Karl Brandler-Pracht

Geheime Seelenkräfte

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

Titel

Impressum

Vorwort

Einleitung.

1. Stufe.

2. Stufe.

3. Stufe.

4. Stufe.

5. Stufe.

6. Stufe.

7. Stufe.

8. Stufe.

9. Stufe.

10. Stufe.

Impressum neobooks

Impressum

Geheime Seelenkräfte

Die unveränderten

Original-Unterrichtsbriefe

zur Entwickelung der Willenskraft und der okkulten Fähigkeiten


Ein erprobter Lehrgang in 10 Stufen

von

KARL BRANDLER-PRACHT





„Geheime Seelenkräfte“ von Karl Brandler-Pracht

Erstveröffentlichung: Linser-Verlag 1921

Überarbeitung, Cover: F. Schwab Verlag

Neuauflage: F. Schwab Verlag – www.fsverlag.de

Copyright © 2018 by F. Schwab Verlag


Vorwort

Dieser Lehrkursus bezweckt in erster Linie die Er­reichung einer absoluten Herrschaft des Geistes über den Körper. Der Lernende wird durch systematische, gut erprobte Übungen dahin gebracht, seinen Körper, seine Gedanken, sein Gemüt vollständig unter einer bewussten Kontrolle zu halten.

Die Neugedankenlehre in ihrer praktischen Ver­wertung vermag allein nur willensstarke, ausdauernde, tüchtige und selbstbewusste Persönlichkeiten heran­zubilden, die ein geordnetes kräftiges Gedankenleben haben, einen festen entschiedenen Charakter, eine gesunde Seele und einen gesunden, wohlorganisierten Körper.

In zweiter Linie sind die in diesen Unterrichts­briefen niedergelegten Übungen die beste Schule zur Entwickelung der im Menschen latent liegenden okkulten Fähigkeiten und Kräfte. Der Verfasser hat hier, gestützt auf langjährige Studien und reiche persönliche Erfahrungen, ein kombiniertes System aus­gearbeitet, das jeden Ernststrebenden unbedingt zum Erfolg führen muss, wenn die Vorschriften gewissenhaft befolgt werden. Die beiden großen Yoga-Systeme sind hier vereinigt. Stufenweise wird der Schüler geführt — stufenweise erwachen seine geistigen Kräfte — in gleicher Zeit aber entwickelt sich ein reger, bewusster Verkehr mit dem inneren, höheren Menschen und mit Staunen und Entzücken fühlt er immer mehr und mehr, wie sich ihm ein wahrhaft glückseliger Zustand erschließt. Harmonie, Seelenfriede, Kraft und Willensstärke durchströmen ihn, seine Erkenntnis weitet sich und die geheimnisvollen Tore, die der Unentwickelte kaum nur zu ahnen vermag, öffnen sich vor seinen nun abgeklärten Blicken.

Diese Lehrbriefe sind unbrauchbar für den, der nur aus egoistischen Gründen seine Kräfte entwickeln, der „schwarze Magie“ treiben will.

Die hier niedergelegten Übungen zur Erlangung einer okkulten Kräfteentwickelung sind unbedingt verbunden mit der ethischen Entwicklung ­ohne diese sind sie erfolglos. „Wer Blitze lenken will, muss im Himmel wohnen.“

Die Übungen sind derart eingeteilt, dass ihnen auch der beruflich Angestrengte gerecht werden kann; sie sind hauptsächlich für morgens und für die Abendzeit berechnet.



Einleitung.

Die Neugedankenbewegung hat in erster Linie den Zweck, Persönlichkeiten heranzubilden, die willensstark, ausdauernd, tüchtig und erfolgreich sind; Personen voll Selbstvertrauen, die ein geordnetes, kräftiges Gedanken­leben haben, starke entschiedene Charaktere, Menschen mit einer gesunden Seele und einem gesunden, wohl­organisierten Körper.

Die absolute Herrschaft des Geistigen über den Stoff ist der Zweck dieses Lehrkurses. Der Schüler muss seinen Körper, seine Gedanken, sein Gemüt vollständig unter die Kontrolle, seines bewussten höheren Willens bringen. Dieser höhere Wille ist göttlichen Ursprunges, er fließt aus dem Urquell des ewigen Seins, er ist ein Teil des Unendlichen.

Halten wir den Körper, die Gedanken oder unser Gemüt nicht beständig unter strenger Aufsicht und unter zielbewusster Führung, so entziehen wir dem All-Willen in uns das Instrument, auf dem er sich betätigen kann, oder wir verstimmen es und machen den harmonischen Einklang, in welchem der sich in uns individuell ge­wordene göttliche Wille mit seinem Vater, dem All­willen, stets befinden soll, unmöglich. Der beste Künst­ler ist nicht imstande, auf einem verstimmten Klavier seine Kunst zur Geltung zu bringen — will er das, so muss er sich erst einer mühevollen Arbeit unterziehen und sein Instrument in jene Verfassung bringen, die es ihm ermöglicht, seinem seelischen Empfinden hörbaren Ausdruck zu geben.

In Harmonie zu kommen mit dem All-Wissen, sich frei zu machen von der Gewalt des Stoffes und die Um­nachtung zu durchbrechen, die uns umfangen hält und unser Edelstes in uns behindert, sich zu entwickeln und emporzuwachsen zum Vater — das ist unsere Hauptauf­gabe, und nur zu diesem Zwecke soll der Mensch sich bemühen, seine okkulten Kräfte zu entwickeln. Sie dür­fen ihm nur als Schlüssel dienen, das Tor zu öffnen, das den finsteren Kerker verschlossen hält, in welchem unser göttliches Sein angeschmiedet ist mit eisernen Ketten. Und ist es uns gelungen, dieses Tor zu erschließen, dann strömt die Fülle des Lichtes auf uns ein, das vom Vater kommt, und je heller es um uns wird, desto leichter werden die Ketten, bis sie endlich von selbst herabfallen und der Befreite hinaustreten kann in das Reich der wahren Freiheit!

Wer sich aber verleiten lässt, das Tor aus anderen Motiven zu öffnen, wer seine Kräfte entwickelt, nur um seinem materiellen Willen zum Siege zu verhelfen, der wird eine böse Enttäuschung erleben. Nicht dem Sonnen­licht hat er das Tor seines Kerkers geöffnet, sondern einer tieferen und schwärzeren Nacht, als die ist, die ihn umgibt — nicht Erkenntnis wird ihn erfüllen, sondern Verwirrung, und was sich aus der Finsternis heraus offenbart und sich schmeichelnd zu seinen Füßen lagert, das wird mit der Zeit zur Qual und Pein für ihn werden. Wer die Gotteskräfte in sich weckt ohne den reinen Willen zur Erlösung, zur Erkenntnis, zur Wahrheit, der frevelt und richtet sich zugrunde. Die Ausübung der „schwarzen Magie“ hat noch zu allen Zeiten bösen Lohn gefunden.

Wer die Absicht hat, seine psychischen Kräfte zu entwickeln, der tritt aus der gewöhnlichen Entwick­lungskette, er stellt sich damit auf einen sehr exponierten Posten und wird dadurch zur Zielscheibe böser Gewal­ten. Doch sein reines Streben ist ein undurchdringlicher Panzer, an welchem alle Pfeile des Gegners zersplittern. Entfernt er sich aber während seiner Entwicklungs­periode von seinem Vorsatz, so wird sein schützendes Kleid undicht und die Pfeile jener dunklen Gewalten wer­den ihn verletzen.

Darum prüfe jeder, wenn er geneigt ist, diesen Weg zu betreten, ob er auch die Kraft haben wird, mutig aus­zuharren und die Konsequenzen einer solchen Entwicklung zu ertragen, die in dem Absterben des egoistischen Ichmenschen ihren Gipfelpunkt haben. Der hier nieder­gelegte Entwicklungsgang geht zum größeren Teil von innen nach außen. Und darum hat er nichts gemein mit verschiedenen anderen Entwicklungssystemen meist amerikanischer Provenienz, die den ganz verkehrten Weg einschlagen, ausschließlich von außen nach innen wirken zu wollen. Diese bezwecken in erster Linie das Leben genussreich und angenehm, den Körper schön, ge­sund und langlebig zu machen, Reichtum zusammenzu­scharren usw. Der eigentliche Zweck des Lebens wird dabei vollständig verkannt — der innere Mensch kommt dabei zu kurz und nichts wurde gewonnen. Im Gegen­teil, der so Entwickelte ist zum Schädling geworden, der alte Egoismus lebt noch, aber nun stehen ihm Kräfte zur Verfügung, die es erlauben, auf Kosten der Mitmen­schen sich noch mehr zu entfalten. Das böse Ende bleibt freilich niemals aus, und was wir säen, das ernten wir auch, und wer die Saat des Unkrauts in die Erde wirft, mag sich nicht wundern, wenn ihm eines Tages die Dornen und Disteln die Füße blutig reißen.

Das vorliegende System entwickelt nach beiden Richtungen, also auch teilweise von außen nach innen, jedoch nur zu dem Zwecke, den langsam zur Entfaltung kommenden Menschen bei seiner nach außen organisie­renden Wirksamkeit zu unterstützen.

Die Neugedankenlehre und Kräfteentwicklung, wie sie hier gelehrt wird, hat eine streng ethische Grundlage. Die Erweckung des inneren Menschen hat auch eine Neugestaltung und Veredelung des äußeren Menschen zur Folge und damit ist auch eine günstige Veränderung aller Lebensumstände verbunden. Wenn wir lernen, gut, gerecht und liebevoll zu fühlen, so werden wir auch gut, gerecht und liebevoll denken. Solche Gedanken werden aber auch dementsprechende Handlungen auslösen, und wer gute und gerechte Handlungen voll Liebe und Selbst­losigkeit begeht, der gleicht einem Landmann, welcher zur günstigen Zeit vollwertigen guten Samen der Erde anvertraut — die große Ernte wird sein Lohn sein.

Der Verfasser hat die Neugedankenlehre in Verbin­dung gebracht mit der Entwicklungslehre der indischen Philosophie und ein System aufgestellt, das den Schüler befähigt, die vorerwähnten Ziele voll und ganz zu er­reichen — in Einklang zu kommen mit dem All-Willen und dadurch befreit zu werden von dem Fluche der Stoff­lichkeit, von Not und Sorge, Krankheit und Leid.

Die Neugedankenlehre ist also nichts weiter als ein vernünftiger Optimismus. Sie stützt sich in der Haupt­sache auf die so wenig bekannte Tatsache der geistigen Strömungen und der stofflichen Realität der Gedanken.

Gedanken sind Dinge.

Wir erzeugen keine Gedanken, aber wir beleben sie, und je „kräftiger“ wir denken, desto intensiver haben wir die Gedankenformen belebt. Wenn man sich nun vor Augen hält, dass jede Gedankenform Schwingungen verursacht, die sich nach allen Seiten fortpflanzen, um sich mit gleichgestimmten Gedankenformen zu verbin­den und dann vereint zum Aussender, an den sie nun­mehr für längere Zeit gebunden bleiben, zurückkehren, so kann man leicht begreifen, dass der Optimist, der Gedanken des Erfolges, der Gewissheit, der Freude denkt, sich ein Heer in seiner „positiven“ Gedankenwelt schafft, welches ihm im Lebenskampfe treu zur Seite steht und den Sieg bringen wird. Dagegen bildet der Zweifelsüchtige, Mutlose, Gedrückte, Hoffnungslose mit seiner „negativen“ Gedankenwelt sich einen furchtbaren Feind, der ihn immer mehr mutloser macht und von einem Misserfolg zum andern führt.

Das Geheimnis des Erfolges liegt im Menschen selbst, in seiner „Willenskraft“, in seiner „Persönlich­keit“ und zusammen genommen in seinem „persön­lichen Magnetismus“. Die Kraft des geschulten Willens bringt Glück, Gesundheit, Erfolg; der konzen­trierte Wunsch, andere glücklich zu machen, bringt Liebe, Vertrauen, Dankbarkeit, und die geheimnisvollen Kräfte, die in jedem Menschen latent liegen, durch zweckentsprechende Übungen erweckt, verbunden mit der ethischen Höherentwicklung, verschaffen uns die wahre Freiheit und befähigen uns, unser Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.

Es wäre Zeitvergeudung, den Schüler mit langen Abhandlungen über die Theorie der Neugedankenlehre aufzuhalten, und finden wir es für angemessener, sofort zu den Übungen zu schreiten. Den Wert des ganzen Systems wird der Studierende selbst einzuschätzen wissen, wenn er im Besitze seiner entwickelten Kräfte sein, wenn er sich freier, edler und harmonischer fühlen wird.

Vorerst vertraue er uns voll und ganz und beweise gleich zu Beginn seines Studiums, dass er gesonnen ist, diesmal nichts Halbes zu tun, sondern auszuhalten, bis er sein Ziel erreicht hat.

Seine ersten „positiven“ Gedanken sollen in der Zu­sicherung gipfeln, dass nichts imstande sein kann, ihn von dem nunmehr eingeschlagenen Weg abzubringen. Er möge sich sagen, dass er jetzt fest entschlossen ist, unter allen Umständen den Edelstein in seiner Brust, die „Wil­lenskraft“, zu erwecken und durch sie die Kräfte zu ent­wickeln, die uns der Allgeist gab, damit wir den dornen­vollen Weg des Lebens leichter durchschreiten können, nicht als Demütige, von allen Leidenschaften niederge­drückte, in sklavischer Abhängigkeit von allen Gewalten beeinflusste Kreaturen, sondern als freie, edle, selbstbewusste, nach Gottes Ebenbild erschaffene Menschen, für die das irdische Leben keine Stätte des Leidens mehr ist, sondern ein Tal des Glücks und des Friedens.

Die Übungen des ersten Abschnittes bilden das Fundament des ganzen Lehrstoffes und ist ihnen sehr viel Sorgfalt zu widmen. Der Schüler mag wissen, dass diese Übungen durchweg erprobt sind. Wenn ihm ihr prak­tischer Wert auch nicht sofort einleuchtend ist und er sich vielleicht ob der Einfachheit derselben wundert, so können wir ihn darauf aufmerksam machen, dass das ganze Lehrsystem einem Mosaikgebäude gleicht, das nur aus kleinen Steinchen zusammengesetzt, sofort seinen harmonischen Gesamteindruck verlieren würde, wenn auch nur das kleinste Steinchen fehlte.

Amerikanische Schulen bilden, wahrscheinlich um den Kursus in die Länge ziehen zu können, ihre Schüler in jeder Fähigkeit extra aus und es dauert dann ziemlich lange, bis kombinierte Übungen vorgenommen werden können. Da nun erst die kombinierten Übungen rich­tige Erfolge nach sich ziehen, so erhalten die Schüler meist erst ziemlich spät den Beweis, dass in der Neu­gedankenlehre und der indischen Philosophie eine groß­artige Wahrheit enthalten ist.

Der vorliegende Lehrgang ist bestrebt, diesen, den Schüler wenig aneifernden Umstand auszuschalten. Es werden zu diesem Zwecke alle Fähigkeiten so ziemlich gleichzeitig entwickelt. Das erfordert keinesfalls beson­dere Anstrengungen des Schülers, denn es genügen täg­lich zwei Stunden für die verschiedenen Übungen, die außerdem mit einigen Ausnahmen zu jeder Tageszeit durchgeführt werden können.

Wir stellen nun an den Schüler, ehe er mit dem eigent­lichen Studium beginnt, einige große Anforderungen.

  1. Verlangen wir von ihm Geduld. Die Er­folge können sich nicht augenblicklich einstellen. Wer in ein fremdes Land reist, muss erst lernen, sich dort zurechtzufinden, ehe er etwas unternimmt, und wer einen Ausblick haben will, darf die Mühe des Auf­stiegs nicht scheuen. Nur die Geduld führt zum Ziel und der Ausdauernde und Beharrliche findet immer seinen Lohn; der Ungestüme aber bereitet sich Misserfolge.

  2. Der Schüler soll schweigen. Es ist das ein okkultes Gesetz. Wer im Studium seiner Entwicklung anderen Personen von seinen Übungen oder Er­folgen Mitteilung macht, geht dieser Erfolge wieder verlustig. Nur derjenige, der seine Ausbildung vollendet hat und dessen Kräfte durch längere Zeit hindurch gefestigt sind, kann von seinen okkulten Fähigkeiten sprechen, obwohl der Ausgebildete schon von selbst darauf kommen wird, dass es vorteilhafter ist, diese Kräfte stillschweigend anzu­wenden, als nutzlose Schaustellungen mit ihnen zu bereiten, welche nur der Eitelkeit dienen und dem Betreffenden wenig Nutzen bringen würden.

  3. Die Übungen sollen nicht unter­brochen werden. Besonders der Anfänger muss darauf achten. Unterbrechungen werfen meist wieder zurück und verlängern das Stu­dium. Manche Schüler haben sich schon sehr geschadet, indem sie mitten in der besten Entwicklung ohne besonderen Zwang ihre Übungen für einige Tage unterbrochen hatten und dann aller Erfolge verlustig gingen, so dass sie wie­der von vorne anfangen mussten. Es soll eigentlich nur einen Grund zur Unterbrechung dieser Übun­gen geben und der heißt „Krankheit“. Diesen Grund kann man aber für jeden ernst strebenden Schüler getrost ausschließen, denn wer seine Kräfte entfaltet, verschließt den Krankheiten Tür und Tor.

  4. Wir verlangen nicht, dass der Schüler sich unsere Weltanschauung zu eigen machen soll. Mag jeder glauben, was er will. Aber wir fordern von ihm, dass er die nachfol­genden Lehrsätze zu begreifen sucht, und sich vor­hält, dass logischerweise gegen, die Möglichkeit die­ser Anschauung nichts einzuwenden ist. Wenig­stens für die Dauer seiner Entwicklung mag er sich mit diesen Lehrsätzen befreunden, sonst wird es ihm kaum möglich sein, sich mit dem Sinn der Übungen vertraut zu machen.

Wir müssen annehmen, dass die Materie in mehreren Zustandsformen existiert, und zwar in der „grobstoff­lichen“ sinnfälligen, und der „feinstofflichen“, nur dem okkulten Sinne zugänglichen Form.

Wir müssen ferner annehmen, dass der Mensch eben­falls aus zwei solchen Zustandsformen besteht, und zwar aus einem grobstofflichen Körper, nämlich der fleisch­lichen Erscheinung, und aus einem feinstofflichen, nur unter gewissen Bedingungen sichtbaren Körper, dem Astralkörper. Diese beiden stofflichen Erscheinungs­formen werden belebt und organisiert von einem unstoff­lichen rein geistigen Prinzip, der Seele, auch Psyche ge­nannt, die eigentlich als das einzig Seiende, Unvergäng­liche anzusehen ist.

Dadurch, dass diese Psyche, dieser von dem Allgeist losgelöste und dadurch individuell gewordene Geistes­funke in den Stoff eingekerkert ist, wird sie von diesem verdunkelt und des Bewusstseins ihrer hohen Abstam­mung beraubt. Es ist nun ihre Aufgabe, trotz der fleisch­lichen Umklammerung, sich zu der Erkenntnis ihrer gött­lichen Wesenheit durchzuarbeiten, da ihr nur die Errei­chung dieses Zieles die wahre Glückseligkeit bringen kann. Sie muss deshalb durch die Materie auf sich selbst wirken, um diese Riesenaufgabe, der sie mit der Zeit unbedingt gerecht werden muss, vollenden zu können.

Zu diesem Zwecke muss sie sich von der Macht des Stoffes befreien, sie muss die Meisterin des Instrumentes werden und ihre Kräfte frei bekommen, damit sie ihre Schwingen entfalten kann.

Und darin liegt das ganze Programm der neupsycho­logischen Kräfteentwicklung.

Beherrschung des Stoffes — Befrei­ung der psychischen Kräfte!“



1. Stufe.

Die Beherrschung des Stoffes erfordert in erster Linie Geduld und Ruhe.

In dieser Beziehung steht es bei den meisten Men­schen sehr schlecht. Ganz abgesehen davon, dass unter 100.000 Menschen vielleicht immer nur einer imstande ist, seinen Geist ruhig zu erhalten; so ist es schon sehr schwer, nach außen hin ruhig zu bleiben.

Ruhe, Geduld, Ausdauer und Pünkt­lichkeit, das müssen wir in erster Linie lernen. Jeden Tag zu einer bestimmten Zeit müssen wir einen absoluten Ruhezustand an unserem Körper herstellen. Wir sagten, dass wir lernen müssen, den Stoff zu beherrschen, das Fleisch in unsere Gewalt zu bekommen, und da müssen wir hauptsächlich mit den unwillkürlichen Muskelbewe­gungen den Kampf aufnehmen. Die Oberherrschaft des Geistes verlangt, dass nichts an unserem Körper geschehe ohne Zustimmung unseres bewussten Willens.

Wir strahlen fortwährend ein feines Fluid aus unse­rem Körper. Dieses Fluid (nach Freiherr von Reichen­bach auch Od genannt) ist der Träger unserer psychi­schen Eigenschaften und unseres Willens.

Wenn wir nun auf eine Person unseren Einfluss rich­ten wollen, so überstrahlen wir unbewusst die odische Emanation auf dieselbe. Diese Überstrahlung erleidet jedoch durch unsere unkontrollierten Muskelbewegungen fortwährende Unterbrechungen. Das hat zur Folge, dass auch die odische Strahlung unterbrochen wird und somit die Kraft der Übertragung eine erhebliche Einbuße erfährt.

Der Geist wird durch solche Störungen von seinen Objekten ebenfalls fortwährend abgezogen und muss seine Aufmerksamkeit diesen nichtigen Bewegungen zu­wenden. Das aber ist eine Kraftzersplitterung.

Darum mache der Schüler mit Fleiß und Ernst jeden Tag zu einer bestimmten Stunde folgende Übung:

„Er setze sich an einen Tisch, möglichst aufrecht und in freier Haltung; die Fersen müssen fest geschlossen sein und ebenso die Knie. Der Schüler muss darauf achten, dass während der ganzen Übung die Knie und die Fersen so fest geschlossen bleiben, dass sich auch nicht ein Blatt Papier hindurch schieben lässt. Dann lege er beide Hände auf den Tisch, doch so, dass die Daumen unter die Tischkante kommen und schließe die Hände zusammen, indem er Zeigefinger an Zeigefinger drückt. Vor sich auf dem Tisch oder in Kopfhöhe an der Wand, keinesfalls aber in einer weiteren Entfernung als 1-2 Meter habe der Lernende ein Bild vor sich, dessen Dar­stellung geeignet ist, bessere Gefühle in ihm zu erwecken. Bilder, die irgendwie erregen oder eine Leidenschaft er­wecken können, sind zu vermeiden, am besten ist ein Christusbild (Kopf oder Brustbild) zu verwenden.

Während man nun in dieser unbeweglichen Haltung am Tische sitzt, hat man das Bild ruhig zu betrachten, jedoch ohne jede Kopfbewegung. Man suche sodann seine Gedanken nur auf dieses Bild zu richten und jeden anderen Gedanken, der sich einschleichen wollte, ener­gisch abzuweisen. Man muss sich geistig so in das Bild versenken, dass die ganze Umgebung aufhört zu sein; es dürfen für den Lernenden während dieser Übung nur zwei Dinge existieren, er und sein Objekt, das Bild.

Diese Übung soll mindestens eine Viertelstunde währen; wer über Zeit verfügt, mag sie langsam bis zu einer halben Stunde steigern.

Die meisten Menschen sind auch beim Sprechen, also gerade dann, wenn sie Eindruck machen wollen, wenn sie ihre Strahlungen praktisch verwerten sollen, von einer solchen Unruhe, dass sie sich aller Wirkung be­rauben. In Rücksicht auf die vielen total unnötigen und unangebrachten Körperbewegungen sei an den Grundsatz erinnert, dass die Gebärde mit den Worten übereinstimmen müsse. Nun ist für denjenigen, der sich eines klaren sprachlichen Ausdruckes bedient, die Unterstützung des Wortes nur teilweise und meist überhaupt nicht nötig. Das allzu große Gebärdenspiel beim Sprechen ist eine Kraftvergeudung. Damit ist nicht gesagt, dass man sich wie eine Pagode halten soll, aber man muss darauf achten, wenigstens die unbewussten Muskelbewegungen einzustellen und den Körper scharf unter seine Kontrolle zu bekommen.

Da ist in erster Linie das Gesicht gemeint. Unser unbewusstes Mienenspiel während des Sprechens, das auf die Strahlung so störend einwirkt, muss vermieden werden. Das Auge und die ganze Partie um das Auge herum, die Stirn, die Wangen usw. müssen unbeweglich bleiben und nur jene Muskeln dürfen tätig sein, welche zum Sprechen nötig sind.

Um das zu erreichen, ist folgende Übung durch­zuführen:

Der Schüler setze sich vor einen Tisch und nehme eine leichte ungezwungene aber aufrechte Haltung an, so dass er es nicht nötig hat, während der Übung sich zu bewegen. Vor sich auf den Tisch soll er einen Steh­spiegel haben, und seine Aufgabe besteht jetzt darin, sein Spiegelbild während einer Viertelstunde genau zu beobachten. Es darf sich die ganze Zeit über, trotzdem das Auge nach allen Richtungen zu schauen hat, kein Lid, kein Muskel bewegen, das Gesicht muss wie aus Marmor gemeißelt sein.

Man muss die ganze Willenskraft anwenden, um diese Übungen durchzuführen. Das anfängliche Misslingen darf den Schüler nicht entmutigen; was ihm heute nicht gelingt, gelingt ihm morgen. Auf keinen Fall aber darf er, wenn er auch anfänglich seine Muskeln noch nicht nach Wunsch in die Gewalt bekommt und die Übungen mehrfach durch Zucken und Blinzeln unterbrochen wer­den, dieselben vor einer Viertelstunde beenden.

Aber auch Geduld muss sich der Schüler aneignen. Nur wer Geduld hat, versteht sich zu meistern und dann erst kann er andere Menschen beeinflussen. Nach­stehende Übungen sind, so einfach sie auch scheinen mögen, darauf berechnet, den Schüler zu Geduld und Ausdauer zu zwingen.

Man schütte in einen Becher je eine Handvoll Erb­sen, Bohnen, Linsen, Reiskörner, Hanf, Kaffeebohnen u. a., vermenge den Inhalt tüchtig und leere ihn dann auf den Tisch. Es sei nun des Schülers Aufgabe, den Inhalt sorgfältig zu sortieren, Bohnen zu Bohnen, Linsen zu Linsen, Erbsen zu Erbsen usw. Wenn man dann nervös und ungeduldig zu werden beginnt und die ganze Arbeit über den Haufen werfen möchte, ermahne man sich so­fort und, eingedenk des hohen Zieles, das man sich ge­steckt hat, zwinge man sich unter allen Umständen zur ununterbrochenen Durchführung dieser Übung. Geht‘s gar nicht anders, so konzentriere man dabei seine Ge­danken auf irgendeine heitere Begebenheit oder singe sich ein lustiges Lied — das hilft immer.

Ferner lasse man sich von einer anderen Person ein Knäuel Wolle vollständig verknüpfen. Und nun gehe man daran, diese Wolle zu entwirren und alle Knoten zu lösen. Der Knäuel darf naturgemäß nicht allzu groß sein, da dessen Lösung sonst zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde. Jede dieser Geduldsübungen soll näm­lich nicht mehr als eine halbe Stunde in Anspruch neh­men. Man wechsle ab, den einen Tag das Körnerlesen, den andern das Fadenentwirren. Wer Geduldspiele in seinem Besitz hat, übe außerdem noch damit.

Es kann der Schüler nicht genug ermahnt werden, diesen Übungen ja recht große Sorgfalt zuzuwenden, denn Ruhe, Geduld und Beharrlichkeit bilden die Basis, auf welcher die Entwicklung physischer Kräfte beruht. Der Schüler, der es ernst mit dieser Entwicklung meint, wird außerdem gut tun, sich jeden Tag einmal zu einer Arbeit zu zwingen, die er bisher nur ungern verrichtet hat. Er sage sich, dass jede Arbeit, welcher Art sie auch immer sei, so sie nur einem unserer Mitmenschen Nutzen bringt und nicht gegen die Moral verstößt, gut ist und uns dient.

Auch wird ihm angeraten, sich — zur Stärkung seiner Willenskraft — zu zwingen, so oft als mög­lich mit einer Person zu verkehren, die ihm nicht sym­pathisch ist, oder mit der er Zwistigkeiten gehabt hat. Je mehr Überwindung ihm ein solcher Verkehr kostet, desto besser ist es für die Ausbildung seiner Willenskraft und seines inneren Menschen. Selbstverständlich liegt der Sinn dieser Übung darin, mit jener Person in der liebevollsten Weise zu verkehren und sich von ihr unter keinen Umständen aus der Ruhe bringen zu lassen. Der Mächtigere ist immer der Ruhige.

Und an dieser Stelle sollen dem Schüler gleich Ver­haltungsmaßregeln gegeben werden bezüglich seiner nunmehrigen Lebensweise, die für die Dauer der Entwicklung ziemlich streng eingehalten wer­den soll.

Der Schüler enthalte sich so viel als möglich des Alkoholgenusses! Abends darf kein Alko­hol genossen werden, ebenso wenig erregende Getränke wie Tee oder Kaffee. Zu den übrigen Zeiten schadet Tee- oder Kaffeegenuss weniger. Auch des Rauchens mag sich der Schüler für einige Zeit etwas enthal­ten. Auf keinen Fall aber darf, der Morgen- und Abend­übungen halber, zu diesen Zeiten geraucht werden. Man merke sich genau, dass mindestens zwei Stunden vor jeder Übung nichts gegessen, kein Alkohol genossen und auch nicht geraucht werden darf. Tagsüber ist das vorläufig noch gestattet, doch wird schon für den An­fang die größte Mäßigung empfohlen. Der Schüler mag sich darauf einrichten, dass er in einem vorgeschritte­neren Stadium der Entwicklung überhaupt nicht rauchen, keinen Alkohol und kein Fleisch genießen darf. Darum wird es für Raucher gut sein, sich innerhalb einiger Wochen des Rauchens langsam zu entwöhnen. Auch der Alkoholgenuss soll langsam eingestellt werden. Keines­wegs aber ist ein plötzlicher Abbruch dieser Gewohn­heiten angezeigt. Man verringere einfach mit jedem Tag das Quantum Nikotin oder Alkohol, so dass man schließ­lich ohne Erschütterung des Organismus imstande ist, ganz zu entsagen. Auch Fleischesser dürfen nicht plötzlich aufhören, sondern sollten sich von Beginn des Kurses an nur jeden zweiten Tag, später nur zweimal in der Woche den Fleischgenuss gestatten. Abends darf wäh­rend der Entwicklungsperiode unter keinen Umständen weder Fleisch genossen noch geraucht oder Alkohol ge­trunken werden.

Der Schüler wird vor allen Abendvergnügungen ge­warnt. Er soll des Abends Theater, Konzerte, Bier­häuser, usw. strenge vermeiden. In einer späteren Ent­wicklungsstufe wird es ihm schon klar werden, warum wir ihm solche Einschränkungen auferlegen müssen.

Verheiratete Personen wollen sich während ihrer Entwicklung des sexuellen Verkehrs enthalten; sollte aber im Laufe eines Monats eine einmalige Befrie­digung nicht hintanzuhalten sein, so müssen die Übungen für 36 Stunden unterbrochen werden. Ledige Personen dürfen keinen Geschlechtsverkehr pflegen und müssen ihre Reinheit in dieser Beziehung unter allen Umständen be­wahren; wenn junge männliche Schüler während der Entwicklungszeit mit Dirnen verkehren wollten, so wür­den sie sich an Leib und Seele nie wieder gut zu machen­den Schaden zufügen!

Diese sämtlichen Vorschriften gelten natürlich nur für die Entwicklungsdauer. Wer seine Kräfte ent­wickelt hat, kann ab und zu ein Glas Bier oder Wein zu sich nehmen, er kann auch ab und zu etwas rauchen. Auch die Vorschrift, den sexuellen Verkehr für Verheira­tete betreffend, ist dann aufgehoben; der Entwickelte kennt das Maß und wird gar nichts mehr zur Leiden­schaft anwachsen lassen — er ist Herr über sich ge­worden.

Der Schüler halte sich streng an drei Mahlzei­ten, und zwar soll er morgens, mittags und abends essen. Die Hauptmahlzeit ist zu Mittag. Abends ist eine größere Nahrungszufuhr zu vermeiden. Man esse nur bis zur leichten Sättigung, der Magen darf nie überladen werden. Dagegen wird aber vor jeder Unterernährung eindring­lichst gewarnt. Wenn ein Schüler einer Lehre angehört, die eine extreme Ernährung anempfiehlt, so mag er sich für die Dauer dieses Kurses von solchen Anschauungen zurückziehen; die hier vorgelegten Übungen vertragen sich mit einer systematischen Unterernährung und Säfte­entmischung keinesfalls.

Über die Auswahl der Speisen wird erst die fol­gende Stufe berichten: der Schüler soll nur langsam seine Lebensweise ändern.

Ein Hauptgebot besteht auch darin, dass der Schüler unbedingt, vorläufig ohne jede Ausnahme, nachts um 12 Uhr schlafen muss. Er gehe bald nach 10 Uhr

zu Bette. Von dieser Regel darf nur in einem höheren Entwicklungsstadium und nur unter ganz besonderen Um­ständen abgewichen werden. Für solche Fälle werden in einer der folgenden Stufen spezielle Vorschriften gegeben.

Ferner ist zu bemerken, dass sich der Schüler speziell abends der größtmöglichsten Ruhe zu befleißigen hat; besonders vor dem Einschlafen darf er sich weder Erregungen noch irgendwelchen Leidenschaften hingeben — die Abendstunden gehören seiner Entwicklung und die Zeit vor dem Einschlafen muss mit festgesetzten Übungen ausgefüllt werden.

Die für eine bestimmte Zeit, also speziell für den Morgen oder den Abend, vorgeschriebenen Übungen müssen pünktlich eingehalten werden. Alle anderen Übungen kann der Schüler zu jeder Tageszeit vorneh­men. Nach dem Essen darf nicht geübt werden.

Diese erste Stufe will den Schüler nicht mit Übungen überbürden. Ihr Zweck besteht darin, die erforder­liche Grundlage der Entwicklung zu legen.

Dahin gehört auch das Voll- und Tiefatmen. Dieser wichtigste Lebensprozess wird von den Menschen viel zu wenig beachtet. Wir wissen kaum, dass wir atmen, so nebensächlich ist uns dieser Vorgang. Wir sollen aber lernen bewusst zu atmen, tief und regelmäßig, und zwar von oben nach unten zu atmen. Bei unserer verkehrten Atmungsweise kommen die Lungenspitzen meist zu kurz. Die Einatmung und Ausatmung geschieht bei geschlosse­nem Munde durch die Nase. Bei warmer Jahreszeit macht man die folgende Übung im Freien oder aber bei weit geöffnetem Fenster. Bei der kalten Jahreszeit übt man in einem vorher gut gelüfteten und erwärmten Zim­mer, in welchem nur die Oberfenster geöffnet werden, so dass die einströmende Luft nicht unmittelbar die Lungen trifft. Die nachstehende Übung muss täglich morgens und abends vorgenommen werden.

Der Schüler steht beim Fenster, hält die beiden Arme waagrecht ausgestreckt, führt dann die Arme im Bogen nach rückwärts und schließt die Hände hinter dem Kopfe, um dann die Brust herauszudrücken und den Kopf ein wenig zurück zu neigen. Nun atmet er in dieser Stellung mit geschlossenem Mund durch die Nase in einem anfänglich 5 Sekunden dauernden Zug die Luft tief ein, drückt sie jetzt in den Körper so weit als möglich hinunter, hält sie 5 Sekunden unten und atmet sie durch die Nase derart aus, dass diese Ausatmung ebenfalls 5 Sekunden währt. Die ganze Atemprozedur, die eine viertel Minute in Anspruch genommen hat, wird nun siebenmal wiederholt. Nach einigen Tagen kann man von 5 Sekunden auf 7, dann auf 10 und schließlich auf 15 Sekunden steigen.

Das Auge des Menschen birgt eine große Macht. Aber es muss erst ausgebildet werden. Unser nervöses, zerstreutes Schauen mit seiner Hast und Unruhe zerstört jede energische Strahlung und kann deshalb nicht den großen gewaltigen Eindruck machen, den ein ruhiges geschultes Auge mit dem konzentrierten Blick erzielt. Dieser konzentrierte Blick wird nun durch folgende Übung vorbereitet.

Der Schüler male sich auf ein weißes Papier einen schwarzen Kreis in der Größe eines Fünfmarkstückes. Er befestige nun dieses Papier in Kopfhöhe an die Wand oder an ein Möbelstück, setze sich dem Papier in einer Entfernung von zwei Metern gegenüber und richte seinen Blick auf den schwarzen Kreis. Es ist nun seine Aufgabe, jedes Blinzeln und Zucken der Augen, jede Bewegung der Muskeln, ja sogar des ganzen Kopfes streng zu ver­meiden. Die Augen müssen drei Minuten lang starr und leblos auf den Kreis gerichtet sein — es darf für den Übenden nichts mehr existieren als der Kreis. Auch das Tränen der Augen darf daran nichts ändern. Diese Übung kann zu jeder Zeit gemacht werden, nur soll der Schüler nach derselben ein mit lauem (16-18° R.) Wasser angefülltes Becken zur Hand haben, in welches man das Gesicht taucht und unter Wasser die Augen zu öffnen und hin und her zu drehen sucht. Dann er­hebt man den Kopf wieder, um Atem zu holen, worauf das Augenbad neuerdings vorgenommen wird, und so macht man es siebenmal. — Die obige Augenübung ist sehr wichtig und soll man sich durch das anfängliche Tränen der Augen nicht abschrecken lassen. Das Auge wird im Gegenteil mit der Zeit dadurch gestärkt, wozu übrigens auch das nachfolgende Augenbad hilft! Nach dem Augen­bad trockne man die Augen und verbleibe längere Zeit in einem geschlossenen und zugfreien Raum.

Sodann muss sich der Schüler angewöhnen, intensiver zu denken — wir sagen, er muss „plastisch“ denken lernen. Das ist die Grundlage für die spätere Konzentration der Gedanken.

Der Schüler schreibe sich auf einen Zettel 15-20 Gegenstände auf, welche sich nicht in seiner unmittel­baren Umgebung befinden, d. h. welche er mit seinen Blicken nicht so leicht erreichen kann. Vorerst sollen es Gebrauchsgegenstände sein, wie Schere, Messer, Notizbuch, Uhr, Trinkglas usw.

Der Schüler wählt aus seiner Liste einen Gegen­stand, spricht ihn aus und versucht nun vor seinem gei­stigen Auge das Bild dieses Gegenstandes blitzschnell erscheinen zu lassen. Das leibliche Auge mag vorläufig bei dieser Übung geschlossen bleiben. Die Aufgabe be­steht hauptsächlich darin, dass der Gegenstand erstens sofort und zweitens in einer solchen plastischen Deut­lichkeit erscheint, dass man ihn förmlich greifen könnte. Das wird natürlich nicht sogleich gelingen, darum muss man den fraglichen Gegenstand so oft vor das geistige Auge rufen, bis das Experiment tadellos gelingt; dann erst kann man zu einem anderen Gegenstand übergehen. Nochmals wird betont, dass man den Gegenstand nicht wirklich vor sich stehen, womöglich überhaupt nicht im selben Zimmer haben darf. Diese Übung soll minde­stens eine viertel Stunde währen.