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Fachhochschule Heidelberg Fakultät Sozial- und Verhaltenswissenschaften
Diplom- Sozialarbeiterin (FH)/ Diplom-Sozialpädagogin
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V. Armut und ihre Auswirkungen auf Kinder und 38 Jugendliche
7.
7.1. 7.2. 7.3. 7.4. 7.4.1. Protektive Faktoren 7.5. 7.5.1. Erklärungsansätze 7.6.
8.
66 Resümee
67 VI. Möglichkeiten der Hilfe für die soziale Arbeit
9.
9.1.
9.1.1. Der erwachsenenzentrierte-familiendynamische Ansatz 72
9.1.2. Die Verbesserung der Situation von Erwachsenen
9.1.3. Der lebenspraktische Bereich und die
10.
11.
12.
84 Schluss
Literaturverzeichnis
Anhang Erklärung
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Abstract
In meiner Diplomarbeit beschäftige ich mit Armut und ihren Auswirkungen auf Frauen und Kinder sowie Möglichkeiten der Hilfe für die Soziale Arbeit. Nach einer kurzen allgemeinen Einführung, die die verschiedenen Definitionen von Armut, Dauer der Armut und Risikoquotengruppe beinhaltet, gehe ich auf verschiedene Gründe der Armut bei Frauen und anschließend auf die verschiedenen Auswirkungen der Armut bei Frauen ein. Dabei werde ich auch einige Bewältigungsstrategien betroffener Frauen vorstellen.
In Kapitel vier werde ich ebenfalls zunächst auf die Gründe der Armut bei Kindern und anschließend, im fünften Teil, die Auswirkungen der Armut auf diese darstellen.
Im sechsten und letzten Teil meiner Diplomarbeit werde ich auf die Möglichkeiten der Hilfe für die Soziale Arbeit eingehen und diese am Beispiel der Sozialpädagogischen Familienhilfe darstellen.
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Einleitung:
Armut in Deutschland gibt es. Und es gibt auch Kinderarmut in Deutschland, die jedoch die meisten Bürger eher mit armen Kindern in Rio de Janeiro assoziieren. Armut in Deutschland betreffen heutzutage vor allem kinderreiche Familien, Alleinerziehende und ausländische Familien. Doch viele Bürger in unserer Gesellschaft scheinen nicht zu wissen, dass Armut und soziale Ausgrenzung kontextabhängig sind und nicht nur durch fehlendes Einkommen, sondern auch durch einen Mangel an Möglichkeiten der gesellschaftlichen, sozialen und politischen Teilhabe sowie durch das Fehlen individueller Ressourcen, Fertigkeiten und Kompetenzen bestimmt sind. Für viele Bürger sind Betroffene stattdessen so genannte „Asoziale“ oder „Faules Pack“. Viele Betroffene versuchen bei zum Beispiel auftretender Arbeitslosigkeit oder Trennung und Scheidung aus Angst vor dieser Stigmatisierung, solange wie möglich den Schein der Normalität zu wahren, insbesondere ihren Kindern zuliebe. Doch um aus dieser ökonomischen Notlage entrinnen zu können, muss das Risiko eingegangen werden sich zu offenbaren, weshalb viele Betroffene ihren Anspruch auf Hilfe erst gar nicht wahrnehmen oder sich andere Bewältigungsstrategien suchen.
In der vorliegenden Arbeit beschäftige ich mit dem Thema „Armut und ihre Auswirkungen auf Frauen und Kinder -Möglichkeiten der Hilfe für die Soziale Arbeit“. Ich bin auf dieses Thema gekommen, da ich schon mehrfach mit Armut und Obdachlosen u. a. im Rahmen des Praxissemesters und bei meiner Tätigkeit im SKM Heidelberg in Berührung gekommen bin. Auch aufgrund familiärer Erfahrungen lag es für mich nahe mich mit diesem Thema zu beschäftigen.
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Ich werde zu Beginn meiner Arbeit im allgemeinen Teil zunächst einige wichtige Begriffe zum Thema „Armut“ erläutern und anhand zweier Grafiken zum einen die Dauer der Armut und zum anderen die Risikoquotengruppe vorstellen. Daraufhin werde ich im zweiten Teil meiner Arbeit auf die Gründe von Armut bei Frauen eingehen, die ganz unterschiedlicher Natur, wie Einkommensunterschiede zwischen Mann und Frau, Teilzeitjobs, Scheidung und Trennung, allein erziehende Frauen und erschwerter Zugang zum Arbeitsmarkt als Mutter sein können. Im dritten Teil werde ich die Auswirkungen der Armut auf Frauen vorstellen und erläutern, wie „frau“ in Armut lebt, welche gesundheitlichen Auswirkungen Armut auf Frauen hat, wie sie wohnen und zu guter Letzt als eine Art der Armut die Altersarmut bei Frauen vorstellen. Im vierten Teil meiner Arbeit werde ich die Gründe der Armut bei Kindern vorstellen, die eng an gesamtgesellschaftliche Ursachen. Dazu werde ich auch aktuelle Zahlen vom April dieses Jahres vorstellen. Interessant an dieser Stelle ist, welche geringe Aufmerksamkeit diesen Zahlen in den Medien und in der Öffentlichkeit geschenkt wurde. Im fünften Teil meiner Arbeit gehe ich auf die Auswirkungen der Armut bei Kindern und Jugendliche ein. Dabei werde ich die Auswirkungen in der ersten Sozialisationsinstanz, der Familie, auf Kinder und Jugendliche beschreiben und den Einfluss der Armut auf die kognitiv-intellektuelle Entwicklung darstellen. Des Weiteren folgen die Auswirkungen der Armut auf Kinder im Bereich Schule/Bildung sowie im psychosozialen Bereich. In diesem Zusammenhang stelle ich auch protektive Faktoren dar, die helfen können, die schlimmsten Auswirkungen der Armut auf Kinder und Jugendliche zu verhindern. Auch hier werde ich, wie bei den Frauen, auf die gesundheitlichen Auswirkungen der Armut eingehen und Erklärungsansätze für dieses Verhalten
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schildern. Bevor ich auf den Abschnitt „Armut aus Sicht der Kinder“ eingehe, werde ich noch die räumliche Ausgrenzung durch so genannte „soziale Brennpunkte“ schildern. Anschließend folgt ein kurzes Resümee. An dieser Stelle möchte ich noch erwähnen, dass ich mich in dieser Arbeit auf Kinder und Jugendliche beziehe. Im sechsten und letzten Teil meiner Arbeit gehe ich auf die Möglichkeiten der Hilfe für die Soziale Arbeit ein, die ich hauptsächlich am Beispiel von der Sozialpädagogischen Familienhilfe und dem Konzept von Empowerment aufzeigen möchte. Dabei werde ich die drei Arbeitsansätze der SPFH, ihre Organisationsform in der Bundesrepublik und einige Kritikpunkte sowie die Ambivalenzen und Spannungsfelder in diesem Tätigkeitsbereich der Sozialen Arbeit vorstellen.
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Im allgemeinen Teil werde ich auf die verschiedenen Definitionen von Armut, auf die durchschnittliche Dauer von Armut und auf die Armutsrisikoquoten, also welche Personen (-gruppen) am häufigsten von Armut betroffen sind, eingehen.
1. Begriffsbestimmungen:
Ein zentrales Problem der Armutsforschung besteht darin, das Phänomen der Armut theoretisch zu erfassen. Eine absolut verbindliche Definition von Armut im Sinne einer allgemeinen Gültigkeit kann es nicht geben, da letztendlich jede Armutsdefinition von den jeweiligen Wertüberzeugungen einer Gesellschaft gegenüber Armut und Reichtum abhängig ist. Um aber Arme von Nicht-Armen unterscheiden zu können, benötigt man eine Festlegung von Armutsgrenzen 1 , also einer Definition des Existenzminimums.
Personen gelten als „absolut arm“, wenn sie nicht einmal über das zum physischen Überleben Notwendige in Form von Nahrungsmittel, „Kleidung, Obdach und gesundheitlicher Betreuung verfügen können, sodass sie auf längere Sicht vom Tod durch Hunger, durch Erfrieren oder durch unheilbare Krankheiten bedroht sind.“ 2 . In der Bundesrepublik
1 Vgl. Hauser: Fachlexikon der Sozialen Arbeit. Frankfurt am Main 2002, S. 69.
2 Hauser: Fachlexikon der Sozialen Arbeit. Frankfurt am Main 2002, S. 69.
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Deutschland kann die Gruppe der Obdachlosen und die der Straßenkinder im Großen und Ganzen als in absoluter Armut lebend verstanden werden, da die als lebensnotwendig angesehenen Grundlagen des Lebens nicht auf Dauer und im ausreichenden Maße gesichert sind 3 .
Eine relative Armut liegt oberhalb des physischen Existenzminimums und ist nicht mit Armut in den so genannten „Dritte-Welt-Ländern“ zu vergleichen. Zur Bestimmung dieses Armutstyps wird eine relative Armutsgrenze festgelegt. Die relative Armut betrifft Personen oder Familien, „die über nur so geringe materielle, kulturelle und soziale Mittel verfügen, dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen sind, die in der BRD als unterste Grenze des Akzeptablen annehmbar ist.“ 4 Um die Grenze der relativen Armut zu bestimmen, wurden verschiedene Kriterien vorgeschlagen:
1. Bezug von Sozialhilfe
Als ein Kriterium der Armutsbestimmung gilt der Bezug von Sozialhilfe (Hilfe zum Lebensunterhalt). Die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt bezieht sich auf den Mindestbedarf von Personen. Die Regelsätze werden über den Warenkorb bzw. über die Verbraucherstichprobe ermittelt. Die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt ist ein staatliches Instrument zur Bekämpfung der Armut 5 .
3 Vgl. Klocke/Hurrelmann: Kinder und Jugendliche in Armut. Opladen/Wiesbaden 1998, S. 10.
4 Klocke/Hurrelmann: Kinder und Jugendliche in Armut. Opladen/Wiesbaden 1998, S. 10.
5 Vgl. ebenda.
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2. Das Durchschnitts-Äquivalenzeinkommen
Anhand der Einkommenssituation der Haushalte lässt sich die Einkommensverteilung nach Niedrigeinkommens-und Armutsquoten durchführen. Dies ist der verbreitetste Zugang in der Wissenschaft. Konventionell wird „relative Armut“ ausgewiesen, indem sie als 50 % vom äquivalenzgewichteten Durchschnittseinkommen definiert ist. Das äquivalenzgewichtete Durchschnittseinkommen beinhaltet die Anzahl der im Haushalt lebenden Personen, die von dem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen (incl. aller staatlicher Transferleistungen) leben 6 . So werden also alle Haushalte, die unter der 50-%-Schwelle liegen und damit die Einkommensschwelle unterschreiten als „in Armut Lebende“ oder als „einkommensarm“ bezeichnet. Im 2. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung wird von weniger als 60 % des Mittelwerts ausgegangen. In Deutschland beträgt die so errechnete Armutsrisikogrenze 938 Euro 7 .
3. Lebenslagenansatz
Auch nach dem Lebenslagenansatz kann man eine Unterversorgungsschwelle festlegen. In diesem Ansatz wird Armut als kumulative Unterversorgung in mindestens zwei von vier zentralen Lebensbereichen definiert. Dazu gehören u. a. die Bereiche Arbeit, Einkommen, Wohnen und Ausbildung. 8
6 Vgl. ebenda.
7 Vgl. Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung: 2. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung Bonn 2005, S. XV.
8 Hanesch et al. in Klocke/Hurrelmann: Kinder und Jugendliche in Armut. Opladen/Wiesbaden 1998, S.11.
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1.4. Das soziokulturelle Existenzminimum
In Gesellschaften mit höherem durchschnittlichem Wohlstandsniveau wird zudem noch auf eine weitere Form der Armutsdefinition zurückgegriffen und zwar auf das soziokulturelle Existenzminimum. Diese nimmt nicht nur Bezug auf die physische Existenz, sondern auch auf den Ausschluss von der Teilhabe am gesellschaftlich Üblichen, sowie kulturellem und politischem Leben. Im Sozialhilferecht wird das soziokulturelle Existenzminimum definiert und abgesichert. 9
2.Einkommensmobilität / Dauer der Armut
Einkommensarmut ist keinesfalls ein dauerhafter Zustand, sondern wird vielmehr durch ein hohes Ausmaß an Fluktuation gekennzeichnet. Die folgende Grafik zeigt, dass die meisten der Phasen in relativer Einkommensarmut eher kurzfristig sind. Etwa drei Viertel der Bevölkerung sind demnach nie von relativer Einkommensarmut betroffen. 9 % der Bevölkerung waren von 1998 bis 2003 genau einmal in Form von Kurzzeitarmut davon betroffen. „6 % der Bevölkerung sind von wiederkehrenden Phasen der relativen Einkommensarmut betroffen“ 10 . 4 % der Personen, die in drei aufeinander folgende Jahre die Grenze von 60 % des Medians des Einkommens der Gesamtbevölkerung unterschreiten, gelten als chronisch einkommensarm. Weitere 7 % gehören zu der Gruppe, die (fast) durchgehend dem Risiko der relativen Einkommensarmut ausgesetzt waren. 11
9 Vgl. Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung: 2. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Bonn 2005, S. XVI.
10 Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung: 2. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Bonn 2005, S. 25.
11 Vgl. ebenda.
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Abb.1
Dauer der Armut
(Quelle: Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung 2005, S. 24)
In der folgenden Tabelle möchte ich die gruppenspezifischen Armutsrisikoquoten in Prozent in Deutschland nach Geschlecht, Alter, Erwerbsstatus und Haushalttypen darstellen. Jedoch sei das Augenmerk besonders auf die Zahlen der Frauen, Kinder und Jugendliche bis einschließlich 24 Jahre und auf die Zahl der Alleinerziehenden gerichtet, da diese Gruppen doch im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen.
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Abb.2
(Quelle: Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung 2005, S. 21)
Man erkennt beim Vergleich zwischen 1998 und 2003 eine Zunahme in der relativen Betroffenheit der meisten Gruppen. Doch am meisten sticht das unverändert hohe Niveau der Quoten bei Arbeitslosen und Alleinerziehenden ins Auge. Ihre Einkommensprobleme scheinen mit öffentlichen Transferleistungen allein nicht lösbar zu sein, im Gegenteil, sie haben ihre Ursache in den fehlenden Erwerbsmöglichkeiten, was im Fall der Alleinerziehenden in
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vielen Teilen Deutschlands mit den noch unzureichenden Angeboten außerhäuslicher Kinderbetreuung zusammenhängt. 12 Es gibt zwei hauptsächliche Faktoren, die das Risiko für Einkommensarmut trotz Erwerbstätigkeit bergen. Erstens der Umfang der Erwerbstätigkeit, z. B. Teilzeittätigkeit und zweitens das Vorhandensein von Kindern, z. B. kinderreiche (Migranten-)Familien und Alleinerziehende.
Die Gründe der Einkommensarmut und welche Auswirkungen diese auf Frauen, Kinder und Jugendliche haben, werde ich nun im weiteren Verlauf dieser Arbeit schildern.
12 Vgl. Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung: 2. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Bonn 2005, S. 22.
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Abb. 3
Da sieht man’s … (Quelle: SKM Heidelberg)
Bereits in der oben angeführten Tabelle (Abb. 2.) lässt sich (betreffend der Armutsrisikogrenze von 60 % des Medians der laufend verfügbaren Äquivalenzeinkommen) eine erhöhte Zahl von 13,3 % im Jahr 1998 und 14,4 % im Jahr 2003 (nach der neuen OECD- Skala) bei Frauen gegenüber Männern feststellen.
Doch was sind die Gründe dieser erhöhten Prozentzahl an Frauen in Armut und wie wirkt sich diese Armut bei ihnen aus? Diese Fragen werde ich nun im folgenden Teil meiner Arbeit beantworten.