cover

Dr. med. Berndt Rieger

BASEDOW HEALING

Dr. med. Berndt Rieger

BASEDOW HEALING

Ganzheitliche Behandlung bei Schilddrüsenüberfunktion

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

info@mvg-verlag.de

3. Auflage 2022

© 2018 by mvg Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Wichtiger Hinweis

Dieses Buch ist für Lernzwecke gedacht. Es stellt keinen Ersatz für eine individuelle medizinische Beratung dar und sollte auch nicht als solcher benutzt werden. Wenn Sie medizinischen Rat einholen wollen, konsultieren Sie bitte einen qualifizierten Arzt. Der Verlag und der Autor haften für keine nachteiligen Auswirkungen, die in einem direkten oder indirekten Zusammenhang mit den Informationen stehen, die in diesem Buch enthalten sind.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlaggestaltung: Marc-Torben Fischer

Umschlagabbildung: Shutterstock/Boule

Abbildung im Innenteil: Shutterstock/Nerthuz

Satz: inpunkt[w]o, Haiger (www.inpunktwo.de)

Druck: CPI books GmbH, Leck

eBook: ePubMATIC.com

ISBN Print 978-3-86882-960-0

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96121-268-2

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96121-269-9

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.mvg-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Inhalt

Einleitung

Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten

Die individuelle Lösung liegt in dir selbst

Die Schilddrüse und ihre Funktionen

Wie entstehen Autoimmunerkrankungen?

Der Morbus Basedow unter dem Mikroskop

TSH

TRAK

Die Symptome eines Morbus Basedow

Die endokrine Orbitopathie (EO)

Die Struma und der Kropf

Ausbruch, Verschlimmerung und konventionelle Heilung

Gefährliche Röntgenkontrastmitteluntersuchungen

Die Radiojodtherapie

Die Stimme als Diagnosewert

Fehldiagnosen

Das Heildreieck beim Morbus Basedow

Jodvermeidung

Die Schilddrüse mit Arzneien kühlen

Die Behandlung der endokrinen Orbitopathie

So hilft Ayurveda

Die Schilddrüsenmassage

Der Schilddrüsenwickel

Eine Kur mit Schüßler-Salzen

Homöopathie

Gelassenheit

Schlusswort

Der Autor

Einleitung

Der Morbus Basedow ist eine Autoimmunerkrankung, bei der die Schilddrüse von Antikörpern angegriffen wird, und sich dabei entzündet und verdickt. So entsteht ein sogenannter Kropf, eine Schwellung am Hals. Die Augen entzünden sich und treten hervor, denn das Gewebe hinter dem Augapfel reagiert ebenfalls auf die Antikörper und das kann zu Sehstörungen bis hin zur Blindheit führen. Weitere Antikörper treiben die Schilddrüse zu Höchstleistungen an. Sie produziert ihr Jodhormon im Übermaß – mehr, als gebraucht wird. Die daraus entstehende Schilddrüsenüberfunktion kann hartnäckig sein und bewirkt ein Hitzegefühl, Herzklopfen, Atemnot, innere Unruhe, Schlaflosigkeit, Schwitzen, Gewichtsverlust, Ängste, Haarausfall. Wird die Krankheit nicht gestoppt oder unter Kontrolle gebracht, kann sie in schlimmen Fällen in Herzversagen und sogar tödlich enden.

Wir haben es hier also mit einer ernsthaften Autoimmunerkrankung zu tun und viele Menschen halten sie deshalb per se für unheilbar. Das ist allerdings nicht richtig. Im Unterschied zu schweren Gefäßleiden oder Krebs hat Morbus Basedow eine Neigung, sich wieder zurückzubilden und spurlos zu verschwinden, als wäre er nie dagewesen. Bei angemessener Behandlung geschieht dies meist innerhalb einiger Monate oder Jahre Allerdings gibt es keine pauschalen Aussagen darüber, wie sich ein Morbus Basedow beim einzelnen Menschen auswirken und entwickeln wird. Manchen Betroffenen wird sie zum Verhängnis, viele leiden über Jahre hinweg daran, ohne einen dauerhaften Schaden zu entwickeln – und ein großer Teil wird nach ein, zwei Jahren ohne besondere medizinische Leistung geheilt. Diese hohe »Spontanheilungsrate« legt den Schluss nahe, dass es sich hier nicht vorwiegend um ein genetisches Leiden handelt, wie oft vermutet wird, und auch nicht um das Resultat einer »Vergiftung«, einer »Übersäuerung« oder eines Vitalstoffmangels im Körper. Wenn es denn so wäre, könnte ja nur eine konsequente Korrektur dieser Missstände eine Heilung ermöglichen. Das ist aber nicht der Fall. Betroffene heilen oberflächlich betrachtet tatsächlich oft »spontan«, also ohne große medizinische Anstrengung, die in diese oder jene Richtung unternommen wird. Morbus Basedow stellt in vielen Fällen eine Krise dar, in die sich Betroffene (die überwiegende Mehrzahl der Basedow-Kranken sind übrigens Frauen) hinein bewegen, und aus der sie im Regelfall auch wieder aus eigenen Kräften herauskommen. Allein oder mit Hilfe, das ist von Fall zu Fall verschieden. Sicherlich hilft es ungemein, wenn mit Schilddrüsenblockern die Überfunktionsbeschwerden abgemildert werden und wenn dadurch wieder Ruhe in Körper und Seele einkehrt. Dabei lässt oft auch die Intensität der Symptome nach und die Krankheit kann sich zurückbilden.

»Spontan« ist für diesen Vorgang aber eigentlich nicht das richtige Wort. Die Krankheit verschwindet nicht einfach ohne Grund und ohne Beziehung zu den Geschehnissen. Im Gespräch mit Frauen, die an Morbus Basedow leiden oder gelitten haben, kann relativ schnell skizziert werden, wie es zur Krise kam, welche seelische Konflikthaftigkeit die Krankheit unterhielt und welche innere Entwicklung sie zur Rückbildung brachte. Natürlich dürfen dabei die körperlichen Faktoren, die die Krankheit begünstigen und unterhalten können, keineswegs vernachlässigt werden. So besteht kein Zweifel, dass der Morbus Basedow durch die Gabe hoher Mengen von Jod verschlechtert wird, vielleicht sogar ausgelöst werden kann, und dass die Reduktion der Jodaufnahme mit der Nahrung heilend wirkt. Wissenschaftlich bewiesen ist auch, dass bestimmte Erbanlagen die Ausbildung eines Morbus Basedow begünstigen können, bei Menschen also hier eine Schwachstelle besteht, die berücksichtigt werden muss und die auch erklärt, warum gleiche Belastungen nicht bei allen Menschen Basedow-Schübe auslösen.

Die üblichen Behandlungsvorschläge für diese Krankheit sind Bestrahlung oder Operation der Schilddrüse. Dies wird vielleicht von manchen Kranken mit Erleichterung begrüßt und von anderen immerhin als angebracht und notwendig aufgenommen werden. Doch haben diese Therapien Konsequenzen, an die man in dieser Situation nicht sofort denkt, denn solch eine »definitive« Behandlung kann zur Zerstörung der Schilddrüse führen – und ist die Schilddrüse einmal weg, kann man sie nicht mehr zurückbringen. Die Schilddrüse ist ein Organ, dessen Funktion nur kaum mit Tabletten ersetzt werden kann. Sie produziert fein dosiert und dem individuellen Bedarf angepasst Stoffe, die unser Denken, unser Fühlen und das Funktionieren der Körperzellen regulieren. Beim Morbus Basedow ist diese Funktion zwar übertrieben stark geworden, übersteuert, entgleist und somit schädlich. Nach einer gezielten therapeutischen Zerstörung der Schilddrüse droht man aber in das Gegenteil zu rutschen und an wichtigen Stoffen zu verarmen, denn die übliche Gabe von L-Thyroxin, dem wichtigsten der Schilddrüsenhormone, deckt nur einen kleinen Teil des wirklichen Bedarfs ab. Und selbst der Bedarf an diesem Schilddrüsenhormon ist schwankend und den Biorhythmen und den Wechselfällen des Lebens unterworfen. Da kann es keine Lösung sein, tagtäglich durch die konstante Gabe einer festgelegten Hormonmenge Gleichförmigkeit erzwingen zu wollen. Kurz gesagt zielt die konventionelle Therapie des Morbus Basedow – also Operation oder Bestrahlung – darauf ab, einer Person, der aus verschiedenen Gründen die Kontrolle über die Steuerung ihres Lebens abhandengekommen ist, den emotionalen Steuerknüppel für immer aus der Hand zu nehmen. Für manche bringt das erst mal eine große Erleichterung, denn ein aktiver Morbus Basedow wirkt wie ein übermächtiger Gegner und zersetzt Geist, Körper und Seele.

Eine ausgeprägte Schilddrüsenüberfunktion ist kein Kinderspiel. Man wird von Ängsten geschüttelt, verliert sich in einer überhöhten Wahrnehmung der Welt, übertreibt geistig und emotional, findet im Leben keinen Boden, hat das Gefühl, sich selbst nicht mehr zu kennen, und verändert im Laufe der Zeit auch seine Persönlichkeit teils gravierend. Der Körper schmilzt förmlich dahin wie eine Kerze, die an beiden Enden brennt. Bei manchen Menschen ist der Gewichtsverlust radikal, und diese Menschen wirken optisch oft jünger, weil die Gewebe wieder stärker durchsaftet werden; zudem werden diese Personen mitunter auch in ihrem Fühlen und Handeln kindlich: mit ihren großen Wünschen und mit der kindlichen Abhängigkeit, die aus der Zerstörung aller mentalen und emotionalen Strukturen erwächst. So wie wir mit einer lahmen, kranken Schilddrüse vorgealtert und älter wirken, führt der Morbus Basedow durch seine Überproduktion von Hormonen eine Zeit lang zu einer zweiten Jugend, was aber auf Dauer nicht durchgehalten werden kann und sicherlich nicht gesund ist, da wir eben weiterhin unser biologisches Alter aufweisen und der Ansturm der Hormone in einem älteren Körper nur schlecht vertragen wird. Beim Morbus Basedow kann die erkrankte Schilddrüse, der Sitz der Seele, durch die Schilddrüsenüberfunktion zum Feind werden. Ist sie dann erst einmal operativ oder durch Bestrahlung entfernt oder zerstört und erhält der Betroffene danach eine angemessene Dosis von L-Thyroxin, kehrt ein gewisses Maß an Realität zurück. Der Betroffene stabilisiert sein Körpergewicht, wird ruhiger, denkt wieder klarer, fühlt »realistischer«, versteht den Alltag wieder besser und kann sich erneut der Erfüllung seiner Aufgaben widmen.

Aber ist er noch der gleiche Mensch? Ist er noch die Person, die in eine Krise geriet aufgrund einer langen Vorgeschichte von Prägungen, Erlebnissen und Beeinflussungen, auf die die Schilddrüse übertrieben reagierte im Versuch, Unmögliches durch Überanstrengung doch noch möglich zu machen? Hier kann eine »definitive« Therapie, die ein Organ zerstört, ein Scheitern verursachen, obwohl die Krankheit selbst noch eine Chance auf Lösung geboten hat. Die radikale Therapie »überwindet« die Krise, indem sie das bisherige Leben des Menschen beendet und ihm die Möglichkeit bietet, ein anderes Leben zu führen – auf gedämpfte Art. Sie raubt ihm dabei zugleich die Möglichkeit, gestärkt aus der Krise hervorzugehen und seine Wesenhaftigkeit zu bewahren. Dabei gibt es eine Vielzahl alternativer Therapieansätze, die die Krankheit lindern oder gar heilen können, und dem Betroffenen gleichzeitig die Kontrolle über die eigenen Hormone und damit über seine Gefühle und Wahrnehmungen zurückgeben können. Doch zunächst gilt es, die Krankheit zu diagnostizieren, denn bereits hier tun sich viele Ärzte schwer.

Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten

Morbus Basedow beginnt in der Regel schleichend. Der Betroffene bemerkt Symptome wie innere Unruhe und hält das irgendwie noch für normal. Vielleicht kennt er diese Symptome aus Belastungssituationen, doch nun bleibt diese Reaktion, wird nachhaltiger. Vielleicht ist er von Natur aus ein ängstlicher Mensch – und jetzt scheinen sich diese Ängste zu verstärken und zu häufen. Geht der Betroffene dann zum Arzt, findet dieser oft »nichts«, registriert Normalwerte, beruhigt zunächst im Gespräch. Doch die »Nervosität« gräbt sich immer tiefer in den Körper ein. Irgendwann wird dann doch eine Schilddrüsenüberfunktion diagnostiziert und es wird festgestellt, dass auch Antikörper gegen Schilddrüsengewebe im Blut vorhanden sind. Der TSH-Wert, also der Wert des Hormons, das die Schilddrüse stimuliert, ist zu diesem Zeitpunkt meist nicht mehr messbar, weil auch Antikörper gegen den TSH-Rezeptor vorhanden sind. Plötzlich wird die Diagnose Morbus Basedow gestellt – und dabei wird in der Regel auch gleich dramatisiert: »Um Himmels Willen«, heißt es, »wir müssen operieren. Sie wollen nicht operieren? Dann müssen wir bestrahlen! Ach, das wollen Sie auch nicht? Nun gut, dann versuchen wir es mal mit einem Schilddrüsenblocker, aber nicht zu lange, weil nämlich die Leber darunter leiden kann.«

Es sind ärztliche Ratlosigkeit und Routine, die hier Hand in Hand gehen und sich dabei verbünden, einem Menschen mit Übersteuerung der Schilddrüse gleich das Organ rauben zu wollen. Damit der Betroffene aber auch mitmacht und diese Therapien über sich ergehen lässt, wird ihm häufig Angst gemacht. Und das ist das Schlechteste, was ein Arzt in dieser Situation überhaupt tun kann. Der ohnehin ängstliche Mensch, der gerade einen Basedow-Schub erlebt, verfällt durch den Fluch, den der Arzt auf diese Weise ausspricht, in Panik. Er ist nicht informiert, und glaubt, nun fachlich korrekt informiert zu werden. Aber oft ist es nur Panikmache und Aktionismus, was hier geschieht. Nur selten muss ein Morbus Basedow radikal behandelt werden. Meist bringt eine Umstellung auf jodarme Ernährung bereits eine Verbesserung. Aber davon wollen viele behandelnde Ärzte meist nichts wissen. Sie ordnen lieber eine Operation an, verschreiben ein Medikament und kündigen Konsequenzen wie Herzschäden oder gar ein extrem erhöhtes Sterberisiko an, wenn sich der Betroffene weigert.

Auch das Internet ist hier keine große Hilfe. Sicherlich wird hier auch informiert. Vor allem aber wird dramatisiert. Es werden schreckliche Bilder gemalt, die im Einzelfall nur sehr selten zutreffen. Eine sachliche und den durchschnittlichen Verlauf treffende Beratung erfolgt nur selten. Wohl aber trifft man auf die Ängste der Menschen, die diese Diagnose erhalten haben, und lässt sich davon anstecken. Und wer dann in Foren und Diskussionsgruppen als Berater auftritt, ist nur selten Therapeut oder aktiver Arzt, der aus der eigenen Betreuung Basedow-Fälle kennt. Vor allem tummeln sich im Internet Angehörige des medizinisch-industriellen Komplexes, die dort schreiben, um Menschen zu Operationen, Bestrahlungen oder medikamentösen Therapien zu verleiten, an denen sich etwas verdienen lässt.

Warum eigentlich diese Hysterie? Der Morbus Basedow beruhigt sich doch oft von selbst. Darüber hinaus gibt es viele Menschen, die über Jahre ohne besondere Therapie mit einer Schilddrüsenüberfunktion und dieser Autoimmunerkrankung leben können. Solche Fälle kenne ich zur Genüge. Ich will damit nicht sagen, dass ich das gut finde, aber der Mensch hält ganz schön was aus. Viele Patienten, die die Ratschläge der Ärzte in den Wind schlagen, kommen oft lange Zeit ganz gut zurecht, und geraten nur sehr selten – und vor allem dann, wenn noch eine Jodvergiftung hinzukommt – in eine Herzschwäche. Aber die Kassenarztmedizin schaltet beim Morbus Basedow schnell auf Autopilot. Zwar wird zunächst häufig mit einem Schilddrüsenblocker und einem Betablocker behandelt, doch wenn es die geringsten Probleme gibt, wird direkt zur Operation geraten. Das geschieht auch, wenn die Befindlichkeit und die Laborwerte deutlich zeigen, dass es in die Richtung einer Heilung geht. Da schleicht sich oft ein sadistisches Element ein. Patienten, die eine radikale Behandlung abgelehnt haben, können in den Augen mancher Ärzte nichts mehr richtig machen, und selbst wenn die Betroffenen alle objektiven Zeichen einer Heilung aufweisen, werden ihnen immer noch Flüche nachgeschickt. Glücklicherweise gibt es auch mitfühlende und weltoffene Ärzte, die die Größe haben, persönliche Heilerfolge ihrer Patienten zu erkennen und anzuerkennen.

Es ist ein großes Problem, dass nur wenige Ärzte Erfahrung mit der Behandlung des Morbus Basedow haben und dass Heilpraktiker oft auch vor der Verantwortung der Behandlung dieser Krankheit zurückschrecken. Deshalb wird ja so viel gedroht und Angst eingejagt, da niemand Verantwortung für den Patienten übernehmen möchte. Sobald eine Operation erfolgt ist, hat man als Therapeut »alles« gemacht, selbst wenn die OP schiefgelaufen sein sollte und der Patient nun nicht nur einen Morbus Basedow hat, sondern beispielsweise auch eine Stimmbandlähmung. Oder wenn er mit den Tabletten nicht zurechtkommt, die nun lebenslang einzunehmen sind.

Im Praxisalltag läuft es also so: Entweder der Basedow »spurt« innerhalb weniger Monate, in denen bremsende, blockierende Arzneien verordnet werden, und erweist sich als »brav«, oder es wird gleich die »definitive« Behandlung angeraten. Der Wunsch der Ärzte, eine verfahrene Situation auf diese Weise mit einem Schwertstreich lösen zu wollen, ist so alt wie die Geschichte von Alexander dem Großen, der den gordischen Knoten einfach zerschlug, anstatt das Knifflige der Situation anzuerkennen. Die Irrungen und Verwirrungen eines Menschen, der in der Basedow-Krise landet, sind ähnlich schwierig aufzulösen, und in seiner Aufgeregtheit und seelischen Zerfaserung strahlt der Patient oft auch selbst die Aura eines unlösbaren Falles aus. Also entfernt die Medizin lieber das Organ, in dem sich dieses unentwirrbare Knäuel gebildet hat, durch einen Schwertstreich oder mit der Strahlenkanone. Aber genauso wenig wie der gordische Knoten damals durch diese radikale Maßnahme gelöst wurde, ist das beim Morbus-Basedow-Patienten der Fall, die operiert werden. Der »Knoten« wird auf körperlicher Ebene entfernt, doch alles Übrige ist noch vorhanden: das soziale Umfeld, die eingeübten Reaktionsweisen, die alten Verletzungen, die ungelösten Ehekonflikte und vieles andere mehr. Das Gehirn hat das abgespeichert, ebenso wie wahrscheinlich jede Körperzelle. Und da nun die Schilddrüse nicht mehr existiert, die zuvor alles abgefangen hatte und in der Folge daran litt, fehlt nun auch die Möglichkeit, auf naturgemäße Weise den Knoten zu entwirren. Es muss ein anderer Weg gefunden werden, aber dieser wird wahrscheinlich noch mühevoller, noch fordernder, noch schwieriger sein.

Eine Operation kann hilfreich sein, wenn die Augen der Patienten immer weiter heraustreten, sich Sehstörungen ausbilden und man um das Augenlicht fürchtet. Das sind verzweifelte Fälle, wie sie zwar nur wenige Basedow-Patienten erleben, aber es gibt sie, und dann ruft die Medizin zu Recht zu schärferen Lösungen. Hier wird dann zuerst mit Corticoiden versucht, das Immunsystem lahmzulegen, und wenn das nicht geholfen hat, werden die Augen mit der Röntgenkanone bestrahlt, wohl wissend, dass die Augen danach nie wieder so leistungsfähig und gesund sein werden wie vorher. Bevor Ärzte allerdings zu diesen extremen Maßnahmen greifen, operieren sie vorher oft lieber die Schilddrüse heraus, da sie wissen, dass es vorkommen kann, dass danach der Morbus Basedow in sich zusammenbricht. In vielen Fällen, doch bei Weitem nicht allen, ist das auch der Fall.

Diese schlimmen Verläufe sind sehr selten. Wirklich sehr selten. Doch ein Hauch dieser Dramatik steht bei jeder neuen Diagnose des Morbus Basedow im Raum, und dies erklärt auch, warum viele Ärzte lieber gleich radikal an die Krankheit herangehen wollen, bevor sie einen Schaden anrichtet. In dieser Situation werden nicht selten alle Patienten über einen Kamm geschoren. Eine Differenzierung bezüglich des Schweregrades der Krankheit und ihrer Intensität findet gar nicht statt. So kann es passieren, dass man vielen Patienten nicht gerecht wird. Denn eigentlich spürt der Betroffene ja selbst, womit er es zu tun hat und wie schwerwiegend das ist, was er hat. Er spürt es, sofern er nicht durch schlechte Prognosen und ärztliche »Drohungen« manipuliert wird.

Aufgrund dieses eingeschliffenen Mechanismus in den meisten Arztpraxen suchen viele Patienten mit Morbus Basedow eine Alternative. Sie können einfach nicht glauben, dass so hart, so mitleidlos agiert wird, und wollen wissen, ob das gerechtfertigt ist. Sie spüren auch, dass diese harte Behandlung der Natur der Krankheit und des Organs, das davon befallen ist, nicht angemessen ist. Sie wollen um Heilung kämpfen, statt sich einem Zerstörungsprozess auszusetzen. In meiner Praxis verfolge ich einen alternativen Ansatz. Bei mir wird nicht operiert oder bestrahlt, hier wird nur ausnahmsweise mit einer Nadel in die Schilddrüse gestochen. Manche Patienten finden das enttäuschend, denn auftrumpfend ist die sanfte Medizin erst mal nicht, die ich vertrete. Da kann es sein, dass Misstrauen gegensätzlicher Art wächst. Der Patient fragt sich, warum ich nichts mache und ob man das verantworten kann. Schließlich wurde ihm zuvor geraten, sofort zu operieren.

Immerhin merken die meisten Patienten, dass ich schon beim Erstgespräch versuche, die Enden des Gefühlsknäuels in die Hand zu nehmen und mich an die Arbeit des Aufdröselns zu machen. Gemeinsam mit dem Patienten, der ja irgendwann kein Patient mehr sein soll, kein Leidender und vor allem kein Ratloser. Das ist mühsam, da wie gesagt keine Patentlösungen existieren. Es ist ein anderer Beginn der Behandlung als in den meisten Praxen, was aber nicht heißt, dass es dabei bleiben muss. Das Erstgespräch, die Erstuntersuchung sind ein Versuch, wirklich am Anfang anzufangen und herauszufinden, womit man es eigentlich zu tun hat. Wie äußert sich die Krankheit? Ist es überhaupt zu erwarten, dass sie auf sanfte Reize reagieren wird? Wie wahrscheinlich ist es, dass sich das Leben des Betroffenen entspannt, dass sich die Konflikte lösen lassen? Wie denkt und fühlt der Patient überhaupt, der einem gegenüber sitzt? Will er an seiner Krankheit und an sich arbeiten, oder sucht er einfache Lösungen, an denen er nur peripher beteiligt ist? So kann sich in einem Fall rasch der Eindruck ergeben, dass der Patient im OP-Saal besser aufgehoben ist, während man sich das in einem anderen Fall überhaupt nicht vorstellen kann. Und bei einem Fall wird man hochdosiert mit synthetischen Schilddrüsenblockern anfangen, weil die Krankheit fast übermächtig erscheint, während man sich beim anderen völlig auf Schüßler-Salze und Homöopathie verlassen wird, weil man spürt, dass durch diese energetischen Arzneien große Wirkungen eintreten können.