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Abmahnung, Einstweilige Verfügung und neues Wettbewerbsrecht

Dr. Jürgen Niebling
Rechtsanwalt, Olching

3.,überarbeitete Auflage, 2018

Inhalt

Abkürzungen

Vorwort

I.Einführung

II.Die Abmahnung

1.Grundsätzliches

2.Muster

3.Anmerkungen

III.Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung

1.Grundsätzliches

2.Muster

3.Anmerkungen

IV.Die erlassene Einstweilige Verfügung

1.Grundsätzliches

2.Muster

3.Anmerkungen

V.Rechtsschutz gegen die erlassene Einstweilige Verfügung

1.Grundsätzliches

2.Muster

3.Anmerkungen

VI.Die abweisende Entscheidung

1.Grundsätzliches

2.Muster

3.Anmerkungen

VII.Rechtsschutz gegen abweisende Entscheidungen

1.Grundsätzliches

2.Muster

3.Anmerkungen

VIII.Das Abschlussschreiben

1.Grundsätzliches

2.Muster

3.Anmerkungen

IX.Die Hauptsacheklage

1.Grundsätzliches

2.Muster

3.Anmerkungen

X.Die Vollstreckung Einstweiliger Verfügungen

1.Muster

2.Anmerkungen

XI.Abmahnung und Einstweilige Verfügung bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

1.Allgemeines

2.Muster

3.Anmerkungen

4.Typische Wettbewerbsverstöße im neuen UWG

XII.Das Unterlassungsklagengesetz (UKlaG)

1.Unterlassung und Widerruf

1.1Unterlassungsanspruch

1.2Wiederholungsgefahr

1.3Reduktion auf zulässigen Inhalt

1.4Anderslautende Individualabrede

1.5Verjährung

2.Klagebefugnis

3.Verfahren und Klageantrag

4.Zuständiges Gericht

5.Urteilsformel und Wirkung

5.1Urteilsformel

5.2Wirkungen des Urteils

6.Veröffentlichung

7.Schiedsvereinbarungen

XIII.Exkurs: Einstweilige Verfügungen in besonderen Rechtsgebieten

XIV.Gesetzestext

Literaturauswahl

Sachregister

Abkürzungen

Abs. Absatz
AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen
Art. Artikel
BB Betriebs-Berater (Zeitschrift)
Beschl. Beschluss
BGB Bürgerliches Gesetzbuch
BGBl. Bundesgesetzblatt
BGH Bundesgerichtshof
BGHZ Amtliche Sammlung des Bundesgerichtshofs für Zivilsachen
BVerfGE Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts
DAR Deutsches Autorecht (Zeitschrift)
DB Der Betrieb (Zeitschrift)
BT-Drs Bundestags-Drucksache
EuGH Europäischer Gerichtshof
EV Einstweilige Verfügung
Fn. Fußnote
ggf. gegebenenfalls
GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift)
GVG Gerichtsverfassungsgesetz
h. M. herrschende Meinung
i. d. R. in der Regel
i. S. v. im Sinne von
i. V.m. in Verbindung mit
KB Köhler/Bornkamm (vgl. Literaturverzeichnis)
LG Landgericht
m. E. meines Erachtens
NJ Neue Justiz (Zeitschrift)
NJW Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)
NJW-RR Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report (Zeitschrift)
OLG Oberlandesgericht
PKH Prozesskostenhilfe
RDG Rechtsdienstleistungsgesetz
RDGEG Einführungsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz
Rdnr./Rn Randnummer
RIW Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift)
RVG Rechtsanwaltsvergütungsgesetz
str. strittig
UKlaG Unterlassungsklagegesetz
Urt. Urteil
UWG Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
VOB/B Verdingungsordnung Bau Teil B
VV Vergütungsverzeichnis (zum RVG)
WRP Wirtschaft in Recht und Praxis (Zeitschrift)
ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
ZPO Zivilprozessordnung
ZZP Zeitschrift für Zivilprozess

Vorwort

Anders als viele Erläuterungsbücher zum Wettbewerbsrecht will dieser Ratgeber vor allem das Verfahren zwischen Abmahnung, Hauptsacheklage und Rechtsmitteln erläutern. Gerade hier bestehen die größten Unsicherheiten und werden die meisten Fehler gemacht. Das Buch wendet sich an Firmen und Freiberufler, aber auch an Juristen und Anwälte, die Fragen zum Verfahrensrecht haben und hier keine Fehler begehen wollen.

Oft ist es gar nicht so schwer herauszufinden, ob eine Werbung noch zulässig ist, hier hilft oft das Internet, der Verband oder ein Blick in den Kommentar. Aber die Frage, wie soll ich mich hier verhalten, wird hierdurch nicht geklärt. Aus Sicht des Verfassers kann der hierzu erforderliche Überblick am besten anhand ausführlicher Muster gegeben werden. Auch hierbei war jedoch zu vermeiden, dass durch zu viele gegenläufige Muster der rote Faden verloren geht. Insoweit wird, anders als in Formularbüchern, ein Musterverfahren ausführlich erläutert und auf Abweichungen und Besonderheiten im Zusammenhang der Erläuterungen eingegangen. Hierdurch ist es möglich, einerseits die Grundzüge transparent und plakativ darzustellen, andererseits auch viele Einzelfragen, die sehr bedeutsam sein können, zu erörtern. Anregungen und Kritik nehme ich gerne entgegen. Der Stand der Bearbeitung ist April 2018.

Rechtsanwalt Dr. Jürgen Niebling, Olching

I.Einführung

Es ist durchaus legitim, Wettbewerbsverstöße von Wettbewerbern abzumahnen. Schließlich hält sich der Gegner nicht an das Gesetz und versucht sich so auf unlautere Weise einen Wettbewerbsvorsprung zu verschaffen. Werde ich dagegen selber abgemahnt, muss die Reaktion sehr wohl überlegt sein. Was sind die Konsequenzen einer abgegebenen Unterlassungserklärung, was die Konsequenzen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens?

II.Die Abmahnung

Die Abmahnung wurde früher als ein Geschäft des Abgemahnten bezeichnet, eine Geschäftsführung ohne Auftrag. Dies war auch der Grund, weshalb der Abgemahnte die Kosten der Abmahnung zu tragen hatte. Nachdem die Kostenfrage nun in § 12 UWG geregelt ist, ist auch diese Begründung in den Hintergrund getreten. Die Abmahnung dient tatsächlich auch nur dazu, ein sofortiges Anerkenntnis im Prozess zu vermeiden.

Ohne Abmahnung kann der Beklagte/Antraggegner den Anspruch im Prozess sofort anerkennen mit der Folge, dass der Abmahnende (Kläger/ Antragsteller) dann die Kosten des Rechtsstreites zu tragen hat.

1.Grundsätzliches

Die Abmahnung ist der grundsätzlich schriftliche1 Hinweis auf einen konkret zu bezeichnenden Wettbewerbsverstoß, verbunden mit der Aufforderung, diesen für die Zukunft zu unterlassen und im Verletzungsfall eine Vertragsstrafe zu zahlen.

Die Abmahnung ist keine Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Klage, die Beantragung einer Einstweiligen Verfügung oder die Klageerhebung ohne vorherige Abmahnung kann jedoch nachteilig sein.

So kann der Abgemahnte den Anspruch im Prozess sofort anerkennen mit der Folge, dass der Abmahnende (Kläger/Antragsteller) dann die Kosten des Rechtsstreites zu tragen hat; § 93 ZPO.

Gibt der Abgemahnte im Prozess die Unterlassungserklärung ab, so muss der Kläger den Rechtsstreit für erledigt erklären und das Gericht wird die Kosten dem Abgemahnten auferlegen.

Wird ohne vorherige Abmahnung im Prozess die Unterlassungserklärung abgegeben, so wird nach beiderseitiger Erledigungserklärung der Kläger die Kosten nach § 91a ZPO tragen müssen.

Im Verfügungsverfahren kann der zuvor nicht Abgemahnte den Widerspruch auf die Kosten beschränken und (so) die Entscheidung in der Sache akzeptieren; die Kostenentscheidung muss dann korrigiert werden.

Missverständlich ist es auch, die Abmahnung als Voraussetzung eines Prozesses zu bezeichnen.

Zum Teil wird angenommen, ohne Abmahnung bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis2 für einen Prozess, sei es der Beantragung einer Einstweiligen Verfügung, sei es für das Hauptsacheverfahren.

Dies ist unrichtig.

Die Abmahnung mag im Einzelfall einer „Obliegenheit“3 entsprechen, prozessual spielt sie aber nur für § 93 ZPO eine Rolle, also für die Frage eines sofortigen Anerkenntnisses und der Kostentragung.

Die Rechtsnatur der Abmahnung wird zumeist als geschäftsähnliche Handlung, ähnlich einer Mahnung, eingestuft.4

Folgt man dem, so gilt auch § 174 BGB entsprechend, und eine ohne Vollmacht ausgesprochene Abmahnung kann unverzüglich zurückgewiesen werden.5 Diese Auffassung ist jedoch bis heute umstritten. Der BGH vertritt wohl die Gegenauffassung, so dass § 174 BGB nicht entsprechend gilt.6

Wesentlich für die Abmahnung ist es, den Wettbewerbsverstoß möglichst genau zu bezeichnen und ein konkretes Verhalten zu beanstanden.

Fehler bei der rechtlichen Beurteilung sind (ähnlich im Prozess) dagegen unerheblich.

Die Abmahnung schließt mit der Aufforderung, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.

Andernfalls würden nur neben den gesetzlichen Unterlassungsansprüchen vertragliche Unterlassungsansprüche treten, womit (fast) nichts gewonnen ist.

Die Abmahnung mit strafbewehrter Unterlassungserklärung soll ja gerade einen Prozess vermeiden, ohne Strafbewehrung kann der Wettbewerbsverstoß jedoch sanktionslos fortgesetzt werden.

Eine Mehrforderung oder eine zu hohe Vertragsstrafe ist dagegen grundsätzlich unschädlich, der Empfänger muss dann selber entsprechend reduzieren und die Erklärung abmildern.7

Gleiches gilt für eine zu kurz bemessene Frist zur Abgabe der Unterlassungserklärung und zur Zahlung der Abmahnkosten. Insoweit wird dann eine angemessene Frist in Lauf gesetzt.

In eiligen Sachen reicht eine Frist von wenigen Stunden oder einem Tag; im Regelfall wird jedoch eine Frist von einer Woche nach Zugang ausreichen.

Üblich ist auch ein Hinweis, dass bei Nichtabgabe der Unterlassungserklärung eine gerichtliche Klärung erfolgen wird. Dies unterstreicht die Ernsthaftigkeit der Abmahnung und wird zum Teil auch für eine Abmahnung als wesensnotwendig angesehen.8 Bei einer Abmahnung durch Verbände oder Anwälte liegt diese Voraussetzung jedenfalls konkludent vor.

Fehlen der Abmahnung Beweismittel und Belege, so muss der Empfänger dies rügen, sofern er überhaupt (ausnahmsweise) einen Anspruch auf diese Anlagen hat. Wer auch ohne Belege den Wettbewerbsverstoß zuordnen kann, bedarf auch keiner Belege hierzu und kann auch nicht Fristverlängerung wegen fehlender Belege verlangen.

Nachdem die Abmahnung als rechtsgeschäftsähnliche Handlung eine bestimmte Funktion zu erfüllen hat, kann nicht darauf verzichtet werden, dass die Abmahnung auch nach § 130 BGB zugeht.

Für die Frage der Kostentragung nach § 93 ZPO (bei sofortigem Anerkenntnis) gelten jedoch andere Regeln: Hier muss der Beklagte darlegen und notfalls belegen, er habe keinen Anlass zur Klage gegeben. Der detaillierte Vortrag der Versendung reicht daher im Ergebnis aus.9

Ausreichend ist i.d.R. die Übersendung per Fax (Protokoll aufbewahren!) und zugleich per Brief (wenn möglich sogar noch per E-Mail).

Wer unbegründet abgemahnt wird, braucht die Unterlassungserklärung nicht abzugeben. Im Schweigen des Abgemahnten liegt noch keine (Erst-) Begehungsgefahr.

Der unberechtigt Abgemahnte kann i. d. R. anwaltlich reagieren und die Abmahnung zurückweisen; die Anwaltskosten hat dann der Abmahnende zu tragen.10

Bei besonderer Dringlichkeit ist eine Abmahnung entbehrlich; ebenso wenn die Abmahnung reine „Förmelei“ wäre, weil die Unnachgiebigkeit der Gegenseite feststeht.

Die Kostentragungspflicht des Abgemahnten ergibt sich aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Wird die Unterlassungserklärung nicht abgegeben, können diese Kosten11 nicht mit dem Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden, denn dies wäre eine Vorwegnahme der Hauptsache.

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