3Daniel C. Dennett
Von den Bakterien zu Bach ‒ und zurück
Die Evolution des Geistes
Aus dem Amerikanischen von Jan-Erik Strasser
Suhrkamp
5Für Brandon, Samuel, Abigail und Aria
Über die Evolution des menschlichen Geistes habe ich mir 1963 zum ersten Mal ernsthaft Gedanken zu machen versucht. Ich war damals Doktorand der Philosophie in Oxford und hatte weder von Evolution noch vom menschlichen Geist irgendeine Ahnung. In jenen Tagen mussten Philosophen nichts von Naturwissenschaft verstehen, und selbst die berühmtesten Vertreter der Philosophie des Geistes waren in punkto Psychologie, Neuroanatomie und Neurophysiologie so gut wie ahnungslos (die Ausdrücke Kognitionswissenschaft und Neurowissenschaft wurden erst über ein Jahrzehnt später geprägt). Das ganz junge Gebiet, das John McCarthy 1956 »Künstliche Intelligenz« getauft hatte, zog zwar einige Aufmerksamkeit auf sich, doch nur wenige Philosophen hatten bis dato einen jener mysteriösen Computer zu Gesicht bekommen, die in ihren klimatisierten Gefängnissen von Technikern bewacht vor sich hin summten. Kurz: Für einen absoluten Anfänger wie mich war es der perfekte Zeitpunkt, auf all diesen Feldern ausgebildet zu werden. Ein Philosoph, der ihnen die richtigen Fragen zu ihrer Arbeit stellte (anstatt sie von der prinzipiellen Unmöglichkeit ihrer Projekte überzeugen zu wollen), war offenbar eine solch angenehme Abwechslung, dass mich eine Reihe erstklassiger Forscher unter ihre Fittiche nahmen. Sie gaben mir informelle Lehrstunden, wiesen mich auf die richtigen Leute und Bücher hin und waren dabei mit mir und meinen naiven Missverständnissen weit nachsichtiger, als sie es mit einem Kollegen oder Doktoranden gewesen wären.
Heute gibt es dutzende, ja hunderte junger Philosophen mit einer soliden interdisziplinären Ausbildung in Kognitionswissenschaft, Neurowissenschaft und Informatik, an die man zu Recht weit höhere Anforderungen stellt als an mich damals. Einige von ihnen sind Studenten von mir oder gar deren Studenten, aber auch andere (und oft besser aus12gebildete) Philosophen meiner Generation wagten sich ins tiefe Wasser und haben nun ihre eigenen Schüler an vorderster Forschungsfront, entweder als interdisziplinäre Philosophen oder als philosophisch ausgebildete Naturwissenschaftler mit eigenen Laboren. Das sind Profis, und ich bin immer noch ein Amateur ‒ ein mittlerweile gut informierter Amateur allerdings, der Vorträge hält, an Workshops teilnimmt und Forschungseinrichtungen auf der ganzen Welt besuchen darf, wo ich meine Studien vertiefe und mehr Spaß habe, als bei einer akademischen Laufbahn eigentlich erlaubt ist.
Dieses Buch ist ‒ unter anderem ‒ der dankbare nachträgliche Versuch, meine Studiengebühren zu bezahlen. Es enthält das, was ich (hoffentlich) gelernt habe ‒ wenn eine Menge davon auch noch ungedeckt ist: Mutmaßung und Philosophiererei. Ich behaupte, dass es die Skizze oder das Rückgrat der momentan besten wissenschaftlichen Theorie darüber darstellt, wie unser Geist entstand, wie unsere Gehirne all ihre Wunder tun und insbesondere, wie man über Geist und Gehirn nachdenken kann, ohne in verführerische philosophische Fallen zu tappen. Natürlich ist das eine kühne Behauptung, und ich freue mich schon auf die Reaktionen von Wissenschaftlern, Philosophen und nicht zuletzt den Amateuren, die oft genug die scharfsinnigsten Kommentare beisteuern.
Viele Menschen haben mir bei meinen Büchern geholfen, doch hier möchte ich in erster Linie jenen danken, die mir mit den Ideen für dieses Buch eine Hilfe waren und selbstverständlich keine Schuld an den Fehlern tragen, die sie mir nicht ausreden konnten. Dazu gehören die Teilnehmer der Arbeitsgruppe zur kulturellen Evolution, die ich im Mai 2014 am Santa Fe Institute organisierte: Sue Blackmore, Rob Boyd, Nicolas Claidière, Joe Henrich, Olivier Morin, Pete Richerson, Peter Godfrey-Smith, Dan Sperber und Kim Sterelny. Ebenso einige andere am SFI, insbesondere Chris Wood, Tanmoy Bhattacharya, David Wolpert, Cris Moore, Murray Gell-Mann und David Krakauer. Auch Louis Godbout von der Sybilla Hesse Foundation möchte ich für seine Unterstützung des Workshops herzlich danken.
Dann sind da meine Tufts-Studenten und -Zuhörer, die im Frühling 2015 an einem Seminar teilnahmen, das frühe Fassungen der meis13ten vorliegenden Kapitel durchging: Alicia Armijo, Edward Beuchert, David Blass, Michael Dale, Yufei Du, Brendan Fleig-Goldstein, Laura Friedman, Elyssa Harris, Justis Koon, Runeko Lovell, Robert Mathai, Jonathan Moore, Savannah Pearlman, Nikolai Renedo, Tomas Ryan, Hao Wan, Chip Williams, Oliver Yang sowie Daniel Cloud, der das Seminar besuchte, um über sein neues Buch zu diskutieren. Schließlich Joan Vergés-Gifra, Eric Schliesser, Pepa Toribio, Mario Santos Sousa und der Rest der tollen Gruppe, die sich an der Universität Girona traf, an der ich im Mai eine intensive Woche als Gastdozent (Ferrater Mora Chair of Contemporary Thought) verbringen durfte. Ein weiterer Prüfstand waren Anthony Grayling sowie die Fakultät und die Studenten am New College of the Humanities in London, wo ich in den letzten vier Jahren verschiedene Fassungen meiner Gedanken ausprobierte.
Zu denjenigen, die sich mit meinen Entwürfen herumschlugen, meine Meinung änderten, meine Fehler fanden und mich zu größerer Klarheit drängten, gehören außerdem Sue Stafford, Murray Smith, Paul Oppenheim, Dale Peterson, Felipe de Brigard, Bryce Huebner, Enoch Lambert, Amber Ross, Justin Junge, Rosa Cao, Charles Rathkopf, Ronald Planer, Gill Shen, Dillon Bowen und Shawn Simpson. Weitere gute Ratschläge gaben Steve Pinker, Ray Jackendoff, David Haig, Nick Humphrey, Paul Seabright, Matt Ridley, Michael Levin, Jody Azzouni, Maarten Boudry, Krys Dolega, Frances Arnold und John Sullivan.
Wie schon bei Intuition Pumps and Other Tools for Thinking wollten die Lektoren Drake McFeely und Brendan Curry von Norton, dass ich verdeutliche, vereinfache, komprimiere, erweitere, erkläre und manchmal auch streiche. Dank ihrer Ratschläge ist das fertige Buch nun viel effektiver und aus einem Guss. John Brockman und Katinka Matson waren wie immer die perfekten Literaturagenten ‒ sie haben den Autor im In- und Ausland beraten, unterstützt, unterhalten ‒ und natürlich sein Buch an den Mann gebracht. Teresa Salvato, Programmkoordinatorin am Center for Cognitive Studies, organisiert mein akademisches Leben schon seit Jahren und hat mir dadurch tausende von Arbeitsstunden für das Schreiben und Forschen freigeschaufelt. 14Bei diesem Buch ging ihre Hilfe noch darüber hinaus, da sie Bücher und Artikel in Bibliotheken aufgespürt und das Literaturverzeichnis erstellt hat. Schließlich danke ich meiner Frau Susan, die seit über 50 Jahren mein Anker, meine Beraterin, Kritikerin und beste Freundin ist. Sie schafft es, immer genau so viel Feuer zu geben, dass der Topf durch alle Höhen und Tiefen hindurch vor sich hin köchelt, und für ihren Beitrag zu unserem Gemeinschaftsunternehmen gebührt ihr alle Anerkennung.
Daniel Dennett, North Andover, MA, 28. März 2016
Teil I: