image

RENÉ KOLLO

Mein Leben und die Musik

image

Bibliografische Information
der Deutschen Nationalbibliothek

ISBN 978-3-95768-183-6
eISBN 978-3-95768-200-0

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung
und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten.
Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form
(durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren)
ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert
oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet,
vervielfältigt oder verbreitet werden.

Titelabbildung: © HGM-Press Michel

INHALT

»Ein altes Buch, vom Ahn vermacht«

DIE GENE

»Mein Freund, in holder Jugendzeit«

FRÜHE ERINNERUNGEN

»Die Meisterregeln lernt beizeiten«

OPER UND SCHLAGER.
BRAUNSCHWEIG UND DÜSSELDORF

»Fort, in die Freiheit! Dahin gehör ich«

WIEN. BAYREUTH. KULTURGEDANKEN

»Meister wird, wen die Prob nicht reut«

ERSTE OPERNGESAMTAUFNAHMEN:
SOLTI UND KARAJAN

»Fanget an!So ruft der Merker«

BAYREUTH. ICH LADE GERN MIR GÄSTE EIN

»Schwillt mir zum Meer der Seufzer Heer«

SEGELN. VATER. MUTTER

»Parnaß und Paradies«

BÉATRICE. AN MEINE KINDER. SCHÖNHEIT DER STIMME

»Das klingt mir alles fremd vorm Ohr«

LEONARD BERNSTEIN. NEW YORK.
CARMEN IN BERLIN. COVENT GARDEN

»Von Tristan und Isolde kenn ich ein traurig Stück«

EVERDING – TRISTAN IN MÜNCHEN. NOELTE
STREHLER – LOHENGRIN AN DER MAILÄNDER SCALA

»Wie duftet doch der Flieder«

BAYREUTH: PONNELLE – TRISTAN. TANNHÄUSER-MISERE

»Was wert die Kunst, und was sie gilt«

REGIE. GUTES TUN

»Von Melodei auch nicht eine Spur«

RÜCKBLICK. LETZTE GEDANKEN

»Lausch Kind! Das ist ein Meisterlied«

EPILOG AUF MALLORCA

»als weckt es mich aus dem Traum«

KONZERTREISE IN JAPAN

Anhang

BIOGRAFISCHE DATEN. ROLLENVERZEICHNIS.
DISKOGRAFIE. LITERARISCHE WERKE.
PERSONENREGISTER. BILDNACHWIES

Wer weiß, wo wir morgen sind,

der Tag von Heut verfliegt im Wind.

Wer weiß, was wir morgen tun,

in welchem Bett wir morgen ruh’n.

Irgendein Hotel mit kalten Wänden

ist vielleicht das Ziel, wo unsere Wünsche enden.

Wer weiß, ob du morgen noch weißt,

dass du ein Stück des Weges mit mir gereist.

Lied aus SCHMINKE von Willi Kollo

»Ein altes Buch, vom Ahn vermacht«

DIE GENE

Meine Mutter, Marielouise Kollo, geborene Herting, stammte aus nordfriesischem Geblüt. Sie kam zwar aus dem fast schon südlichen Flensburg, aber ihre Wurzeln sind noch auf die nordfriesischen Inseln zurückzuverfolgen. Sie hätte schwesterlich mit der Fürstentochter Ortrud aus dem LOHENGRIN verwandt sein können, genauso stur, aber auch genauso großartig war sie. Das normale Leben schien nicht für sie gemacht zu sein; sie bewährte sich besser in Ausnahmesituationen, die ihr dann aber auch reichlich geboten wurden, im Krieg, auf der Flucht, in ihren letzten Stunden: da zeigte sie, zumindest nach außen hin, große Würde und Gelassenheit.

Das normale, so genannte schöne Leben sah sie meist nur missmutig, unzufrieden und nordisch fröstelnd. Eine Bergmann’sche Figur. Richtig aufgetaut und lustig wurde sie erst, wenn sie »’n Lütten« getrunken hatte. Was sie liebte, waren wir, meine Schwester und ich. Man muss gewiss auch Generationen zurückgehen, um zu verstehen, wie ihre Zeit, ihre Erziehung dazu beitrugen, sich in allen Gefühlsäußerungen zurückzuhalten; und das Friesische kam wohl dazu.

Ich selbst hörte es ja noch in meiner Jugendzeit, dass den Deutschen »einer, der zuviel redet und lächelt«, suspekt war. »Der ist nicht ehrlich«, sagte man im Norden, »der hat was zu verbergen«.

Im Norden wurde wenig gelächelt und nur das Nötigste geredet. Ein Witz gibt dies so treffend wieder, dass ich hier gar nicht anders kann, als ihn zu zitieren. Es ist auch der einzige Witz in diesem Buch, das, wie ich hoffe, nicht ganz ohne Witz ist.

Ein Friese sagt: »Moin!«

Sagt der andere Friese: »Moin. Moin.«

Sagt der erste Friese zu seiner Frau: »Komm, wir gehen,

der redet zuviel.«

In diesem nicht sehr amüsanten Dunstkreis wuchs meine Mutter auf. Heute hätte sie es allemal leichter gehabt, denn heute lächeln wir nur noch, geben Küsschen, Küsschen und Küsschen, und die Reden hören gar nicht mehr auf.

Nicht alle Frauen fahren gut Auto, das ist ein köstliches Märchen, aber meine Mutter war eine hervorragende Autofahrerin, und in meinen frühen Jugendjahren bin ich mit ihr zusammen einige Male in Italien gewesen, am Gardasee. Mit einem untrüglichen Riecher für die besten Lokale – schließlich war sie die Tochter eines Hotelbesitzers – fuhr sie in wildfremde Städte hinein und fand – der Himmel weiß, wie sie es machte – immer die richtigen Straßen und Plätze mit den wunderbarsten Restaurants.

Wenn wir an einem viel versprechend aussehenden Lokal vorbeifuhren, dann hielt sie an, wobei es nicht besonders schick und aufwändig aussehen musste, es konnte auch eine ganz einfache Trattoria sein.

»Du bleibst im Wagen«, hieß es zu mir gewandt, und sie ging »mal gucken«. Das bedeutete: Sie ging auf die dortige Toilette. Hier entschied sich alles!

Wenn die Toilette sauber und gepflegt war – und das war im Italien dieser Jahre wirklich selten –, war der Test bestanden, und sie winkte mich hinein. Im verdreckten Fall fuhren wir eben einfach weiter. Mit dieser Methode landeten wir immer beim besten Essen und beim besten Wein.

Körperliche Komplikationen haben das Leben meiner Mutter oft begleitet, und bei meiner Geburt, so hat man mir erzählt, wäre sie beinahe gestorben. Die Ärzte hatten sie schon aufgegeben, hatten aber nicht mit ihrem Willen – sie war Widder – und auch nicht mit ihrem friesischen Blut gerechnet. Stoisch überstand sie alles Schlimme.

Zu ihrem Sternbild Widder gibt es eine hübsche Geschichte, die man heute wohl erzählen darf. Sie hatte mit dem »Führer« am 20. April Geburtstag (zwei Tage später hatte übrigens auch Lenin Geburtstag, was wohl nur wenige wissen). Nun wurde zu Hitlers Geburtstag in allen Berliner Fenstern die Hakenkreuzfahne herausgehängt, pflichtgemäß oder auch nicht. Wenn mein Vater mit meiner Schwester und mir damals Hand in Hand durch die Straßen ging, zeigte er auf die Fahnen und meinte zu uns: »Da seht ihr mal, und alles für Mama!«

Mit 65 Jahren ist meine Mutter dann sehr krank geworden, woran ihre anerzogene Unsicherheit und Verkrampftheit sicher einen großen Anteil hatten. Aber davon später.

Ihr Leben liegt, da sie nie zu uns darüber gesprochen hat, in nebliger Vergangenheit. Irgendwann als junges Mädchen ging sie von Flensburg nach Berlin und wollte im Film landen, doch sie landete – bei unserem Vater.

Der erzählte später, sie sei damals eine der schönsten Frauen gewesen, die er bis dahin gesehen hatte – und er hatte schon sehr viele schöne Frauen gesehen. Er war ein attraktiver, hoch berühmter Mann und den Damen in jeder Beziehung eine Stütze. Seine Frauenbekanntschaften waren am Ende wohl doch zahlreicher, als man sich das im naiven Flensburg vorstellen konnte, und so bekam ihre Verbindung gleich nach der Hochzeit einen gehörigen Knacks.

Mein Vater selbst hatte slawische Wurzeln. Die Eltern kamen zwar schon aus Königsberg, aber davor war man noch in Warschau zu Hause gewesen. Auch er fing an, seine Memoiren zu schreiben, die allerdings nach nur wenigen Seiten in seiner Jugendzeit stecken blieben. Er hat sie eigenartigerweise nie weitergeschrieben oder gar beendet. Deshalb möchte ich hier in der Familienchronik etwas auf die Vorfahren der Familie Kollo zurückblicken.

Willi Kollo wurde 1904 in Königsberg, das heißt im »Tragheimer Ausbau«, in der dortigen Kirche getauft, und alles, was mein späteres Leben beeinflusst hat, schien da schon seine Wurzeln zu graben. In dieser Kirche haben Richard Wagner und Minna Planer auf ihrer Reise nach Riga – Wagner sollte dort eine ungeliebte Dirigentenstelle antreten – geheiratet. So sind in diesem Kirchenregister zwei Komponisten eingetragen, wobei unserer Familie der künstlerische Unterschied zwischen Wagner und Kollo sicher bekannt ist. Eigenartig bleibt es für mich schon. Hier kamen die Namen Wagner und Kollo zum ersten Mal in engere Nachbarschaft.

Mein Vater ist die ersten drei Jahre seines Lebens in der Obhut seiner Großmutter bei Petroleumlicht aufgewachsen, was er wundervoll fand, »denn es war so schön warm und roch so schön«. Von dort kam er nach dem Tod der Großmutter nach Berlin ins kalte Gaslampenlicht zu seinen Eltern, die sich nicht um ihn gekümmert hatten. Er geriet, wie er selbst schreibt, an wildfremde Leute. Der Vater – Walter Kollo – war damals als Korrepetitor und kleiner Kapellmeister tätig, und die Mutter – Marie Preuß – war Sängerin und Soubrette mit dem Künstlernamen Mizzi Josetti. Sie mussten wie alle anderen Menschen Geld verdienen.

Dazu mein Vater in einem privaten Gespräch, das die Journalistin Gudrun Gloth auf Tonband aufgezeichnet hat (aus diesem Grund ist der Text nicht so geschliffen formuliert, wie wenn er ihn selbst geschrieben hätte):

»Es war jedenfalls für mich eine interessante Zeit, weil ich mit einem Herrn konfrontiert wurde, der mein Vater war, und selbstverständlich liebte ich ihn sehr. Er war auch sehr liebenswürdig von Natur aus, sehr still und weich und gut. Meine Mutter war ein bisschen exaltierter, nicht so bekömmlich wie mein Vater. Und er duftete auch immer so schön, ich nehme an, nach Brillantine und Haarpomade und sicher auch nach Parfüm, er war ja immer sehr gepflegt. Und er spielte mir zum ersten Mal auf dem Klavier vorWeißt du, wie viel Sternlein stehen‹, und da war ich im siebten Himmel, weil ich ganz fassungslos war, bei so viel Wohlklang.

In unseren möbliert gemieteten Räumen in der Potsdamer Straße gingen Leute ein und aus, die dann später historisch wurden. Zum Beispiel Claire Waldoff ging rauf und runter, sie wohnte in der vierten Etage, und sie war immer bei uns zu Gast. Heinrich Zille war ein Freund der Familie. Claire Waldoff und mein Vater, die schlossen sich immer ein, und dann lachten die beiden über Anekdotenwitze, und meine Mutter stand vor der Tür und wurde eifersüchtig, weil sie glaubte, sie hätten ein Verhältnis. Dabei hätte die Claire Waldoff eher mit meiner Mutter ein Verhältnis gehabt als mit meinem Vater, aber das wusste man damals noch nicht, das war damals noch nicht bekannt.«

Bei meinem Großvater gingen auch Leute wie der Sänger und Humorist Otto Reutter oder Robert Steidel ein und aus, der dann als erster das Lied »Immer an der Wand lang« öffentlich sang. Einer der ersten großen Erfolge Walter Kollos!

»Mein Vater Walter hatte damals einen Grad von Berühmtheit, den man sich heute in Deutschland gar nicht mehr vorstellen kann. Sein Name drang, schon damals, bis nach Amerika. Ich hielt meinen Vater natürlich lange Zeit überhaupt für den größten Komponisten aller Zeiten, und erst in der Schule im Musikunterricht erfuhr ich, dass es auch noch Leute gab wie Schubert, Mozart oder Beethoven. Das wusste ich bis dahin gar nicht, ich fand sie auch nicht so berühmt wie meinen Vater.«

Soviel noch einmal aus dem Tonband-Gespräch mit meinem Vater.

Der Großvater Walter gründete dann später, als er sehr erfolgreich wurde, seinen eigenen Musikverlag und war daneben ein entscheidender Mitbegründer der heutigen GEMA. Damals, bevor es die GEMA gab, konnte jeder Musiker alle gängigen Musikstücke spielen und musste keinen Pfennig dafür bezahlen; aber mit dem Auftreten der GEMA hatte er künftig so genannte GEMA-Listen auszufüllen und jeweils das Musikstück einzusetzen, das er am Abend spielen wollte, und dafür zahlte dann das jeweilige Etablissement einen Obolus an die GEMA.

Entscheidend als Mitbegründer war Walter Kollo, weil es sich damals kein Musiker leisten konnte, Kollo nicht zu spielen. Man konnte auf viele Komponisten verzichten, doch auf »Solang noch untern Linden«, »Kleine Mädchen müssen schlafen gehen«, »Warte, warte nur ein Weilchen«, »Wenn ein Mädel einen Herren hat«, »Kind, ich schlafe so schlecht«, »Unter’n Linden, unter’n Linden gehen spazieren die Mägdelein« und vieles, mehr konnte man einfach nicht verzichten. Durch seine immense Popularität wurde er zum größten Garanten für das Gelingen des Unternehmens GEMA.

Natürlich rief das nicht nur Freunde auf den Plan. Viele Musiker wehrten sich vehement dagegen. Man sträubte sich mit Händen und Füßen, aber es wurde von politischer Seite zum Gesetz erklärt. Und wenn die GEMA den Musikern sagte, dann dürft ihr eben gar nichts von Walter Kollo spielen, dann wurden doch sehr schnell die Tarifverträge abgeschlossen.

An meinen Großvater habe ich kaum eine Erinnerung, außer dem Wenigen, was uns mein Vater über die Jahre erzählt hat.

Er fing als Kirchenmusiker an und landete bei »Immer an der Wand lang«.

Ich fing mit »Hello, Mary Lou« an und landete bei TANNHÄUSER und TRISTAN.

Ersteres ist in Deutschland für manchen Puristen ein künstlerischer Abstieg, das andere ein künstlerischer Aufstieg. Nur sollte man dabei doch bedenken, dass etwas Künstlerisches zu reproduzieren weit weniger kreativ ist, als einen Einfall zu haben und ihn richtig zu verarbeiten. Also, »Solang noch untern Linden«, »Was eine Frau im Frühling träumt« oder das – nach Meinung des amerikanischen Operettenspezialisten Kurt Gaenzl – »herzlichste und sanfteste« aller Berliner Lieder »Es war in Schöneberg im Monat Mai« muss man erst einmal komponieren!

Ich wiederum hatte eine Angewohnheit, die meinem Großvater eher nicht gefiel. Vor seinen Fenstern in der Schöneberger Wohnung, wo heute eine Tafel angebracht ist, hingen schwere, damastene Portieren. Mein größtes Vergnügen war nun, wie Tarzan mit lautem Geheul von links nach rechts zu schwingen und wieder zurück. Es waren sehr große Fenster, also lohnte sich die Strecke von einer Seite zur anderen. Es versteht sich, dass das den Portieren nicht bekam. Sie rissen ab und mussten mit sehr viel Mühe wieder angebracht werden. Sicher hat es dazu beigetragen, dass meine Eltern sehr selten eingeladen wurden, und wenn doch, dann ausdrücklich ohne mich.

Darüber hinaus muss mein Großvater jedoch ein ganz reizender Mann gewesen sein, denn die Schar seiner Freunde war groß. Die Schar seiner Gläubiger übrigens auch. Er war sehr eng befreundet mit Heinrich Zille, dem Berliner Sozialzeichner und Maler, von dem man sagte, der Mann habe einen Strich, an dem jeder »den Strich« wieder erkenne. Die beiden waren in allen einschlägigen Berliner Kneipen bekannt. Man hatte sogar einige Male meinem Großvater nach durchzechter Nacht die Pferde ausgespannt und ihn zu Fuß mit der Kutsche bis vor die Haustür gezogen. In Berlin waren das lange Strecken und ein Zeichen großer Popularität und Freundschaft.

Mein Großvater wurde also 1887 geboren und als er in Neidenburg die Schule hinter sich hatte eröffnete er seinen Eltern, er wolle unbedingt Musiker werden. Der Vater schüttelte verzweifelt den Kopf und meinte nur »Mein Gott Walter«.

Er wollte ihn schon enterben aber die Mutter vermittelte und so durfte der Sohn nach Sondershausen in Thüringen aufs Konservatorium.

Nach seinem Studium fuhr er schnurstracks nach Berlin, zu der Zeit der Mittelpunkt der Welt. Nun musste er sich in der turbulenten Szene erst einmal durchschlagen. Er hatte nichts und er war Niemand. Ein junger Student. Aber in einer Kneipe, damals fand alles in einer Kneipe statt, lernte er einen ebenso jungen Texter kennen, der Texte für neue Lieder schrieb. Zusammen schrieben sie also »Immer an der Wand lang, und dann schleich ich still und leise immer an der Wand lang, heimwärts von der Bummelreise, immer an der Wand lang. Schimpft zuhaus auch meine Olle, immer an der Wand lang. Ja, ich bin ne dolle Molle, immer an der Wand an der Wand entlang«. Das wurde sofort ein Gassenhauer, so nannte man damals die Schlager die sofort Erfolg hatten. Danach schrieben sie noch einen Gassenhauer. »Komm hilf mir mal die Rolle dreh’n du bist so dick und stramm, genier dich nicht und zier dich nicht, wir dreh’n das Ding zusamm.«

Das kann man besser verstehen wenn man die damaligen Wäschegeschäfte kannte, in deren Schaufenstern die schweren Bügelrollen standen. Die dicke Berta konnte die riesigen Mangelrollen nicht selber drehen und gleichzeitig mangeln. Dazu holte sie sich einen jungen Soldaten aus der nächstgelegenen Kaserne. Der drehte dann und sie mangelte. Dafür bekam er anschließend eine Flasche Bier und ein paar Schmalzstullen. Und noch etwas später durfte er dann Berta selbst genießen. Mein Vater erklärte das ganze für einen »Mangelberuf«.

Meine Großmutter habe ich, da sie nach meiner Geburt bereits von meinem Großvater getrennt lebte, nicht mehr kennengelernt. Ihre Ehe muss unglücklich und unerfreulich gewesen sein. Es wurde viel geschrieen, und mein Vater stand zwischen ihnen und wollte für keinen von beiden Partei ergreifen. Auf seinen Wunsch hin schickte man ihn auf ein Internat in Blankenburg im Harz. In diesem Internat gab es einen Oberstudienrat, der das Leben meines Vaters sehr geprägt hat. Es war Oswald Spengler, der dort an dem berühmten Buch »Der Untergang des Abendlandes« schrieb, das ich nur jedem zur Lektüre empfehlen kann. Es stehen Dinge darin, die sich mir heute schon bewahrheitet haben.

Da mein Vater bei seinen Eltern die für ein Kind schlimmen Belastungen einer schlechten Ehe mit ansehen musste, hätte man eigentlich erwarten können, dass er daraus für sein späteres Leben und für seine Kinder – also für uns – etwas gelernt hätte. Das hat er nicht. Oder der Krieg und die Umstände gaben ihm keine Chance dazu. Die Ehe, die er mit unserer Mutter führte, hätte Strindberg zu einem neuen, sehr erfolgreichen Stück verholfen. Die Türen fielen krachend ins Schloss, und man schrie sich im höchsten Diskant an. Mein Vater rannte dann meist aus dem Haus und kam erst Stunden später wieder. Danach saß man, ohne ein Wort zu reden, in eisigem Schweigen zusammen in der Wohnung.

Mir hat diese Erfahrung eigentlich immer nur gezeigt, dass man aus Fehlern wohl so gut wie nichts lernt. Oder doch?

Ich habe mich in meiner Familie zumindest redlich bemüht, dem Familienleben etwas mehr »Goldoni« zu verleihen. Für einen Skorpion eine schwere Übung.

Mein Vater war also im Internat und wäre dort glücklich gewesen, wenn sein Vater Walter nicht in finanzielle Schwierigkeiten geraten wäre. Er hatte die in unserer Familie immer wiederkehrende ruinöse und damit höchst überflüssige Eingebung, selbst ein Theater leiten zu müssen – seinerzeit das Theater in der Kommandantenstraße. Das lag im damaligen Osten von Berlin, wo in diesen Jahren sowieso kaum jemand ins Theater ging, und noch dazu war es mit einer neuen Freundin, der Sängerin Alice Hechy, belastet, die künstlerisch sicher nicht das hielt, was er sich aus ihrer Liaison versprach. Also ging er Pleite und konnte das Internat nicht mehr bezahlen.

Wie sich die Bilder gleichen. Bei mir war es später genau dasselbe. Auch mein Vater konnte, da er in Hamburg nach dem Krieg wieder ein Theater aufmachte, mein Internat in Wyk nicht mehr bezahlen.

Bleiben wir aber zuerst noch in seinem Internat.

Mein Vater verfasste in seiner Internatszeit mit 15 oder 16 Jahren kleine Gedichte. Einer seiner Lehrer las das, und beide beschlossen daraufhin, einen Vortragsabend zu probieren. Die Mädchen des Internats mussten das Publikum mimen, und es wurde ein großer Erfolg. Wobei da sicher seine Ausstrahlung – er war ein hübscher, schlanker und sensibel wirkender Junge – mehr gewirkt hat als seine Gedichte, die ziemlich konservativ waren.

Aber nach dem ersten Erfolg wollte er schon mehr, und zwar in aller Öffentlichkeit. Er mietete sich einen Theatersaal – der auch tatsächlich voll wurde. Die Kritiken waren gut, und nun ging es von Erfolg zu Erfolg so weiter. Immerhin verdiente er sich damit so viel Geld, dass er das Internat künftig auch alleine weiterbezahlen konnte. Doch gleichzeitig fing er an, andere Dichter – Rilke und Hölderlin vor allem – zu lesen, und dadurch fand das Ganze relativ schnell wieder ein Ende. Er machte also das Abitur und ging dann wieder zurück nach Berlin.

Inzwischen hatte sein Vater Walter schon wieder ein Theater übernommen. Diesmal war es das Theater am Schiffbauerdamm, aber auch da erlebte er einen Flop und ging abermals Pleite. Mein Vater:

»Das war 1921, und da ging ich natürlich in sein Theater, in sein Direktionsbüro, wo zwei sehr hübsche Mädchen rumsaßen. Es kam dann zwischen uns zu einer Auseinandersetzung, weil er sagte, ich solle studieren, entweder Medizin oder Jura oder was ich eben möchte. ›Und wer bezahlt das? Sei bitte nicht böse, aber ich habe ja allen Grund zu der Annahme, wenn schon die Schule nicht bezahlt wurde … und wenn ich mir jetzt vorstelle, dass ich nach Heidelberg gehe, was tue ich dann, falls du nicht bezahlst?‹ Und dann knallte ich ihm meine Kritiken auf den Tisch, denn ich war zu diesem Zeitpunkt schon ein sehr erfolgreicher Mann und verdiente gutes Geld.

Er hatte ein sehr hübsches Chorusgirl, das ich ebenfalls sehr hübsch fand. Ich denke, ich war ihr auch sympathisch, oder sie hatte gehört, dass ich der Sohn des Direktors war, das ist ja auch wurscht. Wir trafen uns im Kabarett Unter den Linden, wo sie noch eine Nachtvorstellung hatte. ›Kommen Sie doch mit in die Probe, Peter Sachse‹ – der später einer der bekanntesten Kabarettmanager wurde – ›wird sich sehr freuen, den Sohn von Herrn Kollo kennen zulernen. Ich bin in einer Stunde fertig, und dann gehen wir noch irgendwo ein Bier trinken.‹

Der Peter Sachse lud mich dann zu meinem ersten Nikolaschka ein. Das war ein Getränk mit Zitrone und Cognac, und durch die Zitrone wurde man nicht so schnell besoffen. Man wusste erst beim zehnten Glas, dass man besoffen ist. Und er fragte mich dann, wie mir das gefällt, was ich da auf der Probe sah. ›Wenn Sie mich fragen, ich finde das furchtbar.‹ Und da sagte er: ›Ja, das habe ich auch, das Gefühl. Aber was soll ich machen, ich kann doch keinen Walter Kollo engagieren, das kann ich ja gar nicht bezahlen.‹

Da sagte ich: ›Dazu hat ja mein Vater einen Sohn gezeugt, damit der die Arbeit erledigt, die er nicht tun kann.‹ – ›Ja, können Sie denn eine Revue schreiben?‹ Ich zeigte ihm meine Kritiken, und das beeindruckte ihn sehr. ›Also bitte, wenn Sie sich das zutrauen ich muss in drei Tagen eine neue Revue haben. Ich habe dann vielleicht noch acht Tage Zeit zum Proben, und wenn Sie das machen, na fein!‹

Ich brachte ihm das Ganze schon am nächsten Tag. Es war eine Chance, also war ich 100 % dabei. Er las es sich durch und sagte: ›Ja, das könnte klappen.‹ Die Revue hieß Berliner Ostereier. Mein Glück dabei war, dass in der Revue eine Frau auftrat, die Sensation machte. Celly de Rheydt hieß sie, über die ganz Berlin zum Teil entsetzt und zum anderen Teil fasziniert war. Die hatte nämlich das erste Nacktballett, das es gab. Das hieß, sie hatte zehn sehr hübsche Mädchen, und sie traten bei bengalischer Beleuchtung – lila, grün, rot usw. – auf der Bühne völlig nackt auf. Das war natürlich hervorragend für mich, denn ganz Berlin raste rein und sah, ob sie es wollten oder nicht, auch meine Revue. Mein Vater wollte mir durch eine einstweilige Verfügung die weitere Tätigkeit dort untersagen, weil ich ja noch minderjährig war. Darauf sagte dann aber der Peter Sachse, mit dem ich später sehr befreundet war: ›Gott, Sie haben die Wahl lieber Walter. Sie untersagen das durch eine einstweilige Verfügung eines Vaters gegen seinen Sohn, der sehr begabt ist, und ich werde diese einstweilige Verfügung in der BZ am Mittag abdrucken lassen, mit all den Folgen, die daraus entstehen.‹ Das wollte mein Vater dann doch lieber nicht, und er hat mir nichts weiter in den Weg gelegt.

Das Ganze war deshalb bedauerlich, weil mein Vater selbst die Hinderungen erlebt hatte, die sein Vater seinem Musikstudium in den Weg legte. Mein Großvater hatte das Musikstudium seines Sohnes, also Walters, der das Kind aus zweiter Ehe war, nur unter der Bedingung bezahlt, dass die Mutter meines Vaters, also die zweite Frau meines Großvaters, auf das Erbteil ihres Sohnes Walter verzichtete. Mein Großvater war in Ostpreußen sehr begütert und hatte ein Gut, eine Dampfmühle und ein Delikatesswarengeschäft, und er hatte noch einen Sohn aus erster Ehe. Mein Vater verzichtete also auf sein Erbteil, da sein Vater ihm das Studium bezahlte. Es war natürlich Erpressung, aber so war das eben damals. Mein Vater verdiente dann später als Komponist das Vielfache von dem, was er hätte erben können.

Es ging dann schnell weiter mit mir. Der Sachse kam ein paar Tage später und sagte: ›Es sind zwei Leute im Theater, die kommen nur deinetwegen, die möchten dich nachher mal sprechen.‹ Der eine war der damals sehr bekannte Komponist Hugo Hirsch, der hatte ›Wer wird denn weinen, wenn man auseinander geht‹ gemachtdas Lied ist ja heute noch bekannt –, und der andere war Franz Arnold von Arnold und Bach, der großen Schwankfirma. Sie hatten ein neues Stück geschrieben Der Fürst von Pappenheim, und sie brauchten dafür witzige und spritzige Gesangstexte. Ich war ja erst siebzehn, und die kamen rein, um zu fragen, ob ich diese Texte machen könne.

Ich schrieb also die Texte, und bei den folgenden Proben trat eine Frau auf, die unbedingt ein tolles Chanson haben musste, die Trude Hesterberg. Ich schrieb ihr dann das Chanson ›Eine Frau wie ich ist ’ne Sache für sich‹. Sie hatte damit einen Riesenerfolg.

Die Massary war damals in der Premiere und umarmte mich – ich war ja erst siebzehn Jahre, ein Jüngling! Die umarmt mich und sagt: ›Das hast du fabelhaft gemacht. Das Chanson hat nur einen großen Fehler: dass du es nicht für mich geschrieben hast.‹

Und der Direktor Victor Barnowsky, der das Theater leitete und der ein sehr feiner Mensch war, sehr zart, aus gutem Hause, der war in den Proben drin und sah mich in der zweiten oder dritten Reihe sitzen und der Hesterberg auf der Probe zuhören, wie sie das Chanson brachte. Manchmal habe ich auch gesagt, ›Trude, du müsstest das so bringen!oder ›Hier eine Pause machen!‹.

Da sagte dann der Barnowsky etwas indigniert zu dem Franz Arnold, der die Regie führte: ›Sagen Sie mal, Arnold, das sehe ich jetzt schon zum dritten Mal: Da sitzt so ein Junge in der dritten Reihe, der hat so ’n feines Gesicht und der ist sicher aus gutem Haus – ich möchte nicht, dass der die Schweinereien da oben von der Hesterberg hört.‹ Darauf sagte der Arnold: ›Ich kann schwer was dagegen tun, das ist der Verfasser!‹ Die Anekdote ging durch ganz Berlin.

Witz und Bonmots lagen mir sehr. Als man mich später in der GEMA, die einen großen Ball für die GEMA-Mitglieder machen wollte, fragte, was man als Eingang für die Ballmusik spielen könne, da sagte ich in Anspielung auf den EINMARSCH DER GLADIATOREN:Natürlich am besten den Einmarsch der Plagiatoren!

Man durfte im Berlin der zwanziger Jahre nicht auf den Kopf gefallen sein. Auf die Erfolge hin kam dann später mein Vater zu mir. Natürlich sagte er sich, wenn das ein so fabelhafter Textdichter ist, bin ich ja verrückt, wenn ich ihn meiner Konkurrenz, den Kollegen, überlasse. Er war zu der Zeit völlig verschuldet, und er starb ja auch 1940 völlig verschuldet. Er hat diese Schulden in seinem Leben nicht mehr wegräumen können. Er bat mich also, die Gesangstexte zu der Operette MARIETTA zu machen. Er konnte mir als Autor nichts dafür zahlen. Das ging deswegen nicht, weil er alle Anteile an dem Stück schon verpfändet hatte, so dass für einen Textdichter gar nichts mehr frei war. Andere Textdichter sagten natürlich: ›Walter, so gerne wir das tun würden, aber das können wir doch gar nicht, wir haben ja keinerlei Anteil an dem Stück. Wir können dir doch keine Texte gratis schreiben.‹ Ich tat es. Ich wusste, dass ich aus den Aufführungen des Stückes nichts verdienen konnte, aber das Glück war mir hold. Die beiden Titel ›Was eine Frau im Frühling träumt‹ und ›Warte, warte nur ein Weilchen‹ wurden solche Schallplattenknaller, dass ich eben von der Schallplatte her sehr viel daran verdiente. Mit achtzehn schrieb ich das, und wenn die Schallplatte nicht schon gewesen wäre, dann hätte ich gar nichts verdient.«

Mein Vater Willi schrieb also von 1924 bis 1934 insgesamt neun Operetten mit seinem Vater Walter zusammen. 1934 schrieben sie die letzte gemeinsame Operette LIEBER REICHABER GLÜCKLICH. Im Kabarett der Komiker, in dem er auftrat, änderte mein Vater in einer Conference den Titel in »Lieber kein Reich – aber glücklich« und sang ein Chanson dazu, dessen Anfang lautete »Wenn ich nur wüsste, was der Adolf mit uns vorhat, wenn er die Macht am Brandenburger Tor hat«, was ihm elf Jahre lang, also bis Kriegsende, ein Auftrittsverbot von Goebbels einbrachte.

In den Krieg wurde er nicht einberufen, weil er nach Prag kam, um in der dortigen deutschen Filmindustrie, wie er sagte, »kriegs- und siegesentscheidende Drehbücher« zu schreiben. Das sowie das Komponieren von Filmmusiken wurde ihm gestattet, nur auftreten durfte er bis zum Kriegsende nicht mehr.

»Wenn meine Frau Angst bekam, weil da doch eine Einberufung ins Haus kam, dann sagte ich immer zu ihr: ›Ach, ich bekomme bestimmt einen neuen Film.‹ Dann sagte sie: ›Du bist verrückt, guck dir das hier doch an!‹ Zwei Tage später rief die TOBIS an und fragte, ob ich den Film XY machen wollte. Da ging ich hin und sagte: ›Ja, selbstverständlich, aber hier ist der Schein, ich muss mich zum Militär melden.‹ – ›Geben Sie her, das wird sofort durch unser Büro erledigt.‹ Und dann wurde ich freigestellt.«

Begreiflicher wird dieses Glück meines Vaters, das ihn den ganzen Krieg hindurch begleitete, wenn man weiß, dass die Nazis gewissermaßen auf Kollo angewiesen waren. Mit »Nachts ging das Telefon« und »Zwei in einer großen Stadt« hatte er zwei große Hits der damaligen Zeit. Da es nicht mehr sehr viele Komponisten in Deutschland gab, denn Ábrahám, Kálmán und andere waren aus Deutschland geflüchtet und durften als Juden nicht mehr gespielt werden, und da die Erfolge meines Vaters und Großvaters bei keinem Wehrmachtskonzert fehlten, konnte Goebbels es sich kaum leisten, härter gegen meinen Vater vorzugehen – zu unser aller Glück.

Nach Kriegsende trat mein Vater dann in Hamburg gleich wieder auf und landete mit seinem Lied »Lieber Leierkastenmann« sofort wieder einen Erfolg.

Ich bin in meinem Bericht zu meiner Mutter, meinem Großvater und Vater zurückgegangen, weil man als Sohn und Enkel naturgemäß ein Teil all dessen ist. Vieles hat man geerbt, vieles ist einem wie selbstverständlich, auch Dinge, die man selbst vielleicht als negativ empfindet. Aber man übernimmt auch die positiven Seiten seiner Ahnen. In meinem Fall: friesisch-preußisches Durchsetzungsvermögen, gepaart mit slawischer Seele, Gefühlsbetontheit und Impulsivität. Eines der berüchtigten Berliner Gene eben.

Das Witzige und Amüsante an meinem Vater war jedoch nur ein Teil seiner Persönlichkeit. Hypersensibel, durch den großen Schatten seines Vaters wohl stets auf der Suche nach Anerkennung, führte er, jedenfalls soweit ich mich erinnern kann, ein Leben ziemlich abseits der Familie. Bei den Damen musste er immer den Charmeur spielen, was sicher die Ehe mit meiner Mutter zerstört hat. Wie heißt es so schön in einem Lied: »Ich brech die Herzen der stolzesten Frauen, denn mein Sternbild ist der Stier!«

Seines war auch der Stier. Bestimmt lag es auch an der Zeit, in die er hineingeboren wurde: Man musste im damaligen Berlin immer etwas witziger und präsenter sein als der andere, und so haben wir eigentlich immer nur seine Fassade kennen gelernt.

Auch fehlte ihm bei allem großen Talent die Fähigkeit, dieses zu vermarkten oder es vermarkten zu lassen. Ein Beispiel mag dafür stehen: Er war einer der Ersten, die nach dem Krieg die in Hamburg von der englischen Besatzung ausgegebenen Pressescheine erhielten. Wer eine Zeitung aufmachen wollte, brauchte solche Scheine. Nun war damals Axel Springer in Hamburg dabei, sein späteres Imperium zu gründen. Da er für jede Zeitung einige dieser Scheine brauchte, fragte er bei meinem Vater an, ob er ihm gegen prozentuale Beteiligung seinen Schein zur Verfügung stellen würde. Mein Vater tat es nicht! Er wolle angeblich irgendwann eine eigene Zeitung gründen. Natürlich hatte er das in Wirklichkeit nie vor. Der Schein verfiel also wieder – und mit ihm vielleicht ein paar Prozente an der Bildzeitung!

Mein Vater hat es sehr jung zu großer Popularität gebracht und dabei sehr viel Geld verdient – möglicherweise ist das der Grund dafür, dass er diese praktischen und pekuniären Dinge nie so ernst nahm, wie er sie als Familienoberhaupt eigentlich hätte nehmen müssen.

Er war auch in künstlerischer Hinsicht ein eher aphoristischer Mensch. Das Kleine lag ihm. Ein Lied, ein Gedicht. Dinge, die ihm nicht zufielen, an denen er länger arbeiten musste, waren ihm ein Graus, und sie wurden auch nie so erfolgreich wie seine kabarettistischen Texte oder seine Lieder. Wenngleich er sehr gute Unterhaltungsstücke geschrieben hat und ja auch mit dem Drama EINE FRAU, DIE ICH KANNTE – von und mit Heinz Hilpert in Göttingen uraufgeführt – einen großen Erfolg als Verfasser eines Kriegsstückes verbuchen konnte. In den Kritiken stellte man ihn sogar in die Nähe Zuckmayers. Aber eigentlich war die kleine Form seine Domäne.

Ich glaube, er hat das Leben nie wirklich ernst genommen. Er ließ es kommen und – es kam. Seine Ruhe und seine Entscheidungsfreiheit waren ihm wichtig; von möglichst keinem Menschen abhängig zu sein.

»Meine stolzeste Erinnerung ist, dass man mir mein ganzes Leben lang das Frühstück ans Bett gebracht hat; und das will was heißen, das muss Ihnen erst einmal gelingen.«

Auch wenn er sich diese Ironie nicht immer erlaubt haben kann, es war etwas Leichtfertiges, Verspieltes in seinem Leben, und in dem Punkt fällt der Apfel wohl nicht allzu weit vom Stamm.