This is the game that moves as you play …
X
There’s a feeling I get when I look to the West …
Led Zeppelin
Für
Joe McGinniss
Auf den freeways in Los Angeles werden die Leute auch immer rücksichtsloser. Das ist der erste Satz, den ich zu hören kriege, als ich in die Stadt zurückkomme. Blair holt mich vom LAX ab, dem internationalen Flughafen, und während sie den Zubringer hochfährt, murmelt sie vor sich hin: »Auf den freeways in Los Angeles werden die Leute auch immer rücksichtsloser.« Obwohl mich so ein Satz eigentlich nicht nervös machen sollte, schwirrt er mir doch unangenehm lange im Kopf herum. Dagegen kommt mir alles andere unwichtig vor: die Tatsache, dass ich achtzehn bin und wir jetzt Dezember haben; dass der Flug stürmisch war und dass neben mir in der Ersten Klasse ein ziemlich betrunkenes Pärchen aus Santa Barbara saß. Oder dass meine Jeans, die sich noch vor ein paar Stunden, auf einem Flughafen in New Hampshire, irgendwie weit und kühl angefühlt haben, mit Dreck bespritzt sind. Dass mein Hemd heute Morgen noch frisch und sauber ausgesehen hat und jetzt zerknittert und feucht ist, mit einem Fleck am Ärmel. Dass meine graue Schottenweste am Halsausschnitt eingerissen ist und ich mir darin irgendwie noch mehr vorkomme wie einer von der Ostküste, vor allem, wenn ich daneben Blairs enge Jeans und ihr blassblaues T-Shirt sehe. All das kommt mir belanglos vor verglichen mit diesem einen Satz. Es scheint leichter, sich anzuhören, dass die Leute immer rücksichtsloser werden, leichter als der Satz:
»Höchstwahrscheinlich ist Muriel magersüchtig«, leichter als der Song im Radio über Magnetwellen. Gegen diese zwölf Wörter kommt mir alles andere unwichtig vor: der warme Wind, der das Auto auf der leeren Asphaltstraße davontreibt, oder dass es in Blairs Auto immer noch schwach nach Marihuana riecht. Eigentlich bin ich doch nur ein Junge, der für einen Monat nach Hause zurückkommt, und ich treffe ein Mädchen, das ich seit vier Monaten nicht gesehen habe, und die Leute werden immer rücksichtsloser.
Blair biegt vom freeway ab und hält an einer roten Ampel. Ein heftiger Windstoß bringt das Auto einen Moment lang zum Schwanken, und Blair lächelt und meint, dass sie vielleicht das Verdeck hochklappen sollte, und stellt einen anderen Radiosender ein. Kurz vor meinem Haus muss Blair anhalten, weil fünf Arbeiter auf der Straße gerade dabei sind, das aufzusammeln, was während des Sturmes von den Palmen runtergekommen ist, und die vielen Blätter und abgestorbenen Borkenstücke in einem großen roten Laster zu verstauen, und wieder lächelt Blair. Sie hält direkt am Haus, und das Tor ist offen, und als ich aussteige, bin ich richtig überrascht darüber, wie trocken und heiß es ist. Ich bleibe ziemlich lange einfach stehen, und nachdem Blair mir geholfen hat, mein Gepäck aus dem Kofferraum zu holen, grinst sie mich an und fragt: »Was ist denn los mit dir?«, und ich sage: »Gar nichts«, und Blair sagt: »Du siehst blass aus«, und ich zucke die Achseln, und wir verabschieden uns, und sie steigt wieder ein und fährt los.
Niemand ist zu Hause. Die Klimaanlage läuft, und das Haus riecht nach Kiefern. Auf dem Küchentisch liegt ein Zettel, und darauf steht, dass meine Mutter und meine Schwestern weg sind, Weihnachtseinkäufe erledigen. Von da aus, wo ich stehe, kann ich den Hund am Swimmingpool liegen sehen; er schläft, sein Atem geht schwer, und sein Fell ist vom Wind zerzaust. Ich geh die Treppe hoch, vorbei an dem neuen Mädchen, das mich anlächelt und offenbar weiß, wer ich bin, vorbei an den Zimmern meiner Schwestern, die immer noch genau gleich aussehen, abgesehen von unterschiedlichen Postern aus Gentlemen’s Quarterly an den Wänden, und als ich in mein Zimmer komme, merke ich, dass sich darin nichts verändert hat. Die Wände sind immer noch weiß; die Schallplatten stehen am alten Platz, genau wie der Fernseher; die Jalousien sind immer noch offen; alles ist so, wie ich es zurückgelassen habe. Ich glaube, dass meine Mutter und das neue Mädchen – oder vielleicht auch das alte Mädchen – meinen Wandschrank ausgeräumt haben, solange ich weg war. Auf meinem Schreibtisch liegt ein Stapel alter Comics und darauf ein Zettel, auf dem steht: »Willst du die noch behalten?«; dazu die Nachricht, dass Julian angerufen hat und eine Karte mit der Aufschrift »Alle reden von Weihnachten …« Ich klappe sie auf, und innen steht »… wir tun was dagegen!«, eine Einladung zu Blairs Weihnachtsparty. Ich lege die Karte wieder hin, und dann fällt mir auf, dass es in meinem Zimmer allmählich recht kühl wird.
Ich ziehe mir die Schuhe aus und lege mich aufs Bett und halte mir die Hand an die Stirn, um zu fühlen, ob ich Fieber habe. Ich glaube schon. Und dabei schaue ich vorsichtig hoch zu dem Plakat, das über meinem Bett an der Wand hängt, unter Glas, aber das hat sich auch nicht verändert. Es ist ein PR-Poster für eine alte Platte von Elvis Costello. Elvis sieht an mir vorbei, mit so einem schiefen, ironischen Lächeln, direkt zum Fenster hinaus. Das Wort Trust – Vertrauen, Glaube, Zuversicht – schwebt über seinem Kopf, und die Sonnenbrille auf seiner Nase, mit einem roten und mit einem blauen Glas, ist so weit runtergeschoben, dass man seine Augen sehen kann, die ein bisschen wie verrutscht wirken. Diese Augen sehen aber nicht mich an. Sie sehen nur denjenigen an, der am Fenster steht, doch ich bin zu müde, um aufzustehen und mich ans Fenster zu stellen.
Ich nehme den Telefonhörer in die Hand und rufe bei Julian an; es wundert mich direkt, dass ich seine Nummer noch im Kopf habe. Aber niemand geht ran. Ich setze mich auf, und durch die Jalousie hindurch kann ich sehen, wie in diesem warmen Wind die Palmen wie wild hin und her schwanken, sich sogar richtig zur Seite biegen, und dann starre ich wieder auf das Lächeln und die spöttischen Augen, das rote und das blaue Brillenglas, während mir gleichzeitig im Kopf rumgeht, dass die Leute immer rücksichtsloser werden, und ich versuche, von diesem Satz wegzukommen, ihn loszuwerden. Ich schalte MTV ein, den Fernsehsender, auf dem nur Videoclips laufen, und rede mir ein, dass ich davon wegkommen und einschlafen könnte, wenn ich Valium dahätte, und dann muss ich an Muriel denken, und mir wird ein bisschen schlecht, während die Videos an meinen Augen vorbeirasen.
An diesem Abend nehme ich Daniel zu Blairs Party mit, und Daniel trägt eine Sonnenbrille und ein schwarzes Wolljackett und schwarze Jeans. Außerdem hat er schwarze Wildlederhandschuhe an, weil er sich eine Woche vorher in New Hampshire ganz übel an einer Glasscherbe geschnitten hat. Ich war mit ihm ins Krankenhaus gefahren, zur Notaufnahme, und hatte beim Säubern der Wunde und beim Blutabwaschen zugesehen. Als sie anfingen, ihm die Hand mit Draht zu vernähen, wurde mir auf einmal schlecht, und ich ging raus und setzte mich ins Wartezimmer. Es war fünf Uhr morgens, und ich hörte die Eagles »New Kid in Town« singen, und ich wollte zurück. Wir stehen vor der Tür von Blairs Haus in Beverly Hills, und Daniel beschwert sich darüber, dass die Handschuhe immer an den Drähten hängen bleiben und dass sie zu eng sind, aber er zieht sie nicht aus, weil die Leute diese dünnen Silberdrähte nicht sehen sollen, die aus der Haut von Daumen und Fingern rausstehen. Blair öffnet die Tür.
»He, toll«, ruft Blair. Sie hat eine schwarze Lederjacke an und dazu passende Hosen und ist barfuß. Sie umarmt mich und schaut dann Daniel an.
»Wer ist denn das?«, fragt sie und grinst dabei.
»Das ist Daniel. Daniel – Blair«, sage ich.
Blair streckt ihre Hand aus, und Daniel lächelt und schüttelt sie ganz vorsichtig.
»Na, kommt rein. Fröhliche Weihnachten.«
Es gibt zwei Christbäume, einer steht im Wohnzimmer, der andere im Studio, und beide sind mit dunkelroten, blinkenden Lichtern geschmückt. Ich sehe vor allem Leute aus meiner alten Highschool; den meisten davon bin ich seit dem Examen nicht mehr begegnet. Alle stehen um diese beiden Riesenbäume herum. Trent, ein Dressman, den ich kenne, ist auch da.
»Hi, Clay«, sagt Trent. Er hat einen rot-grün karierten Schal um den Hals gewickelt.
»Hi, Trent«, sage ich.
»Wie geht’s euch, ihr Lieben?«
»Gut. Trent, das ist Daniel. Daniel – Trent.«
Trent streckt die Hand aus, und Daniel lächelt und rückt sich die Sonnenbrille gerade und schüttelt sie ganz vorsichtig.
»Daniel«, sagt Trent. »Auf welches College gehst du?«
»Dasselbe wie Clay«, sagt Daniel. »Und du?«
»Uni Kalifornien in L.A. Kurz U.C.L.A. oder U.C.R.A., wie der Orientale zu sagen pflegt.« Trent versucht, einen alten Japaner zu imitieren; er zieht die Augen zu Schlitzen zusammen, verneigt sich, streckt als Zugabe die Schneidezähne heraus und lacht, als wäre er betrunken.
»Ich geh zur Uni für Super-Clowns«, sagt Blair immer noch grinsend und fährt sich mit den Fingern durch ihre langen blonden Haare.
»Wie, was?«, fragt Daniel.
»U.S.C.«, sagt sie. »Universität von Südkalifornien.«
»Ach so«, sagt er. »Ja, klar.«
Blair und Trent lachen, und sie hält sich einen Moment lang an seinem Arm fest, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. »Oder U.S. Chaos«, sagt sie und kriegt kaum noch Luft.
»Oder Uuh-Chaos von L.A.«, sagt Trent und lacht wieder. Schließlich hört Blair auf zu lachen, streift mich auf dem Weg zur Tür und meint, dass ich den Punsch probieren soll.
»Ich hol den Punsch«, sagt Daniel. »Willst du auch welchen, Trent?«
»Nein, danke.« Trent schaut mich an und sagt: »Du siehst blass aus.« Den Eindruck habe ich auch, vor allem neben Trent, der tief gebräunt ist, wie die meisten anderen Leute im Raum. »Ich war auch vier Monate in New Hampshire.«
Trent greift in seine Hosentasche. »Hier«, sagt er und gibt mir eine Karte. »Das ist die Adresse von einem Bräunungsstudio in Santa Monica. Also, da gibt’s kein künstliches Sonnenlicht oder so, und du brauchst dir auch keine Vitamin-E-Kapseln auf den Leib schmieren. Diese Sache nennt sich UVA-Bad, und weißt du, was das heißt? Die färben deine Haut.«
Nach einer Weile höre ich Trent schon nicht mehr zu, sondern schaue zu drei Jungen hinüber, Freunden von Blair, die ich alle nicht kenne und die auch zur U.S.C. gehen; sie sind braun gebrannt und blond, und einer singt zu der Musik, die aus den Lautsprechern kommt.
»Es funktioniert«, sagt Trent.
»Was funktioniert?«, frage ich zerstreut.
»Dieses UVA-Bad. UVA-Bad. Guck doch mal auf die Karte, Mann.«
»Ach so, ja.« Ich schau mir die Karte an. »Die färben also die Haut, stimmt’s?«
»Genau.«
»Okay.«
Schweigen.
»Und was hast du so gemacht?«, fragt Trent.
»Koffer ausgepackt«, sage ich. »Und du?«
»Also –«, er lächelt stolz. »Ich bin von dieser Modelagentur angenommen worden, die ist wirklich gut«, versichert er mir. »Und nun rat mal, wer in zwei Monaten auf dem Titelbild von International Male ist und dazu noch der Juni-Boy des Monats im Männerkalender vom U.C.L.A.-College?«
»Na, wer?«
»Ich natürlich, Mann.«
»International Male?«
»Ja. Du, ich mag die Zeitschrift eigentlich nicht. Mein Agent hat denen gleich gesagt, keine Nacktaufnahmen, nur Sportmode, Badehosen und so. Ich mach keine Nacktaufnahmen.« Ich glaube ihm, weiß aber selbst nicht so recht, warum, und seh mich ein bisschen in der Gegend um, für den Fall, dass Rip, mein Dealer, hier auftaucht. Aber er ist nirgendwo in Sicht, und ich drehe mich wieder zu Trent um und frage ihn: »Also, was hast du sonst noch getrieben?«
»Ach, das Übliche halt. Bisschen Bodybuilding, hab mich ’n paarmal vollgedröhnt, bei diesem UVA-Dings war ich auch … Aber hör mal, erzähl das keinem, dass ich dort war, verstehst du?«
»Was meinst du?«
»Du sollst niemand was von diesem UVA-Studio erzählen.« Trent sieht nervös aus, schon fast besorgt, und ich lege ihm meine Hand auf die Schulter und drücke ihn ein bisschen, zur Beruhigung. »Klar doch, das bleibt unter uns.«
»He«, sagt er und guckt sich dabei um. »Ich hab da noch ’n kleines Geschäft zu erledigen. Bis später denn. Wollen wir mal zusammen essen?«, sagt er, ohne eine Antwort zu erwarten, und geht weg.
Daniel kommt mit dem Punsch zurück, und der ist sehr rot und sehr stark, und nach dem ersten Schluck muss ich ein bisschen husten. Von da aus, wo ich stehe, kann ich Blairs Vater sehen, den Filmproduzenten. Er sitzt in einer Ecke vom Studio und unterhält sich mit einem jungen Schauspieler, mit dem ich zur Schule gegangen bin, glaube ich wenigstens. Der Freund von Blairs Vater ist auch da. Er heißt Jared und ist sehr jung und blond und braun gebrannt und hat blaue Augen und unglaublich gerade weiße Zähne, und er redet mit den drei Jungen von der U.S.C. Ich kann auch Blairs Mutter sehen, die an der Bar sitzt und einen Wodka-Gimlet trinkt. Ihre Hand zittert, während sie das Glas zum Mund führt. Blairs Freundin Alana kommt ins Studio und umarmt mich, und ich mache sie mit Daniel bekannt.
»Du siehst echt genauso aus wie David Bowie«, sagt Alana, die offenbar voll zugekokst ist, zu Daniel. »Bist du zufällig Linkshänder?«
»Nein, leider nicht«, sagt Daniel.
»Alana steht auf Linkshänder«, teile ich Daniel mit.
»Und auf Typen, die wie David Bowie aussehen«, fügt sie hinzu.
»Und in der Colony wohnen«, sage ich, um das Thema zu beenden.
»Ach Clay, was bist du doch für ein Herzchen«, sagt sie kichernd. »Clay ist ein totales Herzchen«, wiederholt sie, an Daniel gerichtet.
»Ja, weiß ich«, sagt Daniel. »Ein Herzchen. Absolut richtig.«
»Hast du schon was von dem Punsch getrunken? Solltest du unbedingt«, sage ich zu ihr.
»Ach Schätzchen«, antwortet sie langsam und mit gewissem Sinn für Dramatik. »Ich hab den Punsch gemacht.« Sie lacht und entdeckt dann Jared und wird auf einmal ernst. »Ach Gott, warum muss Blairs Vater diesen Jared überhaupt zu solchen Dingern einladen? Kein Wunder, dass ihre Mutter total ausflippt. Die säuft sich doch sowieso schon dauernd die Hucke voll, aber wenn Jared auch noch hier ist, wird’s ganz schlimm.« Sie dreht sich zu Daniel um und sagt: »Blairs Mutter leidet unter Platzangst.« Sie schaut wieder zu Jared hinüber. »Ich meine, er ist nächste Woche sowieso im Death Valley, zu Außenaufnahmen. Warum kann er denn nicht bis dahin warten, versteht ihr das?« Alana wendet sich an Daniel, dann an mich.
»Nein«, sagt Daniel ganz ernst.
»Ich auch nicht«, sage ich und schüttel den Kopf.
Alana schaut auf den Boden und dann rüber zu mir und sagt: »Irgendwie siehst du blass aus, Clay. Du solltest mal zum Strand gehen oder so.«
»Mach ich vielleicht auch.« Meine Finger berühren die Karte, die Trent mir gegeben hat, und dann frage ich sie, ob Julian noch vorbeikommt. »Er hat bei mir angerufen und eine Nachricht hinterlassen, aber ich kann ihn nicht erreichen«, sage ich.
»O nein«, sagt Alana. »Ich hab irgendwo gehört, dass er total am Arsch sein soll.«
»Was meinst du damit?«, frage ich.
Plötzlich brechen die drei Jungen von der U.S.C. und Jared in lautes Gelächter aus, alle im selben Moment.
Alana rollt die Augen und macht einen gequälten Eindruck. »Jared kennt diesen blöden Witz von seinem Freund, weißt du, von dem, der bei Morton’s arbeitet: Was sind die beiden größten Lügen der Welt? Ich zahl dir die Schulden zurück, und ich spritz nicht in deinem Mund ab. Was daran witzig sein soll … O Gott, ich werd mal lieber Blair helfen gehen. Ihre Mama verschwindet schon hinter der Bar. War nett, dich kennenzulernen, Daniel.«
»Ebenfalls«, sagt Daniel.
Alana geht rüber an die Bar, zu Blair und ihrer Mutter. »Vielleicht hätt ich ein paar Takte von ›Let’s Dance‹ summen sollen«, meint Daniel.
»Tja, vielleicht.«
Daniel lächelt. »Ach Clay, du bist wirklich ein Herzchen.«
Wir gehen, nachdem Trent und einer der U.S.C.-Studenten in den Wohnzimmer-Christbaum gefallen sind. Eine ganze Weile später sitzen wir am hintersten Ende der verdunkelten Bar in der Polo Lounge, und keiner von uns beiden ist besonders redselig.
»Ich will wieder zurück«, sagt Daniel leise und mit Mühe.
»Wohin?«, frage ich ganz unsicher.
Danach schweigen wir beide ziemlich lange, und das macht mich richtig fertig, und Daniel trinkt sein Glas leer und fummelt an der Sonnenbrille herum, die er immer noch aufhat, und sagt: »Ich weiß auch nicht. Einfach zurück.«
Meine Mutter und ich sitzen in einem Restaurant in Melrose, und sie trinkt Weißwein und hat immer noch ihre Sonnenbrille auf und fasst sich dauernd an ihre Haare, und ich schaue die ganze Zeit auf meine Hände. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie zittern. Meine Mutter versucht zu lächeln, als sie mich fragt, was ich mir zu Weihnachten wünsche. Es kostet mich richtig Mühe, meinen Kopf zu heben und sie anzusehen, und das erstaunt mich.
»Nichts«, sage ich.
Nach einer Pause frage ich sie: »Und was möchtest du?«
Lange Zeit antwortet sie nicht, und ich schaue wieder meine Hände an, und sie trinkt ab und zu einen Schluck Wein. »Ich weiß auch nicht. Ich möchte einfach ein schönes Weihnachtsfest.«
Ich sage nichts.
»Du siehst unglücklich aus«, sagt sie auf einmal.
»Bin ich aber nicht«, antworte ich ihr.
»Du siehst unglücklich aus«, sagt sie, aber diesmal etwas leiser. Wieder fasst sie sich an ihre gebleichten, blondierten Haare.
»Du aber auch«, antworte ich und hoffe, dass sie darauf nichts mehr sagt.
Sie sagt darauf nichts mehr, bis sie ihr drittes Glas Wein ausgetrunken und das vierte eingegossen hat.
»Wie war die Party?«
»Ganz gut.«
»Wie viele Leute waren da?«
»Vierzig. Oder fünfzig.« Ich zucke die Achseln.
Sie nimmt einen großen Schluck Wein. »Wann bist du weggegangen?«
»Weiß ich nicht mehr.«
»Um eins? Um zwei?«
»War wohl eher eins.«
»Ah.« Wieder macht sie eine Pause und trinkt einen tüchtigen Schluck.
»Es war nicht so besonders«, sage ich und sehe sie dabei an. »Warum nicht?«, fragt sie neugierig.
»Was weiß ich«, sage ich und schaue wieder auf meine Hände.
Trent und ich sitzen in einem Schnellimbiss auf dem Sunset Boulevard. Trent raucht und trinkt eine Pepsi, und ich stiere aus dem Fenster, direkt in die Scheinwerfer der vorbeifahrenden Autos. Wir warten auf Julian, der ein Gramm für Trent mitbringen soll. Julian hat sich schon um eine Viertelstunde verspätet, und Trent wird allmählich nervös und ungeduldig, und als ich ihm sage, er soll es wie ich machen und sich sein Zeug bei Rip besorgen statt bei Julian, zuckt er bloß die Achseln. Schließlich gehen wir, und er meint, dass wir Julian vielleicht in der Spielhalle in Westwood finden könnten. Aber wir finden Julian nicht in der Spielhalle in Westwood, und daraufhin schlägt Trent vor, zu Fatburger zu gehen und dort etwas zu essen. Er sagt, dass er Hunger hat, dass er schon sehr lange nichts mehr gegessen hat, macht irgendeine Bemerkung über Fasten. Wir bestellen uns was und nehmen das Essen zu unserem Tisch mit. Aber ich bin nicht besonders hungrig, und Trent fällt auf, dass ich keinen Chili auf meinem Fatburger habe.
»Was soll denn das? Du kannst doch keinen Fatburger ohne Chili essen.«
Ich verdrehe bloß meine Augen und zünde mir eine Zigarette an.
»O Mann, du tickst auch nicht mehr richtig. Du bist schon zu lange in diesem dämlichen New Hampshire gewesen«, murmelt er. »Frisst nicht mal mehr Chili.«
Ich sage gar nichts. Mir fällt auf, dass der Raum frisch gestrichen ist, in einem sehr hellen Gelb, das den Augen schon beinahe wehtut. Unter dem grellen Schein der fluoreszierenden Lichter scheinen die Wände direkt zu glühen. In der Musikbox läuft Crimson and Clover, von Joan Jett und den Blackhearts. Ich starre die Wände an und höre der Musik zu. »Crimson and clover, over and over and over and over …« Plötzlich bekomme ich Durst, aber ich habe keine Lust, zur Theke zu gehen und mir was zu bestellen, denn dort bedient ein fettes japanisches Mädchen, das ganz traurig aussieht, und daneben, gegen eine dieser gelben Wände gelehnt, steht so ’ne Art von Wachmann, der alle Leute misstrauisch beäugt, und Trent glotzt immer noch meinen Fatburger an, mit einem total erstaunten Ausdruck, und am Tisch neben uns hockt ein Typ in rotem Hemd mit langen, strähnigen Haaren, der so tut, als ob er Gitarre spielen und Crimson and Clover mitsingen würde, aber kein Ton kommt aus seinem Mund, und plötzlich fängt er an, mit dem Kopf zu wackeln, und reißt den Mund auf. »Crimson and clover, over and over and over and over … Crimson and clo-oh-ver …«
Es ist zwei Uhr morgens und heiß, und wir sind in einer Disco namens Edge, im Hinterzimmer, und Trent probiert meine Sonnenbrille an, und ich sage ihm, dass ich gehen möchte. Trent meint, wir würden gleich gehen, in ein paar Minuten vielleicht. Die Musik von der Tanzfläche ist mir zu laut, und ich zucke jedes Mal zusammen, wenn ein Song aufhört und ein neuer beginnt. Ich lehne mich an die Backsteinmauer und beobachte, wie sich zwei Jungen in einer besonders finsteren Ecke umarmen. Trent scheint zu merken, wie verkrampft ich bin und sagt: »Was willst du denn von mir? Willste einen Downer oder was?« Er holt eine Pez-Box hervor und zieht den Donald-Duck-Kopf zurück, der als Verschluss draufsitzt. Ich sage nichts, sondern starre nur die Pez-Box an, und schließlich steckt er sie weg und macht den Hals lang. »Ist das Muriel da?«
»Nee, das Mädchen ist doch schwarz.«
»Oh … stimmt.«
Pause.
»Das ist ja gar kein Mädchen.«
Ich frage mich, wie Trent einen schwarzen Jungen, der nicht magersüchtig ist, für Muriel halten kann, aber dann bemerke ich, dass dieser Schwarze ein Kleid trägt. Ich sehe Trent an und sage ihm noch mal, dass ich jetzt gehen muss.
»Ja, wir müssen alle gehen«, sagt er. »Du wiederholst dich.«
Also starre ich meine Schuhe an, und Trent findet endlich etwas, das er mir noch sagen kann: »Du nervst.« Ich starre weiter auf meine Schuhe, obwohl es mich reizt, ihn zu fragen, ob er mir noch mal seine Pez-Box zeigt.
Trent sagt: »Ach Scheiße, such Blair, machen wir, dass wir hier rauskommen.«
Ich will nicht mehr zur Tanzfläche zurückgehen, aber dann wird mir klar, dass man nur über die Tanzfläche zum Ausgang kommt. Ich entdecke Daniel, der sich mit einem richtig hübschen, braun gebrannten Mädchen unterhält. Sie trägt ein Heaven-T-Shirt mit abgeschnittenen Ärmeln und einen schwarz-weißen Minirock, und ich flüstere Daniel zu, dass wir gehen wollen, und er sieht mich direkt giftig an und sagt: »Mach mich bloß nicht an.« Schließlich reiße ich ihn am Arm und sage ihm, dass er total besoffen ist, und er fragt mich, ob ich spinne. Er küsst das Mädchen auf die Schläfe und folgt uns zum Ausgang, wo Blair steht und sich mit einem Typen von der U.S.C. unterhält.
»Gehen wir oder was?«, fragt sie.
»Ja«, sage ich und überlege, wo sie wohl die ganze Zeit gesteckt hat.
Wir gehen hinaus in die warme Nacht, und Blair fragt: »Na, gut amüsiert?«, und niemand sagt etwas dazu, und sie schaut auf den Boden.
Trent und Daniel stehen neben Trents BMW, und Trent holt ein Heftchen mit der Inhaltsangabe von dieser Faulkner-Novelle, Als ich im Sterben lag, aus dem Handschuhfach und überreicht es Blair. Wir verabschieden uns und warten noch so lange, bis Daniel in sein Auto eingestiegen ist. Trent meint, dass vielleicht einer von uns Daniel nach Hause fahren sollte, aber er sieht dann ein, dass es viel zu nervig wäre, ihn erst nach Hause und morgen wieder herzufahren. Und ich fahre Blair heim nach Beverly Hills, und sie spielt mit diesem Faulkner-Heftchen, aber sagt nichts, außer einmal, als sie versucht, sich den Stempel von ihrer Hand zu rubbeln, da sagt sie: »Verdammte Scheiße. Wenn sie doch bloß nicht immer schwarze Farbe zum Stempeln nehmen würden. Das krieg ich nie runter.« Und dann macht sie eine Bemerkung darüber, dass ich sie nie angerufen habe, obwohl ich vier Monate lang weg war. Ich sage ihr, dass es mir leidtut, und dann biege ich vom Hollywood Boulevard ab, weil er zu hell beleuchtet ist, und fahre stattdessen über den Sunset, und dann kommen wir zu ihrer Straße und zu ihrer Einfahrt. Wir küssen uns, und sie merkt, dass ich das Lenkrad zu fest gehalten habe, und sie schaut meine Fäuste an und sagt: »Du hast rote Hände«, und steigt dann aus.
Den halben Vormittag und den halben Nachmittag sind wir in Beverly Hills gewesen, zum Einkaufen. Meine Mutter und meine beiden Schwestern und ich. Meine Mutter war vermutlich fast die ganze Zeit bei Neiman-Marcus, und meine Schwestern haben mit der Kundenkreditkarte von meinem Vater etwas für ihn und für mich bei Jerry Magnin gekauft, und dann waren sie bei MGA und Camp Beverly Hills und Privilege, um sich selber was zu kaufen. Ich hänge schon seit Stunden an der Bar von der La Scala Boutique rum, gelangweilt bis zum Geht-nicht-mehr, rauche und trinke Rotwein. Endlich fährt meine Mutter in ihrem Mercedes vor und hält am Eingang von der La Scala und wartet auf mich. Ich stehe auf und lasse ein bisschen Geld auf der Theke liegen und steige in ihr Auto ein und lehne meinen Kopf ins Polster zurück.
»Die ist doch mit diesem Halbidioten zusammen«, sagt eine meiner Schwestern gerade.
»In welche Schule geht der?«, fragt die andere interessiert.
»Harvard.«
»Welche Klasse?«
»Neunte. Er ist ein Jahr weiter.«
»Ich habe gehört, dass deren Haus zu verkaufen sein soll«, sagt meine Mutter.
»Ob er selber wohl zu verkaufen ist«, murmelt die ältere von meinen zwei Schwestern, die, glaube ich, fünfzehn ist, und beide kichern auf dem Rücksitz.
Ein Lastwagen fährt vorbei. Er ist mit Videospielen beladen, und meine Schwestern steigern sich in eine Art Ekstase rein.
»Los, fahr hinterher!«, kommandiert eine von ihnen.
»Mom, glaubst du, dass mir Daddy ein Galaga zu Weihnachten schenkt, wenn ich ihn drum bitte?«, fragt die andere und bürstet sich ihre kurzen blonden Haare. Ich glaube, sie ist ungefähr dreizehn.
»Was ist ein Galaga?«, fragt meine Mutter.
»Ein Videospiel«, sagt eine von beiden.
»Aber ihr habt doch Atari«, wendet meine Mutter ein.
»Atari ist ’n Billigteil«, sagt sie und reicht die Bürste meiner anderen Schwester, die auch blonde Haare hat.
»Ich weiß nicht recht«, sagt meine Mutter, rückt ihre Sonnenbrille gerade und macht das Schiebedach auf. »Ich treffe mich heute Abend zum Essen mit ihm.«
»Na, dann kann man ja noch hoffen«, sagt meine ältere Schwester sarkastisch.
»Wohin würden wir’s denn überhaupt stellen?«, fragt eine von ihnen.
»Was stellen?«, fragt meine Mutter.
»Galaga! Galaga!«, brüllt meine Schwester.
»In Clays Zimmer vielleicht«, sagt meine Mutter.
Ich schüttle den Kopf.
»Ach Scheiße! Das läuft nicht«, schreit eine von ihnen. »Clay darf das Galaga auf keinen Fall in seinem Zimmer haben. Der schließt doch immer ab.«
»Genau, Clay, das macht mich echt sauer«, sagt eine von ihnen mit einem richtig scharfen Unterton.
»Warum schließt du denn eigentlich dauernd ab, hä?«
Ich antworte nicht.
»Warum schließt du immer ab?«, wiederholt eine von beiden, ich weiß nicht, welche.
Ich sage immer noch nichts. Ich spiele mit dem Gedanken, einfach eine der Tüten von MGA oder Camp Beverly Hills oder eine Schuhschachtel von Privilege zu nehmen und sie aus dem Fenster zu schmeißen.
»Mom, sag ihm, dass er mir antworten soll. Warum schließt du immer deine Tür ab, Clay?«
Ich drehe mich um. »Weil ihr beide mir das letzte Mal, als meine Tür offen war, ein Viertelgramm Kokain gestohlen habt. Darum.«
Meine Schwestern sagen überhaupt nichts. Teenage Enema Nurses In Bondage, »Gefesselte junge Krankenschwestern mit Klistierspritze«, heißt der Song von einer Gruppe namens Killer Pussy, der gerade im Radio läuft, und meine Mutter fragt, ob wir uns so was eigentlich anhören müssen, und meine Schwestern fordern sie auf, das Radio lauter zu stellen, und niemand sagt mehr etwas, bis der Song zu Ende ist. Als wir zu Hause ankommen, sagt meine jüngere Schwester schließlich draußen am Pool zu mir: »So ein Scheißgeschwätz. Ich kann mir mein eigenes Kokain besorgen.«
Der Psychiater, zu dem ich in diesen vier Wochen in L.A. gehe, ist jung und hat einen Bart und fährt einen 450er SL und hat ein Haus in Malibu. Ab und zu sitze ich nun in seinem Büro in Westwood; die Jalousien sind runtergezogen, und ich habe meine Sonnenbrille auf, rauche, manchmal auch eine von diesen penetrant süßlichen Nelkenzigaretten, nur um ihn zu irritieren, manchmal weine ich auch. Manchmal schreie ich ihn an, und er schreit zurück. Ich erzähle ihm zum Beispiel, dass ich solche eigenartigen sexuellen Fantasien habe, und dann steigert sich sein Interesse auffällig. Oder ich fange grundlos an zu lachen, und dann wird mir schlecht. Manchmal lüge ich ihn an. Er erzählt mir auch mal von seiner Geliebten und den Reparaturen, die er an seinem Haus in Tahoe vornehmen lässt, und ich mache die Augen zu und zünde mir noch eine Zigarette an und beiße die Zähne zusammen. Manchmal stehe ich einfach auf und gehe.
Ich sitze in einem Restaurant namens Du-par’s, im Stadtteil Studio City. Ich warte auf Blair und Alana und Kim. Sie hatten mich angerufen und gefragt, ob ich mit ihnen ins Kino gehen wollte, aber ich hatte am frühen Nachmittag etwas Valium genommen und war eingeschlafen, und deswegen konnte ich es nicht schaffen, sie rechtzeitig im Kino zu treffen. Also sagte ich ihnen, ich würde im Du-par’s auf sie warten. Ich sitze an einem Tisch in der Nähe eines großen Fensters, und ich bitte die Kellnerin um eine Tasse Kaffee, aber sie bringt mir nichts, und sie hat schon damit angefangen, den Tisch neben mir abzuwischen und die Bestellung von einem anderen Tisch aufzunehmen. Doch es macht mir nichts, dass ich keinen Kaffee bekomme, weil meine Hände ziemlich böse zittern. Ich zünde mir eine Zigarette an und betrachte die üppige Weihnachtsdekoration über der großen Theke. Ein neonbestrahlter Plastik-Weihnachtsmann hält eine Zuckertüte aus Styropor, die bestimmt einen Meter lang ist, und daran lehnen eine Menge großer grüner und roter Schachteln, und ich frage mich, ob in diesen Schachteln wohl etwas drin ist. Plötzlich habe ich direkten Augenkontakt mit einem kleinen, dunklen, schrill aussehenden Typen, der ein Universal Studios-T-Shirt trägt und zwei Tische weiter sitzt. Er starrt mich an, und ich sehe weg und ziehe an meiner Zigarette und inhaliere tief. Der Mann starrt mich weiter an, und ich kann nichts anderes denken als: Entweder sieht er mich nicht, oder ich bin überhaupt nicht hier. Ich weiß auch nicht, warum ich so was denke. Die Leute werden auch immer rücksichtsloser. Ob er wohl zu verkaufen ist.
Plötzlich küsst mich Blair auf die Schläfe und setzt sich zusammen mit Alana und Kim an den Tisch. Blair erzählt mir, dass Muriel heute ins Krankenhaus eingeliefert wurde, wegen ihrer Magersucht. »Sie ist mitten im Filmseminar ohnmächtig geworden. Da haben sie sie zum Cedars-Sinai gebracht. Das liegt nun wirklich nicht besonders nah an der U.S.C.«, sagt Blair hastig und zündet sich eine Zigarette an. Kim trägt eine rosa Sonnenbrille, und sie macht sich auch eine an, und dann will Alana auch noch eine.
»Du kommst doch auf jeden Fall zu Kims Party, Clay?«, fragt Alana.
»Ach ja, Clay. Du musst einfach«, sagt Kim.
»Wann soll die denn sein?«, frage ich, wohl wissend, dass Kim dauernd solche Partys gibt, einmal pro Woche oder so.
»Irgendwann gegen Ende nächster Woche«, erzählt sie mir, aber ich ahne schon, dass sie damit wahrscheinlich »morgen« meint.
»Ich weiß nicht, mit wem ich hingehen soll«, sagt Alana plötzlich. »Verdammte Scheiße, ich weiß einfach nicht, mit wem ich hingehen soll.« Sie macht eine Pause. »Und das fällt mir jetzt erst ein.«
»Was ist denn mit Cliff? Wolltest du nicht mit Cliff gehen?«, fragt Blair.
»Ich gehe mit Cliff«, sagt Kim und sieht dabei Blair an.
»Ach ja, stimmt«, sagt Blair.
»Also gut, wenn du mit Cliff gehst, dann geh ich mit Warren«, sagt Alana.
»Aber ich dachte, du wärst mit Warren zusammen«, sagt Kim zu Blair.
Ich werfe einen Blick auf Blair.
»Ja, früher mal, aber ich bin nicht mit Warren ›zusammen‹«, sagt Blair ein bisschen nervös.
»Stimmt ja gar nicht. Du hast mit ihm gebumst, aber du warst überhaupt nie mit ihm ›zusammen‹«, sagt Alana.
»Na ja, wie dem auch sei«, sagt Blair, blättert die Speisekarte durch, sieht kurz zu mir rüber und dann wieder weg.
»Hast du mit Warren gepennt?«, fragt Kim Alana.
Alana schaut erst rüber zu Blair, dann zu Kim und dann zu mir und sagt: »Nee. Hab ich nicht.« Sie schaut wieder rüber zu Blair und dann zu Kim. »Und was ist mit dir?«
»Ich auch nicht, aber ich dachte, Cliff hätte mit Warren gepennt«, sagt Kim. Sie wirkt ein bisschen verwirrt.
»Da könnte was dran sein, aber ich dachte, Cliff hätte mit dieser widerlichen Tante aus dem Valley gepennt, die jetzt einen auf Punk macht. Didi Hellman«, sagt Blair.
»Nee, das kann nicht angehen. Wer hat dir denn das erzählt?«, will Alana wissen.
In diesem Moment kommt mir der Gedanke, dass ich vielleicht mit Didi Hellmann geschlafen habe. Außerdem kommt mir der Gedanke, dass ich vielleicht auch mit Warren geschlafen habe. Ich sage nichts dazu. Die anderen wissen es wahrscheinlich sowieso.
»Didi selbst«, sagt Blair. »Hat sie dir das etwa nicht erzählt?«
»Nein«, sagt Kim. »Kein Wort.«
»Mir auch nicht«, sagt Alana.
»Na, mir hat sie’s jedenfalls erzählt«, sagt Blair.
»Ach, was die so alles labert. Die hat doch sowieso keine Ahnung«, sagt Alana mit gequältem Ausdruck.
Blair denkt einen Moment lang darüber nach und sagt dann langsam und mit ruhiger Stimme: »Wenn Cliff mit Didi gepennt hat, dann hatte er auch was mit diesem … Raoul.«