KARL BRANDLER-PRACHT

 

Der Suggestions-Atem

Ein Weg zur Erhaltung der körperlichen

und geistigen Vollkraft bis in das hohe Alter

Impressum

„Der Suggestions-Atem: Ein Weg zur Erhaltung der körperlichen und geistigen Vollkraft bis in das hohe Alter“ von Karl Brandler-Pracht

Erstveröffentlichung: Astrologischer Verlag Wilhelm Becker 1936

Coverbild: Eugène Delacroix Study of Sky: Setting Sun

Überarbeitung: F. Schwab Verlag

2. Auflage: F. Schwab Verlag – www.fsverlag.de sagt Danke!

Copyright © 2018 by F. Schwab Verlag

 

I. Die große Kraft.

Es kann wohl kein vernünftiger Mensch in Abrede stellen, dass unsere Wissenschaft über den Menschen und die komplizierten Vorgänge in seinem Organismus noch lange nicht abgeschlossen ist, obwohl es bereits keine Stelle im menschlichen Körper gibt und keinerlei Funktionen in demselben, die ihr nicht bekannt wären.

Nur das Leben selbst ist und bleibt — wahrscheinlich noch für lange Zeit — der Wissenschaft ein großes Rätsel, denn alle Theorien, die in dieser Beziehung aufgestellt und gegeben werden, können das größte Phänomen unserer Welt, das „Leben“, nicht restlos erklären.

Den Bereich des Körperlichen kann man unmittelbar erfassen und man kennt die dadurch zutage tretenden Wirkungen ganz genau, der Irrtum liegt nur darin, dass man diese Wirkungen allein als Eigenschaft der Materie annimmt. Das Werkzeug wird dadurch gleichzeitig zum Meister erhoben. Man hilft sich damit sehr leicht über das „Wichtigste“ im Menschenleben, über die erste Ursache aller körperlichen Erscheinungen hinweg. Aber der denkende Mensch muss unbedingt mit dieser Erklärung in einen scharfen Widerspruch geraten. Allen körperlichen Zuständen, seien sie nun Gesundheit oder Krankheit, liegt zweifelsohne eine feststellbare äußere Veranlassung zugrunde, aber auch unbedingt eine wahre innere Ursache. Und die verhängnisvolle Verwechslung dieser beiden Begriffe bzw. das ausschließliche Betonen der äußeren Veranlassung und die vollständige Negation einer inneren Ursache haben die Verkürzung der Lebensdauer des Menschen und die Zunahme seiner Krankheiten zur Folge.

Die moderne Forschung hat ergeben, dass alle Organismen, ohne Ausnahme, aus Zellen zusammengesetzt sind oder selbst eine Zelle vorstellen. Das einzig Lebende im körperlichen Organismus ist also die Zelle. Und in jeder Zelle finden sich bereits die bekannten Lebenserscheinungen, wie Stoffwechsel, Formbildung, Energiebetrieb, und wir haben die Zelle als den einfachsten lebenden Baustein des Organismus anzusehen. Nach „Virchow“ gleicht der Organismus der höheren Lebewesen, mithin auch der des Menschen, einem wohlorganisierten Zellenstaat, in welchem die Zellen der verschiedenen Organe wie die Glieder eines menschlichen Staates zusammenwirken.

Die körperlichen Lebenserscheinungen werden also von der Physiologie auf physikalisch-chemische, oder besser gesagt, auf mechanische Ursachen zurückgeführt, die Anschauung vom „Leben“ löst sich daher als die „Physik und Chemie“ der Organismen auf.

Nun gibt es aber auch psychische Lebenserscheinungen, und die Wissenschaft hat gezeigt, dass dieselben mit ganz bestimmten materiellen Vorgängen untrennbar verbunden sind. Eine gewisse Beseelung der Lebewesen muss also angenommen werden, die bis zu einem gewissen Grad von der Wissenschaft ja zugestanden wird. Aber diese Zell- oder Atomseele darf nicht verwechselt werden mit einer das ganze Körperleben organisierenden Individualseele, welche von den Religionen und verschiedenen philosophischen Systemen angenommen wird. Nach der wissenschaftlichen Auffassung aber ist das Leben lediglich nur eine Funktion der Materie.

Es ist nicht Sache dieses Buches, dieser Ansicht zu widerstreiten und die Anhänger dieser Anschauung auf den großen Widerspruch aufmerksam zu machen, der darin liegt, dass man den Leib und mit ihm das Organ der Erkenntnis, das Gehirn, durch blinde Kräfte entstanden sein lässt, die Funktionen dieses Organs aber, z. B. das „Denken“, als das größte Naturphänomen bewundert.

Von jeher haben alle tieferen Denker an der Annahme einer organisierenden, individuellen, den körperlichen Tod überdauernden Seele festgehalten, die als Trägerin der Lebenskraft anzusprechen ist. Die materialistische Aufklärungsepoche hatte aber Seele und Lebenskraft in die wissenschaftliche Rumpelkammer verwiesen. Bald aber werden sie wieder durch die nunmehr andere Wege einschlagende Wissenschaft ihre Auferstehung feiern können, denn die neuesten wissenschaftlichen Entdeckungen müssen schließlich in den exakten Beweis einer, keineswegs immateriellen, wohl aber feinstofflichen Seele münden.

Die nachfolgenden Ausführungen lassen sich jedoch in jede Weltanschauung, in jede Auffassung vom „Leben“ einfügen, denn der Wille zu einem langen und gesunden Leben ist in jedem Individuum mächtig, und die Wege, dieses Ziel zu erreichen, können von jedermann beschritten werden. Ein gesunder, bis ins hohe Alter kräftiger und leistungsfähiger Mensch nützt seiner Familie und dem Staate jedenfalls mehr, als wenn er mit 50 oder 60 Lebensjahren in einem schwachen und hilflosen Zustand von seinen Angehörigen oder der allgemeinen Wohlfahrtspflege erhalten werden muss.

Wir leben in falschen Anschauungen. Von Kindheit an hat man uns gelehrt, dass wir von einer bestimmten Zeit ab altern müssen, es sei das eine Naturnotwendigkeit. Wir glauben daran und unser Glaube wird an uns zum Geschehen! Wir sehen an unseren Eltern sich dasselbe Los erfüllen, auch sie erliegen diesem falschen Glauben, und daher halten wir das, was wir im Grunde ja nur selbst wollten, als eine unabwendbare Naturnotwendigkeit. Gewiss, jedes irdische Dasein muss auch einmal ein Ende finden. Ist es aber unbedingt nötig, dass diesem Ende eine mehr oder weniger größere Periode der Schwäche und Hilflosigkeit vorangehen muss?

Warum sagen wir uns nicht gleich Schleiermacher: „Ich will nicht sehen die gefürchteten Schwächen des Alters. Kräftige Verachtung gelob' ich mir gegen jedes Ungemach, welches das Ziel meines Daseins nicht trifft, und ewige Jugend schwör' ich mir selbst.“

Würden wir in unserem Geiste ständig das Bild kräftiger Jugend tragen, ja würde uns der Gedanke an eine unversiegbare Lebenskraft schon in die Kindesseele gelegt werden, so würden wir wohl zu einer viel späteren Zeit altern, als dies jetzt der Fall ist, ja selbst in hohen Jahren würden wir nicht so großen Schwächezuständen unterworfen sein, wir würden die Jugend in das Alter mit hinübernehmen.

Wir sind das, was wir denken, und unsere körperlichen Zustände sind die Auswirkung unserer Überzeugung, das ist eine große, leider viel zu wenig beachtete Wahrheit; die wahre Ursache unserer körperlichen Verfassung tragen wir im Innern, in unserem Denken, Wollen, in der jeweiligen Verfassung unseres Gemütes!

Kant führt in seinem Buche „Von der Macht des Gemüts, durch den bloßen Vorsatz seiner krankhaften Gefühle Meister zu sein“ folgendes aus:

„Ein vernünftiger Mensch statuiert keine Hypochondrie; sondern wenn ihn Beängstigungen anwandeln, die in Grillen, d. h. selbst ausgedachte Übel, ausschlagen wollen, so fragt er sich, ob ein Objekt derselben da sei. Findet er keines, welches gegründete Ursache zu dieser Beängstigung abgeben kann, oder sieht er ein, dass, wenn auch gleich ein solches wirklich wäre, doch dabei nichts zu tun möglich sei, um seine Wirkung abzuwenden, so geht er mit diesem Anspruch seines inneren Gefühls zur Tagesordnung über, d. i. er lässt seine Beklommenheit an ihrer Stelle liegen (als ob sie ihn nichts anginge) und richtet seine Aufmerksamkeit auf die Geschäfte, mit denen er zu tun hat.“

Kant appelliert mit diesen Worten an die Willenskraft des Menschen. Er soll Angst, Furcht, selbstausgedachte Übel, seien sie begründet oder nicht, keiner Beachtung unterziehen, er soll sie links liegen lassen und seine Aufmerksamkeit seiner Tätigkeit zuwenden. Man muss sich aber klar darüber sein, dass diese Willenskraft leider nur den wenigsten Menschen zu eigen ist. Sie wurde ihnen nicht anerzogen!

Freilich hält sich in dieser Beziehung jeder für vollkommen: „Nichts einfacher als das! Ich habe eine vollkommen ausgebildete Willenskraft und kann alles erreichen und über alles Herr werden, wenn ich will!“ So denkt er. Aber schon in der nächsten Stunde bringen es die Umstände mit sich, dass er die Probe auf das Exempel zu machen gezwungen ist, und da zeigt sich dann gewöhnlich, dass die mit so großem Selbstbewusstsein behauptete Willenskraft gar nicht vorhanden ist. Man war in einer Täuschung befangen und verwechselte „Eigenwille“ mit „Willenskraft“.

Der Mensch sagt mit leichtem Mute „ich will!“. Nun kommt es aber sehr darauf an, „was“ er will. In dem selbstsüchtigen Verlangen und Begehren und dem Nachgeben an Leidenschaften und Gewohnheiten ist die wahre Willenskraft nicht zu finden. Sie liegt besonders in der Verneinung, Überwindung, in dem Widerstreben gegen das Übel, das von innen kommt, nämlich der unreinen Gedankenwelt.

Die Gedanken sind alles! Das sind gigantische Kräfte, die die Menschheit erheben und beglücken, aber auch zerstören können. Jedem Worte, jeder Handlung muss ein Gedanke vorausgegangen sein, und dieser Gedanke ist der eigentliche Urheber des Geschehens. Jedes Unrecht, das wir begehen, jede Lieblosigkeit, jedes Verbrechen hat seinen Ursprung in einem unreinen Gedanken, der oft wie ein Blitz in unsere Seele fällt und zündet. Der Löschmeister, die Willenskraft, ist ungeübt, meist überhaupt noch nicht richtig vorhanden. Der Brand entwickelt sich, der ursprüngliche zündende Gedanke hat sich mit anderen gleicher Art verbunden, er hat sich riesenschnell vermehrt und ist über den Schwächling in kürzester Zeit zum Herrn geworden — die Rollen sind vertauscht, wer Herr sein sollte, ist der Sklave dessen geworden, der nur zum Dienen geboren wurde.

Und das ist keine Übertreibung. Das Leben zeigt uns täglich und stündlich diese traurige Wahrheit.

Wie viele Bilder menschlichen Elends lassen sich aus dem Alltagsleben herausgreifen, die alle zeigen, dass das menschliche Geschick nur dem Gesetze der Kausalität folgt, dass es weder Ungefähr noch Zufall gibt, sondern einzig und allein Selbstverschulden. Stets ist die Ursache der eine erste und nicht beherrschte Gedanke. Alle Gesetzwidrigkeiten, Verbrechen, Leidenschaftssünden usw. haben die Wurzel in der unkontrollierten Gedankenwelt. Und es wäre so leicht gewesen, das kleine Feuer zu löschen und nicht zu warten, bis das ganze Haus in Flammen steht. Denn was sind die menschlichen Leidenschaften anderes, als ein wehrloses Überlassen, ein widerstandsloses Versinken in unreine Gedankenformen?