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MARK BRAKE UND JON CHASE

DIE WISSENSCHAFT
HINTER

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Dieses Buch ist von Bloomsbury Publishing, Scholastic Inc., Disney, J. K. Rowling oder anderen Personen bzw. Körperschaften, die Rechte am Namen und an der Marke »Harry Potter« besitzen, weder autorisiert noch gesponsort worden.

MARK BRAKE UND JON CHASE

DIE WISSENSCHAFT
HINTER

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Magische Phänomene
naturwissenschaftlich erklärt

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

info@rivaverlag.de

2. Auflage 2019

© 2018 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2017 bei Racehorse Publishing unter dem Titel The Science of Harry Potter. © 2017 by Mark Brake and Jon Chase. All rights reserved.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Dieses Buch ist von Bloomsbury Publishing, Scholastic Inc., Disney, J. K. Rowling oder anderen Personen bzw. Körperschaften, die Rechte am Namen und an der Marke »Harry Potter« besitzen, weder autorisiert noch gesponsort worden.

Übersetzung: Elisabeth Liebl

Umschlaggestaltung: Laura Osswald, in Anlehnung an das Original

Satz: inpunkt[w]o, Haiger (www.inpunktwo.de)

Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

eBook by ePubMATIC.com

ISBN Print 978-3-7423-0801-6

ISBN E-Book (PDF) 978-3-74530-420-6

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-74530-421-3

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.rivaverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Dieses Buch ist unseren Töchtern gewidmet:
Frances, Been und Eden

INHALT

Teil 1 – Philosophie der Magie

Was steckt hinter den Astronomiestudien in Hogwarts?

Hat die Natur – wie die Magie – wirklich etwas aus dem Nichts erschaffen?

Worum geht es wirklich bei der Geschichte vom Stein der Weisen?

Der Traum der Alchemisten: Wo werden niedrige Metalle zu Gold?

Merlin: Legende und Wirklichkeit in Hogwarts

Wer war denn nun der letzte große Zauberer?

Wie würde Hermines Zeitumkehrer funktionieren?

Kennt die Wissenschaft Grenzen, wie J. K. Rowling sie der Magie auferlegte?

Welche Arten von Prophezeiungen sind tatsächlich möglich?

Sind Voldemorts Todesser Faschisten?

Teil 2 – Technische Tricks und magisches Rüstzeug

Sind Wissenschaftler die neuen Magier?

Kann der Wissenschaftler Wingardium Leviosa zaubern?

Wie gefährlich ist ein fliegender Besen?

Können Muggel ein fliegendes Auto bauen?

Könnte die Wissenschaft etwas Ähnliches entwickeln wie Mad-Eye Moodys magisches Auge?

Wann werden Muggel belebte Porträts erfinden?

Wie Sie Ihre eigene Karte des Rumtreibers machen können (sehr nützlich zum Schwänzen von Schulstunden oder Vorlesungen)

Wie ließe sich eine Weasley-Familienuhr konstruieren?

Kann Technik den Reduktorfluch ersetzen?

Wie erschafft ein Zauberer die legendären Feuerbälle?

Teil 3 – Kräuterkunde, Zoologie und Zaubertränke

Ist ein Bezoar als Gegengift zu gebrauchen?

Die Teufelsschlinge: Wie sehen fleischfressende Pflanzen in Wirklichkeit aus?

Wie braute die Medizin machtvolle Zaubertränke aus Pflanzen?

Die Psychologie der sexuellen Anziehung: Funktionieren Liebestränke auch im wirklichen Leben?

Besitzen Geheimdienste eine eigene Version vom Veritaserum?

Werden Muggel die Legilimentik je so gut beherrschen wie Professor Snape?

Ob die Evolution wohl einmal einen Fluffy hervorbringt?

Wo und wann könnte Harry Drachen begegnen?

Warum wären Tauben besser als Freunde der Zauberer geeignet als Eulen?

Kann man jemanden mit einem Stuporfluch belegen?

Warum liegen Todesser vollkommen falsch, was ihre Reinblütigkeit und den Genpool betrifft?

Teil 4 – Magisch Vermischtes

Gleis neundreiviertel: Gibt es wirklich geheime Bahnhöfe in London?

Wie könnte man sich einen Raum der Wünsche einrichten?

Sind Kraftfelder das Muggel-Gegenstück zu Schildzaubern?

Könnte man tatsächlich Alterslinien ziehen?

Wird die Gesellschaft je Arithmantik entwickeln?

Könnten Muggel einen Erinnerungstransfer bewirken, wie es das Denkarium tut?

Können Muggel eine eigene Form des Apparierens entwickeln?

Was ist die Muggelversion eines Horkruxes?

Benutzen nur Hexen und Zauberer einen Zauberstab?

Lumos! Wie kann man einen Stab zum Leuchten bringen?

Wird es je einen Tarnumhang geben, der uns unsichtbar macht?

Teil 1

PHILOSOPHIE
DER MAGIE

Was steckt hinter den
Astronomiestudien in
Hogwarts?

Die Astronomie spielt eine bedeutende, wenn auch subtile Rolle in den Geschichten des Harry-Potter-Universums. So blicken wir zum Beispiel in die volle runde Mondscheibe, als Remus Lupin, auch bekannt als Moony, sich in Harry Potter und der Gefangene von Askaban vom Halbblut-Zauberer in einen Werwolf verwandelt. Das Mondlicht lässt Lupins Lykanthropie ausbrechen.

Auch die verzauberte Decke in der großen Halle von Hogwarts zeigt den Schülern astronomische Bilder. Als Spiegelung des Nachthimmels bildet sie Sternenhaufen und wirbelnde Galaxien ab, als wolle sie das Hubbleteleskop übertreffen.

Und dann ist da noch der Astronomieturm, der höchste Turm des Schlosses, wo sich eine der dramatischsten Szenen der Harry-Potter-Geschichte zuträgt. Unter der zunehmenden Finsternis, die das Dunkle Mal der Todesser über Hogwarts legt, findet Dumbledore sein Ende durch einen Todesfluch aus dem Munde von Severus Snape. Aber im Astronomieturm wird auch gelernt. Um Mitternacht unter der Anleitung von Professor Aurora Sinistra richten die Schüler ihren Blick per Teleskop auf Planeten und Sterne. Wozu aber brauchen Hexen und Zauberer Astronomie? Warum steht das Fach auf dem Lehrplan von Hogwarts?

Monde und Planeten

Das Wissen um die Mondphasen beispielsweise kann ganz nützlich sein. Denn Werwölfe nehmen nur bei Vollmond ihre wilde Natur an. Da Bescheid zu wissen ist ein echter Vorteil, wenn man Lykanthropen lieber aus dem Weg gehen möchte. Außerdem sind die Planeten die Namensgeber der Wochentage. Das gilt auch in der Welt der Zauberei. Die ursprünglichen Namen stammen aus dem Lateinischen: dies Solis (Tag der Sonne/Sonntag), dies Lunae (Tag des Mondes/Montag), dies Martis (Tag des Mars, Dienstag), dies Mercurii (Tag des Merkur/Mittwoch), dies Iovis (Tag des Jupiter/Donnerstag), dies Veneris (Tag der Venus/Freitag) und dies Saturni (Tag des Saturn/Samstag). In anderen Sprachen ist der lateinische Ursprung zum Teil noch klarer erkennbar: So heißt zum Beispiel der Mittwoch in Frankreich mercredi, in dem man den Merkur noch deutlich nachklingen hört. Und das englische saturday spiegelt augenfällig den Saturn wider.

Anscheinend mussten die Hogwartsschüler sich auch mit den Planetenbewegungen beschäftigen, was natürlich nicht ohne einen Schuss britischen Humor abgeht. So erklärt Professor Trelawney der Schülerin Lavender Brown: »Das ist der Uranus, mein Kind.« Und Ron kann es sich nicht verkneifen, das »Ur-« wegzulassen und auf Lavenders Sitzfläche anzuspielen. Auch Hermine sieht sich gezwungen, Harrys astronomischem Verständnis auf die Sprünge zu helfen, was den Jupitermond Europa angeht: »Ich glaub, du hast Professor Sinistra missverstanden. Europa ist von einer Eisschicht bedeckt, nicht von einer Eischicht.«1

Ohnehin lohnt es sich, im Harry-Potter-Universum auf die kleinsten Details zu achten. So sieht man in Harry Potter und der Stein der Weisen, wie Hermine den wenig lernfreudigen Ron über Astronomie abfragt. Und Harry zieht eine Jupiterkarte zu sich heran, um die Namen seiner Monde zu lernen. In Harry Potter und der Orden des Phönix müssen die drei dann sogar einen schwierigen Aufsatz über die Jupitermonde schreiben.

Trendwende in der Kosmologie

Die Geschichte der Astronomie reicht mindestens ebenso weit zurück wie die der Magie. Die meiste Zeit beschäftigte man sich mit dem Studium der Planetenbewegungen. Im Altertum glaubte man, die Erde stünde im Zentrum des Universums, daher nennt man dieses Weltbild auch »geozentrisch«. Nach dieser Vorstellung kreisen die Planeten ringförmig um die Erde. Dieses Modell kann das Verhalten der Sonne auf ihrem jährlichen Weg durch den Tierkreis erklären, also den Weg, den die Sonne über den Himmel zu nehmen scheint. Auch die schon weniger regelmäßigen Bewegungen des Mondes erklärt das Modell plausibel. Doch die kreisförmigen Planetenbahnen passen einfach nicht zu den beobachtbaren Bewegungen der Wandelgestirne.

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Das geozentrische System von Aristoteles und Ptolemäus

Das Gegenteil zum geozentrischen Planetensystem ist das heliozentrische, das die Sonne in den Mittelpunkt der Welt stellt. Hier sind die Sonne und ihre Planeten angeordnet, wie sie tatsächlich am Himmel stehen. Erst dem heliozentrischen System gelang es, die scheinbaren Anomalien in den Planetenbewegungen zu erklären. Diese werdennämlich erst verständlich, wenn man annimmt, dass die Erde selbst sich bewegt, also ein Planet ist. Im geozentrischen System ist die Erde kein Planet, sondern der Mittelpunkt des ganzen Universums.

Mit der genauen Beobachtung der Bewegung der Planeten setzte eine Revolution in der Astronomie ein. Beide Systeme waren zwar seit alters her bekannt, doch die Merkurbewegungen im Mittelalter brachten einen bis dahin unbekannten Geistlichen, einen gewissen Nikolaus Kopernikus, dazu, das heliozentrische System in einem 1543 veröffentlichten Buch darzustellen, das Geschichte schreiben sollte: De Revolutionibus Orbium Coelestium (Von der Bewegung der himmlischen Sphären). Mit dessen Erscheinen läutete dem geozentrischen Weltbild endgültig das Totenglöckchen – was allerdings nicht ohne heftige Auseinandersetzungen abging.

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Das heliozentrische System von Kopernikus

Die Dunkelheit steigt auf

Die mittelalterliche Kirche machte sich nämlich zur Anwältin des geozentrischen Weltbildes. Es stellte den Menschen in die Mitte zwischen unbewegter Erde und göttlichem Geist. Der Mensch konnte entweder seinen niederen Trieben folgen, die ihn direkt in den Mittelpunkt der Erde, in die Hölle, führten, oder seiner seelisch-geistigen Natur, die ihn in die himmlischen Sphären tragen würde. Die Frage, welches planetarische System das richtige war, war in den Augen der Kirche eng verknüpft mit dem Drama des christlichen Lebens und Sterbens.

Die Erde ihrer zentralen Stellung zu verweisen hieß, den Thron Gottes umzustoßen, der ja irgendwo in der Sphäre der Fixsterne liegen musste – und genau das tat Kopernikus. Sein neues Planetensystem und die Theorien über ein grenzenloses Universum, in dem es vor Planeten nur so wimmelte, erschütterten die westliche Philosophie und Religion. Das heliozentrische Weltbild verstieß die Erde aus dem Mittelpunkt des Universums. Damit aber waren auch zentrale christliche Glaubenssätze in Gefahr, zum Beispiel die Heilslehre und die Überzeugung von der Allmacht Gottes über alles Materielle. Ja selbst die Natur der Schöpfung war danach eine andere und damit auch ihre Beziehung zu ihrem Schöpfer. Kurz gesagt warf das kopernikanische Weltbild Zweifel auf, deren Folgen für die Identität des Menschen, auch für den gewöhnlichen Muggel, von entscheidender Bedeutung waren.

Die Welt steht kopf

Und dann kam Galilei. Der italienische Mathematiker Galileo Galilei verwendete das gerade erfundene Fernrohr als Wunderwaffe, mit der er immer neue Entdeckungen machte. Ein völlig neues Universum wurde enthüllt. Galilei entdeckte erdähnliche Berge und Krater auf dem Mond. Flecken auf der Sonne. Unzählige Sterne, die es wohl wert gewesen wären, Dumbledores Mantel zu schmücken. Sterne jedenfalls, die man ohne Teleskop nie entdeckt hätte. So viel zur Vollkommenheit und Unveränderlichkeit des Himmels.

Galileos folgenreichste Entdeckung aber waren die vier Jupitermonde, die ganz offensichtlich ein anderes Gravitationszentrum hatten als die Erde. Es drehte sich also nicht alles um die Erde, wie man es im alten System immer angenommen hatte. Als Galileo aber die Honoratioren seiner Zeit um sich versammelte und sie einlud, doch bitte selbst einen Blick durchs Fernrohr zu werfen, ließen sich nur wenige überzeugen. Manche waren so sehr in den Vorurteilen ihrer Zeit verhaftet, dass sie sich weigerten, überhaupt durch das Fernrohr zu schauen. Tatsächlich ließ Galileis Fernrohr das alte Universum zerspringen.

Da Galilei mit seinen Beobachtungen den Nachweis für seine Behauptungen erbringen konnte, löste er eine wissenschaftliche Revolution aus. Der Übergang vom alten zum neuen Universum war vollzogen. In dem gemütlichen geozentrischen Kosmos stand der Mensch im Mittelpunkt. Das neue Universum von Kopernikus und Galileo hingegen war dezentralisiert, dunkel und grenzenlos. Daher beschäftigt man sich in Hogwarts so intensiv mit den Jupitermonden. Und wir haben den Beleg dafür erbracht, dass die Welt der Zauberei in kosmologischer Hinsicht sehr fortschrittlich dachte.

1  Harry Potter und der Orden des Phönix

Hat die Natur – wie die
Magie – wirklich etwas aus
dem Nichts erschaffen?

Da gab es doch den Fall der drei Brüder, die mal eben eine Brücke erschufen, um trockenen Fußes über einen Fluss zu gelangen. Und den des Professors, der ein Teetablett heraufbeschwor, wann immer er Lust auf ein Tässchen hatte. Oder die junge Dame, die sich, wenn sie Gesellschaft brauchte, einen Schwarm Kanarienvögel herbeizauberte. Und die ein Kristallfläschchen wie aus dem Nichts materialisierte, um die Erinnerungen eines anderen Professors aufzufangen.

Der Beschwörungszauber verhält sich zum Verwandlungszauber wie die Kosmologie zur Physik – er ist der eigentlich knifflige Teil. Die Verwandlung oder Transfiguration ist jener Zweig der Magie, die sich damit beschäftigt, die Form oder Erscheinung eines Objekts zu ändern. In vielen Fällen wird dabei die Molekularstruktur verändert. Beim Beschwörungszauber aber wird ein Objekt aus der Luft erschaffen – sozusagen aus dem Äther. Daher gehört der Beschwörungszauber zu den komplexeren magischen Formeln, die in Hogwarts gelehrt werden. Also Stoff für die sechste Jahrgangsstufe und darüber hinaus. Außerdem gibt es klare Grenzen dafür, was heraufbeschworen werden kann. Nach Gamps Gesetz der Elementaren Transfiguration, das die Welt der Magie beherrscht, gibt es Dinge, die man einfach nicht aus dem Nichts herbeizaubern kann. Eines dieser Dinge ist Essen. Vögel und Schlangen hingegen sind ein Leichtes. Sie lassen sich einfacher herbeizaubern als alle anderen Kreaturen.

Und es kann auch sehr gefährlich werden, einfach mit den Fingern zu schnippen oder mit dem Zauberstab zu wedeln, denn Beschwörungszauber können gründlich schiefgehen. Vor allem, wenn es sich um lebende Geschöpfe handelt. Wird der Beschwörungszauber nicht auf den Buchstaben genau ausgeführt oder macht der Zauberer nur mal eben so ein paar Faxen, dann können gravierende Fehler passieren. Es können beispielsweise Kreuzungen aus Fröschen und Hasen entstehen. Offenkundig lassen sich solche Monstrositäten durch das Prinzip der artifizio-animalischen Quasi-Dominanz erklären: eine Art elementarer Überlagerung zellulärer Rekonstruktion. Dabei könnten auch abgetrennte Köpfe und nicht zuordenbare Stümpfe entstehen. Aber kann denn die Natur etwas aus der Luft erschaffen? Und warum ist das Etwas im Kosmos wahrscheinlicher als das Nichts?

Der Anbeginn von Zeit und Raum

Wir leben in einem Kosmos, der sich ständig verändert, und offensichtlich entwickelt sich kaum etwas schneller als unser Verständnis des Universums. Der Kosmos unserer Vorfahren war klein, statisch und geozentrisch. Im 21. Jahrhundert aber finden wir uns in einem expandierenden Universum wieder, das so groß ist, dass das Licht von seinen Randbezirken zweimal so lange braucht, wie die Erde alt ist, um schließlich von unseren Teleskopen aufgefangen zu werden.

Die heutige Kosmologie spielt sich gemeinhin im Rahmen der Theorie vom Big Bang ab, dem Urknall. Dieser Theorie zufolge begann der Kosmos mit einer Singularität – einem Zustand, in dem die Raumzeit unendlich gekrümmt ist. In dieser Singularität waren alle Orte und Zeiten eins. Der Big Bang geschah also nicht in einem bereits vorhandenen Raum. Der Raum war in den Big Bang eingeflochten. Dasselbe galt für den Ort. Der Big Bang passierte nicht an einem bestimmten Ort. Er geschah genau dort, wo Sie jetzt sind und mit Ihnen alle anderen Orte. Und schließlich war der Big Bang keine Explosion in einen existierenden Raum hinein, wie wir uns eine solche normalerweise vorstellen. Dabei wurden keine Materiebrocken durch den Raum geschleudert, denn die Materie blieb, wo sie war, während der Raum sich um sie herum ausdehnte.

Als Beweise für diese doch recht fantastisch anmutende Theorie werden drei Lesarten bestimmter physikalischer Gegebenheiten angeführt. Erstens die Rotverschiebung der im Universum herumwirbelnden Galaxien. Sie lässt uns annehmen, dass der Kosmos sich weiter ausdehnt. Wenn wir diese Ausdehnung in der Zeit zurückdrehen, kommen wir zu der Singularität, von der wir eben gesprochen haben. Zweitens geht man davon aus, dass der sich ausdehnende Kosmos eine Art Nachbrennen hinterlassen hat, die kosmische Hintergrundstrahlung. Sie ist sozusagen die Reststrahlung von dem sehr heißen Beginn des Universums. Der dritte Beleg ist die Zusammensetzung der Elemente im Universum. Während der Kosmos langsam abkühlte, begann die Verschmelzung der chemischen Elemente, die schließlich zu seiner heutigen Form führte. Da gab es massenhaft Wasserstoff, eine Menge Helium und sonst noch sehr wenig ...

Was aber war vor dem Big Bang? Wurde das ganze Universum also aus dieser Singularität heraufbeschworen? Die Kosmologen gehen davon aus.

Wie man einen ganzen Kosmos beschwören könnte

Die meisten vernünftigen Menschen wissen, dass es nichts umsonst gibt. Von den Kosmologen mal abgesehen. Viele Physiker, deren Aufgabe es ist, die komplexen Vorgänge beim Big Bang zu erklären, glauben, dass das Universum sich aus dem Nichts entwickelt hat. Dass die Natur auf irgendeine Weise den Kosmos heraufbeschworen hat.

Alles in allem meinen die Gelehrten, dass unser Universum als winziger Punkt begonnen hat, der durch eine energetische Barriere zu einem größeren Radius herangewachsen ist, zu unserem expandierenden Kosmos. Der Rest, so heißt es, sei Geschichte. Doch damit sind wir mit dem Kosmologenlatein noch keineswegs am Ende. Denn die Forscher meinen auch, dass die mathematischen Modelle, die diese Tunnelhypothese stützen, ihre Gültigkeit behalten, selbst wenn das Universum die Größe Null annimmt. Kurz gesagt, dass der Kosmos sich einen Radius ertunneln könne, der Inflation und Expansion buchstäblich aus dem Nichts heraus ermögliche.

Hier müssen wir kurz klären, was wir mit »Nichts« meinen. Denn dabei ist keineswegs das Vakuum des leeren Raums gemeint. Das physikalische Vakuum wimmelt nur so vor Energie, Teilchen und Antiteilchen, die in einem ewigen Tanz darin aufscheinen und wieder verschwinden. Das Vakuum des leeren Raums ist keine Bühne, auf der sich die Dinge abspielen. Einstein ging davon aus, dass der Raum sich krümmen und dehnen könne. Das »Nichts« des Big Bang ist also ein echtes Nichts, ein Punkt, jenseits dessen die Raumzeit nicht existierte. Und doch entstand daraus der Kosmos.

Steady State und Mini-Big-Bangs

Aber nicht alle Wissenschaftler stehen hinter dem Szenario des Big Bang. Sir Fred Hoyle, ein britischer Astronom, arbeitete in den 1940-er Jahren an einer anderen Theorie, die das Universum nicht mit einer Expansion beginnen lässt. Doch diese Steady-State-Theorie beruht auf der Vorstellung der ständigen Neuschaffung der Materie.

Die Steady-State-Verfechter gehen davon aus, dass es keinen Big Bang gab. Er erinnert sie zu sehr an die Atombombe und sie empfinden die Theorie als hässlich und wenig schlüssig. So als wäre der Kosmos auf mystische Weise von einem Schöpfergott hervorgezaubert worden.

Hoyle erklärte in seiner Autobiografie, was ihn am Big Bang am meisten störte: dass er die Vorstellung über den Haufen warf, die Gesetze der Physik gälten gleichermaßen im ganzen Universum, in der gesamten Raumzeit. Diese Idee ist für die Steady-State-Theorie wesentlich. Die Big-Bang-Theorie hingegen nimmt an, dass zu Anbeginn der Zeit der Raum unendlich gekrümmt war, sodass die Gesetze der Physik nicht galten. Hoyle nannte dies »den kruden Bruch der Naturgesetze, der zur Big-Bang-Kosmologie gehört«.

Doch auch die Steady-State-Theoretiker erlauben dem Universum eine Expansion, für die die ständige Neuentstehung von Materie verantwortlich ist. Ihrer Ansicht nach ist das Universum unendlich alt und hat gar keinen Anfang. Wie stützen sie diese Theorie? Durch die Vorstellung von der ständigen Neuentstehung der Materie, welche die durch die Expansion ständig verringerte Dichte des Universums aufrechterhält. In diesem Modell entstand also nicht alle Materie am Anbeginn der Zeit, sondern wird immer neu erschaffen. In einer Reihe von Mini-Big-Bangs, wenn Sie so wollen.

Warum aber ist im Kosmos eher etwas als nichts? Warum ist das Universum überhaupt so entstanden, wie die Big-Bang-Theorie es annimmt? Weil die Gesetze der Physik es zuließen. Und da im quantenphysikalischen Universum jeder Prozess mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit abläuft, sind Ursachen in dieser Theorie nicht nötig.

Welcher Theorie nun die schlauen Köpfe in Ravenclaw anhängen, entzieht sich leider unserer Kenntnis. Und ob einer der Hogwartsschüler es mit dem Kopfblasenzauber geschafft hat, einen Planeten in den tiefsten Tiefen des Universums zu erforschen, ist zur Stund’ noch unbekannt, aber durchaus möglich.

Worum geht es wirklich
bei der Geschichte
vom Stein der Weisen?

Es war ein legendärer rötlicher Stein mit magischen Kräften, der das Elixier des Lebens zu mischen half, jenes Elixier, das seinen Konsumenten unsterblich macht. Und jegliches Metall in reines Gold verwandeln kann. Der Stein der Weisen nimmt im Harry-Potter-Universum eine ganz besondere Stellung ein, die mit dem Leben von Nicolas Flamel eng verknüpft ist. Flamel war ein Handschriftenhändler und Schreiber, der tatsächlich im Paris des 14. und 15. Jahrhunderts gelebt hat. Bei Harrys erstem Kampf gegen Lord Voldemort (im Schuljahr 1991/1992) ging es um eben diesen Stein. Voldemort versuchte, den Stein an sich zu bringen, doch seine Pläne wurden durchkreuzt, wodurch sich seine Wiederkehr entscheidend verzögerte.

Sobald der Stein der Weisen in Sicherheit war, sprach Albus Dumbledore mit Flamel über dessen Zukunft. Die beiden beschlossen, den Stein zu zerstören. Flamel meinte, er habe genügend Elixier gebraut, um seine Angelegenheiten zu regeln, damit er und seine Frau in Frieden sterben könnten. Immerhin hatten sie mehr als 600 Jahre lang gelebt. Doch fünf Jahre nach der Zerstörung des Steines fragte Harry sich, ob ein so mächtiger Zauberer wie Voldemort sich nicht irgendwo Ersatz besorgen könnte. Vielleicht war der von Flamel geschaffene Stein ja nicht der einzige auf der Welt. Außerdem war Voldemort magisch so begabt, dass es ihm vielleicht gelingen könnte, einen neuen Stein der Weisen zu produzieren. Aber wie sieht es eigentlich historisch mit der Suche nach dem Stein der Weisen aus?

Das Magnum Opus

Alchemie ist eine uralte, meist geheime Technik, die sich in der einen oder anderen Form auf der ganzen Welt findet. Ihr Studium hat zahllose Philosophen beschäftigt und erstreckt sich über Tausende von Jahren und alle möglichen Kulturen. Dass die Alchemisten nicht selten gnadenlos verfolgt wurden, lag u. a. daran, dass die Alchemie eine höchst eigene symbolische Sprache entwickelte, die ihrerseits wiederum verhindert, dass man die verschiedenen alchemistischen Traditionen sinnvoll miteinander vergleichen kann.

Nichtsdestotrotz lassen sich drei alchemistische Kulturkreise voneinander abgrenzen: die Alchemie in China und in den ostasiatischen Randgebieten, die Alchemie in Indien und auf dem indischen Subkontinent sowie die Alchemie im Abendland, die sich hauptsächlich rund ums Mittelmeer entwickelt hat. Deren Zentrum verlagerte sich im Laufe der Jahrtausende von der griechisch-römischen und ägyptischen Welt in die islamischen Länder und schließlich ins mittelalterliche Europa. Möglicherweise stammen diese drei alchemistischen Kulturkreise von einem gemeinsamen Ursprung ab und haben sich wechselseitig beeinflusst. Andererseits lassen sich auch klare Unterschiede feststellen. Die westliche Alchemie entwickelte ein eigenes philosophisches System, das eher Gemeinsamkeiten mit den westlichen Religionen aufweist.

Der Stein der Weisen fand schon zu Beginn des 4. nachchristlichen Jahrhunderts Erwähnung. Der griechische Alchemist und gnostische Mystiker Zosimos von Panopolis verfasste eines der ältesten alchemistischen Werke mit dem Titel Cheirokmeta, was man übersetzen könnte mit: »Von Hand gefertigte Dinge«.

So gibt es mehrere Rezepturen für den Stein der Weisen, die jeweils die Handschrift der Kultur tragen, aus der sie stammen. Im Allgemeinen wird die Herstellung des Steins der Weisen als Gegenstand des Magnum Opus betrachtet, des Großen Werkes. Je nach kulturellem Hintergrund beschreibt das Opus die Herstellung des Steins, die durch eine Reihe farblicher Veränderungen gekennzeichnet ist: Nigredo (die Schwärzung), Albedo (die Weißung), Citrinitas (die Gelbwer-dung) und Rubedo (die Rötung). Diese Reihe geht auf Zosimos und vermutlich auf noch ältere Autoren zurück, deren Werke nur in Zitaten überliefert sind. Die verschiedenen Stadien des Opus sind mit verschiedenen Symbolen verknüpft, zum Beispiel Rabe, Schwan und Phönix (schwarz, weiß, rot). Der Alchemist konnte die Farben auch im Labor beobachten. Die Nigredo war dabei der Prozess des Verrottens, Verbrennens oder Fermentierens.

Niedrige Metalle zu Gold

Jahrhundertelang galt es als das nobelste Ziel der Alchemisten, den Stein der Weisen herzustellen. Das hatte eine lange Tradition. Der griechische Atomist Empedokles ging davon aus, dass alles auf der Welt aus einem Mischungsverhältnis der vier Elemente bestand: Erde, Luft, Feuer und Wasser. In Empedokles’ Augen waren diese für die facettenreiche Welt der Erscheinungen verantwortlich.

Seine Experimente zeigten, dass selbst die unsichtbare Luft eine materielle Substanz war. Empedokles reihte die Elemente in eine bestimmte Anordnung ein: Erde, Wasser, Luft und Feuer. Jedes Element überlagerte das darunterliegende. Wenn sie gestört würden, so kehrten sie wieder von selbst an ihren Platz in der natürlichen Ordnung der Dinge zurück. Auch unterschiedliche Charaktereigenschaften wie Liebe oder Hass waren letztlich materielle Tendenzen, die sich in einem kontinuierlichen Prozess mischten und lösten. Diese Vorstellung hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Yin- und Yang-Dualismus, wie er sich im alten China entwickelte. Obwohl dieser vermutlich einen anderen Ursprung hatte, glaubte man auch in China, dass es letztlich immer Gegensatzpaare wie Feuer und Wasser bzw. männlich und weiblich waren, aus denen die anderen Elemente hervorgingen. Nur dass man in China fünf Elemente kannte: Metall, Holz, Erde, Wasser und Feuer. Aus diesen entstanden die »zehntausend Dinge«, die Vielfalt der materiellen Welt.

Mit seiner Kosmogonie schuf Empedokles eine Theorie von der allgemeinen Entstehung. Sein Weltbild beschreibt, wie die Elemente sich ursprünglich trennten, wie sich Ozean und Erde, Sonne und Mond und schließlich die Atmosphäre formten. Diese Entwicklung führte er weiter bis zur Biogenese der Pflanzen und Tiere bzw. zur Physiologie des Menschen.

Diese Elementphilosophie bildete auch die Grundlage des alchemistischen Glaubens. Gold selbst und auch alle niederen Metalle wie Quecksilber und Blei bestanden aus den Elementen Feuer, Luft, Wasser und Erde. Daraus folgte: Wenn man die Anordnung der ursprünglichen Elemente verändern konnte, dann mussten sich niedere Metalle doch letztlich in Gold verwandeln. Gold aber galt als allen anderen Metallen überlegen, weil es seiner Natur entsprach, alle vier Elemente in vollkommenem Gleichgewicht zu vereinen.

Warum Gold?

Heute kennen wir 86 Metalle. In alter Zeit aber waren nur sieben bekannt: Gold, Silber, Kupfer, Eisen, Blei, Zinn und Quecksilber. Das sind die Metalle der Antike, die die alten Völker in Mesopotamien, Ägypten, Griechenland und Rom kannten. Von diesen sieben Metallen war es das Gold, das die menschliche Fantasie am meisten beflügelte. Und das blieb auch in den folgenden Jahrtausenden so.

Gold läuft nicht an. Es behält seine Farbe. Es bröckelt nicht. Den antiken Kulturen schien Gold unzerstörbar. Und doch ließ es sich so leicht bearbeiten. Aus einer einzigen Unze Gold lassen sich 90 Quadratmeter dünnes Goldblech schlagen.

Bis zum Jahr 1850 waren in der Menschheitsgeschichte nicht mehr als circa 10 000 Tonnen Gold gefördert worden. Ein Eisbär wiegt ungefähr eine Tonne. Wir haben also gerade mal so viel Gold gefördert, wie 10 000 Eisbären auf die Waage bringen. Das hört sich zunächst nach viel an, aber immerhin sprechen wir dabei über die gesamte Geschichte der Menschheit. Nehmen wir ein anderes Beispiel: Ein Blauwal wiegt etwa 100 Tonnen. Wir haben also so viel Gold gefördert, wie 100 Blauwale schwer sind. Schon klar, warum die Leute stets Appetit auf mehr hatten, oder?

Der Alchemist bei der Arbeit

Im 16. und 17. Jahrhundert zogen die Alchemisten von Königshof zu Königshof und behaupteten, sie hätten das Geheimnis zur Herstellung des Steines der Weisen entdeckt. Prinzen und Fürsten luden sie ein und ermöglichten ihnen die Jagd nach alchemistischem Gold. Für die Alchemisten war dies natürlich sehr gewinnträchtig. Auf diese Weise konnte man den hohen Adligen leicht eine ganze Menge Geld aus der Tasche ziehen.

Doch viele Alchemisten suchten nicht nur aus schierer Gier nach dem Stein. Gold war in ihren Augen Materie in ihrer höchsten Form. Es stand für Erneuerung und Regeneration des Menschen. Ein »goldener« Mensch strahlte vor spiritueller Schönheit und würde immer und ewig über die lauernden Mächte des Bösen triumphieren. Blei, das niedrigste Metall, stand für den sündigen, zur Reue unfähigen Menschen, der sich den Kräften der Finsternis ergab.

Ein Paradebeispiel für einen praktizierenden Alchemisten ist der berühmte britische Wissenschaftler und Philosoph Isaac Newton. Wie andere Alchemisten suchte auch Newton in alten Schriften nach dem Rezept für den Stein. Eines dieser Rezepte fand er in den Werken Ovids. Ovid hatte als Dichter unter dem römischen Kaiser Augustus gelebt. In seinen Metamorphosen beschreibt er Vulkan, der seine Gattin Venus im Bett mit dem Kriegsgott Mars erwischt. Deshalb fertigte der geschickte Schmied ein Netz aus feinem Metall, in dem er die Liebenden fing. In diesem Netz hängte er sie an die Decke, sodass jeder sie sehen konnte.

Nun stehen in der Alchemie Venus, Mars und Vulkan für die Metalle Kupfer, Eisen und Feuer. Das machte den Mythos in Newtons Augen zum alchemistischen Rezept. Und tatsächlich gelang es Newton, eine purpurrote Legierung herzustellen, die er »das Netz« nannte. Diese hielt er für die erste Stufe zur Herstellung des Steins der Weisen.

Moderne Wissenschaftler kochten Newtons alchemistische Rezepturen nach, weil sie davon ausgingen, dass sie erste Ansätze moderner Wissenschaft enthielten – Experimente, die wiederholt und validiert werden konnten. Da auch andere Mitglieder der britischen Royal Society of London for Improving Natural Knowledge (Akademie der Wissenschaften) Alchemisten waren, führte die geheime Praxis der Alchemie also zu einem intensiveren Studium der Natur und ihrer magischen Momente.

Der Traum der Alchemisten:
Wo werden niedrige Metalle
zu Gold?

Im Harry-Potter-Universum ist die Alchemie ein Zweig der Magie. Die Alchemie ist eine alte Wissenschaft, die sich dem Studium der vier klassischen Elemente widmet: Erde, Luft, Feuer und Wasser. Magische Alchemie beschäftigt sich mit der Verwandlung von Stoffen. Sie hat also mit Chemie zu tun, mit der Kunst, Zaubertränke zu brauen, und natürlich mit dem Verwandlungszauber. Schon in der Antike wurde die Alchemie gleichsam philosophisch betrieben, weshalb sie mit allerlei metaphysischen und mystischen Spekulationen vermengt war. Selbst im 20. Jahrhundert gab es noch Zauberer, die sich aktiv mit magischer Alchemie befassten. Und wenn es genügend Anmeldungen gibt, bietet man dieses Fach auch in Hogwarts als Wahlkurs für die Schüler der sechsten und siebten Jahrgangsstufe an.

Und so findet die magische Alchemie immer wieder auf subtile Weise Eingang in die Harry-Potter-Geschichten. In alten alchemistischen Schriften geht es häufig um die Farben Rot und Weiß. Die Gelehrten gingen davon aus, dass Rot und Weiß – wie die Metalle Silber und Gold – symbolisch für grundlegende Aspekte der menschlichen Natur standen. Und so begegnen uns diese Farben im Namen zweier Hauptpersonen wieder, die für Harry ganz besondere Bedeutung haben: Hagrids Vorname lautet Rubeus (rot), derjenige Dumbledores ist Albus (weiß). Aber auch in unserer Welt gibt es immer noch Menschen, die sich von der Alchemie angezogen fühlen.

Die Schaffung eines Elixiers, das Unsterblichkeit verleihen sollte, war ein Ziel der Alchemie, ein anderes die Synthese von »Alkahest«, eines universellen Lösungsmittels. Letzteres wurde für den Prozess der Chrysopoeia gebraucht, die Verwandlung niederer Metalle in edlere, vor allem in Gold. Man weiß heute, dass die frühen alchemistischen Bestrebungen in Europa, Ägypten und Asien Vorläufer der modernen Wissenschaft waren. Dies trifft insbesondere auf die Medizin und die Chemie zu.

Aber vermutlich wissen Sie nicht, dass die moderne Wissenschaft den Traum von der Chrysopoeia wahr gemacht hat. Denn in unserem unfassbar weiten Kosmos werden tatsächlich niedere Metalle in Gold verwandelt.

Der Ursprung der klassischen Elemente

Werfen wir doch mal einen Blick auf die Entstehung der Elemente. Die alten Griechen behaupteten, dass die Welt aus vier Elementen bestand: Erde, Luft, Feuer und Wasser. Aristoteles glaubte, der Kosmos sei eine göttliche Schöpfung, letztlich aber unbelebt und schlafend. In seiner Vorstellung war das Universum geozentrisch und zweistöckig. Die Erde war wandelbar und stand im Zentrum dieser Welt. Darüber lag die sublunare Sphäre, die von der Erde zum Mond reichte. Auch sie war den Veränderungen der vier Elemente unterworfen und damit Wandel, Tod und Verfall preisgegeben.

Oberhalb des Mondes begann die superlunare Sphäre, die nicht mehr aus den – dem Wandel unterworfenen – vier Elementen bestand. Denn der Rest des Kosmos war ein System aus kristallinen Himmelssphären, das bis zu den Fixsternen hinaufreichte und aus anderem Stoff geschaffen war – der Quintessenz, dem fünften Element. Die Quintessenz ist unberührbar und unveränderlich. Sie manifestiert sich makellos in den konzentrischen Kristallsphären, die sich über der Erde wölben und die Bahnen der Himmelskörper vorgeben. Je weiter wir den Mond hinter uns lassen, desto reiner wird die Quintessenz, bis sie die reinste Form des aristotelischen Universums überhaupt annimmt, die Form Gottes, des ersten Bewegers.

Doch schon Galileos erste Beobachtungen mit dem Fernrohr unterminierten grundlegende Annahmen des aristotelischen Modells. Galileo zeigte, dass Himmel und Erde letztlich aus demselben Stoff bestanden. Der Mond zeigte sich voller Krater und Berge, die Sonnenflecken waren eben genau das: Befleckungen der Quintessenz. So begann es den Naturforschern jener Tage allmählich zu dämmern, dass die wandelbare Materie das ganze Universum erfüllte. Oder wie Galileo selbst schrieb: »Gibt es denn eine größere Narretei als die, Edelsteine, Gold und Silber als ›edel‹ zu bezeichnen, Erde und Schmutz hingegen als ›niedrig‹? ... Die Menschen, die das Hohelied der Unwandelbarkeit, der Unveränderlichkeit und so weiter singen, verdienten es, vom Haupte der Medusa in Statuen aus Jade und Diamant verwandelt zu werden, denn dann wären sie endlich vollkommener, als sie es tatsächlich sind ... Es ist meine Meinung, dass die Erde höchst edel und bewundernswert ist eben wegen der unzähligen Veränderungen, Mutationen und neuen Generationen, die ständig darin auftreten.«

Der Ursprung der Elemente

Spulen wir doch mal 400 Jahre vor. Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Periodensystem der Elemente entdeckt. Als man im 20. Jahrhundert über den Beginn des Universums stritt und die Theorie vom Big Bang entstand, musste diese natürlich auch alles erklären können, was der Kosmos einschloss. Dazu gehörten auch die chemischen Elemente und ihre Entstehung.

Die Vertreter der Big-Bang-Theorie stellten fest, dass das Universum sich ständig veränderte. George Gamow, einer der großen Kosmologen des 20. Jahrhunderts, drückte dies so aus: »Wir sind zu dem Schluss gelangt, dass die Fülle verschiedenartiger Atome das älteste archäologische Zeugnis für die Geschichte des Universums darstellt.« Anders gesagt: Das Periodensystem der Elemente ist der Beweis dafür, dass die Materie einer evolutionären Entwicklung unterliegt. Die Atome sind also Zeugen der Geschichte des Kosmos.