littorals.
Ueber die auf blosse Vermuthungen gegründete Karte, deren sich Columbus zu seiner Entdeckung bediente und die wohl mit Unrecht dem Toscanelli zugeschrieben wird, s. Ex. crit.T.I. p. 239–254. Las Casas hat sie besessen, Hist. general Mss. Lib. I. cap. 12.
In der Historia general de las Indias von Bartolomè de las Casas, die ich genau studirt, wird ausdrücklich gesagt: Colon murió antes que supi de que Cuba fuese isla. Lib. II. cap. 38.
Mehrere Jahre nachdem ich die Weltkarte von Juan de la Cosa von 1500 entdeckt und beschrieben habe, ist sie von meinem Freunde Don Ramon de la Sagra ganz publicirt worden.
Stockfischland, von Bacallao, dem Spanischen Namen des Stockfisches.
Diese Abhandlung von Marcus Benev. ist in dem Ptol. von 1508 selbst enthalten. (Exam. crit.T. II. p. 7.)
Humboldt, Rel. hist.T. II. p. 702. Exam. crit.T.I. p. 309. Bekanntlich ist, wie schon oben bemerkt, Cabot’s Entdeckung des Festlands von Nordamerika an der Küste von Labrador, 24. Juni 1497, älter als die Auffindung des Festlandes von Südamerika.
»Das Aufhören des Landes.« Gewöhnlich wird die Entdeckung des Cap Horn dem Sir Francis Drake 1578, als er vom Westen kam, zugeschrieben. Er nannte das Vorgebirge: Cap der Elisabeth-Inseln. Le Maire, von dem der Name Cap-Horn herrührt, gab diesen Namen 38 Jahre später, weil er in seinem Schiffe (Endragt) von der Stadt Hoorn aus an der Zuydersee, Schouten’s Vaterstadt, abgesegelt war (Fleurieu, im Voyage de Marchand T. III. p. 254 und 271).
Panzer hat mit Unrecht dieses Büchlein von 1509 dem Henricus Loritus Glareanus zugeschrieben, von dem ich eine andere Schrift unter dem Titel: Henrici Glareani Poëtae Laureati, de Geographia liber unus, Basileae 1527, aufgefunden habe. In dem anonymen Globus, Mundi Declaratio von 1509, der bei demselben Grüninger gedruckt ist, bei dem die zweite Ausgabe des Hylacomylus erschien, wird Columbus nie genannt; Amerigo Vespucci auch nur einmal und zwar auf dem Titel und mit dem Beisatze: De quarta orbis terrarum parte nuper ab Americo reperta. (Examen crit.T. IV. p. 142.) Das ganze Büchlein: Globus, Mundi Declaratio, besteht aus 13 Blättern. Man liest am Schluss: »ex Argentina MDIX: Joannes Grüniger imprimebat.« Auf der kleinen Weltkarte des Titels stehen bloss die Worte: Nüw Welt.
In dem Briefe des Joachim Vadianus an Rudolph Agricola, aus Wien datirt 1512 und beiden Ausgaben des Pomponius Mela aus Basel und Cölln von 1522 angehängt, wird der Name America zweimal als eine schon ganz gewöhnliche Benennung ausgesprochen und zwar in zwei Stellen, die von den Antipoden handeln: 1. ex recentiorum autem inquisitione si Americam a Vesputio repertam et eam Eoae terrae partem, quae terrae e Ptolemaeo cognitae adjecta est … 2. Immo non usque adeo immensum Pelagus interesse inter extremum ab America occidens et Oriens Ptolemaei … Cancellieri hat irriger Weise geglaubt, dass Vadianus es gewesen sei, welcher den Namen Amerika zuerst ausgesprochen. Ilacomylus (WaldseemüIler) hat es 5 Jahre früher (1507), also 1 Jahr nach dem Tode des Columbus, gethan.
Sonderbar genug, dass von Solinus in demselben Jahre 1520 drei Ausgaben erschienen, in Wien, in Basel und in Cölln; die ersten beiden mit Commentar von Camers, die letzte (Coloniae apud Eucharium Cervicornum et Heronem Fuchs mense Dec. M. D. XX.) ohne Namen des Herausgebers.
Man kann durch ein alibi beweisen, dass die erste Reise des Vespucci nicht am 10. oder 20. Mai 1497 habe beginnen können, da nach sichern Documenten er von der Mitte des April 1497 bis 30. Mai 1498 in Sevilla und San Lucar war (Examen crit.T. IV. p. 268).
Bei der in den älteren Karten (besonders denen des 16. und 17. Jahrhunderts) so gewöhnlichen Unart, Namen im Latinisiren zu verstümmeln, ist es allerdings ein sehr unsicheres Geschäft, Positionen durch Wort- und Klangähnlichkeiten bestimmen zu wollen: doch erlaube ich mir, auf die Bahia Cananea nach Admiral Roussin’s Küstenaufnahme lat. 25 ° 3' aufmerksam zu machen. Ist Canan-ea von Ruysch in das Malabarisch klingende Canan-or umgewandelt worden? Die Bahia und Punta Cananea in der Nähe der Insel Cardoso hat einige Wichtigkeit für die früheste Entdeckungsgeschichte von Brasilien, weil dort 1767 ein Gedenkstein (pedrão) gefunden worden ist, auf dem einige die Jahrszahl 1503, andere 1531 gelesen haben. (Examen crit.T.V. p. 134.) Wenn ich keine Rücksicht nehme auf die dem Schöner’schen Globus beigefügte Breiten-Graduation, sondern bloss auf die detaillirte Karte, die Herr Dr. Ghillany die Güte gehabt hat, mir zu schicken, und die relativen Abstände von Cap S. Crucis, Monte Pasqual und Rio Cananorum erwäge, so finde ich, da der Berg Pasqual (lat. 17 ° 1') fast in der Mitte liegt zwischen Cap S. Crucis, (dem Namen nach, wie ich bald zeigen werde, identisch mit Cap. St.Augustin lat. 8 ° 21') und Rio de Cananor, für den letzteren lat. 17 ° + 8 ° 40', das ist 25 ° 40', sehr nahe der wirklichen Breite de Bahia de Cananea. Freilich liegt diese 10 °–12 ° westlicher, als Schöner für Rio de Cananorum angab, aber Meridianunterschiede konnte man im 16. Jahrhunderte bei Küsten, deren Richtung man nicht dauernd verfolgte, kaum errathen.
Examen crit.T.V. p. 59. Mein Atlas tab. 37. Der Monte Pascoal ist ein abgerundeter Gipfel der Sierra de Aymores. Ein im April 1500 von Cobral gegebener Name hat sich auf allen Karten unverändert erhalten!
Examen crit.T.V. p. 19 u. 67.
T.V. p. 15–17.
Juan de la Cosa irret nur um 20 Tage: er wählt die Epoche der Abreise.
Examen crit.T.V. p. 66.
In der ganzen Convexität der östlich vorspringenden Küste ist der äusserste, also Afrika nächste Punkt von Südamerika die Punta Dos Coqueiros unter lat. 7 ° 24' zwischen Parahyba do Norte und Itamaraca.
Examen crit.T.V. p. 71.
T. II. p. 28 u. 186.
T.V. p. 173. »Aves non potuerint bene volare contra orientem propter aerem insequentem, qui pennas earum elevaret. Ita antiqui imaginabantur, quod terra haberet se sicut assatura in veru et sol sicut ignis assans.« Aber das ganze Kapitel scheint eigentlich dem Regiomontanus zuzuschreiben zu sein. Delambre, Hist. de l’Astronomie du moyen age p. 453.
Examen crit.T. II. p. 180–186.
Ex. crit.T. IV. p. 116.
Alexander von Humboldt hatte die Güte, der dringenden Bitte des Herausgebers und Verlegers des »Conversations-Lexikon« nachgebend, den ihn betreffenden Artikel der neunten Auflage dieses Werks einer Durchsicht zu unterwerfen. Der berühmte Gelehrte theilte infolge Dessen der Verlagshandlung freundlichst eine vollständige Zusammenstellung seiner Reisen nebst Angabe der Zeitfolge, der Richtung und des Zweckes mit, welche für den Artikel »Alexander von Humboldt« in der zehnten Auflage des »Conversations-Lexikon« benutzt wurde, und hiermit den Lesern der »Gegenwart« als ein höchst interessantes Document dargeboten wird. Die mit Anführungszeichen (» «) bezeichneten Stellen sind wörtlich der Handschrift Humboldt’s entlehnt; der verbindende Text gehört dem betreffenden Artikel der neunten Auflage des »Conversations-Lexikon« an.
D.Red.
Alexander von Humboldt’s Reisewerk erschien in sechs Abtheilungen. Die erste Abtheilung unter dem Titel: »Voyage aux régions équinoxiales du nouveau continent« zerfällt in zwei Sectionen, von denen die eine den historischen Bericht (3 Bde., Paris 1809–25, Fol. und 4., und 13 Bde., 1816–31, 8.; deutsch, 6 Bde., Stuttg. 1825–32, 8.) enthält, die andere durch die »Vues des Cordillères et monuments des peuples indigènes de l’Amérique« (Paris 1810, gr. Fol., mit 69, zum Theil color. Kpfrn.; 2 Bde., Paris 1816, 8., mit 19 Kpfrn.) gebildet wird. Die zweite Abtheilung umfaßt »Observations de zoologie et d’anatomie comparée« (2 Bde., Paris 1805 bis 32), die dritte den »Essai politique sur le royaume de la Nouvelle Espagne« (2 Bde., Paris 1811, 4., mit Atlas; Text besonders 5 Bde., Paris 1811, 8.; 2. Aufl., 4 Bde., 1825, 8.; deutsch, 2 Bde., Stuttg. und Tüb. 1811), die vierte die »Observations astronomiques, opérations trigonométriques et mesures barométriques, redigées et calculées par Jabbo Oltmanns« (2 Bde., Paris 1808–10, 4.). In der fünften Abtheilung hat Humboldt seine Beobachtungen über die »Physique générale et géologie« (Paris 1807, 4.) niedergelegt. Die sechste, der Botanik gewidmete Abtheilung endlich vereinigt in sich: 1) »Plantes équinoxiales, recueillies au Mexique, dans l’île de Cuba etc.« (2 Bde., Paris 1805–18, gr. Fol., mit 144 Kpfrn.); 2) »Monographie des Mélastômes et autres genres du même ordre« (2 Bde., Paris 1806–23, gr. Fol., mit 120 color. Kpfrn.); 3) »Nova genera et species plantarum quas in peregrinatione ad plagam aequinoctialem orbis novi collegerunt, descripserunt et adumbraverunt A. Bonpland et A. de Humboldt, in ordinem digessit C. S. Kunth« (7 Bde., Paris 1815–25, in 4. und Fol., mit 700 Kpfrn.); 4) »Mimoses et autres plantes légumineuses du nouveau continent, rédigées par C. S. Kunth« (Paris 1819–24, gr. Fol., mit 60 color. Kpfrn.); 5) »Synopsis plantarum quas in itinere ad plagam aequinoctialem orbis novi collegerunt A. de Humboldt et A. Bonpland, autore C. S. Kunth« (4 Bde., Strasb. und Paris 1822–26, 8.); 6) »Révision des graminées publiées dans les nova genera et species plantarum de MM. de Humboldt et Bonpland; précédée d’un travail sur cette famille, par C. S. Kunth« (2 Bde., Paris 1829–34, gr. Fol., mit 220 color. Kpfrn.). Sonst hat Humboldt außer den bereits oben genannten seit seiner Rückkehr nach Europa noch folgende größere Arbeiten veröffentlicht: »Ansichten der Natur« (Stuttg. 1808; 3. Aufl., 2 Bde., 1849); »Essai sur la géographie des plantes et tableau physique des régions équinoxiales« (Paris 1805; deutsch, Stuttg. 1807); »De distributione geographica plantarum secundum coeli temperiem et altitudinem montium prolegomena« (Paris 1807; deutsch von Beilschmied, Bresl. 1831); »Essai géognostique sur le gisement des roches dans les deux hémisphères« (Strasb. 1823 und 1826); »Essai politique sur l’île de Cuba« (2 Bde., Paris 1827); »Examen critique de l’histoire de la géographie du nouveau continent et des progrès de l’astronomie nautique aux quinzième et seizième siècles« (5 Bde., Paris 1836–38; deutsch von Ideler, Bd. 1–3, Berl. 1836–39); »Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung« (Bd. 1–3, Stuttg. 1845–52)
Eine Erzählung
Die Syrakuser hatten ihren Poikile wie die Athener. Vorstellungen von Göttern und Heroen, griechische und italische Kunstwerke bekleideten die bunten Hallen des Portikus. Unabläßig sah man das Volk dahin strömen, den jungen Krieger, um sich an den Thaten der Ahnherrn, den Künstler, um sich an dem Pinsel grosser Meister zu weiden. Unter den zahllosen Gemählden, welche der emsige Fleiß der Syrakuser aus dem Mutterlande gesammelt, war nur eines, das seit einem vollen Jahrhunderte die Aufmerksamkeit aller Vorübergehenden auf sich zog. Wenn es dem Olympischen Jupiter, dem Städtegründer Cekrops, dem Heldenmuth des Harmedius und Aristogiton an Bewunderern fehlte, so stand doch um jenes Bild das Volk in dichten Rotten gedrängt. Woher diese Vorliebe für dasselbe? War es ein gerettetes Werk des Apelles, oder stammte es aus der Mahlerschule des Kallimachus[1] her? Nein, Anmuth und Grazie strahlten zwar aus dem Bilde hervor, aber an Verschmelzung der Farben, an Charakter und Styl des Ganzen durfte es sich mit vielen andern im Poikile nicht messen.
Das Volk staunt an und bewundert, was es nicht kennt und diese Art des Volks begreift viel unter sich. Seit einem Jahrhundert war das Bild aufgestellt und ohnerachtet Syrakus in seinen engen Mauren mehr Kunstgenie umfaßte, als das ganze übrige meerumflossene Sizilien – so blieb der Sinn desselben doch immer unenträthselt. Man wußte nicht einmal bestimmt, in welchem Tempel dasselbe ehemals gestanden habe. Denn es ward von einem gestrandeten Schiffe gerettet, und nur die Waaren, welche dieses führten, liessen ahnen, daß es von Rhodus kam.
An dem Vorgrunde des Gemähldes sah man Jünglinge und Mädchen in eine dichte Gruppe zusammengedrängt. Sie waren ohne Gewand, wohlgebildet, aber nicht von dem schlanken Wuchse, den man in den Statuen des Praxiteles und Alkamenes bewundert. Der stärkere Gliederbau, welcher Spuren mühevoller Anstrengung trug, der menschliche Ausdruck ihrer Sehnsucht und ihres Kummers, alles schien sie des Himmlischen oder Götterähnlichen zu entkleiden, und an ihre irrdische Heimath zu fesseln. Ihr Haar war mit Laub und Feldblumen einfach geschmückt. Verlangend streckten sie die Arme gegen einander aus, aber ihr ernstes trübes Auge war nach einem Genius gerichtet, der von lichtem Schimmer umgeben, in ihrer Mitte schwebte. Ein Schmetterling saß auf seiner Schulter, und in der Rechten hielt er eine lodernde Fackel empor. Sein Gliederbau war kindlich, rund, sein Blick himmlisch lebhaft. Gebieterisch sah er auf die Jünglinge und Mädchen zu seinen Füssen herab. Mehr charakteristisches war an dem Gemählde nicht zu unterscheiden. Nur am Fusse glaubten einige noch die Buchstaben ζ und ω zu bemerken, woraus man (denn die Antiquarier waren damals nicht minder kühn, als jetzt) den Namen eines Künstlers Zenodorus, also gleichnamig mit dem spätern Koloß-Giesser, sehr unglücklich zusammen setzte.
Dem Rhodischen Genius, so nannte man das räthselhafte Bild, fehlte es indeß nicht an Auslegern in Syrakus. Kunstkenner, besonders die jüngsten, wenn sie von einer flüchtigen Reise nach Corinth oder Athen zurükkamen, hätten geglaubt, alle Ansprüche auf Genie verläugnen zu müssen, wenn sie nicht sogleich mit einer neuen Erklärung hervorgetreten wären. Einige hielten den Genius für den Ausdruck geistiger Liebe, die den Genuß sinnlicher Freuden verbietet; andere glaubten, er solle die Herrschaft der Vernunft über die Begierden andeuten. Die Weiseren schwiegen, ahneten etwas Erhabenes, und ergözten sich im Poikile an der einfachen Komposition der Gruppe.
So blieb die Sache immer unentschieden. Das Bild ward mit mannigfachen Zusätzen copirt, in Reliefs geformt und nach Griechenland gesandt, ohne daß man auch nur über seinen Ursprung je einige Aufklärung erhielt. Als einst mit dem frühen Aufgange der Plejaden die Schiffahrt ins Aegäische Meer wieder eröfnet ward, kamen Schiffe aus Rhodus im Hafen von Syrakus an. Sie enthielten einen Schatz von Statuen, Altären, Candelabern und Gemählden, welche die Kunstliebe der Dionyse in Griechenland hatte sammeln lassen. Unter den Gemählden war eines, das man augenblicklich für ein Gegenstück zum Rhodischen Genius erkannte. Es war von gleicher Größe, und zeigte ein ähnliches Kolorit; nur waren die Farben besser erhalten. Der Genius stand ebenfalls in der Mitte, aber ohne Schmetterling, mit gesenktem Haupte, die erloschene Fackel zur Erde gekehrt, der Kreis der Jünglinge und Mädchen stürzte in mannigfachen Umarmungen, gleichsam über ihm zusammen. Ihr Blick war nicht mehr trübe und gehorchend, sondern kündigte den Zustand wilder Entfesselung, die Befriedigung lang genährter Sehnsucht an.
Schon suchten die Syrakusischen Alterthumsforscher ihre vorige Erklärungen vom Rhodischen Genius umzumodeln, damit sie auch auf dieses Kunstwerk paßten, als der Tyrann Befehl gab, es in das Haus des Epicharmus zu tragen. Dieser Philosoph aus der Schule des Pythagoras, wohnte in dem entlegenen Theile von Syrakus, den man Tycha nannte. Er besuchte selten den Hof der Dionyse, nicht, als hätten nicht geistreiche Männer aus allen griechischen Pflanzstädten sich um sie versammlet, sondern weil solche Fürstennähe auch den geistreichsten Männern von ihrem Geiste raubt. Er beschäftigte sich unabläßig mit der Natur der Dinge, und ihren Kräften, mit der Entstehung von Pflanzen und Thieren, mit den harmonischen Gesetzen, nach denen Weltkörper im Großen und Schneeflocken und Hagelkörner im Kleinen sich kugelförmig ballen. Da er überaus bejahrt war, so ließ er sich täglich in dem Poikile und von da nach Nasos an den Hafen führen, wo ihm sein Auge, wie er sagte, ein Bild des Unbegrenzten, Unendlichen gab, nach dem sein Geist vergebens strebte. Er ward von dem niedern Volke und doch auch von dem Tyrannen geehrt. Diesem wich er aus, wie er jenem freudig entgegen kam.
Epicharmus lag entkräftet auf seinem Ruhebette, als der Befehl des Dionysius ihm das neue Kunstwerk sandte. Man hatte Sorge getragen ihm eine treue Kopie des Rhodischen Genius mit zu überbringen, und der Philosoph ließ beyde neben einander vor sich stellen. Sein Blick war lange auf ihnen geheftet, dann rief er seine Schüler zusammen und hub mit gerührter Stimme an:
»Reißt den Vorhang vor dem Fenster hinweg, daß ich mich noch einmal weide an dem Anblick der reichbelebten lebendigen Erde. Sechzig Jahre lang habe ich über die innern Triebräder der Natur, über den Unterschied der Stoffe gesonnen und erst heute läßt der Rhodische Genius mich klarer sehen, was ich sonst nur ahnete. Wenn der Unterschied der Geschlechter lebendige Wesen wohlthätig und fruchtbar aneinander kettet, so wird in der unorganischen Natur der rohe Stoff von gleichen Trieben bewegt. Schon im dunkeln Chaos häufte sich die Materie und mied sich, je nachdem Freundschaft oder Feindschaft sie anzog oder abstieß. Das himmlische Feuer folgt den Metallen, der Magnet dem Eisen; das geriebene Elektrum bewegt leichte Stoffe; Erde mischt sich zur Erde; das Kochsalz gerinnt aus dem Meere zusammen und die Säure der Stüptärie[2] strebt, sich mit dem Thone zu verbinden. Alles eilt in der unbelebten Natur sich zu dem seinen zu gesellen. Kein irrdischer Stoff (wer wagt es, das Licht diesen beyzuzählen?) ist daher irgendwo in Einfachheit und reinem, jungfräulichen Zustande zu finden. Alles eilt von seinem Entstehen an zu neuen Verbindungen und nur die scheidende Kunst des Menschen kann ungepaart darstellen was Ihr vergebens im Inneren der Erde und in dem beweglichen Wasser- und Luft-Oceane suchtet. In der todten unorganischen Materie ist träge Ruhe, so lange die Bande der Verwandtschaften nicht gelöst werden, so lange ein dritter Stoff nicht eindringt, um sich den vorigen beizugesellen. Aber auch auf diese Störung folgt wieder unfruchtbare Ruhe.
Anders ist die Mischung derselben Stoffe im Thier- und Pflanzenkörper. Hier tritt die Lebenskraft gebieterisch in ihre Rechte ein; sie kümmert sich nicht um die demokritische Freundschaft und Feindschaft der Atome; sie vereinigt Stoffe, die in der unbelebten Natur sich ewig fliehen, und trennt, was in dieser sich unaufhaltsam sucht.
Tretet näher um mich her, meine Schüler, und erkennet im Rhodischen Genius, in dem Ausdruck seiner jugendlichen Stärke, im Schmetterling auf seiner Schulter, im Herrscherblick seines Auges, das Symbol der Lebenskraft, wie sie jeden Keim der organischen Schöpfung beseelt. Die irrdischen Elemente, zu seinen Füßen, streben gleichsam, ihrer eigenen Begierde zu folgen, und sich mit einander zu mischen. Befehlend droht ihnen der Genius mit aufgehobener, hochlodernder Fackel, und zwingt sie, ihrer alten Rechte uneingedenk, seinem Gesetze zu folgen.
Betrachtet nun das neue Kunstwerk, welches der Tyrann mir zur Auslegung gesandt; richtet Eure Augen vom Bilde des Lebens ab, auf das Bild des Todes. Aufwärts weggeflohen ist der Schmetterling, ausgelodert die umgekehrte Fackel, gesenkt das Haupt des Jünglings. Der Geist ist in andre Sphären entwichen, die Lebenskraft erstorben. Nun reichen sich Jünglinge und Mädchen frölich die Hände. Nun treten die irrdischen Stoffe in ihre Rechte ein. Der Fesseln entbunden folgen sie wild, nach langer Entbehrung, ihrem geselligen Triebe; und der Tag des Todes wird ihnen ein bräutlicher Tag. – So gieng die todte Materie von Lebenskraft beseelt, durch eine zahllose Reihe von Geschlechtern, und derselbe Stoff umhüllte vielleicht den göttlichen Geist des Pythagoras, in dem vormals ein dürftiger Wurm im augenblicklichen Genusse sich seines Daseyns freute!
Geh Polykles und sage dem Tyrannen, was du gehört hast. Und Ihr, meine Lieben, Phradman und Skopas und Timokles tretet näher und näher zu mir. Ich fühle, daß die schwache Lebenskraft auch in mir den irrdischen Stoff nicht lange mehr zähmen wird. Auch er fordert seine Freyheit wieder. Führt mich noch einmal in den Poikile, und von da ans offene Gestade. Bald werdet ihr meine Asche sammlen!«
aus einem Briefe an Herrn Hofrath Blumenbach vom Herrn Oberbergrath F.A. von Humboldt
Ihre gütige Aufforderung, meine vielfachen Versuche über die Irritabilität der Thiere endlich einmal öffentlich bekannt zu machen, hat mich veranlaßt, was ich in den letzten drey Jahren darüber aufzeichnete, zu sammeln und in ein Ganzes umzuschmelzen. Der stete Wechsel meines Aufenthalts, zu dem mich meine öffentliche Lage veranlaßt, und das Umherziehen in Gebirgen, wo Bücher und wissenschaftlicher Umgang fehlen, hat mich manches für neu ansehen lassen, was es nun nicht mehr ist, da Zufall oder Forschungsgeist andere Physiker auf denselben Weg leiteten. Herrn Pfaffs neueste trefliche Schrift, über thierische Electricität. Leipzig 1795, hat mich, am Ziele meiner Arbeit, veranlaßt, sie noch einmal gänzlich umzuformen. Vergleichen Sie selbst, lieber B., was ich Ihnen im April von meinem Manuscripte schickte, mit Herrn Pfaffs Versuchen, und Sie werden sehen, wie wundersam sich zwey Menschen begegnen, die an so entfernten Orten in der physiologischen Untersuchung fortschritten. So ehrenvoll dieses Begegnen auch für mich ist, so pflichtwidrig schien es mir, dem Publicum einerley Materialien in verschiedenen Formen vorzulegen. Es kommt hier auf Erweiterung der Wissenschaft, nicht auf eine elende Priorität der Ideen an. Ich mache es mir daher zum Gesetz, nur das in meine Schrift überzutragen, was ich nach strenger (nicht ohne Aufopferung angestellter) Prüfung noch für neu halte, oder was ältere Versuche auf eine erweiternde Art bestätigte. Diese Schrift wird unter dem Titel: Physiologische Versuche über gereitzte Nerven und Muskelfasern mit allgemeinen Betrachtungen über die Natur des Thier- und Pflanzenkörpers, erscheinen.
Mein Hauptzweck dabey war, durch Abänderung der Versuche der Ursach des Metallreitzes nachzuspühren. Ich glaube hier einen Schritt weiter gerückt zu seyn, und empfehle Ihnen einen Hauptversuch, der mich zu vielen andern, sehr lehrreichen Versuchen geleitet hat. Wenn Muskel und Nerv mit gleichartigen Reitzern (z.B. mit Zink) bewafnet sind, so entsteht keine Zuckung, wenn auch Silber auf der Nervenarmatur liegt und man mittelst des Zinks den Muskel und dieß Silber verbindet. Geben Sie dem Silber aber auf einer Seite eine Belegung mit dem Hauch Ihres Mundes, gießen Sie einen Tropfen Wasser, Säure, Alkohol u.s.f. darauf, so ist die Zuckung augenblicklich da. Eben so können Sie die Lebenskraft der Thiers erwecken und nicht erwecken, wenn Sie in der zirkelförmigen Kette Nerv, Gold, Zink, Gold und Muskel verbinden, und der Zink bald benetzt, bald unbenetzt ist. Das wirkende Metall (hier Zink, im ersten Fall Silber) muß schlechterdings mit einem feuchten leitenden Körper in Verbindung stehen. Liegt es zwischen zwey Reitzern, (zwey Metallen, Kohle, Graphit,) ist die Kette z.B. Nerve, Gold, Zink, Silber, Gold, Muskel, so erfolgen keine Zuckungen beym Unterbrechen oder Schließen derselben. Diese Versuche sind nie fehlend, wenn sie mit Genauigkeit und Feinheit angestellt werden. Ich habe sie in Gegenwart so vieler Personen und so oft wiederholt, daß ich keck behaupten kann, sie mißlingen nur dann, wenn der Zink, oder das Silber, (wenn man sie trocken wähnte,) vom dünnsten Hauche bedeckt ist. Statt die Reitzer zu benetzen, kann man (wenn z.B. Zink auf der goldenen Armatur des Nerven liegt) auf diesen Zink ein Stück frisches Muskelfleisch von 2 bis 3 Kubiklinien legen. Verbinden Sie dieß, mittelst Gold, mit dem Froschschenkel, so ist der heftigste Reiz vorhanden[3]. In dem Stückchen Muskelfleisch selbst ist aber keine Zuckung, wenn es auch einen sichtbaren eigenen Nerven hat. Sie erfolgt erst (mit dem Froschschenkel gleichzeitig,) wenn das Gold den Schenkel, das Muskelfleisch und den Zink zugleich berührt.
Hier, denk ich, sind wir auf einem viel versprechenden Wege. Hier wirken feuchtes Muskelfleisch, Säure, Alkohol, Morchel, Hauch, wohl nicht als bloße leitende Substanzen. Von ihrer Berührung mit dem Metalle hängt alles ab; sie sind als die excitirenden Stoffe anzusehen, von denen alles ausgeht. Mit diesem Kardinalversuch treten wir dem Wesen des Galvanismus näher. Der ausdünstende Nerv und der ausdünstende Schenkelmuskel liegen an gleichartigen Metallen an. Es erfolgt kein Reiz. Unbelebte Substanzen, die fast nichts mit einander gemein haben, als Leichtigkeit des Uebergangs vom tropfbaren Zustande in den gasartigen, unbelebte Substanzen treten in die Kette. Sie liegen an einem Reitzer, der von jenen am Nerv und Muskel verschieden ist. Nun erfolgt Schlag, wie wenn + E und – E sich verbinden, nun ist die Zuckung augenblicklich da. Also ist das bey Verdampfungen allgegenwärtige, nur von der Insel der antiphlogistischen Chemie verbannte, electrische Fluidum hier wirkend? Electricität selbst wohl schwerlich, aber vielleicht etwas, was der gefrornen Fensterscheibe, dem Nordlichte, dem Electrophor, dem Magnete, dem Sonnenlichte u.s.f. gemein ist. Ich berühre diesen Punkt ungern, ehe ich nicht alle meine Versuche im Zusammenhange darstelle. Wenn unsere sogenannten physikalischen Versuche immer weniger zeigen, als der fromme Wunsch des Theoretikers heischt, so läßt der Galvanische Versuch auch den ungebildetsten fühlen, daß mehr in ihm liegt, als in der dürftigen Erklärung der Lombardischen Physiologen. In allem, was sich auf den Mechanismus der vegetabilischen und animalischen Organisation, auf Leben bezieht, ist es immer schon viel zu sagen: hierin liegt es, damit hängt es zusammen. Was es ist, möchte wohl schwerlich jemals ganz erklärt werden. Man weiß, daß die Erscheinung des Regenbogens, weil sie auf construirbaren Begriffen beruht, fast die einzige in der ganzen Physik ist, welche vollkommen erklärt wird, und man sucht eine Analyse des Lebens eben so, wie man das Radical der Kochsalzsäure sucht! Wenn ich beym Metallreitz im zerschnittenen Ischiadischen Nerven bey jeder Zuckung von Nerv zu Nervenende Funken überströhmen sähe, wenn das Bennetsche Electroscop deutlich + E anzeigte, so ließe meine Logik mich doch nicht schließen: was im Nerven ströhmt, was, von der Willenskraft gelenkt, den Muskel regt, sey Electricität selbst. Es kann ja E mit anderen unbekannten Stoffen x und y verbunden seyn, x und y können die einzig wirkenden, E bloß die concommittirende Kraft seyn. Electricität macht nur rege, was der lebendigen Nervenfaser eigen ist. – –
Versuche an Menschen sind schwer anzustellen, weil das Subjective unserer Phantasie sich hinein mischt. Doch sind sie gerade die interessantesten, am wenigsten erforschten. Ich habe Gelegenheit gehabt, eine Reihe sehr auffallender an mir selbst zu sammeln. Es kommt dabey nur auf Entblößung vom Nerven an, die ich mir bey zufälligen und vorsezlich erregten oder unterhaltenen Wunden verschafte. Ich muß Ihnen hier nur eines Versuchs erwähnen: ich ließ mir zwey Blasenpflaster, den Musc. Trapez. und Deltoid. bedeckend legen, und fühlte bey der Berührung mit Zink und Silber ein heftiges, schmerzhaftes Pochen, ja der Muscul. cucullar. schwoll mächtig auf, so daß sich seine Zuckungen aufwärts bis ans Hinterhauptbein und die Stachelfortsätze des Rückenwirbelbeins fortpflanzten. Eine Berührung mit Silber gab mir 3 bis 4 einfache Schläge, die ich deutlich unterschied. Frösche hüpften auf meinem Rücken, wenn ihr Nerv auch gar nicht den Zink unmittelbar berührte, einen halben Zoll von demselben ablag und nur vom Silber getroffen wurde. Meine Wunde diente zum Leiter, und (das ist sehr wichtig) ich empfand nichts dabey. Meine rechte Schulter war bisher am meisten gereitzt. Sie schmerzte heftig, und die durch den Reitz häufiger herbeygelockte lymphatische seröse Feuchtigkeit war roth gefärbt und wie bey bösartigen Geschwüren so scharf geworden, daß sie (wo sie den Rücken herablief,) denselben in Striemen entzündete. Dies Phänomen, welches Herr von Schallern, ein kenntnisvoller hiesiger Arzt, beobachtete, war zu auffallend, um es nicht behutsam noch einmal zu beobachten. Der Versuch glückte. Die Wunde meiner linken Schulter war noch mit ungefärbter Feuchtigkeit gefüllt. Ich ließ mich auch dort stärker mit den Metallen reitzen, und in 4 Minuten war heftiger Schmerz, Entzündung, Röthe und Striemen da. Der Rücken sah, rein abgewaschen, mehrere Stunden wie der eines Gassenläufers aus! Wer möchte hier nicht, lieber B., Ihrer scharfsinnigen Theorie über die vita propria der Gefäße gedenken?
Der heftigste Reitz für Empfindung und (um mit Sömmering zu reden) Spannkraft zugleich scheint das Galvanische Zinklavement zu seyn, wobey die Muskeln am After gereizt werden. Frösche ohne Kopf thun dabey 5 bis 6 Zoll weite Sätze; einen Vogel, der nicht mehr athmete, auf mechanischen Reitz unempfindlich war, habe ich dadurch zu heftigem Schlagen mit den Flügeln gebracht, welche fortdauerten, da ihn der Zink nicht mehr berührte. Die Zunge wird dabey durch einen Metallstreifen gleichsam verlängert, und in eine Gegend geleitet, in die sie sich sonst nicht verirrt, und von der die Natur sie so vorsichtig entfernt hat!
Morcheln, alle drey Arten, die man mit diesen Namen belegt, Phallus esculentus, Helvella mitra und H. sulcata Willd. Flor. Ber.n. 1758. ferner Agaricus campestris, A. clypeatus, Thaelaephora glabra, alle Schwammarten, welche gefault einen cadavrösen Geruch von sich geben, zeichnen sich beym Metallreitz wundersam aus. Sie sind vollkommnere Leiter, als andere feuchte Substanzen, ja sie sind es durch ihre eigenthümliche Lymphe, durch den Organismus ihrer (Muskel-?) Faser. Die filzige sammtartige Oberfläche der frischen Morgeln, auf Wolle trocken gerieben, leitet. Eben so Morcheln, die in Asche leise gedörrt sind, während daß Pflanzenblätter und Stengel nicht leiten. Erinnern Sie sich meiner chemischen Versuche über die Schwämme, welche meiner Flora freibergensis subterranea angehängt sind? Die Analogie zwischen Schwämmen und thierischen Substanzen ist auffallend. Deshalb sind Schwämme aber weder Thiere noch Thierprodukte.
Ich habe zwey neue Excitateurs gefunden, mit deren chemischen Analyse ich noch beschäftigt bin, und die mir schon darum interessant scheinen, weil sie sich an die vorigen Entdeckungen anschließen. Auf einer unserer Nailaer Gruben, der Oberen Mordlau Fundgrube zu Steeben, bricht auf einem mächtigen Gange (ein uranfänglicher Thonschiefer) lydischer Stein mit dichtem und fasrigem braunen Eisenstein, Quarz, Arsenikalkies und etwas fasrigem Malachit. So äußerst auffallend dieß Vorkommen des Lydischen Steins auf Gängen ist, so ist es das Fossil selbst auch wegen seiner chemischen Mischung. Es färbt auf den Klüften ab, und enthält eine beträchtliche Menge (mineralischen) Kohlenstoffs. Ich habe Schwefelleber daraus bereitet, Salpeter damit verpuffen lassen, ätzendes vegetabilisches Laugensalz in kohlensaures verwandelt. Ich wurde darauf aufmerksam, da mein gepulverter (wahrscheinlich feuchter) lydischer Stein unter dem pneumatischen Apparate kohlensaures Gas mit etwas Wasserstoffgas umhüllt, eine Art Hydrogene pesant, gab. Dieser lydische Stein nun erregt als Nervenarmatur die heftigsten Zuckungen mit Gold und Zink. Er reitzt am meisten auf den Klüften, oft aber auch an Stellen, wo der Graphit sehr innig gemengt seyn muß. Er verhält sich dabey eben so sonderbar, als die bald reitzende, bald nicht reitzende Pflanzenkohle. Ich habe Stellen gesehen, die keine Zuckungen gaben und wenn sie gleich abfärbten. Hier mag alles auf einer feinen Umhüllung der Stoffe beruhen. Auch Alaun und Vitriolschiefer (ein Lager im Urtrapp oder uranfänglichen Grünstein bey Bernek) excitiren wie die Metalle. So wird die lebendige Nervenfaser gleichsam ein Mittel chemische Bestandtheile der Stoffe vorherzusagen. So haben wir den Nerv als Anthrakoscop, so wie es Hygroscope und Electroscope giebt, die aber alle neben dem Kohlenstoff, neben dem Wasser und neben der Electricität leider! noch manches andere mit anzeigen.
Herrn Reils geistreiche Abhandlung de irritabilitatis notione, natura et morbis hat mich zu manchem wichtigen Versuche geleitet. Solche Schriften gehören unter die seltenen Erscheinungen, deren unser Jahrzehend bedarf. Was in der schönen Abhandlung über das Gehirn (in Grens Neuem Journal.B. 1. 1795. S. 113.) über sensibele Atmosphären gemuthmaßt wird, glaube ich an meine Versuche anschließen zu können. Ich fand bereits vor zwey Jahren, daß, wenn ein Nerv zerschnitten wird, man die Enden desselben um 1 – 5/4 Pariser Linien von einander entfernen kann. Das unbekannte Fluidum G ströhmt doch über, wenn nur das abgeschnittene getrennte Nervenende und der Schenkel gehörig armirt sind. Ja, ich habe einigemal sehr deutlich den Reitz erfolgen sehen, als ich mit der silbernen Pincette nicht das Nervenstück, welches noch mit dem Muskel verbunden bleibt, sondern das getrennte mit Zink armirte berührte. Ich habe deutlich (und vorsichtige Männer mit mir) beobachtet, wie mit abnehmender Lebenskraft der sensible Wirkungskreis (der Name Atmosphäre ist wohl zu hypothetisch,) von 5/4 Linie bis 1/4 Linie abnahm, wie endlich, um noch zu reitzen, Berührung oder Wiedervereinigung der Nervenenden nöthig war. Die vermeinten Ostiola der Nervenbündel brauchen (weil sie nicht da sind,) einander nicht gegenüber zu liegen, sondern jeder Nerv verbreitet, gleich einem magnetischen Stabe, einen Wirkungskreis um sich, der sich durch eine punktirte Linie von 1 bis 5/4 Linien Abstand vom Nerven angeben läßt. Kommt ein anderes Nervenstück innerhalb dieser Gränze, so ist die Zuckung augenblicklich da. Dieser Versuch ist für die Physiologie, welche bisher immer Nerven brauchte, wo die Zootomie sie nicht finden lehrte, wichtig. Ich habe ihn in- und außerhalb Deutschland auf meinen Reisen so vielen Personen gezeigt, auf Glastafeln so behutsam angestellt, daß hiebey keine Täuschung möglich war. Für diejenigen, welche einwenden, der Nerv lasse Feuchtigkeit ausfließen und diese Feuchtigkeit verbinde die zerschnittenen Nervenstücke, flicke sie gleichsam, (so wie ich sie wirklich mit kahlen Rattenschwänzen, gekochtem Schinken, Mäuseembryonen und Morcheln auf 5 bis 6 Zoll glücklich geflickt habe,) merke ich an: daß ich zweymal, da der Nerv mit Zink armirt und der dem Frosch zugebrachte Fuß der silbernen Pincette mit 2 bis 3 Kubiklinien frischem Muskelfleisch umwickelt war, sehr lebhafte Zuckungen erregt habe, indem ich mich mit dieser Pincette dem Frosche irgendwo auf 3/4 Linie nahete. Es sah wie ein Anblasen aus, und hier tröpfelte nichts herab, wenigstens kein Nervensaft, den gewisse Menschen, (wie den Sauerstoff und Stickstoff) gern in Pillenschachteln und Gläsern einfach dargestellt hätten. Daß aber etwas Materielles von einem Nervenende ins andere, oder (wie im lezten Versuche) vom Muskelfleisch an der Pincette in den Schenkel übergieng, leugne ich nicht. Wie wäre sonst eine Wir kung par distance denkbar? Die Annahme gasförmiger Ausströhmung ist aber dem Einwurf, als habe die nasse Glasplatte das unbekannte Fluidum G von Nerv zu Nerv geleitet, völlig entgegen. Der Versuch mit der Pincette scheint nur bey auffallend lebhaften Individuen zu gelingen. Er sah einem Zauber ähnlich und ich kann nie ohne Wohlgefallen an ihn zurückdenken. Der unbewickelte Theil der Pincette leitete nicht par distance. Eben so wenig thun es Morcheln und andere nicht animalischbelebte Substanzen. Ein Nerv erregte keine Zuckungen, wenn er auf 1/4 Linie nur von der mit Gold armirten Morchel entfernt lag, selbst wenn ich Oel zwischen Morchel und Nervenende goß. Daß in allen diesen Dingen ein gelingender Versuch mehr entscheidet, als zwölf nicht gelingende, daran, lieber B., darf ich Sie nicht erinnern. Eine ziemlich allgemein verbreitete, sehr nahrhafte Flüssigkeit, deren Besitz man neuerdings einem Quecksilberkalche abstreiten wollte, sollte uns bey jedem Athemzuge daran erinnern. Ich habe das Experiment über das Nichtwirken der Morchel in der Ferne eine volle Stunde lang fortgesezt, und doch werde ich jedem glauben, der mit sagt, er habe die Morchel in der Ferne wirken sehen.
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