ED NAHA/JOAN D. VINGE/MIKE COGAN/
ROBERT TINE/JOEL NORST/
CRAIG SHAW GARDNER
DER 80er-JAHRE-
LESE-SOMMER 2018
Sechs Romane
Apex-Verlag
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
Ed Naha: ROBOCOP (Robocop)
Joan D. Vinge: MAD MAX 3: JENSEITS DER DONNERKUPPEL
(Mad Max 3: Beyond Thunderdome)
Mike Cogan: TOP GUN – SIE FÜRCHTETEN WEDER TOD NOCH TEUFEL (Top Gun)
Robert Tine: BEVERLY HILLS COP 2 (Beverly Hills Cop 2)
Joel Norst: LETHAL WEAPON – ZWEI STAHLHARTE PROFIS (Lethal Weapons)
Craig Shaw Gardner: LOST BOYS (The Lost Boys)
Der Sammelband DER-80er-JAHRE-LESE-SOMMER 2018 beinhaltet auf über 1000 Seiten sechs packende Romane zu einigen der populärsten Blockbuster der 1980er Jahre: ROBOCOP, TOP GUN – SIE FÜRCHTETEN WEDER TOD NOCH TEUFEL, MAD MAX 3 – JENSEITS DER DONNERKUPPEL, BEVERLY HILLS COP 2, LETHAL WEAPON – ZWEI STAHLHARTE PROFIS und LOST BOYS. Ein Muss für jeden, der in den 80er Jahren jung gewesen ist – und für jeden, dem der Sinn steht nach einer Zeitreise.
Für Kate und Kiah
1.
Er war ein Cop.
Ein guter Cop.
Jedenfalls sagte sich Murphy das, während er hinaus in die Dunkelheit starrte, die sein kleines Fertighaus umgab. Aus dieser Entfernung wirkten die verlassenen Straßen sicher. Aber Murphy wusste es besser. Unter der Stille, hinter den Schatten konnte die Lage jeden Augenblick explosiv werden. Trotzdem hatte er die Versetzung akzeptiert. Wie jeder gute Cop.
Er erinnerte sich plötzlich an seinen Vater. Instinktiv wich er einen Schritt vom Fenster zurück. Sein Vater war auf diese Weise ums Leben gekommen. Er hatte aus dem Fenster geschaut und war von einem Querschläger getroffen worden. Damals, als die Detroiter einen ersten Vorgeschmack auf den heutigen Ärger zu spüren bekommen hatten. Vor vielleicht zwanzig Jahren. Die Stadtregierung war damals den Bach runter gegangen. Der Staat hatte Kredite gesperrt und zwang die Städte, allein mit ihren Problemen fertig zu werden. Das Problem war, dass die meisten großen Städte ziemlich pleite waren.
Die Sozialprogramme wurden völlig zusammengekürzt. Das verstanden die Armen nicht. Sie gingen auf die Straße, um ihrem Ärger Luft zu machen. Seine Familie hatte damals in Old Detroit gewohnt. Damals hatte es dort noch Familien gegeben, Menschen, die sich ihr ganzes Leben an Hoffnungen und Träume geklammert hatten. Murphys Vater war einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Heckenschütze. Knall. Surren. Das Klirren zerbrochenen Glases. Das war das Ende von James Patrick Murphy gewesen.
Als er starb, wirkte Murphys Vater verblüfft und ein wenig amüsiert.
Er war nach Detroit gekommen, um in den Autofabriken sein Geld zu verdienen. Dann machten die Autowerke pleite, und Murphys Vater landete bei dem neuen Großunternehmen in der Stadt. OmniCon. Drecksarbeit. Aber die Versicherung hatte das Begräbnis bezahlt. Ein schöner, geschmückter Sarg. Obligatorische Blumen mit den kopierten Unterschriften gesichtsloser leitender Angestellter. Sein Vater hatte zu den verwirrten Augen seines Sohnes emporgeblickt und geflüstert: »Verdammter Mist.« Er hatte die Achseln gezuckt, gelächelt und war gestorben.
Murphy seufzte. OmniConsumer Products war für die Stadt eine Art Retter in der Not gewesen. Neue Wohnungsbauprojekte. Neue Jobs. Als die Stadt vor knapp einem Jahr bankrott gewesen war und nicht einmal mehr die Polizei bezahlen konnte, übernahm das OmniCon-Team einfach die städtischen Dienstleistungsbetriebe. Sie bezahlten jetzt die Polizei. Und die Feuerwehr. Und das Gesundheitsamt. Und die Park-Kommission. Verdammt, wenigstens zahlten sie pünktlich.
Murphy hörte Gewehrschüsse hinter sich. Instinktiv wirbelte er herum. Als er die Quelle des Geräusches ausgemacht hatte, entspannte er sich. Der zehnjährige Jimmy Murphy lag vor dem Fernseher und schaute sich seine Lieblingssendung an: T. J. Lazer. Murphy war bemüht, sich das Grinsen zu verkneifen, als der Cop auf der Mattscheibe ein halbes Dutzend Cro-Magnon-Rowdys niederschoss, seine beiden Revolver um die Finger kreisen ließ und in die Halftern steckte. Lazer, mit seinem leichten Schmerbauch und schlecht sitzenden Toupet, wäre im Sektor Old Detroit innerhalb von fünf Sekunden mausetot gewesen.
In diesen Sektor musste Murphy morgen früh.
Er kam zurück nach Hause.
Murphy spürte ein Ziehen in der Magengegend. Er war angespannt, aber vor seiner Familie würde er sich das, verdammt noch mal, nicht anmerken lassen. Es war schlimm genug, dass er seine Alpträume mit nach Hause brachte: die Bilder von schreienden Gesichtern, von demolierten Autos, von in Strömen fließendem Blut. Er würde vor dem Jungen und Jan keine Schwäche zeigen.
Er blickte zum Fenster und sah sein Spiegelbild im flimmernden Lichtschein des Fernsehers. Er zuckte zusammen. Für einen Augenblick glaubte er, das Gesicht seines Vaters zu sehen. Ja. Er hatte die gleichen hohen Wangenknochen. Die gleichen tiefliegenden blauen Augen. Die schmalen Lippen, die gerne lächeln wollten, aber dafür immer etwas zu angespannt waren. Er zwang sich, über sein Unbehagen zu lachen. Mit seinen fünfunddreißig Jahren war er auf dem besten Wege, ein gigantisches Würstchen zu werden. Er hätte beinahe laut losgelacht. Willkommen in der Welt der Würstchen, Murphy.
Jan kam ins Zimmer. »Abendessen ist in einer Minute fertig.« Ihre Blicke trafen sich. Sie wusste, wie unbehaglich er sich fühlte. Er konnte es nicht vor ihr verbergen, dazu waren sie zu lange zusammen. Sie waren zusammen aufgewachsen, und ihre Freundschaft war schließlich zu Liebe aufgeblüht. Er zwang sich, strahlend zu lächeln. Jimmy zuliebe rieb er sich mit seinen schwieligen Händen den harten Bauch und verkündete: »Prima, Mom. Ich könnte ein Pferd verschlingen.«
Jan zwang sich, das Lächeln zu erwidern. »Das hatten wir gestern Abend. Darf es auch Schmorfleisch sein?«
Vor dem Fernseher lachte Jimmy. »Wenn Daddy es isst, dann kann ich es auch essen.«
Jan ging zur Küche. »Was seid ihr nur für zwei Klugscheißer.«
Murphy sah zu, wie Jimmy es sich wieder vor dem Fernseher bequem machte. Sein Blick wanderte erneut hinaus zur Straße. Er fragte sich, was sich heute Nacht dort ereignen würde. Und was er morgen dort an treffen würde.
2.
Der Vollmond schien auf Old Detroit herab und verlieh dem Stadtteil einen toten, unheimlichen Glanz. Vier monolithische Wolkenkratzer ragten über dem winklig verzweigten Straßennetz empor; die Zukunft, die mit Verachtung auf die letzten zerbröckelnden Reste der Vergangenheit herabblickte. Um drei Uhr morgens schlief der größte Teil der Stadt längst tief und fest, in Old Detroit aber herrschte rund um die Uhr eine wilde Lebensgier.
Die Streifenpolizisten Frederickson und Connors fuhren mit ihrem TurboCruiser eine verlassene Straße hinunter. Zwei Häuserblocks vor ihnen brummte ein weiterer Streifenwagen. Frederickson und Connors spielten heute Nacht die Nachhut. Das machte ihnen nichts aus. Es war eine ziemlich monotone Arbeit, doch Monotonie war in diesem Sektor willkommen.
Sie beobachteten, wie der klobige Polizeiwagen vor ihnen in einer Gasse verschwand. Die Wagen waren nicht gerade formschön, aber sie waren verteufelt schnell. Ihre Zwillingsturbinen jaulten wie Höllenhunde, wenn man sie auf Touren brachte.
Die beiden Cops ließen sich von einem Gefühl der Sicherheit einlullen. Die Suchscheinwerfer auf dem Wagendach beleuchteten die heruntergekommenen Hausfassaden. Fredericksons Blick fiel auf ein verbeultes, verblichenes Reklameschild. B. B.-Kredite auf Zwanzig-Jahres-Familienverträge. Die Mondgesellschaft hatte damals eine Menge geboten, um Kolonisten für den Mond anzuwerben. Jetzt war sogar die Raumfahrt ein alter Hut. Es gab eine Warteliste für Leute, die die baufälligen Städte verlassen wollten in der Hoffnung anderswo etwas Besseres zu finden, irgendwo.
Frederickson blickte auf die Computerarmaturen seines Streifenwagens. Leuchtziffern. Weitere Leuchtziffern. Er rutschte im Sitz hin und her, vergeblich bemüht, es sich bequem zu machen. Zur Härte des Polizeidienstes in dieser Zeit trug zu einem großen Teil auch die Uniform bei - sie war eine echte Plage. Gepolsterte Anzüge, eine hochfeste Plastikpanzerung, glatte, aber unbequeme Helme. Er bemühte sich, eine Sitzposition zu finden, in der die Uniform weniger stark auf seine prall gefüllte Blase drückte. Keine Chance. Er sank in seinen Sitz zurück und ertrug die Unbequemlichkeit mit einem stoischen Seufzer.
Frederickson und Connors bogen mit Schwung um die Ecke. Der Leitwagen war wieder in Sicht. Weit vor dem ersten Auto huschte eine schattenhafte Gestalt über die Straße. Frederickson straffte sich. Er fragte sich, ob Alcott und Duffy im ersten Wagen es auch bemerkt hatten.
Sein Funkgerät erwachte zum Leben. Jemand in der Funkzentrale hatte den Fleck auf dem Radar ebenfalls entdeckt. »Auf der Hoover Street rennt ein Kaninchen in östlicher Richtung. Schaut es euch mal an.«
Der vordere Wagen erwiderte: »Verstanden, Hühnerkacke, Sir, Ende.« Ein Lachen. Das musste Alcott sein. Er war stets sehr bemüht, sehr wenig ernst zu nehmen. »Mach langsam, Kumpel, wir haben dich auf dem Schirm.«
Frederickson entspannte sich etwas. Die davonlaufende Person blinkte unaufhörlich auf der Computerkarte des Gebiets. Der Leitwagen beschleunigte, er wurde auf dem Gitternetz im Armaturenbrett des zweiten Wagens als rot leuchtende Kugel dargestellt. Frederickson sah auf der Karte, dass der vordere Streifenwagen sich seiner Beute näherte.
Bloße Routinearbeit. Höchstwahrscheinlich ein Betrunkener. Allerdings war der Bursche für einen Betrunkenen noch ziemlich lebhaft.
Frederickson beugte sich zum Mikrofon vor. »Siehst du etwas, Alcott?«
Aus dem ersten Wagen kam Alcotts Stimme, sehr sachlich.
»Scheint eine Frau zu sein.«
Connors, der nach vorn starrte, warf Frederickson einen verwunderten Blick zu. Sie hörten Gelächter aus dem ersten Wagen.
»Jesus, kneif mich mal, Duffy«, rief Alcott aus. »Spinne ich, oder ist sie tatsächlich splitternackt?«
Duffy tat schockiert. »Sie hält ein Schild hoch. Heute Nacht Gratis-Kundendienst steht darauf.«
Frederickson und Connors grinsten sich an. Alcotts dröhnte über Funk: »Oh, mein Gott! Frederickson. Es ist - es ist deine Frau!!!«
Frederickson nahm den Fuß vom Gas. Arschlöcher, dachte er. Er konnte Alcott und Duffy über Funk lachen hören. Neben sich hörte er einen erstickten Laut. Frederickson sah, dass Connors mühsam versuchte, sich das Lachen zu verkneifen. Das Gelächter im ersten Wagen hörte abrupt auf. Ein heiserer Schrei drang aus dem Funkgerät. Connors beugte sich vor. Es war nur noch statisches Rauschen zu hören.
Frederickson blickte auf das Computer-Gitternetz. Der rote Punkt, der den vorausfahrenden TurboCruiser dargestellt hatte, zerplatzte plötzlich und überzog den Bildschirm mit rotem Licht. »Scheiße«, murmelte Connors.
Frederickson trat aufs Gaspedal. Der TurboCruiser schoss vorwärts und bog mit quietschenden Reifen, blinkenden Lichtern und heulender Sirene um die Ecke. Frederickson knirschte mit den Zähnen. Er war diese Straßenkrieg-Routine satt.
Er trat auf die Bremse und starrte auf die Straße vor ihm. Connors entsicherte ohne nachzudenken sein Gewehr und kämpfte die Übelkeit nieder, die in ihm brodelte.
Drei Meter vor ihnen lagen die zerfetzten, brennenden Überreste des anderen Wagens. Die gepanzerten Körper von Duffy und Alcott lagen wie weggeworfene Stoffpuppen mit verdrehten Gliedern auf der Straße. Eine bedrohliche Wolke schwarzen, beißenden Qualms stieg aus dem zerstörten Motor des Streifenwagens auf.
Frederickson kämpfte um seine Selbstbeherrschung. Er bellte ins Funkgerät: »Polizisten verwundet. Wagen 217 fordert Verstärkung und einen Krankenwagen an.«
Die Antwort, kurz und präzis, kam über heftiges statisches Rauschen hinweg. »Wagen 217. Alle verfügbaren Wagen sind momentan im Einsatz. Setzen Sie Ihren Einsatz zunächst allein fort. Krankenwagenanforderung wurde registriert.«
Connors schlug mit der Faust aufs Armaturenbrett. »Großartig. Spielen wir also John Wayne.«
Er öffnete die Beifahrertür. »Komm. Ich gebe dir Deckung.«
Frederickson und Connors öffneten langsam die Türen des TurboCruisers. Der, der den Wagen vor ihnen in die Luft gejagt hatte, musste komplett wahnsinnig sein. Er war vermutlich noch immer dort draußen. Und beobachtete sie jetzt.
Connors stand vor seinem Wagen und drehte sich langsam. Der auf das Bajonett seines Gewehres montierte Suchscheinwerfer sandte einen kleinen Lichtkegel über die mit Brettern vernagelten Fenster und zerklüfteten Dächer der Straße. Während Connors die Umgebung absuchte, näherte sich Frederickson mit heruntergeklapptem Visier dem brennenden Cruiser.
Er blickte hinunter auf Duffys zerbrochenes Visier. Das Gesicht unter dem Plexiglas war zerfetzt. Stephanie Duffy, 28 Jahre alt, seit vier Jahren im Polizeidienst. Kein Lebenszeichen.
Connors, der immer noch die Umgebung absicherte, schaute zu Frederickson herüber. »Was ist mit Duffy?«
Frederickson ging bereits zu Alcott hinüber. »Sie ist tot«, sagte er und beugte sich über den zweiten gefallenen Polizisten. Alcott lebte noch. Gerade eben. Sein Körper begann, unkontrolliert zu zucken und zu zittern. Konvulsiver Schock. Schwere Brustkorbverletzung. Jesus. Durch den zerfetzten Brustschutz konnte er Alcotts Herz sehen! Fredericksons Augen füllten sich mit Tränen. Das ergab keinen Sinn. Warum diese beiden? Auf einer Routinestreife. Er erstarrte über den beiden Körpern, von Zorn gepackt. Connors ließ noch immer den Scheinwerferstrahl kreisen.
Connors richtete den Lichtkegel wieder und wieder auf die gleichen Stellen. Hier war niemand, richtig? Warum war er dann so nervös? »Komm schon, Mann. Machen wir, dass wir von hier verschwinden.«
Ein leises Klicken ließ Connors herumwirbeln. Er hob das Schussbereite Gewehr. Erfasste den Entschluss, Frederickson etwas zuzurufen. Das war sein letzter wirklicher Gedanke. Er verspürte einen kurzen Moment die Überraschung, als ein Kugelhagel aus fünf Schrotflinten den Brustschutz seiner Uniform in Stücke riss. Sein schwindendes Bewusstsein registrierte, wie seine Hände das Gewehr fallen ließen. Es war voller Blut. Sein eigenes Blut.
Das Gebrüll der Schrotflinten war kurz und tödlich. Frederickson rannte schießend zum Wagen, als er sah, dass Connors getroffen wurde. Sonst sah er niemanden, verdammt. Daran war die gottverdammte Dunkelheit schuld. Er feuerte blind in die Nacht hinaus. Mit ein bisschen Glück konnte er es schaffen. Doch er hatte kein Glück. Mündungsfeuer flammte in den Schatten auf. Ein gut sechs Zentimeter großes Loch entstand in seinem linken Bein, eine große rote Träne spritzte ihm aus der Hose. Er humpelte auf den TurboCruiser zu. Der Wagen schien Kilometer entfernt zu sein.
Jetzt konnte er die Schützen sehen. Zuerst wirkten sie nichtmenschlich, dunkle Schatten, die vorwärts rannten. Frederickson duckte sich hinter die offene Fahrertür seines TurboCruisers. Kugeln pfiffen über ihm durch die Luft, als er sich hinters Steuer zwängte.
»Bittegottbitte«, murmelte er, knallte die Tür zu und ließ die Turbinen an. Das Triebwerk brüllte los. Die Monitore und Anzeigen auf dem Armaturenbrett flammten auf. Er legte den Gang ein und starrte hinaus auf die Straße, als die Windschutzscheibe mit einem Knall zerplatzte.
Frederickson spürte, wie sein Kopf in den Sitz zurückschnellte und das Visier barst. Sein Gesicht war heiß. Klebrig. Sein Bewusstsein verschwamm. Alles schien lauter als sonst zu sein. Alles wirkte klarer. Ultraklar.
Die Gestalten tauchten aus den Schatten auf. Frederickson hätte beinahe gelacht. Es waren Menschen. Gewöhnliche Menschen. Keine Dämonen. Keine Monster. Bloß Kerle. Eine Straßengang. Er sah, wie ein kleiner, maushafter Mann im Mondlicht an einer Backsteinmauer vorbeihuschte. Der Mann kicherte ein wenig, während er eine Farbsprühdose hervorholte und zusah, wie der erste TurboCruiser verschmorte.
Ein zweiter Mann schlenderte hinüber zu Alcotts zitterndem Körper, zog eine Pistole und jagte dem sterbenden Cop eine Kugel ins Hirn. Das Zittern hörte auf.
Ein großer Mann mit hoher Stirn und würdevollem Gang nickte zufrieden beim Anblick der Überreste von Connors und Alcott. Er rückte seine Sonnenbrille zurecht und ging auf Frederickson zu. Frederickson unterdrückte ein Lachen. Er konnte nicht begreifen, wieso manche Leute nachts Sonnenbrillen trugen.
Der Bandenchef öffnete die Fahrertür und lächelte: »Wie geht's?«
Frederickson öffnete den Mund, um zu antworten. Blut, aber kein Laut drang aus seiner Kehle. Der Bandenchef grinste liebenswürdig. »Fahr zurück und überbring deinen Cop-Freunden eine Nachricht: Haltet euch von Old Detroit fern.«
Der Mann beugte sich tiefer herab und richtete die Mündung seiner automatischen Schrotflinte auf Frederickson. Frederickson spannte die Muskeln an. Die Mündung des Gewehrs wanderte an Fredericksons Körper vorbei und stieß gegen den Schalthebel der Automatik. Klick. Klick. Der Wagen setzte sich ruckartig zurück. Frederickson kämpfte mit dem Lenkrad. Er starrte durch die zerborstene Windschutzscheibe. Die Szenerie vor ihm in der Dunkelheit löste sich auf.
Er sah, wie der Bandenchef seine Automatik schulterte und der kleine Idiot mit der Farbdose sich über die Leichen der drei Cops beugte. Dieser Irre sprühte drei große Zahlen auf ihre zerschmetterten Körper:...29...30...31.
Vier weitere Männer tauchten aus den Schatten auf; ein Schwarzer, ein Orientale, eine Schlägertype mit mächtigem Oberkörper und ein hochgewachsener, gut gebauter Kerl. Der Schläger hob Connors' Gewehr auf und warf es dem gut gebauten Jungen zu. Der Schwarze lächelte das brennende Wrack an, während der Orientale sich eine Zigarette anzündete. Für sie war das bloß wieder mal eine wilde Nacht.
Fredericksons Wagen jagte zurück in die Straße, wo der überlebende Cop kurz zuvor noch mit Connors, Alcott und Duffy gescherzt hatte. Frederickson hustete Blut und streckte eine zitternde Hand zum Schalthebel aus. Langsam gab er Gas und fuhr in Schlangenlinien die Straße hinunter.
Frederickson spuckte das Blut aus und beugte sich zum Mikrofon vor. »Polizist braucht Hilfe«, keuchte er. »Sektor GK2. Polizist braucht Hilfe in Old Detroit.«
Seine eigenen Worte dröhnten ihm im Gehirn. Jedes
Nervenende in seinem Körper schien zu explodieren. »Ooh, Jesus«, stieß hervor. »Ich bin erledigt.«
Der Wagen machte einen Satz vorwärts. Frederickson versank in Dunkelheit. Er spürte nicht mehr, wie der TurboCruiser scheppernd in einen Haufen verbeulter Mülltonnen fuhr.
3.
Murphy trank gerade Kaffee, als Jimmy auf dem Weg zurück zur Schule nach dem Mittagessen durchs Haus stürmte. Jan stand schweigend an der Spüle und erledigte mechanisch den Abwasch, während Murphy auf den Mini-Fernseher starrte. Wenn er vernünftig gewesen wäre, hätte er sich Zeichentrickfilme angeschaut. Vielleicht eine Wiederholung von Gumby oder so etwas. Aber er war ein Nachrichten-Junkie. Er konnte gar nicht genug Informationen bekommen. Jetzt allerdings würde er gleich zu viel davon bekommen.
Auf dem Bildschirm bemühten sich zwei Nachrichtenkommentatoren, der Welt zu zeigen, wer die meisten und weißesten Zähne hatte. Jess Perkins, eine Blondine, die ihre Bluse eng trug, schien dabei in Führung zu liegen, wenn auch ihr Kollege Casey Wong, ein Eurasier mit Bürstenschnitt, schon allein für die Breite seines Lächelns einen Preis verdiente.
Casey war gerade an der Reihe. »Die Top-Meldungen des heutigen Tages. Pretoria. Die Gefahr einer nuklearen Konfrontation in Südafrika eskalierte heute, als die weiße Militärregierung der belagerten Stadt erklärte, sie würden eine französische Neutronenbombe von drei Megatonnen Sprengkraft als letzte Verteidigungswaffe einsetzen.«
»Reizend«, murmelte Murphy und warf noch ein Stück Zucker in seinen Kaffee. Er hatte das Gefühl, dass er heute sogar noch das kleinste bisschen Energie brauchen würde. Sein Dienst dauerte vom Nachmittag bis in die Nacht hinein.
Der Fernseher flimmerte, als die Filmaufnahme eines wütenden Mannes, der vor einer Horde Reporter floh, erschien.
»Lokalmeldungen«, verkündete der forsche Jess. »Ron Miller trat heute von seinem Stadtratsamt zurück, als ihm eine Nachzählung bei einer der knappsten Wahlen in der Geschichte dieser Stadt verweigert wurde.«
Das Videoband war zu Ende, und Murphy starrte wieder auf das Gesicht von Casey Wong. Hinter ihm erschien eine Graphik. Der Körper eines Polizeibeamten mit einem roten X darauf wurde in einer cleveren, klaren und sehr kommerziellen Weise gezeichnet. Es war die Art von Illustrationen, wie man sie auf einer Cornflakes-Packung fand.
Murphy spürte eine Enge in der Brust. Halb hatte er so etwas erwartet. »Die Polizei-Todesziffer in Old Detroit stieg heute auf 31, als bei einer Schießerei kurz vor Morgengrauen drei Beamte getötet und einer schwer verletzt wurde.«
Murphy hörte, wie hinter ihm ein Stück Geschirr zu Bruch ging. Jess Perkins kam mit einer auflockernden Story über drei Jungs aus den Mondkuppeln, die im Weltraum Rock and Roll tanzten.
Die Nachrichten wurden von einer Serie Werbespots unterbrochen. Eine vollbusige Frau liebkoste einen TurboSedan, während Sänger »Die Großen sind wieder da« intonierten. Ein schleimiger Doktor betonte, wie geeignet seine Klinik doch für große Operationen sei. »Wir verfügen über ein vollständiges Sortiment von Jarvics und haben das neue Jenson-Sportherz am Lager. Drei Jahre Garantie, Finanzierung möglich über Gesundheitssteuerkredit.«
Murphy saß da und schwitzte. Er spürte, dass Jan hinter ihm stand und ihm auf den Nacken starrte. Keiner von beiden sprach. Das war wohl auch besser. Alles, was man hätte sagen können, hätte diesen Augenblick nur noch schlimmer gemacht.
Wong erschien auf dem Schirm und setzte die große Lokalstory des Tages fort: »Drei tote Polizeibeamte in Old Detroit, einer lebensgefährlich verletzt. Die Führer der Polizeigewerkschaft beschuldigen OmniConsumer Products, die Firma, die kürzlich einen Vertrag mit der Stadt abschloss, wonach sie die Bezahlung und Leitung der Detroiter Polizei übernimmt. Die Gewerkschaft wirft OmniCon vor, dass seit der Übernahme der Polizei die Sicherheitsvorschriften gelockert wurden und dass die meisten Reviere unterbesetzt sind. Außerdem sollen für die Fahndung nach den Polizistenmördern von Old Detroit viel zu wenig Beamte eingesetzt worden sein. Dick Jones, Abteilungsdirektor bei OmniCon, sagt dazu folgendes:«
Das schmale, kantige Gesicht des Karrieristen Jones füllte den Bildschirm. »Keiner dieser Vorwürfe trifft zu. OmniCon bemüht sich nach Kräften, den Polizeidienst effizient und reibungslos zu leiten. Jeder verfügbare Mann wird für die Aufklärung dieser viel zu häufigen Mordtragödien eingesetzt. Die Polizeigewerkschaft möchte offenbar, dass die Öffentlichkeit eine simple Tatsache vergisst. Jeder Polizist kennt das Risiko, dem er sich im Einsatz aussetzt. Fragen Sie einen Cop, und er wird es Ihnen bestätigen. Wenn man die Hitze nicht verträgt, sollte man besser aus der Küche gehen.«
Murphy grinste still in sich hinein. Risiko klang bei Jones so harmlos, als nähme man seinen Nachmittagsdrink ohne Eis.
Jan ließ eine Kaffeetasse in die Spüle fallen und eilte aus dem Zimmer, ihre Tränen zurückhaltend. Murphy schaltete den Fernseher aus und starrte schweigend auf die idiotischen Muster auf der Formica-Tischplatte.
Er seufzte und stand auf. Es hatte keinen Sinn, wenn er Jan jetzt zu beruhigen versuchte. Sie war zu aufgeregt, um mit ihr zu reden. Er ging zur Haustür. Er würde sie später anrufen und versuchen, sich ruhig mit ihr über ihre Gefühle zu unterhalten. Er hoffte, dass ihm bis zur Abendessenszeit etwas Vernünftiges einfallen würde, das er ihr sagen konnte.
Jetzt im Moment gab es nicht viel Vernünftiges in seinem Leben.
Jetzt im Moment war er auf dem Weg nach Old Detroit.
4.
Das Polizeirevier von Old Detroit glich eher einer bewaffneten Festung als einer Polizeiwache. Kugeleinschläge überzogen die Backsteinfront wie Pockennarben. Die meisten Polizei-TurboCruiser, die davor auf der Straße parkten, wiesen Dutzende von Beulen und Schrammen auf. Murphy rangierte seinen benzinsaufenden Kombi auf den Parkplatz nebenan, griff sich seine Sporttasche und ging auf den Vordereingang zu.
Ein Gefangenentransporter hielt vor dem Eingang und spuckte ein halbes Dutzend finsterer Gestalten aus, die wie eine wandelnde Bedrohung für Darwins Evolutionstheorie aussahen.
Murphy zog seine kodierte Dienstmarke hervor und steckte sie in den Schlitz neben der Vordertür. Der Schlitz summte, spuckte die Kennkarte wieder aus und entriegelte das Eisentor.
Murphy ging hinein. Im Vergleich zum Inneren dieser Polizeiwache war das Schwarze Loch von Kalkutta ein fröhlicher Ort. Cops mit Gefangenen im Schlepptau wanderten zwischen verglasten Bürokabinen hin und her. Sergeant Reed, ein Cop in den Fünfzigern, der wie ein Stier gebaut war, herrschte über diesen Wahnsinn wie ein gütiger Wikinger. Als er Murphy erspähte, verließ Reed seinen erhöhten Schreibtisch und kam ihm entgegen. Ehe er auch nur zwei Schritte tun konnte, heftete sich ihm ein wieselflinker Mann an die Seite.
»Wegen meines Klienten. Versuchter Mord ist lächerlich. Schließlich hat er ja niemanden getötet oder dergleichen. Das ist eine klare Verletzung der Bürgerrechte meines Klienten. Da möchte ich wetten.«
Reed lächelte den Mann süßlich an. Nur sein gerötetes Gesicht verriet seine wahren Gefühle. »Hören Sie, Kumpel. Von Mann zu Mann: Ihr Klient ist ein Mistbock. Sie sind ein Mistbock. Und wir haben hier eine goldene Regel: Mistböcke kommen am Montagmorgen vor den Richter. Und jetzt verschwinden Sie aus meiner Polizeiwache. Ihr Klient wird immer noch hier sein, wenn Sie zurückkommen.«
Der Anwalt lächelte dünn und schlurfte davon. Murphy musste lachen. Reed winkte Murphy zu seinem Schreibtisch.
Murphy griff in seine Sporttasche und zog ein Blatt Papier hervor. Er gab es Reed. »Ich bin Murphy. Von Metro South hierher versetzt.«
Reed nickte und legte das Blatt auf einen Stapel anderer überflüssiger Formulare. »Nettes Revier. Wie ich höre, gibt es dort Croissant-Automaten im Umkleideraum. Aber wir hier unten müssen was tun für unser Geld, Murhpy. Holen Sie sich Ihre Rüstung und zieh'n Sie sich an.«
»Jawohlsir«, Murphy wandte sich zum Gehen. »Ich weiß die freundlichen Worte zu schätzen.«
Reed packte ihn am Ellbogen. »Oh, und Murphy?«
»Jawohlsir?«
»Einen schönen Tag noch.«
Murphy grinste und ging in den hinteren Teil des Reviers. Er durchschritt zwei große Eisentüren. Auf einer der Türen klebte eine alte Fotografie von Rod Serling, auf die jemand die Aufschrift Willkommen in der Zwielichtzone gekritzelt hatte.
Murphy kicherte. Sagt aller Vernunft ade, ihr, die ihr hier eintretet.
Murphy schlenderte einen Gang hinunter, vorbei an Polizisten und Polizistinnen, die ihre Rüstung anlegten. »Ich bin Murphy«, sagte er zu einem Cop.
»Ich bin beschäftigt«, entgegnete der Cop.
»Ich suche meinen Schrank.«
Der Cop riss ein Namensschild mit der Aufschrift »Duffy« von der Tür zu seiner Linken. »Nimm diesen. Er ist im Moment unbenutzt.«
Murphy warf seine Sporttasche in den Schrank. Hinter ihm lieferten drei große Wand-Monitore Informationen von allen Sektoren der Stadt. Ein ständiges Datengesumme erfüllte die Luft. Murphy setzte sich auf eine Holzbank. Sie brach beinahe unter seinem Gewicht zusammen.
»Wir setzen uns nicht oft auf diese Dinger«, sagte der Cop zu seiner Linken. »Das ist echt gefährlich.«
Murphy legte langsam seine Rüstung an und lauschte dabei auf das Gemurmel dreier in der Nähe stehender Cops.
»Etwas Neues von Frederickson?«
»Sein Zustand gilt noch immer als kritisch.«
»Seine Frau ist sicher mit den Nerven am Ende.«
Murphy rückte die Polsterung seines Anzuges zurecht. Er zog die Ärmel glatt. Auf jedem Ärmel war eine Plakette auf genäht. Auf der einen Plakette stand DPD, Detroit Police Department. Auf der anderen Plakette stand: OCP, OmniConsumer Products. Murphy starrte auf die OCP-Plakette, als bemerke er sie zum ersten Mal. Es war äußerst beruhigend, von jemandem in einem gläsernen Wolkenkratzer als Eigentum betrachtet zu werden.
Der Cop links von ihm bemerkte Murphys trüben Gesichtsausdruck und lächelte. »Was hat dich denn in dieses kleine Paradies verschlagen?«
Murphy zuckte die Achseln. »Versetzung. OCP organisiert das Department um.«
»Ich bin Manson«, sagte der Cop.
»Murphy.«
Ein zweiter Cop kam zu ihnen. Über seiner Brusttasche stand der Name Starkweather. »Umorganisierung, wie? OmniCon. Ein Haufen Schwachköpfe. Sie werden dieses Department noch kaputtmanagen.«
»Sie haben drüben in der East Side zehn Leute entlassen«, sagte ein Cop namens Ramirez. »Einfach rausgeschmissen. Das Revier war angeblich überbesetzt. Von wegen überbesetzt. Wir könnten hier Panzer brauchen.«
»Und versuch mal, Verstärkung zu bekommen, wenn du in der Scheiße sitzt«, grinste Starkweather.
Manson schnaubte verächtlich. »Oder versuch, einen Krankenwagen zu bekommen, wenn jemand verletzt ist. Frederickson war über eine Stunde dort draußen, bevor sich jemand die Mühe machte, nach ihm zu sehen. Das arme Schwein kann froh sein, dass überhaupt noch Blut in seinem Körper war, als die OmniCon-Arschlöcher eintrafen.«
Murphy schnürte seine Schuhe. Im Raum wurde es still. Murphy blickte auf, als Reed mit zusammengepressten Kiefern mit einem leeren Karton zu dem Schrank ging, auf dem Fredericksons Namensschild stand. Er starrte auf das Namensschild und packte den Schrankinhalt langsam in den Karton.
Alle Blicke waren auf Reed gerichtet, mit Ausnahme von Starkweather, der mit dem Rücken zu Reed stand. Starkweather fuhr fort, seinem Ärger Luft zu machen. »Wisst ihr, was wir gegen diese OmniCon-Arschlöcher machen sollten? Wir sollten streiken. Ich scheiß auf die und ihre ganzen High-Tech-Profite.«
Murphy warf Starkweather einen Jetzt nicht-Blick zu. Starkweather drehte sich langsam um, gerade als Sergeant Reed ein Bild von Fredericksons Familie in den Karton legte. Reed entfernte das Namensschild von der Schranktür und legte es oben auf Fredericksons persönliche Sachen. Als er sich umdrehte und seine Männer anschaute, wirkte er um mindestens zehn Jahre älter als noch Augenblicke zuvor.
»Morgen ist die Beerdigung«, sagte er monoton. »Das Department bittet alle Beamten, die dienstfrei haben, um ihr Erscheinen. Spenden für Fredericksons Familie nimmt Cecil entgegen - wie immer.«
Die Cops starrten wütend zu Boden. Reed hob den Karton auf und ging zur Tür. Vor Starkweather blieb er einen Moment stehen. »Und ich will nichts mehr von dieser Streikscheiße hören. Wir sind keine Klempner. Wir sind Polizeibeamte. Und Polizeibeamte streiken nicht.«
Reed stampfte zur Tür. Murphy steckte seinen 9mm-Meteba-Dienstrevolver in die Halfter, griff sich seinen Helm und knallte die Schranktür zu. Er legte Starkweather aufmunternd die Hand auf die Schulter. »Mach dir keine Sorgen deswegen. Das ganze Department steht im Moment Kopf.«
»Ja. Hast Recht.«
Murphy ging zurück in den Hauptraum des Reviers. Er suchte nach Reed. Der Sergeant war nicht an seinem Schreibtisch. Murphy beobachtete verblüfft, wie ein Mann mit dem Körperbau und Temperament eines verwundeten Nashorns während eines Verhörs plötzlich aufsprang und mit gefesselten Händen Kopf voran auf die Vordertür zu rannte. Ein kleiner Cop mit geschlossenem Helmvisier, der dem Mann kaum bis zum Ellbogen reichte, sprang hoch in die Luft und trat dem Verrückten in die Lendengegend.
Der gefesselte Riese schwang seine zusammengebundenen Fäuste in Richtung des Cops. Der kleine Cop, von dem Schlag überrascht, schlug mit einem dumpfen Knall auf den Boden auf. Der Cop ging mit einem Gummiknüppel auf den dicken Mann los und bearbeitete mit einer Reihe von überraschend schnellen Hieben den Kopf des Riesen.
Reed gesellte sich zu Murphy und schrie in Richtung des Handgemenges: »He, Lewis. Wenn Sie Ihren Verdächtigen erledigt haben, kommen Sie doch bitte mal her.«
Der Cop namens Lewis verpasste dem Riesen einen letzten Schlag auf den Kopf. Der Gefangene brach zusammen und riss dabei drei Stühle um. Lewis schlenderte auf Murphy zu, während Reed zu seinem erhöhten Schreibtisch zurückkehrte.
»Lewis«, sagte Reed. »Dieser Bursche ist Ihr neuer Partner.«
Der kleinere Cop nickte. Reed schaute Murphy an.
»Murphy, das ist Lewis. Lewis wird Ihnen die Gegend zeigen.«
Murphy streckte die Hand aus. Lewis nahm ihren Helm ab und schüttelte eine Woge erdbeerroten Haares los. Murphy versuchte, sein Erstaunen zu verbergen. Lewis packte Murphys Hand und drückte sie, als wolle sie Butter hervorpressen.
»Schön, dich kennenzulernen, Murphy«, sagte sie liebreizend.
Murphy zog seine Hand zurück. Sie war rot von Lewis' Griff.
»Hier entlang«, sagte sie und ging auf eine Seitentür zu.
Murphy schüttelte verwirrt den Kopf und folgte ihr. Reed saß kichernd an seinem Schreibtisch. »Ihr habt meinen Segen«, verkündete er. »Ihr gebt ein schönes Paar ab.« Es war ein dumpfer Scherz, aber die Cops in der Nähe lachten trotzdem. Sie waren dankbar für jedes bisschen Humor.
Murphy und Lewis gingen in die Tiefgarage. Dort roch es nach Benzin- und Kohlenmonoxid-Schwaden. Dutzende von Cops bereiteten ihre TurboCruiser für die Nachmittagsstreife vor. Lewis führte Murphy Kaugummi ploppend zu einem Streifenwagen.
»Gut in Schuss, was?«, sagte Lewis stolz. »Hab' vorige Woche an der Karosserie gearbeitet. Hab' die Kugellöcher mit dem Sandstrahler gereinigt.«
Murphy nickte. »Gut in Schuss«, stimmte er zu.
Lewis ging auf die Fahrerseite des Wagens und öffnete ruckartig die Tür. »Ich werde besser fahren, bis du dich hier auskennst.«
Murphy glitt an ihr vorbei in den Fahrersitz. »Ich fahre immer selber, wenn ich einen neuen Partner kriege.«
Er schlug die Tür zu und ließ Lewis, die wütend eine
Kaugummiblase zerplatzen ließ, draußen stehen. Murphy ließ den Motor an, während Lewis auf der Beifahrerseite einstieg.
»Müsst ihr Jungs in Metro South diese Dinger selbst fahren, oder habt ihr Chauffeure?«, fragte sie spöttisch.
Anstelle einer Antwort gab Murphy Vollgas. Der TurboCruiser schleuderte die Ausfahrtrampe der Tiefgarage hinauf. In der Ausfahrt standen zwei Streifenwagen mit laufenden Motoren nebeneinander. Die Cops darin tauschten Horrorgeschichten von ihren letzten Nachtschichten aus. Murphy grinste böse und brauste zwischen den beiden Wagen hindurch, mit nur wenigen Zentimetern Platz links und rechts. Der TurboCruiser schoss auf die Straße hinaus und bretterte in nördlicher Richtung davon.
Lewis blies eine große Kaugummiblase auf und ließ sie platzen. »Nicht schlecht«, sagte sie, »für einen Neuen.«
Der Wagen sauste durch eine Nebenstraße. Die funkelnde Skyline der Neubaustadtteile von Detroit blitzte in der Nachmittagssonne. Lewis zeigte auf die Metropole im Rückspiegel, während der Wagen sich in die Slums von Old Detroit stürzte.
»Sag der Zivilisation auf Wiedersehen, Murphy«, riet sie.
Murphy schaute in den Rückspiegel. Das OmniCon-Hochhaus, 151 Stockwerke aus Glas und Stahl, erhob sich funkelnd über der Stadt. »Ich weiß nicht, ob ich das Zivilisation nennen kann«, murmelte Murphy.
»Du lernst schnell«, sagte Lewis lächelnd.
5.
Morton und Johnson stiegen in den OCP-Aufzug und starrten selbstgefällig durch das Glas, als Kinney auf die Tür zu rannte. Morton, ein dünner, superjunger leitender Angestellter, war heute nervöser als sonst. Die heutige Besprechung war sehr wichtig für OmniCon. Da war er sich sicher. Schließlich war der Alte höchstpersönlich zugegen.
Wenn Johnson nervös war, dann merkte man es ihm nicht an. Er war einer der wenigen Schwarzen in der Firmenleitung und hatte sein ganzes Leben bei OmniCon verbracht. Er ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, bloß weil der Alte mit dem Finger geschnippt hatte. Die Gesellschaft bewegte sich beständig aufwärts, das stimmte, aber sie tat das mit den polternden, schwerfälligen Schritten eines Brontosauriers. Sehr selten veränderten sich die Dinge während eines einzigen Morgens dramatisch.
Kinney sprang in den Aufzug und wäre dabei fast von der Tür eingeklemmt worden. Johnson seufzte. Kinney war ein übereifrig bemühter Neuling. Sein geniales, schnöselhaftes Getue rief in Johnson ein an Brechreiz grenzendes Gefühl hervor.
Kinney beobachtete, wie die Türen zuschnappten, und lachte.
»Wow! Der Alte wird heute tatsächlich dabei sein? Super. Warum werden wir dazugebeten, wenn er da ist?«
Johnson antwortete in einem vorsichtigen, gleichgültigen Ton. »Alle Abteilungsdirektoren bringen ihren Stab mit. Es ist eine große Sache. Ich vermute, sie werden grünes Licht für Delta City geben.«
Morton gefiel das nicht. Er fuhr sich mit den Fingern durch sein glatt zurückgekämmtes Haar. »Machen Sie Witze? Sie tun nie etwas früher als geplant«, nörgelte er. »Es ist wegen Jones. Ich wette, dass es wegen Jones ist. Er hat die Serie 209 fertig und möchte sie präsentieren.«
Johnson lächelte den nervösen Morton an. »Pech für dich.«
Kinney starrte die beiden Männer verwundert an. Er hatte keine Ahnung, wovon sie redeten.
Die Fahrstuhltür glitt auf, und Morton, Johnson und Kinney schlossen sich einem Geschnatter anderer leitender OmniCon-Angestellter an. Die Herde der Angestellten marschierte einen langen Korridor hinunter, auf dessen Wänden ein Dutzend Videoschirme Bilder aus den verschiedenen Welten von OmniConsumer Products lieferten. Johnson würdigte die Bildschirme keines Blickes. Sie beeindruckten ihn nicht. Er war dafür schon zu lange in der Firma. Er ging an den Schirmen vorbei, die in leuchtenden Bildern die neuesten Fortschritte bei Touristik, Kommunikation, Unterhaltungsindustrie, Sicherheitstechnik und so weiter zeigten.
Kinney lief Johnson wie ein Hündchen hinterher. »Ich verstehe nicht? Wieso ist Morton so - sauer.«
Johnson seufzte und beobachtete, wie Morton mit tief in den Taschen vergrabenen Händen vorwärtsmarschierte. »Als das ED 209 Sicherheitsprojekt sich verzögerte und teurer als geplant wurde, ließ der Alte einen Zweitplan erstellen - wahrscheinlich bloß, um Jones Feuer unter dem Hintern zu machen. Morton bekam diesen Auftrag, aber niemand in der Abteilung Sicherheit nahm die Sache ernst. Außer Morton.«
Morton, der sie gehört hatte, wirbelte herum. »Mein Plan ist besser als der von Jones. Ich würde damit sofort zum Alten gehen, wenn ich könnte.«
»Kommen Sie Jones nicht in die Quere, Mann«, riet ihm Johnson weise. »Der macht Hackfleisch aus Ihnen.«
Kinney, der allmählich begriff, nickte. »Ja, wie man hört, ist Jones ein richtiger Barrakuda.«
»Wer hat Sie denn gefragt, Kerl?«, schnappte Morton.
Johnson legte Morton sanft die Hand auf den Ellbogen. »Nur die Ruhe.«
Die leitenden Angestellten durchschritten zwei schwere goldene Türen, hinter denen sich der Omni- Con-Sitzungssaal befand. Johnson, Morton und Kinney nahmen entlang der Wand Platz. Die Stühle am flugzeugträgergroßen Vorstandstisch waren für die schweren Jungs reserviert.
»Schauen Sie sich das an!«, rief Kinney aus.
Mitten auf dem Tisch stand das Modell einer supermodernen Stadt; eine verschwenderische Fülle von Brücken, Türmen und Gärten. »Sieht wie das Paradies aus«, rief Kinney.
»Ein Paradies mit Preisschild«, sagte Johnson.
Die OmniCon-Vorstandsmitglieder nahmen ihre Plätze am Tisch ein, während am Kopf des Tisches ein distinguierter weißhaariger Gentleman und ein rotgesichtiger, kantiger Manager miteinander diskutierten. Der Alte schien skeptisch gegenüber dem zu sein, was Dick Jones, einer seiner Spitzenleute, ihm gerade erzählte. Jones war bemüht, nicht die Beherrschung zu verlieren. Er war für seine Wutausbrüche bekannt, die ihm in OmniCon-Kreisen den Spitznamen Boxer eingebracht hatten.
Jones senkte seine Stimme so sehr, dass der Alte sich weiter Vorbeugen musste. Der Alte nickte. »Was ist mit dieser Polizeisache? Wo liegt das Problem?«
»Die Gewerkschaft macht Theater, seit wir am Drücker sind«, erläuterte Jones. »Jetzt haben sie etwas für die Medien und machen sich wichtig. Es ist der übliche Unsinn. In der zweiten Phase unserer Übernahme wird sich das Blatt wieder wenden. Das verspreche ich.«
Der Alte nötigte sich ein Lächeln ab. »Sehr gut.«
Er wandte sich von Jones ab, setzte sich und schaute seine Angestellten an. »Gut. Fangen wir an. Wie Sie alle wissen, habe ich seit mehr als einem Jahrzehnt einen Traum. Ich habe Sie alle eingeladen, an ihm teilzuhaben. In sechs Monaten beginnen wir mit dem Bau von Delta City, einer neuen Stadt, die dort errichtet werden soll, wo jetzt Old Detroit steht.«
Alle Augen richteten sich auf das spektakuläre Modell auf dem Tisch. Der Alte betrachtete die glitzernden Türme. »Old Detroit leidet an einem Krebsgeschwür, das die ganze Stadt bedroht. Dieses Krebsgeschwür ist die Kriminalität. Es muss herausgeschnitten werden, bevor wir die zwei Millionen Arbeiter einstellen, die dieser Stadt wieder Leben einhauchen werden. Wir müssen für ihre Sicherheit garantieren können, ehe die Gewerkschaften bereit sein werden, Leute hierher zu schicken.«
Der Alte machte eine effektvolle Pause. Die Vorstandsmitglieder waren sichtlich bewegt. »Obgleich Veränderungen im Steuerwesen ideale Voraussetzungen für wirtschaftliche Expansion geschaffen haben, gibt es Probleme bei den öffentlichen Dienstleistungen, in diesem Fall beim Polizeidienst. Um es deutlich auszudrücken, die Polizei hat in Old Detroit einen schweren Stand. Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir ihnen Unterstützung gewähren. Je eher sie Old Detroit aus den Schlagzeilen bekommen, desto eher können wir bauen.«
Der Alte drehte sich zu Jones um. »Dick? Würden Sie bitte weitermachen?«
Jones stand auf, während die Lichter im Saal ausgingen. Morton saß schlecht gelaunt neben Johnson. »Dick. Ein feiner Name für einen feinen Kerl.«
Johnson stieß ihn mit dem Ellbogen an, um ihn zum Schweigen zu bringen.
Ein Stück Wand über Jones' Kopf glitt auf und gab den Blick auf eine Reihe von Bildschirmen frei. Zahlen begannen über die Bildschirme zu flimmern. Jones lächelte dazu.
»Schauen Sie sich die Entwicklung dieser Gesellschaft genau an«, sagte er grinsend, »und Sie werden sehen, dass wir in Märkten investiert haben, die traditionell als nicht sehr gewinnträchtig angesehen wurden: Krankenhäuser, Gefängnisse, Weltraumkolonien. Gute Geschäfte kann man überall machen! Wie Sie wissen, haben wir mit der Stadt einen Vertrag abgeschlossen, wonach wir den Polizeidienst übernehmen, Gentlemen. Wir brauchen einen Rund- um- die-Uhr-Polizisten. Einen Cop mit überlegener Feuerkraft und den entsprechenden Reflexen.«
Jones ging hinüber zu den goldenen Türen des Sitzungssaals und machte dort eine dramaturgische Pause. »Licht an, bitte.«
Die Lampen gingen an und spiegelten sich in Jones' weit geöffneten Augen. »Verehrte Kollegen, ich bin stolz, Ihnen die Zukunft der Strafverfolgung vorstellen zu dürfen - ED 209.«
Jones öffnete mit dramatischer Geste die Türen. Draußen stand ein zwei Meter zehn großer Roboter. Der seltsam bucklige Roboter war eine Killermaschine, deren runder Torso nach hinten geneigt auf zwei mächtigen Beinen ruhte. An jeder Seite des Rumpfes befanden sich klobige Arme, mit bedrohlichen Kanonenmündungen an den Handgelenken. Jones kehrte an den Kopf des Tisches zurück, während der Roboter in den Sitzungssaal watschelte. Seine Elefantenfüße erzeugten dumpfe Kaatschumps auf dem Teppichboden.
Der OmniCon-Vorstand ließ ein einstimmiges »Oooh« ertönen, als ED 209 seinen Platz am Tisch einnahm. Johnson drehte sich zu Morton um. Morton starrte wütend auf den Polizeiroboter. »Sieht wie ein gottverdammtes Blechspielzeug aus«, murmelte er.
Kinney strahlte über beide Backen. »Ich weiß nicht«, tat er kund, »ich finde ihn irgendwie - nett.«
Morton starrte Kinney wütend an. »Wo hast du diese technischen Fachausdrücke her?«
Ein rundlicher, mausgrauer Mann in einem weißen Laborkittel und mehrere overallbekleidete Techniker eilten hinter ED 209 her in den Saal. Die Techniker schoben ein auf Räder montiertes Schaltpult. Jones blickte strahlend in die Gesichter der OmniCon-creme de la creme.
»Der Polizeiroboter Serie 209 ist ein selbständig arbeitender Roboter für den Stadteinsatz«, sagte er fröhlich. »209 ist momentan für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung in der Stadt programmiert. Aber das ist nur der Anfang. Nach einem erfolgreichen Einsatz in Detroit und viel positiver Publicity dürfte ED 209 der Verkaufsschlager in der Rüstungsbranche werden.«
Jones blies seine eingefallenen Wangen auf. »Stellen Sie sich vor, Gentlemen, Armeen, die ausschließlich aus Robotern bestehen. Rund-um-die-Uhr-Kombatanten, die von OmniCon in Massenproduktion gefertigt werden.«
Die Vorstandsmitglieder wären bei diesem Satz fast in Beifall ausgebrochen. Jones grinste dem Alten zu.
Der Alte lächelte ebenfalls. Über den Köpfen der Vorstandsmitglieder konnte man förmlich Visionen von Dollarzeichen tanzen sehen.
Jones wandte sich dem mausgrauen Wissenschaftler zu. »Dr. MacNamara?«
MacNamara drehte sich zu seinen Technikern um. Sie beugten sich über das Schaltpult. MacNamara fummelte einen Augenblick an der Steuerung des Robots herum, ehe er von dem Schaltpult zurücktrat. Er wandte sich dem mächtigen Androiden zu, während einer der Techniker an einem Stellrad drehte.
Sofort kam Leben in ED 209's Arme. Sie schwangen hoch und nahmen eine komische Bodybuilding-Stellung ein. Die Leute am Tisch grinsten. MacNamara wandte sich kichernd wie ein Kind, das ein neues Weihnachtsgeschenk entdeckt, der Versammlung zu.
»Jetzt brauchen wir für diese kleine Demonstration einen Freiwilligen, der sich verhaften lässt«, sagte er fröhlich.
Jones ließ den Blick schweifen. »Mr. Kinney? Würden Sie mal herkommen und uns behilflich sein?«
Morton blickte finster, als Kinney aufsprang und auf den Roboter zu stolzierte, ganz die Verkörperung von unbeherrschtem Enthusiasmus. »Ja, Sir. Ist mir ein Vergnügen, Sir. Auf geht's.«
Jones hob einen schwarzen Koffer vom Boden neben dem Tisch auf. Er öffnete ihn und nahm eine SC-357 Magnum heraus. Wortlos reichte er Kinney die Pistole. Der eifrige Nachwuchsmanager schluckte; er betrachtete zuerst die Waffe und dann die mächtige Gestalt von ED 209. Jetzt begann Kinney seinen vorschnellen Ehrgeiz offenbar zu bereuen. Morton genoss den Anblick.
Jones legte dem verunsicherten Jungen väterlich einen Arm um die Schulter. »Mr. Kinney wird uns helfen, eine typische Entwaffnungs- und Verhaftungsprozedur zu simulieren.«
»Werde ich das?«
»Aber gewiss doch. Mr. Kinney, Sie brauchen jetzt lediglich Ihre Waffe in einer bedrohenden Weise zu benutzen. Zielen Sie einfach auf ED 209.«
Kinney schaute die lächelnden Vorstandsmitglieder an. Die Männer am Tisch kicherten wie Schulmädchen. Verlegenheitsröte erschien auf Kinneys Wangen. Er zuckte die Achseln und fügte sich dem Lauf der Dinge. Er bemühte sich, bedrohlich dreinzublicken, wobei er allerdings mehr einem verwirrten Eichhörnchen ähnelte als einem Gangster, und richtete die Waffe auf ED 209.
Der Roboter reagierte sofort. Er wirbelte herum und schaute den jungen Angestellten an.
Kinney begann zu zittern. Überraschenderweise drang eine beruhigende Stimme aus dem mächtigen Roboter. »Werfen Sie bitte Ihre Waffe weg. Sie haben dazu zwanzig Sekunden Zeit. Ihre Bürgerrechte sind jetzt noch in Kraft. Sie haben noch fünfzehn Sekunden Zeit.«
Die Männer am Tisch applaudierten. Kinney starrte auf den Roboter, mit einer Mischung aus Überraschung und Furcht im Gesicht. Väterlich lächelnd nickte Jones Kinney zu. »Sie sollten besser tun, was er sagt, Mr. Kinney.«
Kinney ließ die Waffe auf den Boden fallen. Sie landete dumpf auf dem weichen Teppich. Er zuckte die Achseln und drehte sich zu den Vorstandsmitgliedern um.
ED 209 fuhr fort, mit kühler, unbeteiligter Stimme zu sprechen: »Wenn Sie sich keinen Anwalt leisten können, wird Ihnen ein Pflichtverteidiger bestellt.«
Auf der anderen Seite des Raumes bemerkten Morton und Johnson den verblüfften, beunruhigten Ausdruck im Gesicht des mausgrauen Wissenschaftlers. MacNamara schaute den leitenden Techniker an. Beide Männer rannten hinüber zum Steuerpult. ED 209 schwatzte weiter. »Sie haben noch fünf Sekunden.«
Jones blickte ängstlich zum Steuerpult. Kinney stand idiotisch lächelnd vor dem gesprächigen Robot. Sein Lächeln verschwand, als der Robot langsam seinen linken Arm hob.
»Drei... Zwei...«, fuhr ED 209 fort.
Kinney drehte sich zu dem alten Mann um. Der Alte starrte an Kinney vorbei auf das Steuerpult. Kinney blickte über die Schulter. Als er sah, wie der Roboterarm in Position ging, versuchte er, am Vorstandstisch entlang zu fliehen.
Die Vorständler hielten den Atem an und ließen sich auf den Teppichboden fallen, als ED 209 ruhig Kinney folgte. »Eins«, verkündete er. »Sie verstoßen hiermit gegen Paragraph 1-13, Absatz 9, Strafgesetzbuch. Ich bin somit ermächtigt, von der Schusswaffe Gebrauch zu machen.»
Der Robot gab einen Schuss aus seiner erhobenen Kanonenhand ab. Kinney wurde in den Rücken getroffen. Sein Körper wirbelte durch die Luft und landete krachend auf dem zerbrechlichen Modell von Delta City in der Mitte des Tisches.
Morton und Johnson sprangen auf. Morton stürzte zu einem Telefon und brüllte: »Medizinische Abteilung! Sofort ein Notfallteam in die 151. Etage!«