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Wer spielt mit?

Die Tikitonga

ist ein altes Hausboot, das einmal Bosses abenteuerlustiger Tante Rita gehörte. Es ist mit Segeln, Hilfsmotor, Bordküche, Schlafnischen, Trinkwassertank, Vorratsschrank, Seekarten, Fernglas und einem Bücherregal ausgerüstet, in dem ziemlich kluge und nützliche Bücher stehen. Es ist ein Boot mit Seele. Dem geheimnisvollen Boot können Sturm, Wind, Wellen, Sägefische und Rattenpiraten nicht wirklich schaden – solange echte Freundschaft die Mannschaft wie Pech und Schwefel zusammenhält …

Bosse Waschbär

hat als Schiffskoch die ganze Welt gesehen. Er ist pfiffig und erfindungsreich. In gefährlichen Situationen behält er einen klaren Kopf.

Aber jetzt hat er von der rauen Seefahrt die Nase voll. Er geht in Portaloo an Land und will seine Pranken nie mehr auf Schiffsplanken setzen. Aber dann erhält er einen geheimnisvollen Brief …

Quassel Hase

ist ein begabter Geschichtenerzähler, aber er redet so viel, dass man ganz schwindelig davon wird – und schwindeln tut er auch genug. Er ist geschickt im Leuteausfragen, kann tolle Seemannsknoten und streitet oft mit Fiete, auf den er eifersüchtig ist. Leider ist Quassel wasserscheu, hat Höhenangst und wird schnell seekrank, was unterwegs zu unerwarteten abenteuerlichen Verwicklungen führt …

Fiete Frosch

ist der schnellste Briefträger von Portaloo.

Außerdem ist er Taucher und Dichter. Fiete hat sein

Leben lang davon geträumt, in fremde Länder zu reisen. Da

ergibt sich für ihn plötzlich die Möglichkeit, an Bord der Tikitonga

seinen Traum zu verwirklichen!

Fietes große Liebe ist Finchen Specht vom Hotel Seepferd. Er verspricht ihr,

von jedem Hafen der Welt eine Postkarte zu schreiben …

Tiki, die Klabautermaus

ist für normale Leute unsichtbar, hat links, wo ihr Mäuseherz schlägt, ein Tattoo, das im Dunkeln leuchtet, besitzt einen Kalfathammer, trägt am Gürtel eine Rolle mit rotem Seemannsgarn und verbirgt in ihrem Herzen ein großes Geheimnis …

Außerdem

gibt es noch tausend interessante Leute, denen die Mannschaft der Tikitonga auf ihrer Abenteuerreise begegnet: heulende Hunde, Hasibalen, eine hübsche siamesische Katzenprinzessin, einen versteinerten bengalischen Prinzen, eine Scheinkönigin, einen Säbelzahntiger, einen dankbaren Papagei, eine fiese Riesenkrake, einen hilfsbereiten Delfin, eine RegenbogenFee, einen Feuerdrachen, Rattenpiraten, Wächterwölfe, Delfine, Pinguine, einen machtgierigen Zauberer, eine Würgeschlange, einen Überraschungsgast und viele andere fantastische Persönlichkeiten …

1. Kapitel

… in dem Fiete Frosch, der schnellste Briefträger von Portaloo, ziemlich lange braucht, um einen Eilbrief an den Schiffskoch Bosse Waschbär zuzustellen, und Quassel Hase daraufhin eine folgenschwere Entscheidung trifft.

Die Hafenstadt Portaloo an der Haifischbucht ist ein beliebter Treffpunkt von abenteuerlustigen Seeleuten aus aller Welt. In der Hafenkneipe Zum Schwarzen Piraten ist es tierisch gemütlich. Dort kann man nicht nur gut essen und trinken, sondern man erfährt auch die unglaublichsten Geschichten.

Seebären, Kielschweine, Windhunde, Piratenratten und Raubkatzen berichten von den Abenteuern, die sie in der weiten Welt erlebt haben. Der Wirt vom Schwarzen Piraten heißt Nick Nashorn, und wenn der anfängt zu erzählen, wie er unter Lebensgefahr in Afrika den Großwildjägern im Busch und den Piraten zur See entwischt ist, hören alle atemlos zu.

Nicks Kneipe ist auch bei den Einheimischen sehr beliebt, denn sie liegt an der Ecke, an der sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen und Hund und Katze ihren Streit begraben. So geht es dort immer friedlich zu.

Auch Postbote Fiete Frosch trinkt jeden Morgen im Schwarzen Piraten sein Ingwerbier, ehe er die Briefe austrägt. Er ist der schnellste Postbote von Portaloo. Deshalb darf er auch die Eilpost austragen. Heute macht ihm allerdings so eine „Eilsendung“ ziemliches Kopfzerbrechen …

„Bosse Waschbär, Schiffskoch, Portaloo“, liest Briefträger Fiete halblaut und blickt in die Runde. „Keine Straße, keine Hausnummer, nichts. Kennt den einer?“

Aber die alten Seebären im Schwarzen Piraten schütteln nur den Kopf. Keiner hat jemals von Bosse gehört. Auch Nick Nashorn nicht. Und der weiß eigentlich immer über alles in Portaloo Bescheid. „Schiffskoch? Frag doch mal im Hafen bei den Schiffen nach!“, rät Bankdirektor Max Beutelratz.

„Bin schon unterwegs!“, murmelt Fiete. Er kippt den letzten Schluck aus dem Glas in seine grüne Kehle. Dann schultert er seine Posttasche, steigt auf seinen Kickroller und macht sich auf den Weg. Er flitzt wie der Blitz zum Hafenbecken, in dem große und kleine Schiffe aus aller Welt friedlich nebeneinander in der Morgensonne vor sich hin dümpeln.

Hinter einem Regenrohr lugt eine kleine blaue Maus hervor. Sie ist unsichtbar, denn sie hat die gleiche Farbe wie das lichtblaue Rohr. Als Fiete mit seinem Kickroller auf die Schiffe im Hafen zusteuert, verlässt die kleine Maus ihren Beobachtungsposten und folgt ihm wie ein unsichtbarer Schatten. Sie weiß, von wem der Brief ist und für wen er bestimmt ist. Aber der Frosch soll es allein herausfinden. Das gehört zu ihrem Plan.

„Kennt einer den Schiffskoch Bosse Waschbär?“, ruft Postbote Fiete, als er an der Hafenmole entlangrollert, an der die Schiffe festgemacht haben.

„Unser neuer Schiffskoch heißt Max Schweineschwarte!“, brummt der Matrose vom Fährschiff Zerberus.

„Klingt ganz schön knusprig“, grinst Fiete. „Aber den suche ich nicht!“

Er rollert weiter.

Am Hafenkiosk steht Polizeichef Jimmy Schneck und knabbert an einem Krabbenbrötchen.

„Hast du schon mal von einem gewissen Bosse Waschbär gehört, Jimmy?“, erkundigt sich Fiete.

Jimmy Schneck guckt so langsam wie die Krabben in seinem Brötchen und sagt dann: „Nöööö, kenn ich nich!“

„Na, das kann ja nur ein gutes Zeichen sein, wenn er nicht polizeibekannt ist“, murmelt Fiete und flitzt weiter. Ob die Fischer diesen Bosse kennen?

Er fährt zum Fischereihafen, wo die kleinen Fischerboote in der Sonne schaukeln.

„Bosse Waschbär? Nie gehört!“, antwortet Fischer Katz von der Seemaus, der gerade das Schiffsdeck schrubbt. „In Portaloo wohnt der nicht! Frag mal Pit Flunder. Der kommt gerade von einer Weltreise zurück. Sein Schiff heißt Killerhai. Es liegt da hinten beim großen Kran.“

Diesmal hat Fiete Glück.

„Bosse Waschbär? Den kenn ich. Ein verflixt guter Schiffskoch! Kann sogar chinesisch, transsilvanisch, kongolesisch, feuerländisch und nordpolaresisch kochen“, berichtet Pit Flunder. Er kratzt sich nachdenklich mit der rechten Vorderflosse hinter den Ohrschuppen. „Verflixt, wo hab ich den zuletzt gesehen? Ha, ich glaub, der ist mir neulich in Shanghai begegnet. Ja, Shanghai. Da bin ich mir ganz sicher.“

„Shanghai ist bekanntlich in China. Das ist ein bisschen weit mit dem Kickroller“, seufzt Fiete. „Ich hab einen Eilbrief für ihn!“

„Lass mal sehn!“ Pit greift nach dem Briefumschlag und studiert mit gerunzelter Stirn die Adresse.

„Hmm, wenn als Adresse Portaloo draufsteht, wird er wohl zur Zeit in Portaloo sein“, brummt Pit. „Vielleicht ist er mit der Reisprinzessin aus China gekommen?“

„Du meinst das chinesische Schiff, das letzte Woche für eine Nacht im Hafen lag?“

Pit nickt. „Genau! Da ging einer mit Seesack von Bord.“

Pits Tipp erweist sich als goldrichtig. Der Hafenmeister erinnert sich sofort, dass der Kapitän der Reisprinzessin nach einem neuen Schiffskoch gefragt hat, weil der alte in Portaloo an Land gegangen war und nicht länger mitfahren wollte.

„Ich glaube, er heißt Bosse und wohnt dort oben im Hotel Seepferd!“

Der Hafenmeister deutet mit dem Daumen über seine Schulter nach Westen, wo das Hotel Seepferd wie eine kleine Festung auf einem Felsen hoch über der Stadt thront.

„Na, dann nichts wie hin“, schnauft Fiete. Er wischt sich die Schweißtropfen von der Stirn. Es ist inzwischen Mittag geworden und die Sonne brennt heiß herunter. Trotzdem flitzt er, so schnell er kann, den Berg zum Hotel Seepferd hinauf.

„Wohnt hier Bosse Waschbär, der Schiffskoch?“, erkundigt er sich bei Finchen Specht am Hotelempfang.

„Aber klar doch“, zwitschert Finchen Specht. „Der wohnt schon seit drei Tagen bei uns. Da hinten sitzt er in der Seebärenstube mit seinem Freund Quassel Hase. Sie essen gerade unsere berühmten karierten Spaghetti mit Basilikumsoße.“

„Ich danke dir!“, sagt Fiete zu Finchen.

„Schade, dass der Brief nicht für mich ist“, bedauert Finchen. „Ich krieg nämlich nie Post!“

„Das kann sich schnell ändern!“, verspricht Fiete. „Sobald ein Brief für dich dabei ist, bring ich ihn sofort!“

„Mir reicht schon eine Postkarte“, antwortet Finchen. „Das lässt sich bestimmt machen“, überlegt Fiete und lächelt Finchen dabei an. Eine Postkarte wird er ihr von seiner nächsten Reise gern schreiben! Er findet sie sehr nett. Schon lange. Aber Dienst ist Dienst: Jetzt muss er erst mal zu Bosse Waschbär und Quassel Hase in die Seebärenstube.

„Na endlich!“, schnauft die blaue Maus erleichtert, die Fiete die ganze Zeit gefolgt ist. „Unglaublich, wie lange ein Eilbote herumtrödeln kann.“ Sie huscht geräuschlos hinter Fiete her.

Die beiden Freunde sind so ihr Gespräch vertieft, dass sie Fiete nicht gleich bemerken.

„Willst du damit wirklich sagen, dass du nach all deinen tollen Abenteuern von der Seefahrt genug hast?“, fragt Quassel Hase enttäuscht und wischt sich mit der Serviette die grüne Spaghettisoße von Nase und Barthaaren.

„So ist es, mein Freund! Keiner bringt meine Hinterpranken jemals wieder auf Schiffsplanken. Seebärenehrenwort!“

„Ehem“, räuspert sich Fiete verlegen. „Darf ich kurz stören? Ich suche einen gewissen Bosse Waschbär.“

„Der bin ich“, brummt Bosse verwundert.

„Ich hab eilige Post!“, sagt Fiete und schiebt den Umschlag über den Tisch. „Und ich will einen Sack Fliegen ohne Ketchup essen, wenn ich jemals so viel Mühe gehabt habe, einen einzelnen Brief loszuwerden!“

Quassel grinst frech. „Und so was sagt der schnellste Briefträger von Portaloo!“

Bosse nimmt den Brief und dreht ihn neugierig hin und her.

„Nun mach schon auf!“, drängelt Quassel. Er platzt fast vor Neugierde, denn er kriegt selten Post.

„Sieh da, von Tante Rita!“, brummt Bosse. „Rita Racoon. Von der hab ich schon ewig nichts mehr gehört! Als Kinder sagten wir immer: Tante Rita ist nie da! Sie war ihr Leben lang auf Abenteuerreisen unterwegs. Ich wusste gar nicht, dass sie noch lebt.“

Fiete bleibt neugierig bei den beiden Freunden stehen. Es interessiert ihn brennend, was in diesem geheimnisvollen Brief mit den vielen ausländischen Briefmarken steht. Und natürlich auch, wer diese mysteriöse Rita „Rakuhn“ ist. (Fiete kann kein Englisch und weiß daher nicht, dass Racoon „Waschbär“ bedeutet.) Gespannt sieht er zu, wie Bosse umständlich den Briefbogen aus dem Umschlag zieht.

„Nun lies schon vor!“, drängelt Quassel wieder.

Die kleine blaue Maus hat es sich inzwischen auf der Gardinenstange bequem gemacht. Sie kennt den Inhalt des Briefes, den Bosse jetzt vorliest, schon längst. Jetzt ist sie unheimlich gespannt, wie er darauf reagieren wird.

Lieber Neffe Bosse,

wenn du diesen Brief erhältst, ist deine alte Tante tot!

Gerade habe ich mein Testament gemacht. Mein Haus in Mücken an der Bremse vermache ich gestrandeten Seeleuten. Aber dir, lieber Bosse, vererbe ich mein geliebtes Abenteuer-Schiff. Ich hoffe, dass du dich so darum kümmerst, dass ich mir keine Sorgen machen muss!

Es ist ein ganz besonderes Schiff. Da du als Einziger meiner vierzehn Neffen Seemann geworden bist, sollst du es haben. Es heißt Tikitonga und liegt in Mücken am Libellenkanal vor Anker.

Hol den Schlüssel bei Ole Hamster, meinem Hausmeister.

Adresse: Libellenstraße 4.

Wenn du meinen letzten Wunsch erfüllst, soll es dir gut ergehen. Wenn nicht, soll dich der Teufel holen!

Tante Rita

„Verrückte Idee! Aber typisch Tante Rita!“, murmelt Bosse. „Was mach ich jetzt?“

„Hat ein Abenteuerschiff geerbt und fragt, was er machen soll!“, japst Fiete und verdreht die Augen. „In die Luft springen vor Freude! Was sonst.“

Bosse lacht. „Ich bin doch kein Frosch! Und überhaupt, was soll ich mit einem Schiff?“

„Vielleicht ist es ja ein Superschiff! Ein Dreimaster, ein Viermaster, ein Fünfmaster, ein Rennboot vielleicht! Eine Luxus-Yacht! Wir könnten gemeinsam eine Weltreise machen und tausend Abenteuer erleben“, quasselt Quassel wie ein Wasserfall.

„Halt, halt! Ich wollte doch …“, bremst Bosse seinen Freund.

„Ich weiß, ich weiß! Keine Hinterpranken mehr auf Schiffsplanken! Seebärenehrenwort hin oder her: Du bist noch nicht alt genug, um auf der faulen Haut zu liegen, lieber Bosse. Ich laufe gleich zum Hafen und frag den Hafenmeister, wann das nächste Schiff nach Mücken an der Bremse geht. Und dann gucken wir uns den Pott mal an!“

„Langsam, langsam!“, bremst Bosse seinen Freund. „Ein geerbtes Schiff? Wieder zur See fahren? Na ja, ich weiß nicht recht …“ Bosse ist von der Idee wenig begeistert.

„Ansehen kostet nix“, sagt Quassel. „Komm, sei kein Spielverderber, Bosse!“ Er hakt Bosse Waschbär unter und schiebt ihn zur Tür.

„Ihr könnt hinten auf meinem Kickroller mitfahren. Ich wollte sowieso wieder zum Hafen hinunter“, ruft Fiete.

„Ist denn dein Flitzer auch hasensicher?“, erkundigt sich Quassel vorsichtig.

„Na klar! Wenn du die Ohren anlegst!“, sagt Fiete und grinst frech.

2. Kapitel

… in dem Bosse, Quassel und Fiete mit einem grünen Lastkahn nach Mücken an der Bremse reisen und ihr blaues Wunder erleben

„Alles einsteigen, wir legen ab!“, ruft Charly Wolf, der Kapitän des Lastkahns Else, am nächsten Morgen. Er hat hundertfünfzig Rollen Fliegengitter für Mücken an der Bremse aufgeladen. Ein Eilauftrag!

Bosse Waschbär sitzt auf seinem dicken Seesack neben der Reling. Ohne den Seesack geht er nie an Bord. Da sind so wichtige Sachen drin wie sein Küchenmesser, Kräuter, Gewürze und das geheime Piraten-Kochbuch, ohne das er nie verreist.

Quassel hat nur einen kleinen Rucksack dabei.

Gerade als das Schiff ablegt, hört man aufgeregtes Klingeln und Rufen. Es ist Fiete Frosch mit seinem Kickroller:

„Halt! Halt! Ich muss noch mit!“

„Aber bitte Beeilung!“, knurrt Charly Wolf. „Wir müssen los! Ehe die Ebbe einsetzt, müssen wir im Kanal sein.“

„Achtung! Ich komme!“, ruft Fiete Frosch. Er klappt seinen fahrbaren Untersatz zusammen, klemmt ihn unter den Arm, springt mit einem gewaltigen Satz – und schon ist er an Bord.

„Was willst du denn hier?“, erkundigt sich Quassel Hase mit gerümpfter Nase. Er ist gar nicht begeistert davon, dass Fiete mitkommt.

„Ich hab meinen freien Tag und wollte schon immer mal nach Mücken an der Bremse. ‚Mücken‘, das klingt sehr appetitlich für einen Frosch“, sagt Fiete ein wenig verlegen.

Er sucht sich ein schattiges Plätzchen. Dann lässt er seine Froschschenkelchen ins Wasser baumeln und genießt die Fahrt.

Bosse ist schweigsam und sehr nachdenklich. Immer wieder liest er Tante Ritas Brief.

Auch Quassel Hase ist stiller als gewöhnlich. Immer wieder schielt er zu Fiete hin und sagt schließlich zu Bosse: „Der Grünschnabel ist bestimmt nur mitgekommen, weil er neugierig ist. Wetten?“

Das Wort „Eifersucht“ steht dabei mit unsichtbaren Buchstaben auf seiner Stirn geschrieben.

„Ich finde es gut, dass Fiete Frosch mitkommt“, brummt Bosse. „Wasser ist sein Element. Ich denke, er versteht eine ganze Menge von Schiffen. Da kann er sich Tante Ritas Abenteuer-Schiff ruhig mal kritisch ansehen. Sechs Augen sehen mehr als vier!“

Die Else tuckert gemächlich mit der Flut flussauf in Richtung Überlandkanal. Sie kommen an Häusern, Bootsanlegern, Feldern, Wäldern, Windmühlen und staunenden Deichschafen vorbei.

Gegen vierzehn Uhr erreichen sie endlich den Kanalhafen von Mücken. Die drei steigen aus und laufen durch die Stadt, die von Kanälen durchzogen ist. An diesen Wasserstraßen liegen die bevorzugten Wohngegenden der lästigen Mücken, denen die Stadt ihren Namen verdankt.

Das ist auch der Grund, warum die Fliegengitter, die Charly Wolf geladen hat, bei den geplagten Bewohnern der Stadt reißenden Absatz finden!

Auf einer der vielen Brücken bleibt Bosse stehen, zündet sich seine Pfeife an und studiert den Stadtplan.

„Tscha, Tante Ritas Haus soll direkt am Libellenkanal liegen“, murmelt er schließlich. „Libellenstraße 4. Das blaue Haus da drüben muss es sein! Na, dann schaun wir mal.“

Auf der anderen Seite des Kanals befestigen gerade zwei Handwerker ein Schild an einem großen meerblauen Haus mit weißen Fenstern. „Heim für alte Seebären“ steht darauf.

„Ja, das ist Tante Ritas Haus. Ich erinnere mich. Ich war ein oder zweimal in den Ferien bei ihr zu Besuch, als ich klein war.“

Enttäuscht sieht sich Bosse um. „Aber wo ist das Schiff?“

„Bestimmt liegt es im Hafen“, sagt Fiete.

„Du sollst den Hausmeister fragen“, erinnert ihn Quassel Hase. „‚Oller Hamster‘ heißt er oder so ähnlich.“

„Dreimal bellen“ steht an der Haustür, was in der Landessprache so viel wie „klingeln“ heißt. Quassel zieht dreimal an der großen Schiffsglocke neben dem Eingang.

Ein Hamster in blauem Overall erscheint an der Tür.

„Sind Sie Ole Hamster?“, erkundigt sich Bosse Waschbär freundlich.

„Seit meiner Geburt“, versichert der Hamster.

„Mein Name ist Bosse Waschbär. Ich suche die Tikitonga. Mein Erbe. Das tolle Schiff meiner toten Tante!“

„Da hinten liegt es!“, sagt Ole Hamster und deutet verächtlich mit der Pfote über die Schulter.

Bosses Blick fällt auf ein vergammeltes Hausboot. „Dieser Bretterhaufen?“, ruft er enttäuscht.

„Tja, ihre Tante hat sich auch in letzter Zeit um das Schiff nicht mehr richtig gekümmert“, brummt Ole Hamster.

„Reif für den Sperrmüll“, murmelt Quassel verächtlich.

„Ein Hausboot mit einem richtigen Haus drauf. Da kann man was draus machen!“, ruft Fiete begeistert und macht einen Luftsprung. „Seht es euch doch erst mal an!“

Sie laufen zum Schiff hinüber und klettern über eine wackelige Laufplanke an Bord.

„Hoffentlich säuft der Kahn nicht ab, während wir drauf sind“, sagt der wasserscheue Hase ängstlich.

„Wollen Sie sich das Schiff innen näher ansehen? Dann muss ich die Tür aufsperren!“, brummt Ole Hamster und klimpert mit seinem riesigen Schlüsselbund.

Es dauert eine Weile, bis er den richtigen Schlüssel gefunden hat.

Die Tür knarrt in den Angeln.

„Müsste mal geölt werden“, sagt Bosse.

Nachdem sich ihre Augen an das Dunkel gewöhnt haben, sehen sich die drei neugierig um. Überall Staub und Spinnweben, Gerümpel stapelt sich in den Ecken.

In einer Wand sind drei Schlafkojen eingelassen, die etwas muffig riechen. An der anderen steht ein vollgestopftes Bücherregal.

Bosse begutachtet die Schiffsküche und findet sie viel zu klein. Zerbrochenes Geschirr liegt herum und der Herd ist verrostet.

„Ein schwimmender Müllhaufen!“, murmelt er.

Oben auf dem Küchenregal sitzt derweil die kleine blaue Maus und lässt kein Auge von Bosse.

„Gemein, dass er das schöne Schiff so schlecht macht“, murmelt sie. „Ich weiß gar nicht, ob ich mir wünschen soll, dass er bei uns bleibt!“

„Nun, was ist? Nehmen Sie die Erbschaft an, Herr – äh –Waschbär?“, fragt Ole Hamster und klimpert ungeduldig mit dem Schlüsselbund. Er ist froh, wenn er den alten Kahn endlich los ist. Und ganz geheuer ist ihm das Schiff auch nicht. Genau wie seine verstorbene Besitzerin, diese Rita Racoon!

Bosse zögert. Fiete gibt ihm einen Rippenstoß.

„Nun – äh – ja!“, seufzt Bosse schließlich.

„Jiieep!“, fiept die Maus.

„Was – was war das? Gibt’s hier Gespenster?“, ruft Quassel Hase erschrocken und sieht sich nervös um.

„Unsinn!“, knurrt der Hausmeister. „Hier ist der Schlüssel. In der Küchenschublade sind die Papiere. Muss leider gehn! Hab noch viel zu tun! Auf Wiedersehn.“

Er hat es auf einmal sehr eilig. Ehrlich gesagt hatte er auch schon öfter das Gefühl, dass es auf dem alten Kahn spukt. Heilfroh ist er, wenn das komische Geisterschiff endlich vor seiner Haustür verschwindet.

Fiete Frosch dagegen freut sich wie ein Schneekönig.

Tikitonga, Tikitonga!“, singt er und tanzt mit langen Sprüngen auf dem Vorderdeck. Ausgelassen macht er einen Flickflack nach dem anderen.

„Tust ja fast, als wär es dein Schiff“, bemerkt Quassel Hase spitz. „Ich denke, du wolltest dringend nach Mücken, um Fliegen zu fangen?“

„Ich hab’s mir anders überlegt“, antwortet Fiete Frosch. „Ich denke, ich werde auf der Tikitonga anheuern. Bestimmt könnt ihr einen tüchtigen dritten Mann gebrauchen.“

„Boah! Bosse! Hast du das gehört? Er will – der will bleiben!“, sagt Quassel fassungslos. „Wozu brauchen wir einen wie ihn? Du hast doch mich!“

„Ich finde, es ist eine gute Idee, dass er mitkommt!“, entgegnet Bosse. „Er hat Recht: Wir können einen dritten Mann an Bord gut gebrauchen. Oder willst du ins Wasser springen und ein Leck reparieren, wenn es nötig ist?“

„Igitt. Nein danke!“, ruft der wasserscheue Hase und schüttelt sich.

„Oder willst du auf den Mast klettern, wenn es stürmt oder wenn Piraten kommen?“, grinst Bosse.

„Du weißt, dass ich nicht schwindelfrei bin!“, gesteht der Hase kleinlaut. „Außerdem werd ich leicht seekrank.“

„Na siehst du!“, brummt Bosse.

„Aber – wer wird dann die Post in Portaloo austragen, wenn er mitkommt?“, fragt Quassel.

„Keine Sorge. Mein Freund Bodo Salamander wird mich gern während meiner Abwesenheit vertreten!“, ruft Fiete vergnügt.

Bosse lacht: „Es bleibt dabei. Wir sind jetzt drei.“

„Na gut“, seufzt Quassel Hase. „Aber ich bin der Steuermann. Ich bestimme, wo es langgeht.“

„Meinetwegen“, sagt Bosse. „Schließlich warst du ein paar Jahre Seehase. Du darfst das Boot steuern. Das heißt, wenn sich der alte Kahn überhaupt steuern lässt. Aber der Käpten bin ich.“

3. Kapitel

… in dem die Tikitonga auf Fahrt geht, allerlei aufregende Dinge passieren, und eine Sägefisch-Attacke die Rückfahrt nach Portaloo ziemlich verzögert.

„Wir sollten so schnell wie möglich nach Portaloo zurückfahren, ehe der Kahn abblubbert“, rät Fiete Frosch. „Zu Hause kenn ich tausend Leute, die uns helfen können, das Schiff zu reparieren. Allein schaffen wir das nicht.“

„Meinetwegen“, sagt Bosse. „Dann werft mal den Motor an, Freunde!“

Erstaunlicherweise setzt sich die Tikitonga nach einer Weile tatsächlich in Bewegung. Mit großem Geschick steuert Quassel das Schiff durch die engen Wasserstraßen der Stadt bis zum Überlandkanal.

„Gut gemacht, Quassel!“, lobt ihn Bosse. „Ich denke, ich leg mich mal ein Stündchen in die Hängematte.“

„Aye, aye, Käpten“, grinst Quassel Hase. Das Lob hat ihn unheimlich stolz gemacht.

Kaum hat Bosse die Augen geschlossen, kommt Fiete angerannt und ruft aufgeregt:

„Käpten, es steht Wasser unten im Boot. Kniehoch! Wir haben ein Leck!“

„Hol die Lenzpumpe!“, ruft Bosse und springt auf die Beine.

„Die ist leider kaputt!“, meldet Fiete nach einer Weile.

„Dann müssen wir sie reparieren“, brummt Bosse. Er klettert aus der Hängematte und stapft die Treppe hinunter.

„Und ich werd inzwischen nachsehen, wo das Leck ist!“, ruft Fiete und taucht mit einem eleganten Sprung ins Wasser. Wenig später kommt er zurück und meldet: „Ein Loch im Holz der Bordwand! Ein komisches Loch mit Zacken. Sieht aus wie herausgesägt!“

„Dann bleibt uns nichts anderes übrig, als Anker zu werfen und den Schaden so rasch wie möglich zu beheben!“, seufzt Bosse.

„Ich kann mir denken, wer das Loch in die Bordwand gesägt hat!“, murmelt die kleine blaue Maus und wird dunkelblau vor Zorn. „Krrrk der Sägefisch. Na warte, wenn ich dich erwische!“

Eine halbe Stunde später liegt die Tikitonga in einem Nebenkanal von Mücken vor Anker. Fiete Frosch flickt das Leck mit einem passenden Holzstück. Ganz zufällig liegt es da, wo er es braucht. So, als hätte es jemand bereitgelegt. Und Teer und ein Stück Blech zum Abdichten findet er auch. Dann setzt er die Taucherbrille auf und schwimmt noch einmal um das Schiff herum.

„Sieht jetzt gut aus“, meldet Fiete Frosch. „Aber es scheint nicht das erste Leck dieser Art zu sein. Unten am Schiffsrumpf sind noch mehr geflickte Stellen mit Zackenrändern! Sie sehen beinahe wie Buchstaben aus. Ein Z, ein M, ein R und zwei längliche Streifen. Seltsam.“

Bosse hat inzwischen auch die Pumpe wieder in Gang gebracht. Gluckernd pumpt sie das Wasser ab.

„Tscha, was sag ich: Gemeinsam kriegen wir den alten Kahn tatsächlich flott“, brummt Bosse zufrieden und zündet sich seine Pfeife an. „So müssten wir es bis Portaloo schaffen. Dort reparieren wir den Rest.“

„Und dann können wir auf Abenteuerreise gehen! Zappadappadu!“, jauchzt Fiete und macht einen seiner berühmten Luftsprünge. „Wir segeln um die ganze Welt – falls sich das Schiff im Wasser hält.“

„Du bist ja ein Dichter!“, lacht Bosse.

„Ich dichte gern, wenn ich gute Laune habe“, sagt Fiete. „Aber noch lieber mach ich Luftsprünge!“

„Vorsicht, Brücke!“, ruft Bosse, aber da hat sich Fiete Frosch beim Hochhüpfen schon vor Übermut den Kopf angestoßen. Die drei Katzenmädchen, die über ihnen auf der Brücke stehen und winken, lachen schadenfroh.

„Das gibt eine Beule!“, sagt Quassel.

„Aber kein Geheule“, sagt Fiete, legt einen feuchten Lappen auf seine Stirn und schneidet Grimassen, dass alle lachen müssen.

„Bis es dunkel wird, sind wir in Portaloo“, sagt Bosse nach einem Blick auf die Karte. „Das Schlimmste haben wir geschafft.“

„Ich fürchte, lieber Bosse, da täuschst du dich!“, murmelt die kleine blaue Maus besorgt. „Ihr habt die Rechnung ohne den bösen Zauberer Katzimir gemacht! Das gibt bestimmt noch jede Menge Ärger.“

Die kleine blaue Maus heißt Tiki und ist der gute Geist der Tikitonga. Sie hat das Schiff als Klabautermaus um die ganze Welt begleitet. Daher kennt sie die Listen und Tücken des hinterhältigen Magierkaters. Er hat Bosses Tante Rita nie verziehen, dass sie ihn abwies, als er sie heiraten und für immer auf sein Zauberschloss nach Patagonien holen wollte.

„Du kannst hingehen, wo du willst, meine Rache wird dich verfolgen!“, hat er ihr damals wütend nachgerufen. Und tatsächlich war es Katzimir immer wieder gelungen, ihr und der Tikitonga aufzulauern und Schaden zuzufügen.

4. Kapitel

… in dem Fiete dem Finchen Specht aus jedem Hafen der Welt eine Postkarte verspricht, die Tikitonga repariert wird, Bosse eine Schatzkarte findet und der Spuk auf der Tikitonga die Mannschaft ganz schön durcheinanderbringt.

Nach ihrer Ankunft in Portaloo schwingt sich Fiete sofort auf seinen Roller, um überall die Neuigkeiten von der Tikitonga und seiner bevorstehenden Weltreise zu erzählen. Zuerst flitzt er natürlich zu Finchen Specht ins Hotel Seepferd. Er muss ihr versprechen, dass er ihr von jedem Hafen in der Welt eine Postkarte schickt. Zum Abschied drückt ihm Finchen einen Kuss auf die Backe. Fiete wird ganz rosa um die Nase, denn er ist schon eine ganze Weile heimlich in Finchen verliebt. Dann hat es Fiete aber eilig, denn er muss möglichst viele Helfer zusammentrommeln, um die Tikitonga wieder in Schuss zu bringen.

„Viel Glück, Fiete! Und vergiss die Postkarten nicht!“, ruft Finchen ihm zum Abschied nach. Eine kleine Träne kullert über ihre Wange.

„Zappadappadu!“, jubelt Fiete ausgelassen, als er auf seinem Kickroller die Straßen entlangflitzt. Ja, er kennt viele Leute! Er weiß, wer geschickt und hilfsbereit ist. Schließlich hat er viele Jahre als Briefträger gearbeitet und kennt jedes Haus und jeden Handwerker in der Stadt.

Bald hört man es auf der Tikitonga hämmern und klopfen. Es wird geschrubbt und gepinselt. Es riecht nach Lack und frischer Farbe.

Nach ein paar Tagen ist Tante Ritas altes Hausboot nicht wiederzuerkennen.

Fiete Frosch malt zum Abschluss noch rings um das Schiff einen roten Rand unterhalb der Reling und Bosse schraubt das Namensschild fest, das Quassel Hase gemalt hat. Und malen kann das Langohr wirklich gut. Er durfte schon als Seehase immer die Schiffsschilder malen.

„Du wärst ein guter Osterhase geworden!“, schmunzelt Bosse.

Auch im Inneren des Schiffes sieht jetzt alles frisch und sauber aus. Die Betten sind gelüftet, geschüttelt und frisch bezogen. Die Küchenschränke sind gefüllt. Der Wassertank ist voll. Das zerbrochene Geschirr ist ersetzt.

Über Tante Ritas Schreibtisch hängt ein Bild, das in einer alten Reisekiste gelegen hat. Man sieht darauf Tante Rita mit einem Tiger im Dschungel. Hinter ihr steht eine Gestalt mit pechschwarzen Augen. Wer das wohl ist?

Das wird wohl Bosse hingehängt haben, denkt Quassel.

Das wird wohl Quassel hingehängt haben, denkt Bosse.

Das hat bestimmt Bosse oder Quassel hingehängt, denkt Fiete.

Die Klabautermaus beobachtet alles mit Zufriedenheit. Genauso hat sie es sich vorgestellt. Nur scheint Bosse keine Lust zu haben, auf eine richtig große Reise zu gehen. Er träumt davon, zwischen den Buchten und Inseln rings um Portaloo gemütlich herumzuschippern, seine Kochkünste auszuprobieren und faul in der Sonne zu liegen.

Nun, da muss ich wohl noch ein bisschen nachhelfen, überlegt die Maus. Der Trick mit dem Bild war schon ein kleiner Anfang. So etwas macht Abenteurer neugierig. Und dann schlüpft sie in die Schublade mit den alten Seekarten.

Gegen Abend räumt Bosse Tante Ritas Schreibtisch auf. Eine der Schubladen lässt sich nur schwer öffnen. Vorsichtig ruckelt Bosse daran und zieht sie schließlich heraus. Ah, eine der alten Seekarten hat sich dahinter verklemmt! Neugierig entfaltet er die etwas zerknüllte Karte. Sie ist zum Glück unversehrt. Es ist eine Seekarte von der Südsee, das erkennt der alte Seebär sofort! Als er die Schublade wieder hineinschieben will, wackelt ein Brett. Er schiebt es beiseite und entdeckt ein Geheimfach. In dem liegen drei Goldmünzen und ein silberner Schlüssel!

„Fiete, Quassel! Kommt schnell! Seht mal, was ich gefunden hab!“, ruft er aufgeregt und zeigt ihnen seinen Fund.

Quassel nimmt eine der Goldmünzen, beißt mit seinen Hasenzähnen drauf und sagt: „Donnerwetter! Die sind echt! Echt Gold.“

„Lass mal sehn“, sagt Fiete Frosch. Er untersucht die Münzen mit einer Lupe. „Das Ding ist nicht ohne, ein Kopf mit einer Krone!“

„Der Froschkönig vielleicht?“, kichert Quassel Hase.

„Wenn deine Augen so groß wären wie deine Klappe, dann könntest du lesen, was da steht“, sagt Fiete Frosch.

„Ein Froschmaul ist größer als ein Hasenmaul“, entgegnet Quassel Hase gekränkt. „Jedenfalls im Vergleich zur Körpergröße!“

Bosse überhört die Frotzelei der beiden, sieht durch die Lupe und liest:

„Kö-nig-reich Ton-ga. Wenn ich mich nicht täusche, dann ist Tonga eine der sogenannten Freundschaftsinseln. Irgendwo in der nördlichen Südsee.“

„Das ist ganz schön weit weg“, sagt Quassel.

„Sieh doch mal auf der Seekarte nach“, rät Fiete.

Gemeinsam breiten sie die alte Seekarte aus.

„Hier ist es!“, ruft Fiete aufgeregt. „Um die Insel Tonga ist ein roter Kringel gemalt!“

„Die Insel muss für Tante Rita wichtig gewesen sein“, überlegt Bosse. „Da steht: VGLPLAN. Was das wohl bedeutet?“ „Vogelplan?“, rätselt Quassel.

„Nein, das heißt sicher ‚vergleiche Plan‘. Bestimmt gibt es noch einen genaueren Plan von der Insel“, brummt Bosse.

„Vielleicht eine Schatzkarte?“, ruft der Hase aufgeregt. „Einen Schatz wollte ich schon immer mal finden.“

„Du Spinner!“, sagt Fiete. „Schatzkarten gibt es nur in Abenteuerbüchern.“

„Und wofür ist wohl der silberne Schlüssel?“, grübelt Bosse.

Quassel und Fiete begutachten das Fundstück.

„Der passt sicher zum Schloss einer Schatzkiste!“, sagt Quassel.

Fiete Frosch rollt mit den Augen. „Wenn Bosses Tante eine Schatzkiste oder den Plan für eine Schatzinsel besessen hätte, dann hätte die Tikitonga sicher nicht so schäbig ausgesehen.“

„Der Schlüssel war gut versteckt. Also ist er wichtig!“, kombiniert Bosse.

„Auja, eine Schatzsuche! Ich liebe Schatzsuchen. Wir müssen das Schloss finden, zu dem der Schlüssel passt!“, ruft Quassel begeistert.

„Erst wird gegessen!“, sagt Bosse. „Mein Magen knurrt wie ein hungriger Löwe.“

„Meiner auch“, sagt Fiete Frosch. „Mit leerem Magen kann man Abenteuer schwer ertragen!“

„Ab in die Küche!“, ruft Quassel und läuft voran.

„Das heißt auf dem Schiff ‚Kombüse‘“, verbessert ihn Fiete Frosch. „Das sollte ein ehemaliger Seehase wissen!“

„Ich hab eine Dose mit leckerer Hummerkrabbensuppe im Küchenschrank gefunden. Die wärmen wir uns jetzt!“, beendet Bosse die Diskussion.

Die Klabautermaus beobachtet, wie sich die drei schließlich an den Tisch in der Ecke setzen und ihre Hummerkrabbensuppe löffeln. Mhm, das riecht nicht schlecht. Gute Verpflegung ist auf einer langen Schiffsreise wichtig. Und es wird eine seeehr lange Schiffsreise werden, auf die sie die drei locken will.

„Nur gut, dass sie nicht ahnen, was ich alles mit ihnen vorhabe!“, murmelt die Klabautermaus. „Ich denke, ich kriege sie ganz gut in den Griff.“

Es ist eine Kunst, andere dazu zu bringen, Dinge zu tun, die sie eigentlich nicht tun wollten, und noch schwerer ist es, das so zu tun, dass sie hinterher glauben, dass sie es selbst gewollt haben. Ein schwerer Job! Die blaue Maus seufzt und holt sich unbemerkt ebenfalls ein Schälchen von der Suppe.

Wie gut, dass die drei sie nicht sehen können. Klabauter sind nur dann sichtbar, wenn sie gesehen werden wollen.

„Fiete hat von meinem Teller gegessen“, beschwert sich Quassel Hase. „Sein Löffel wackelt noch!“

„Umgekehrt ist es: Quassel hat von meinem Teller gegessen!“, ruft Fiete Frosch und haut auf den Tisch. Quassels Löffel fällt auf den Boden.

„Und jetzt hat er meinen Löffel runtergeworfen!“

„Stimmt gar nicht!“, protestiert der Frosch.

Das Salzfass rutscht vom Regal und fällt in den Suppentopf. Die Suppe spritzt in alle Richtungen.

„Komisch, es ist doch überhaupt kein Seegang“, wundert sich Bosse. „Wir liegen schließlich immer noch im Hafen!“

Als Quassel die Teller in die Küche bringt, stolpert er. Ein unsichtbarer Faden ist zwischen Tischbein und Stuhlbein gespannt. Die Teller fliegen in hohem Bogen durch die Gegend. Zum Glück sind es Plastikteller.

„Fiete hat mir ein Bein gestellt!“, behauptet Quassel.

„Stimmt gar nicht“, beteuert Fiete. „Quassel lügt!“

„Ein sportlicher Hase stolpert nicht wegen nichts“, sagt Quassel beleidigt. Jetzt schwebt ein Topfdeckel durch den Raum.

„Eine fliegende Untertasse!“, stammelt Quassel und wird blass.

„Höchstens ein fliegender Deckel“, sagt Fiete. „Ich glaube, hier spukt’s wirklich!“

„Oh, heiliger Klabautermann!“, ruft Bosse. „Das kann ja nur eines bedeuten …“

„Wir haben einen Klabauter an Bord?“, vollendet Fiete den Satz.

Bosse nickt. „Höchstwahrscheinlich. Wir müssen nett zu ihm sein! Also hört auf zu streiten und stellt ihm ein Tellerchen mit Suppe hin!“

„Ich fü-fü-fürcht mich“, stottert Quassel und zittert wie Espenlaub.

„Vor einem Klabauter muss man sich nicht fürchten. Im Gegenteil: Der bewacht und schützt ein Schiff“, erklärt Bosse. „Das sollte ein alter Seehase wissen!“

„Jiieep-jiieep!“, fiept die kleine blaue Maus zustimmend. „Ich bin Tiki die Klabautermaus und auf diesem Schiff zu Haus!“

Tiki ist zufrieden. Die Sache scheint sich genau so zu entwickeln, wie sie gehofft hat. Und dann verkriecht sie sich in ihrem Versteck in der alten Teekanne und beschließt, die drei vorerst nicht noch mehr zu erschrecken.